Die Menschenfabrik - Oskar Panizza - E-Book

Die Menschenfabrik E-Book

Oskar Panizza

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Beschreibung

Schon 1890, lange vor Orwell und Huxley, hat Oskar Panizza sich in Die Menschenfabrik prophetisch, fesselnd und verstörend mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Mensch und Maschine auseinandergesetzt. Seine Erzählung handelt von der Optimierung der Menschheit, von der drohenden Herrschaft der künstlichen Intelligenz – und fragt danach, was den Menschen überhaupt ausmacht.

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Seitenzahl: 41

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Oskar Panizza

Die Menschenfabrik

Erzählung

Mit einem Vorwort von Joachim Bessing

Hoffmann und Campe

Vorwort

Just Landed Cosmic Kid

Gäbe es das Ende nicht, den Schluss dieser phantastischen Erzählung, der eine Pointe liefern soll, das Alter dieses Textes ließe sich schwer nur schätzen. Bücher sind unglaublich langsame Frachter. Der Schriftsteller schreibt einen Brief an eine Zukunft, die er unmöglich kennen kann. Zu Lebzeiten Oskar Panizzas war diese schöne Langsamkeit, die eine Langatmigkeit fordert, vermutlich noch nicht entdeckt, da erst im Verlauf des nächsten, des zwanzigsten Jahrhunderts, die anderen Mittel, eine Botschaft an die Mitwelt abzusenden und einen Eindruck zu hinterlassen, der, so bleibt zu hoffen, verbindlich wirkt, am Buch vorbeigezogen sind. Panizza schreibt am Ende einer Epoche und stirbt unter den bekannten Umständen, bevor Grammophon, Film, Typewriter beherrschend sich auswirken können. So wirkt dann dieser Schluss auf beinahe unangenehme Weise mildernd ein auf den Gehalt der massenhaft vervielfältigten Botschaft, die Panizza vor unglaublich lang schon vergangenen Tagen im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts an uns Zukünftige abgesandt.

Die Beschäftigung mit den Wunderwerken der Industrialisierung hat zu dieser Zeit so einige Schriftsteller zu, aus damaliger Sicht, merkwürdigen Gedankenspielen inspiriert. Bei Marcel Proust gibt es in der Suche nach der verlorenen Zeit einen Gedanken während einer Bahnfahrt aufs Land, da sitzt sein Erzähler im Abteil einem Duo von Männern gegenüber, die sich auf ihn frappierende Weise ähnlich sind, nicht nur von ihrer Gestalt her (ihre Gesichter beschreibt er als tomatenhaft) oder wie sie sich gekleidet haben, sondern auch in ihren Gesten und Reaktionen auf Umweltreize dergestalt, dass er sich fragt, »ob die Natur etwa über Nacht auf industrielle Fertigung umgestellt haben könnte«.

Im Kommenden Geschlecht von Edward Bulwer-Lytton, gut zwanzig Jahre vor der Menschenfabrik erschienen, ist es eine unterirdisch verborgene Welt, in die seine männliche Alice nach einem Ehestreit durch ein Erdloch flüchtend gelangt, wo übermenschlich große, aus opakem Plasma gewachsene Wesen einer künftigen Weiblichkeit ihn umsorgen und heilen sollen.

Und noch in Vladimir Nabokovs zweitem Roman König, Dame, Bube, hier sprechen wir schon von den zwanziger Jahren, kurz vor der Realität gewordenen Menschenvernichtungsfabrik, gelangt der Protagonist nach Ladenschluss in das Geschäft eines Berliner Herrenausstatters, wo der ihm dann die Kollektionen aus, gerade wie von Bulwer-Lytton entliehenen, Mannequins vorführen lässt, die zwar durchaus menschliche Proportionen aufweisen, aber ansonsten keine Lebewesen sind, sondern dreidimensionale Figuren aus schimmerndem Plasma.

Das Uniforme, von Eigenheiten Freigebrannte, mit klinisch makellosen Oberflächen Schimmernde, die Schönheit des Unnatürlichen eint all diese Phantasien.

Und gäbe es diesen Schluss jetzt nicht, wenn die Geschichte zum Beispiel endete mit dem Satz von der glänzend bestrahlten Burg und von den Kirchen und Gärten; wenn es das bloß wäre, was unser Erzähler im Morgenschein zu Gesicht bekommt, nachdem er angeblich eine ganze Nacht in der Menschenfabrik verbracht hat, dann könnten wir uns doch ganz gut beschrieben fühlen. Zumindest, was den nächtlichen Teil unseres Lebens im neuen Jahrtausend betrifft.

Was einmal Träume waren, Ideen, Wünsche, sind jetzt manifeste Projekte. Man erfährt eher zufällig, was in den Laboratorien in, wahrscheinlich, Singapur schon möglich gemacht worden ist. Das Gemachte aber ist wesentlich geworden. Auch wenn Oskar Panizza zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Menschenfabrik (1890) vermutlich – es lässt sich wirklich bloß noch vermuten – seine Zeitgenossen irrsinnig provozieren konnte mit seiner Beschreibung der Tatsache, dass in der Menschenfabrik, wie sein Erzähler mit Schrecken feststellt, menschenähnlich geratene Figuren aus einer lehmartigen Masse fabriziert werden, ist es heute egal geworden, wie und womit man sich an der Genesis vergeht. Gerade las ich in der Zeitung eine kleine Meldung, wonach es französischen Forschern gelungen sein soll, mithilfe von in das Rückenmark eingesteckten Sensoren einige Querschnittsgelähmte wieder aufrecht gehen zu lassen. Das wird das nächste große Ding nach dem Exoskelett.

Dass der eigene Wille geschehe, gehört zur Déformation professionnelle des Schriftstellers. (Ich verwende hier den französischen Ausdruck im Original nicht etwa, um mich zu zieren, bloß empfinde ich halt die Umschreibung im Deutschen als grob.) Ich kann mich erinnern an einen Abend in Frankfurt im für die Zukunftsgläubigen meiner Generation magischen Jahr 2001, als mir der inzwischen verstorbene Frank Schirrmacher seine Phantasie einer Zukunft erzählte, besser gesagt, ausmalte, denn ich hatte ihn, also Schirrmacher als Literaten, nach dem Grund für seine Euphorie gefragt, was die damals noch ganz neuartige Gentechnologie betraf. Dabei ging es mir vor allem um sein Kunstwerk, sämtliche Seiten des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen mit dem angeblich entschlüsselten genetischen Code des Menschen bedrucken zu lassen (GATTACA