Dich will ich beschützen - Gina Wilkins - E-Book

Dich will ich beschützen E-Book

GINA WILKINS

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Beschreibung

Der erfolgreiche Privatdetektiv Sam Fields soll Jessica Parks überwachen. Doch seit Sam die schöne junge Frau kennt, will er nur noch eins: sie vor ihrem mächtigen, tyrannischen Vater beschützen. Sein Glück kennt keine Grenzen, als die junge Kunstmalerin seine leidenschaftlichen Gefühle erwidert. Aber ihre stürmische Liebe droht zu zerbrechen: Jessica erfährt, dass Sam zunächst im Auftrag ihres Vaters tätig war, und glaubt, dass er sie verraten hat …

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Seitenzahl: 201

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IMPRESSUM

Dich will ich beschützen erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2004 by Harlequin Books S. A. Originaltitel: „The Homecoming“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA, Band 1524 Übersetzung: Patrick Hansen

Umschlagsmotive: Getty Images_Seda Bazna, ELIZABETH POLIASHENKO

Veröffentlicht im ePub Format in 2/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751513487

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

Das Armband in Jessica Parks’ Hand war unbestreitbar hübsch. Mehrfarbige, in Silber gefasste Halbedelsteine funkelten sie fröhlich an, aber sie empfand nicht die geringste Freude darüber. Stattdessen fragte sie sich verblüfft, wie es in die Tasche ihrer langen schwarzen Sweat-Jacke gelangt war.

Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, es eingesteckt zu haben. Sie wusste nur noch, dass sie es bewundert hatte, als sie mit ihrer besten Freundin Caroline durch das Kaufhaus gebummelt war. Aber an sich genommen hatte sie es ganz bestimmt nicht.

Jessica schluckte schwer und zog eine mittlere Schublade der Kirschholzkommode auf. Auf Samt lagen darin fünf kleine Schmuckstücke – sechs, wenn sie das Armband dazuzählte. Die kleine Kollektion reichte von einem Paar goldener Ohrringe zu der winzigen, wie ein Flügel geformten Schatulle aus Goldemaille und war im Verlauf des letzten Jahres auf wundersame Weise in ihren Besitz geraten. Manchmal fand sie etwas in ihrer Jackentasche, ein anderes Mal in der Handtasche. Eins davon – eine winzige Rose aus Kristall – war in der Mappe aufgetaucht, die sie zum Einkaufen mitgenommen hatte, weil sie anschließend zeichnen wollte.

Sie deponierte das Armband wieder in der Schublade und schloss sie hastig, als würden die Schmuckstücke von selbst zu ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückkehren, wenn sie sie nicht mehr sah.

Die vergessenen Ladendiebstähle waren beunruhigend – zumal sie schon als wütender, rebellischer Teenager gestohlen hatte. Meistens aus den Juweliergeschäften ihres Vaters und aus seinem Büro oder Arbeitszimmer, um ihr karges Taschengeld aufzubessern. Aber damals hatte sie immer gewusst, was sie tat, und ihre Beute sorgfältig ausgewählt. Das hier war ganz anders.

Es gab noch andere Episoden. Mal lagen ihre Schlüssel im verschlossenen Wagen, obwohl sie sicher war, dass sie sie beim Aussteigen mitgenommen hatte. Mal fand sie ihr Portemonnaie im Kühlschrank, einen Karton mit geschmolzenem Speiseeis im Atelier und im Schminkkoffer Kosmetika, die sie nicht gekauft hatte.

Noch schlimmer waren die seltsamen Ergänzungen, die sie an einigen Bildern vorgenommen hatte. Sicher, alles in ihrem Stil, aber nichts, woran sie sich erinnerte.

Vielleicht sollte sie es jemandem erzählen. Einem Psychotherapeuten, zum Beispiel. Aber dieser Zeitpunkt war denkbar ungünstig, denn sie hatte einen Plan geschmiedet, der den Höhepunkt ihres sechsundzwanzig Jahre langen Widerstands gegen ihren herrischen und alles kontrollierenden Vater bilden würde.

Ich schaffe es, sagte Jessica sich. Egal, ob ihr eigenartiges Verhalten am Stress und der Nervosität oder einfach nur an künstlerischer Zerstreutheit lag, sie würde es mit reiner Willenskraft in den Griff bekommen. Vielleicht hatte sie von ihrer Mutter deren Unausgeglichenheit geerbt, aber von ihrem Vater hatte sie seine rücksichtslose Entschlossenheit mitbekommen.

Dieses Mal würde nichts und niemand sie davon abzuhalten, das zu tun, was sie für richtig hielt.

1. KAPITEL

Sam Fields wartete, bis Jessica Parks’ kleiner roter Sportwagen außer Sicht war, bevor er in ihr Cottage einbrach.

Dieses Mal brauchte er ihr nicht zu folgen, denn er wusste, wohin sie wollte. An jedem Mittwochnachmittag unterrichtete sie als ehrenamtliche Kunstlehrerin emotional gestörte Teenager. Meistens blieb sie drei Stunden fort und zog sich anschließend bis zum späten Abend in ihr Atelier zurück. Die Arbeit mit den Jugendlichen schien sie künstlerisch zu inspirieren.

Aus reiner Neugier sah er sich dort um, wo sie malte. Den Raum zu finden war kein Problem. Das Cottage war nicht groß genug, um sich darin zu verlaufen – ganz anders als die Villa gleich nebenan, in der sie aufgewachsen war.

Er verbrachte eine ganze Weile damit, sich die Bilder anzusehen, die auf Staffeleien standen oder an den Wänden lehnten. Obwohl er ihre Arbeiten schon in den Galerien von San Francisco gesehen hatte, beeindruckte ihn ihre Ausdruckskraft erneut. Es erstaunte ihn, dass eine so zarte, fast zerbrechlich wirkende junge Frau solche kühnen, herausfordernden Kunstwerke erschaffen konnte.

Von einer kleinen Blondine, deren ovales Gesicht anmutige Grübchen aufwies und von auffallend blauen Augen beherrscht wurde, hätte er eher hübsche Aquarelle oder klassische Stillleben erwartet. Stattdessen waren ihre Bilder unberechenbar und ungezähmt, mit Elementen von Rebellion, Zorn und Sinnlichkeit.

Sein Blick fiel auf drei Leinwände, die in einer Ecke standen. Keines der Bilder war vollendet, stellte er fest, als er sie betrachtete. Es war, als hätte sie bei jedem einen bestimmten Punkt erreicht und dann jäh abgebrochen. Vielleicht war sie damit nicht zufrieden.

Erst bei genauerem Hinsehen bemerkte er, dass sie anders waren als ihre sonstigen Arbeiten. Der Stil war zwar ähnlich, aber vor allem die Farben stachen ins Auge. Manche sahen aus, als wären sie im Zustand extremer innerer Unruhe hinzugefügt worden. Andere wirkten wie von einem computergesteuerten Roboter gemalt. Es waren Bilder, die mit einem Thema begonnen, dann jedoch abrupt verändert und schließlich unfertig zur Seite gestellt worden waren.

Seltsam, dachte Sam, während er die Leinwände exakt so platzierte, wie er sie vorgefunden hatte. Aber andererseits war seltsames Verhalten genau das, was er von Jessica Parks erwartete.

Sorgfältig durchsuchte er das Cottage, in dem sie auf dem Anwesen ihres Vaters im noblen Pacific Heights lebte, fand jedoch wenig Interessantes, bis er das Schlafzimmer erreichte. Auf dem Nachttisch lag ein aufgeschlagener Krimi. Nirgendwo waren Fotos zu sehen.

Er ignorierte die herumliegenden Dessous, in denen er sie sich lieber nicht vorstellen wollte, und inspizierte die Schubladen des Schminktischs und der Kommode. Sie enthielten weder ein Tagebuch noch Briefe. Nichts, das ihm einen Hinweis darauf geliefert hätte, was sie in letzter Zeit getan hätte. Erst als er eine kleine Schublade in der Mitte des Schminktischs aufzog, fand er etwas Bemerkenswertes.

Nachdenklich starrte er auf den Schmuck, der auf dem Samt lag. Alle Stücke waren offensichtlich neu, einige sogar noch mit einem Preisschild versehen. Er nahm das mit Steinen besetzte Silberarmband heraus, ließ es an einem Finger baumeln und spitzte die Lippen, bevor er es zurücklegte.

Kurz darauf verließ er das Cottage und schloss sorgfältig hinter sich ab.

Jessica wurde verfolgt. Und das nicht zum ersten Mal. Sie kannte den Kerl. Es war der, der sie seit zwei Monaten fast ununterbrochen beschattete.

Auch heute war er wieder getarnt – mit einer zottigen, schmutzig braunen Perücke mit Pferdeschwanz unter einer schwarzen Strickmütze. Eine dunkle Sonnenbrille verbarg das halbe Gesicht. Er trug eine schäbige Jeansjacke über einem Flanellhemd und verblichenen Blue Jeans. Aber sie erkannte ihn auch dieses Mal, genau wie zuvor in dem maßgeschneiderten Business-Anzug, der Motorradkluft oder dem Overall der Stadtentwässerung.

Etwas an der Art, wie er sich bewegte, ließ ihn sogar inmitten einer Menschenmenge auffallen. Offenbar hatte er vergessen, dass sie eine Künstlerin war und auf jedes Detail achtete.

Sie wollte nicht daran denken, wie oft er sie vielleicht schon beobachtet hatte, ohne von ihr bemerkt zu werden. Und sie wollte nicht wissen, welchen Eindruck er sich dabei von ihr gemacht hatte – und den er pflichtgemäß seinem Auftraggeber gemeldet hatte.

Weil es sie so nervös machte, schien sie stets etwas Dummes zu tun. Ein Mal hatte sie in ihrem Lieblingsgeschäft für Malerbedarf ein Regal mit Pinseln und Farben umgekippt und sich so geschämt, dass sie es seitdem nie wieder betreten hatte. Ein anderes Mal war sie aus einem Kaufhaus gerannt, mit einem seidenen T-Shirt in der Hand, das sie bewundert hatte. Dass sie damit am Ausgang eine Sirene ausgelöst und ein herbeieilender Angestellter sie zur Rede gestellt hatte, war äußerst erniedrigend gewesen.

Um ihre Unschuld zu beweisen, hatte sie gleich drei T-Shirts gekauft, in verschiedenen Farben. Danach hatte sie mehrere Wochen lang äußerst sparsam leben müssen, bis sie zwei Bilder verkaufen und ihr leeres Konto wieder auffüllen konnte.

Jessica atmete tief durch und schwor sich, dass ihr dieses Mal kein Missgeschick unterlaufen würde, während sie ihren Verfolger abschüttelte. In weniger als einer Stunde hatte sie eine geheime Verabredung, von der er auf keinen Fall etwas wissen durfte.

Als sie sicher war, dass sie nichts in den Händen – oder in den Taschen – hatte, sah sie sich hastig in der Apotheke um, in der sie ein Medikament gegen ihre Migräne geholt hatte. Der Mann stand auf der anderen Seite des Raums und interessierte sich auffallend intensiv für ein Regal mit frei verkäuflichen Schmerzmitteln.

Sie wünschte, sie könnte ihm persönlich einen Grund für eine hohe Dosis davon verschaffen, schlüpfte in einen schmalen Gang und huschte durch den Seitenausgang in eine lange Gasse.

Es war ein dunkler Nachmittag, typisch für San Francisco im November. Graue Wolken tauchten die Mauern in Schatten, und Jessica sah den Mann in einem Durchgang erst in dem Moment, als er sich ihr den Weg stellte.

Abrupt blieb sie stehen und presste eine Hand auf ihr klopfendes Herz. Zunächst glaubte sie, es wäre ihr Verfolger aus der Apotheke, doch der zweite Blick zeigte, dass es ein Fremder war. Ein sehr großer und brutal aussehender Fremder.

„Entschuldigen Sie mich“, sagte sie und versuchte brüsk und selbstsicher zu klingen. „Sie stehen im Weg.“

„Tue ich das?“ Sein Gesicht war kantig. In seinen dunklen Augen lag eine provozierende Unverschämtheit.

„Ja.“ Sie machte einen Schritt zur Seite, doch er tat es ebenfalls und kam ihr dabei noch näher.

„Nicht so eilig“, knurrte er.

Jessica drehte sich auf dem Absatz um, doch der Mann war schneller, als sie erwartet hatte, und hielt sie am Arm fest.

Nachdem sie vor fünf Jahren von einem Straßenräuber überfallen worden war, hatte sie mehrere Kurse in Selbstverteidigung absolviert, aber in dieser Situation war sie eindeutig im Nachteil. Trotzdem hob sie abwehrend eine Hand und öffnete den Mund, um zu schreien.

Bevor sie einen Laut von sich geben konnte, tauchte noch jemand in der Gasse auf. So schnell, dass der Angreifer sich dagegen wie in Zeitlupe zu bewegen schien, schob der Neuankömmling Jessica unsanft zur Seite, ohne den größeren Mann auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

„Wie wär’s mit einem echten Kampf?“ fragte der Mann, der ihr in die Apotheke gefolgt war.

Zeit zu verschwinden, entschied Jessica und rappelte sich auf. Sie war auf dem Hinterteil gelandet, als ihr Retter sie aus der Kampfzone befördert hatte. Hektisch sah sie sich nach ihrer roten Einkaufstasche um. Die durfte sie nicht zurücklassen, denn im Moment enthielt sie alles, was ihr wichtig war.

Sie beugte sich hinab, um unter einem Müllcontainer nachzuschauen, fand sie nach kurzer Suche und griff danach. Doch die Tasche hatte sich an etwas verfangen, also zerrte Jessica mit beiden Händen daran und wäre fast umgefallen, als sie sich löste.

Jemand stützte sie von hinten. Sie presste die Tasche an sich, wirbelte herum und war nicht sicher, ob sie erleichtert sein sollte, als sie nur den Mann aus der Apotheke vor sich sah. Der Angreifer war verschwunden.

„Sind Sie okay?“

Sie wich zurück. „Es geht mir gut.“

„Tut mir Leid, ich wollte nicht, dass Sie hinfallen.“

„Bleiben Sie einfach nur weg von mir.“

„Gern geschehen“, murmelte er.

„Soll ich etwa dankbar dafür sein, dass Sie mich seit Wochen verfolgen?“ fragte sie scharf.

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, erwiderte er.

„Sicher.“ Sie wandte sich ab. „Und ich nehme an, Sie arbeiten auch nicht für meinen Vater.“

Er sagte kein Wort, als sie davonging. Am Ende der Gasse schaute sie über die Schulter. „Wenn ich Sie jemals wieder bemerke, werde ich die Polizei rufen und Sie wegen Nachstellung anzeigen.“

Sie ergriff die Flucht, bevor er seine Niederlage eingestehen konnte. Das taten die Männer, die ihr Vater als ihre Beschützer engagierte, nämlich meistens, wenn ihre Tarnung aufflog. Diesen hier hatte sie nur deshalb noch nicht zur Rede gestellt, weil er dann durch jemanden abgelöst werden würde, den sie möglicherweise nicht so schnell bemerken würde.

Und es war immer besser, seine Feinde zu kennen …

So schnell gab Sam Fields nicht auf. Natürlich ärgerte ihn, dass Jessica Parks ihn entdeckt hatte, aber das machte ihn nur noch entschlossener, seinen Job ab jetzt besser zu machen.

Er war sicher, dass sie ihn nicht sah, als er an diesem Nachmittag beobachtete, wie sie sich mit Derek Ross traf.

Wie erwartet war sie nach der Begegnung in der Gasse nach Hause geeilt, um sich umzuziehen. Er nutzte die Gelegenheit und wechselte seine Tarnung, während er in der Nähe des Anwesens parkte. Er verzichtete auf die Perücke, so dass sein eigenes dunkelblondes Haar zu Vorschein kam, und wechselte die Sonnenbrille gegen eine mit braunem Gestell und Fensterglas, das Flanellhemd gegen ein Cal Tech T-Shirt mit langen Ärmeln, die Jeansjacke gegen einen Pullover mit V-Ausschnitt und die schmutzigen Stiefel gegen Mokassins aus. Er tat etwas Gel ins Haar und strich es glatt. Aus dem schäbigen Straßentypen war ein junger Geschäftsmann an seinem freien Tag geworden.

Als Jessica sich in einem schummrigen Café in der City von San Francisco mit Derek Ross traf, saß Sam in einer Nische in ihrer Nähe. Er hatte ihnen den Rücken zugekehrt, konnte sie jedoch in einem Wandspiegel beobachten.

Dieses Mal würde Jessica ihn nicht bemerken.

Er wusste nicht, warum er in diesem Fall so beharrlich war. Sicher, das Geld stimmte, und seine Detektei konnte eine Kapitalspritze gebrauchen. Aber verdammt, sein Klient saß im Gefängnis, und die Frau, die er beschatten sollte, war … schwierig. Jessica Parks war impulsiv, unberechenbar und temperamentvoll.

Natürlich erwartete man, dass eine Künstlerin so war, aber laut ihrem Vater war sie so exzentrisch, dass es alle Grenzen sprengte. Schon als Kind hatte sie sich so oft Ärger eingebrockt, dass die Familie um ihre emotionale Stabilität fürchtete. Offenbar ähnelte sie darin ihrer Mutter, die seit fünfundzwanzig Jahren in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war.

Vielleicht hatte Jessica die Probleme ihrer Mutter geerbt, aber Sam fragte sich, ob ihre Neigung zu Ladendiebstählen nicht eher von ihrem Vater stammte. Schließlich saß Walter Parks in Untersuchungshaft. Wegen des Schmuggels von Edelsteinen, Unterschlagung und Mordes. Der Mann beteuerte seine Unschuld und behauptete, von seinen Feinden hereingelegt worden zu sein. Sam hatte er angeblich nur deshalb engagiert, weil er sich um sein jüngstes Kind sorgte. Jessica, so hatte er vorhergesagt, würde mit dem Druck nicht fertig werden und mit den Verhaltensweisen reagieren, die sie schon früher gezeigt hatte – Ladendiebstahl, Schlafwandeln, Verfolgungswahn, Gedächtnisverlust.

Außerdem war sie vor acht Jahren entführt und zwei Wochen lang festgehalten worden, bis Walter das Lösegeld bezahlt hatte. Die Kidnapper waren nie geschnappt worden, und Walter wollte das Schicksal kein zweites Mal herausfordern. Besonders schien ihren Vater zu stören, dass sie sich mit Derek Ross angefreundet hatte. Ross war der Schwager eines alten Geschäftspartners – den Walter angeblich ermordet hatte.

Sam riskierte einen weiteren Blick in den Spiegel. Hinter ihm waren Jessica und Ross in ein Gespräch vertieft. Die beiden rührten die Kaffeetassen nicht an, die vor ihnen standen, und ihm gefiel überhaupt nicht, wie der ältere Mann die junge Frau ansah.

Zugegeben, sie sah scharf aus, aber sie hätte Ross’ Tochter sein können. Von Walter wusste Sam, dass der Mann einmal in Jessicas Mutter verliebt gewesen war. Konnte es sein, dass Ross ein Auge auf die jüngere Ausgabe seiner alten Liebe geworfen hatte?

Sam runzelte die Stirn. Dass er selbst sich gegen die Anziehungskraft wehren musste, war schlimm genug. Dabei war er nur zwölf Jahre älter als Jessica Parks. Bei Ross mussten es mindestens zwanzig sein. Krass, dachte er.

Natürlich ging es ihn nichts an. Sein Job bestand darin, auf sie aufzupassen, während ihr Vater hinter Gittern saß. Walter Parks war zuversichtlich, dass sein Geld, sein Einfluss und das Team von Spitzenanwälten ihm helfen würden, einen Freispruch zu erreichen.

Sam fragte sich, ob er den Auftrag zurückgeben sollte, damit jemand anderes sich um die kaputte Familie und ihre Probleme kümmern konnte. Jemand, den Jessica nicht so leicht entdeckte. Vielleicht sollte er lieber einem untreuen Ehepartner nachspionieren. Oder einem Mitarbeiter, der in die Firmenkasse griff. Wenn er richtig Glück hatte, würde er als nächsten Auftrag einen Versicherungsbetrug oder einen spannenden Hintergrundcheck bekommen.

Alles war besser, als den Babysitter für eine junge Blondine zu spielen, die ihn mit ihrem Aussehen und unberechenbaren Verhalten durcheinander brachte.

„Ich bin wirklich froh, dass du dir Zeit für mich genommen hast“, sagte Caroline Harper am Freitagnachmittag. Es war der Tag, nachdem Jessica sich mit Derek Ross getroffen hatte.

Der Anruf war ungelegen gekommen, denn Jessica war mit den Vorbereitungen für ihre heimliche Reise beschäftigt. Aber Caroline war ihre beste Freundin und hatte so niedergeschlagen geklungen, dass Jessica unmöglich hatte ablehnen können.

„Du warst oft genug für mich da, Caroline“, erwiderte sie. „Was brennt dir auf der Seele?“

Ohne Umschweife erzählte Caroline von ihrer Mutter, die darauf bestand, dass ihre Tochter sie zu Weihnachten besuchte. Darauf hatte sie nicht die geringste Lust, zumal sie erst im Juli in Ohio gewesen war.

„Sie will mich unbedingt ihren Freundinnen vorführen und findet es peinlich, wenn ich zum Fest nicht komme. Natürlich hat sie wieder von ihrer Gesundheit angefangen und mir vorgeworfen, wie verständnislos und undankbar ich bin. Du weißt ja, wie es ist, wenn eine Mutter die verwundete Märtyrerin spielt.“

Jessicas Hände legten sich fester um den Kaffeebecher. „Nein, das weiß ich nicht.“

Caroline biss sich auf die Lippe. „Entschuldige“, murmelte sie. „Das war gedankenlos von mir.“

Jessica zuckte mit den Schultern. Caroline wusste, dass ihre Mutter in einer psychiatrischen Klinik lebte. Aber nicht einmal Caroline hatte eine Ahnung davon, dass Jessica beabsichtigte, Anna Parks nach Hause zu holen.

Ihre Freundin seufzte. „Tut mir Leid. Ich rede dauernd von mir. Dabei ist in deiner Familie so viel passiert. Lass uns darüber sprechen, wie es dir geht.“

„Es geht mir gut“, sagte Jessica nur.

„Komm schon, Jess, es hilft, darüber zu reden. Wie denkst du über das alles?“

Jessicas Mundwinkel zuckten. „Kommt darauf an, was du meinst. Dass mein Vater im Gefängnis sitzt und der Unterschlagung und des Mordes an einem einstigen Geschäftspartner beschuldigt wird? Oder dass mein ältester Bruder mit der Tochter des Mannes durchgebrannt ist, den mein Vater angeblich auf dem Gewissen hat? Oder meinst du meine Schwester Emily, die einen Kronprinzen geheiratet hat und jetzt als Royalty am Mittelmeer lebt, wo sie ein Kind bekommt?“

Caroline schüttelte den Kopf. „Kaum zu glauben, was?“

Aber Jessica war noch nicht fertig. „Vergiss nicht, dass wir vor ein paar Monaten alle glaubten, mein Bruder Rowan wäre bei einem Motorradunfall gestorben. Dabei lebte er auf einer Ranch in Texas. Jetzt ist er mit der Mutter eines süßen kleinen Jungen verheiratet. Und dann sind da noch Tyler und Conrad Carlton, die Söhne meines Vaters mit der Frau des Mannes, als dessen Mörder er jetzt vor Gericht kommt. Die beiden sind also nicht nur meine und Cades Halbbrüder, sondern auch die seiner Frau. Es ist alles so bizarr.“

„Stimmt.“ Caroline nickte mitfühlend. „Wie aus einer Daily Soap. Vielleicht solltest du mal eine Auszeit nehmen und dich erholen. Du könntest malen, lesen, dir ein paar DVDs ansehen – wenigstens, bis dein Vater aus dem Gefängnis entlassen wird.“

Jessica hatte nicht vor, ihrer Freundin zu erzählen, dass sie die Zeit nutzen wollte, um etwas zu tun, das ihrem Vater nicht gefallen würde. „Für dich scheint es keine Frage zu sein, dass er entlassen wird.“

Caroline zog eine schmale Augenbraue hoch. „Ich weiß, du hast ihn immer kritisiert, aber traust du ihm wirklich einen Mord zu?“

Jessica hätte das gern verneint. Doch das konnte sie nicht. Nicht nachdem sie mit Derek Ross gesprochen hatte.

„Jessica?“ Verblüfft sah ihre Freundin sie an. „Du glaubst doch nicht etwa …“

„Ich weiß nicht mehr, was ich glaube“, sagte Jessica erschöpft. „Ich bin einfach zu durcheinander.“

„Er macht sich Sorgen um dich. Das ist mehr, als mein Vater jemals getan hat.“ Nach einem Moment nahm Caroline ihre Tasche. „Ich muss los. Mein Terminkalender ist randvoll. Danke für das Treffen.“ Die beiden Frauen hatten zusammen Kunst studiert, aber während Jessica Malerin geworden war, war Caroline in die hektische – und wesentlich besser bezahlte – Werbebranche gegangen.

Jessica rang sich ein Lächeln ab und begleitete Caroline zur Kasse. Dabei fiel ihr Blick auf einen kleinen Schaukasten mit bunten Kühlschrankmagneten. Während ihre Freundin für sie beide bezahlte, betrachtete sie sie genauer, bis Caroline sie umarmte und die Luft neben ihrer Wange küsste. „Bis später, Kid. Tu nichts Verrücktes, okay? Es wird alles gut.“

Jessica sah ihr nach, als sie davoneilte, und ging in die entgegengesetzte Richtung. „Tu nichts Verrücktes“, murmelte sie und fragte sich, was Caroline damit gemeint hatte. „Was würde sie wohl sagen, wenn sie wüsste, dass ich in die Schweiz fliegen und meine Mutter aus einer geschlossenen Anstalt befreien will? Ob sie das als verrückt …“

Laut quietschende Bremsen übertönten ihre leise Stimme. Bevor Jessica dazu kam, sich danach umzudrehen, traf sie etwas Hartes am Rücken und warf sie unsanft zu Boden.

2. KAPITEL

Jessica landete hart auf Händen und Knien. Ein jäher Schmerz durchzuckte Beine und Arme, und ihre Handflächen fühlten sich an, als wären sie in einen Häcksler geraten.

Der Geruch von warmem, öligem Asphalt stieg ihr in die Nase, und sie verzog das Gesicht, als sie sich ausmalte, was der Sturz aus ihrer guten Hose gemacht hatte. Angesichts der Tatsache, dass ein Auto sie gerade knapp verfehlt hatte, war das ein absurder Gedanke, aber sie klammerte sich daran – alles war besser als die Erinnerung an die quietschenden Bremsen und die Angst, mitten auf der Straße zu sterben.

Aufgeregte Stimmen drangen an ihr Ohr, und eine Wagentür knallte zu. „Sie ist mir direkt vor den Kühler gelaufen! Ich habe sie gar nicht gesehen.“

Jemand packte ihre Schultern. „Sind Sie okay?“

Sie schüttelte den Kopf, hob den Blick und schaute in zwei hellgrüne Augen, die sie nur zu gut kannte. „Verdammt.“

Es war wieder der Kerl, der sie verfolgt hatte. Der sie aus einer bedrohlichen Situation in einer dunklen Gasse gerettet hatte – nachdem er sie hineingetrieben hatte.

„Sind Sie verletzt?“

Auch an seine Stimme erinnerte sie sich. Dass jemand, der einem so sehr auf die Nerven ging, eine so tiefe, melodische Stimme hatte, war absolut unfair. „Es geht mir gut. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.“

Er kniff die Augen zusammen, doch bevor er antworten konnte, drängte sich ein junger Mann mit fettigem Haar zu ihnen vor. „Sie sind mir vor den Wagen gerannt“, sagte er vorwurfsvoll. „Ich hätte Sie fast erwischt. Wissen Sie, wie sich das auf meine Versicherungsprämie ausgewirkt hätte?“

Der Mann, der sie gerade gerettet hatte, drehte sich zu dem aufgebrachten Autofahrer um. „Sie waren viel zu schnell. Sie hätten sie umbringen können.“

„Hey, ich bin doch nicht schuld daran, dass sie zu blöd ist, um auf eine rote Ampel zu achten.“

Ihr Schutzengel wollte aufstehen, aber sie legte eine Hand auf seinen Arm. „Er hat Recht. Es war meine Schuld. Ich war unkonzentriert. Es tut mir Leid“, sagte sie zu dem Autofahrer, der höchstens neunzehn war.

Er begann zu antworten, doch dann schien er ihr Gesicht erstmals richtig wahrzunehmen. Die Röte setzte irgendwo auf der Höhe seines großen Adamsapfels ein und wanderte hoch bis zu seinem zottigen Pony. „Na ja … das ist okay. Ich bin froh, dass Ihnen nichts passiert ist.“

„Danke.“ Jessica ignorierte ihren Retter und streckte dem jungen Mann eine Hand entgegen. „Macht es Ihnen etwas aus?“

Die Röte des Teenagers vertiefte sich, als er ihr verlegen auf die Beine half. „Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte er. „Sie mitnehmen, vielleicht?“

„Nein danke.“ Sie lächelte ihm zu. „Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich komme allein zurecht. Wir sollten jetzt besser gehen, bevor der Auflauf noch größer wird.“