Die 101 wichtigsten Fragen: Hitler - Volker Ullrich - E-Book

Die 101 wichtigsten Fragen: Hitler E-Book

Volker Ullrich

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Beschreibung

Woher stammte Hitler? Wie erklärt sich die Wirkung von Hitlers Reden? Inwieweit hat die Großindustrie Hitler unterstützt? Wie übte Hitler seine Herrschaft aus? Welche Einkünfte bezog Hitler? War Hitler auf militärischem Gebiet ein Dilettant? Ohne Hitler kein Holocaust?
Auch mehr als siebzig Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches ist Adolf Hitler noch ein Faszinosum. Wer dieser Mann war und welche Rolle er im NS-Regime spielte, das Krieg, Zerstörung und millionenfachen Massenmord über Europa brachte, dem geht dieser Band der Reihe «101 Fragen» nach. Volker Ullrich, Autor der großen zweibändigen Hitler-Biographie, stellt darin die wichtigsten Fragen zu Hitler und gibt kompetent, präzise und allgemeinverständlich die Antworten.

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Volker Ullrich

Die 101 wichtigsten Fragen

Hitler

Verlag C.H.Beck

Zum Buch

Adolf Hitler – ganze Bibliotheken sind über den Mann geschrieben worden, der die Nationalsozialisten an die Macht brachte, einen Weltkrieg entfachte und die Ermordung der europäischen Juden, millionenfaches Leid und einen zerstörten Kontinent als sein Erbe hinterließ. Mit großer Kennerschaft gibt Volker Ullrich in diesem Band Auskunft zu zentralen Fragen der Hitler-Forschung. Seine «101 Fragen» sind eine vorzügliche Einführung in das Leben und Wirken der furchtbarsten Gestalt der deutschen Geschichte.

Über den Autor

Volker Ullrich ist Historiker und leitete bis 2009 das Ressort «Politisches Buch» bei der Wochenzeitung «Die ZEIT». Er hat zahlreiche Werke zur deutschen Geschichte vorgelegt, darunter bei C.H.Beck den Band «Die Revolution von 1918/19» (Wissen) sowie bei S. Fischer die Bücher «Die nervöse Großmacht. Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs 1871–1918» und «Adolf Hitler» (2 Bände 2013/2018).

Inhalt

Vorbemerkung

I. Herkunft und Prägungen

1. Woher stammte Hitler?

2. Wuchs Hitler in ärmlichen Verhältnissen auf?

3. Wurde bereits in der Kindheit der Keim gelegt für die spätere mörderische Karriere?

4. Warum scheiterte Hitler an den Anforderungen der höheren Schule?

5. Inwiefern waren die Jahre in Wien prägend für Hitlers Entwicklung?

6. War Hitler bereits in Wien ein radikaler Antisemit?

7. Welche Bedeutung hatte die Wagner-Passion des jungen Hitler für seinen weiteren Lebensweg?

8. Warum meldete sich Hitler zu Beginn des Ersten Weltkriegs als Freiwilliger?

9. War Hitler der tapfere Frontsoldat, als der er sich später ausgegeben hat?

10. Wie erlebte Hitler das Ende des Krieges?

11. Sympathisierte Hitler zu Beginn der Revolution 1918/19 mit der Linken?

II. Aufstieg zum «Führer»

12. Warum wurde gerade München zum Sprungbrett für Hitlers Karriere?

13. Wann und mit welcher Mitgliedsnummer trat Hitler der Deutschen Arbeiterpartei bei?

14. Welche Begabungen und Fähigkeiten brachte Hitler als Politiker mit?

15. Wie inszenierte sich Hitler als Redner?

16. Wie erklärt sich die Wirkung von Hitlers Reden?

17. Wer waren die wichtigsten Förderer Hitlers zu Beginn seiner Karriere?

18. Mit welchen Mitteln setzte Hitler seinen Führungsanspruch in der NSDAP durch?

19. Wann setzte der Kult um den «Führer» ein?

III. Der erste Griff nach der Macht

20. Warum ließ sich Hitler im November 1923 auf das Risiko eines Putsches ein?

21. Konnte der Coup überhaupt gelingen?

22. Welche Lehren zog Hitler aus dem gescheiterten Putsch?

23. Wie agierte Hitler im Prozess vor dem Volksgericht München?

24. Wie waren die Haftbedingungen in der Festung Landsberg?

25. Wie entstand «Mein Kampf»?

26. Welche zentralen Ideen vertritt Hitler in «Mein Kampf»?

27. War «Mein Kampf» ein ungelesener Bestseller?

IV. Der zweite Griff nach der Macht

28. Warum ließ die bayerische Regierung die Neugründung der NSDAP zu?

29. Wie erklärt sich die Stagnation der Hitler-Bewegung nach Aufhebung des Verbots?

30. Warum profitierte Hitler am meisten von der Weltwirtschaftskrise?

31. Hat Hitler in den Wahlkämpfen der Jahre 1930 bis 1933 seinen Antisemitismus gezügelt?

32. Woher kamen die Wähler der NSDAP?

33. Inwieweit hat die Großindustrie Hitler unterstützt?

34. Hätte Hitler von der Macht ferngehalten werden können?

35. Welche Faktoren gaben letztlich den Ausschlag für Hitlers Ernennung zum Reichskanzler?

36. Wie reagierte die Öffentlichkeit auf den 30. Januar 1933?

V. Der Diktator

37. Warum misslang der Versuch der Konservativen, Hitler zu zähmen?  

38. Waren die Nationalsozialisten die Urheber des Reichstagsbrandes?

39. Wodurch gelang es Hitler, Reichspräsident Hindenburg für sich einzunehmen?  

40. Was bedeutete das Ermächtigungsgesetz?

41. War das, was sich in der ersten Jahreshälfte 1933 in Deutschland vollzog, eine Revolution?

42. Welchen Anteil hatte Hitler am nationalsozialistischen «Wirtschaftswunder»?

43. Wie kam es zum Schlag gegen die SA-Führung Ende Juni 1934?

44. Warum schaffte Hitler nach dem Tod Hindenburgs das Amt des Reichspräsidenten ab?

45. Wie übte Hitler seine Herrschaft aus?

46. Wie groß war die Zustimmung der Deutschen für Hitler?

47. Welche Funktion erfüllte der Führermythos?

48. War die NS-Volksgemeinschaft ein bloßes Propagandakonstrukt?

49. Inwieweit bestimmte Hitler die antisemitische Politik des Regimes nach 1933?

VI. Hitler privat

50. Hitler – ein Politiker ohne Privatleben?

51. In welchen privaten Kreisen verkehrte Hitler?

52. Welche Beziehungen pflegte Hitler zu Frauen?

53. Welcher Art war Hitlers Beziehung zu seiner Nichte Geli Raubal?

54. Welche Rolle spielte Eva Braun in Hitlers Leben?

55. Wer zählte zur Berghof-Gesellschaft, wer nicht?

56. Wie verlief ein Tag auf dem Berghof?

57. Welche Hobbys pflegte Hitler?

58. Welche Bücher las Hitler? Wie las er?

59. War Hitler in seiner privaten Lebensführung ein Asket?

60. Welche Einkünfte bezog Hitler?  

61. Wie stand es um Hitlers Gesundheit?

62. Wie hielt es Hitler mit der Religion?

63. Welche Sprachen beherrschte Hitler?

64. Warum wählte sich Hitler gerade Albert Speer zu seinem Lieblingsarchitekten?

VII. Der Weg in den Zweiten Weltkrieg

65. Welche Ziele verfolgte Hitler in der Außenpolitik?

66. Wie ging Hitler vor, um seine außenpolitischen Ziele zu erreichen?  

67. Warum schloss Hitler Anfang 1934 einen Nichtangriffspakt mit Polen?

68. Inwieweit war Hitler in den Putsch österreichischer Nationalsozialisten vom Juli 1934 involviert?

69. Warum beantworteten die Westmächte Hitlers Politik der Vertragsbrüche nicht mit einer militärischen Intervention?

70. Wie wirkten sich die außenpolitischen Erfolge auf Hitlers Selbstbild aus?

71. Wann bereitete Hitler den Übergang von der Revisions- zur Expansionspolitik vor?

72. Worum ging es in der Blomberg-Fritsch-Krise?

73. Wie vollzog Hitler den Anschluss Österreichs?

74. Warum gab sich Hitler mit dem Münchner Abkommen nicht zufrieden?

75. Was bedeutete der Hitler-Stalin-Pakt?

76. Wie reagierten die Deutschen auf den Beginn des Zweiten Weltkriegs?

77. Gibt es eine «Kriegsschuldfrage 1939»?

VIII. Vernichtungskrieg und Holocaust

78. Markierte der Polenfeldzug 1939 den Auftakt zum Vernichtungskrieg?

79. Ließ Hitler das britische Expeditionskorps in Dünkirchen absichtlich entkommen?

80. War Hitler auf militärischem Gebiet ein Dilettant?

81. Wann fasste Hitler den Entschluss zum Überfall auf die Sowjetunion?

82. Flog Rudolf Heß mit Einverständnis Hitlers nach England?

83. Wodurch erhielt das «Unternehmen Barbarossa» den Charakter eines beispiellosen rassenideologischen Vernichtungskriegs?

84. Kam Hitler mit dem Überfall auf die Sowjetunion einem Angriff Stalins zuvor?  

85. Wann kann von einer Wende des Krieges gesprochen werden?

86. Warum erklärte Hitler den Vereinigten Staaten den Krieg?

87. Wie entwickelte sich das Verhältnis Hitlers zur Generalität?

88. Gab es einen Befehl Hitlers zur «Endlösung der Judenfrage»?

89. Ohne Hitler kein Holocaust?

90. Was wussten die Deutschen vom Holocaust?

IX. Der Untergang

91. Ab wann rechnete Hitler mit der militärischen Niederlage?  

92. Warum mied Hitler im Krieg, je länger desto mehr, den öffentlichen Auftritt?

93. Warum misslang das Attentat vom 20. Juli 1944?

94. Welche Folgen hatte das Scheitern des Attentats?

95. Warum unternahm Hitler im Dezember 1944 die Ardennenoffensive?

96. Wie inszenierte Hitler seinen Untergang?

97. Wann fasste Hitler den Entschluss zum Selbstmord?

98. Warum heiratete Hitler am Ende noch Eva Braun?

99. Wie brachten sich Adolf und Eva Hitler um?

100. Was geschah mit den Leichen der beiden?

101. Wie reagierten die Deutschen auf den Tod Hitlers?

Quellen- und Literaturhinweise

I. Quellen

I. Quellen

II. Literatur

II. Literatur

Bildnachweis

Personenregister

Vorbemerkung

«Wenn man sich auch dagegen sträubt, immer wieder muß man sich mit Adolf Hitler beschäftigen. Wie war es möglich, daß dieser Mann die ganze Erde in Wallung bringen konnte?» Das notierte Justizinspektor Friedrich Kellner aus dem hessischen Städtchen Laubach im Dezember 1942. Seine Tagebücher der Kriegsjahre 1939 bis 1945, die 2011 veröffentlicht wurden, zählen zu den wichtigsten Entdeckungen der letzten Zeit. Denn sie widerlegen eindrucksvoll eine in den Nachkriegsjahrzehnten hartnäckig gepflegte Legende, man habe von den Untaten des NS-Regimes nichts gewusst und auch nichts wissen können. Die Aufzeichnungen Kellners hingegen zeigen zweifelsfrei: Man konnte selbst in der Provinz alles wissen, wenn man nur wissen wollte, das heißt, sich die Sinne nicht durch die nationalsozialistische Propaganda vernebeln ließ.

Wie war es möglich? Das ist bis heute, bald 75 Jahre nach Kriegsende, die Frage aller Fragen geblieben. Man kommt bei ihrer Beantwortung um die Figur Adolf Hitlers nicht herum. Die unter seiner Herrschaft verübten monströsen Verbrechen verlangen immer aufs Neue nach Erklärungen. Und deshalb werden auch die Historiker nicht aufhören, sich mit dieser Schreckensgestalt zu beschäftigen.

Bücher über Hitler und den Nationalsozialismus füllen mittlerweile ganze Bibliotheken, und jedes Jahr kommen neue hinzu. Selbst für Fachleute wird es zusehends schwieriger, sich auf dem Laufenden zu halten. Und obwohl nach einer verbreiteten Ansicht über den «Führer» alles gesagt ist, tauchen doch unvermutet immer wieder Quellen aus staatlichen Archiven und privaten Hinterlassenschaften auf, die neue Einblicke in die Persönlichkeit Hitlers und bestimmte Phasen seines Lebens geben. Auch das private Umfeld des Diktators ist in den vergangenen Jahren verstärkt ins Blickfeld der Forschung geraten. Darüber hinaus ist eine Reihe von Monographien erschienen, die unser Wissen über Grundlagen und Funktionsweise der NS-Herrschaft bereichert haben.

Parallel zur anhaltenden wissenschaftlichen Beschäftigung und weitgehend davon abgekoppelt hat sich auch die Unterhaltungsindustrie des Gegenstands bemächtigt. Dabei lassen sich zwei scheinbar widersprüchliche Tendenzen beobachten: Auf der einen Seite erscheint Hitler als eine Chiffre für das absolut Böse, als eine Art Pop-Ikone des Grauens, die, marktgerecht ins Bild gesetzt, die größten Schauereffekte verspricht. Auf der anderen Seite, und neuerdings verstärkt, ist die Neigung zu erkennen, ihn als bloße Witzfigur vorzuführen, als einen für die Spaßgesellschaft zurechtgestutzten komischen Kauz. Symptomatisch hierfür ist der Überraschungsbestseller von Timur Vermes «Er ist wieder da», der Hitler im Jahr 2011, 66 Jahre nach seinem Selbstmord, wiederauferstehen und in eine zweite Karriere als Comedy-Star im Privatfernsehen starten lässt. Inbegriff des Verworfenen oder grotesker Clown – dahinter verschwindet die reale Figur beziehungsweise wird nur noch als ein Zerrbild kenntlich.

Für den vorliegenden Band ergibt sich daraus eine doppelte Aufgabe: Zum einen richtet er sich gegen trivialisierende Deutungen der beschriebenen Art; zum anderen möchte er über Ergebnisse und Erkenntnisse der neueren Forschung informieren. Natürlich können nicht alle Fragen beantwortet werden, die sich im Zusammenhang mit Hitler stellen. Aber der Verfasser hofft doch, über einige der wichtigsten hinreichend Auskunft zu geben. Gerade jungen Leserinnen und Lesern, für die die zwölf Jahre der NS-Diktatur eine ferne Vergangenheit sind, soll das Buch Orientierungen bieten und dazu anregen, zu einer der zumeist umfänglichen Hitler-Biographien zu greifen, die in den Literaturhinweisen aufgeführt sind.

Herzlich danken möchte ich Dr. Detlef Felken, dem Cheflektor des Verlages C.H.Beck, der mich zu diesem Band ermuntert und seine Drucklegung begleitet hat.

I. Herkunft und Prägungen

1. Woher stammte Hitler?  Hitlers Familienverhältnisse sind einigermaßen verworren und gaben immer wieder Anlass zu Gerüchten und Spekulationen. Seine Vorfahren stammten aus dem Waldviertel, einer bäuerlich geprägten Region im Norden Niederösterreichs an der Grenze zu Böhmen. Hier, in dem kleinen Ort Strones bei Döllersheim, wurde 1837 Hitlers Vater Alois geboren. Seine Mutter, die ledige Magd Anna Maria Schicklgruber, heiratete fünf Jahre später den Müllergesellen Johann Georg Hiedler aus Spital bei Weitra. Ob dieser allerdings der leibliche Vater von Alois war, ist ungewiss. Möglicherweise kommt auch Johann Georgs jüngerer Bruder Johann Nepomuk in Frage, ein wohlhabender Bauer in Spital, der den Jungen vermutlich noch vor dem frühen Tod der Mutter 1847 in seine Obhut nahm und ihn wie seinen eigenen Sohn großzog. Alois Schicklgruber besuchte die Volksschule und lernte anschließend in Wien das Schuhmacherhandwerk. 1855, mit 19 Jahren, trat er in den Zolldienst der k. u. k. Monarchie ein und machte hier eine für einen Mann seiner Herkunft und Schulbildung bemerkenswerte Karriere. 1875 erklomm er mit der Beförderung zum «Zollamtsoffizial» einen Rang in der Beamtenhierarchie, der üblicherweise Abiturienten vorbehalten war.

Ein Jahr später, im Juni 1876, erschien sein Ziehvater Johann Nepomuk in Begleitung von drei Zeugen in der Kanzlei des Notars Josef Penker in Weitra und erklärte, dass Alois der Sohn seines 19 Jahre zuvor verstorbenen Bruders Johann Georg Hiedler sei. In dem vom Notar aufgesetzten Protokoll tauchte anstelle von «Hiedler» erstmals «Hitler» auf – so genau nahm man es damals mit der Schreibweise von Namen offenbar nicht. Entsprechend änderte der Pfarrer in Döllersheim den Eintrag im Taufbuch. Für die politische Karriere des «Führers» sollte die Namensänderung wichtig werden. Denn «Hitler» klang markiger als das weiche «Hiedler», und eine Grußformel «Heil Schicklgruber» hätte wohl eher für Erheiterung gesorgt.

Über die Motive für die rückwirkende Legalisierung der Vaterschaft ist viel gerätselt worden. Vermutlich gaben erbrechtliche Überlegungen den Ausschlag. Johann Nepomuk hatte seinen Ziehsohn zum Haupterben seines Vermögens bestimmt. Als amtlich anerkanntes Geschwisterkind musste Alois eine wesentlich niedrigere Erbschaftssteuer entrichten, als er es im anderen Fall hätte tun müssen. Wie dem auch sei – fest steht, dass die Identität von Adolf Hitlers Großvater väterlicherseits ungeklärt ist. Bereits früh kamen Gerüchte über eine angebliche jüdische Abstammung auf. Nach 1945 wurden sie genährt durch das Zeugnis eines engen Gefolgsmannes des «Führers»: In seinen in der Nürnberger Haft geschriebenen Erinnerungen «Im Angesicht des Galgens» behauptete Hans Frank, im Zweiten Weltkrieg Generalgouverneur im besetzten Polen, Hitlers Vater sei von einem jüdischen Kaufmann namens Leopold Frankenberger in Graz gezeugt worden, in dessen Haushalt Anna Maria Schicklgruber tätig gewesen sei. Eingehende Nachforschungen haben ergeben, dass diese Geschichte jeder Grundlage entbehrte.

Alois Hitler heiratete dreimal. Die erste Ehe mit einer Beamtentochter aus Braunau wurde geschieden, nachdem ihr Mann eine Affäre mit der sehr viel jüngeren Kellnerin Franziska Matzelsberger eingegangen war. Aus dieser Verbindung gingen zwei Kinder hervor: ein Sohn, Alois junior, und die Tochter Angela. Als seine zweite Frau 1884 schwer an Tuberkulose erkrankte und bald darauf starb, engagierte Alois Hitler als Haushaltshilfe eine Cousine zweiten Grades, Klara Pölzl, und begann ein Verhältnis mit ihr. Klara Pölzl, 1860 in Spital geboren, also 23 Jahre jünger als ihr Mann, war eine Tochter des Kleinbauern Johann Baptist Pölzl und dessen Frau Johanna, die wiederum eine Tochter von Johann Nepomuk, dem Ziehvater von Alois Hitler, war. Heiraten konnte das Paar erst 1885, nachdem der wegen der Verwandtschaft notwendige päpstliche Dispens erteilt worden war.

Klara Hitler gebar in rascher Folge sechs Kinder – die ersten drei starben früh. Am 20. April 1889 brachte sie in Braunau, Vorstadt Nr. 219, das vierte Kind zur Welt. Unter dem Namen Adolf wurde es am Ostermontag getauft. 1894 folgte Sohn Edmund, 1896 Tochter Paula. Edmund starb bereits 1900 an Masern, während Paula als einzige leibliche Schwester Adolf Hitlers das Kriegende 1945 überlebte und erst 1960 starb.

Als Reichskanzler unternahm Hitler einige Anstrengungen, um die Spuren seiner Herkunft zu verwischen. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 ließ er mitten im Waldviertel einen großen Truppenübungsplatz errichten und das Gebiet zum militärischen Sperrgebiet erklären. Die Bewohner wurden umgesiedelt und Dörfer zerstört, darunter auch Strones, wo Hitlers Vater geboren worden war, und Döllersheim, auf dessen Friedhof Hitlers Großmutter ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte.

2. Wuchs Hitler in ärmlichen Verhältnissen auf?  In seinen Reden und späteren Monologen im Führerhauptquartier hat Hitler immer wieder den Eindruck zu erwecken versucht, als sei seine Kindheit und Jugend durch große materielle Not überschattet gewesen. Doch das entspricht nicht den Tatsachen. Als «Zollamts-Oberoffizial», auf der letzten Stufe seiner Beamtenlaufbahn, bezog Alois Hitler, wie er sich seit 1876 nannte, ein Jahresgehalt von 2600 Kronen – etwa so viel wie damals ein Schuldirektor. Die Familie Hitler zählte also zum gut situierten Mittelstand. Auch als Hitlers Vater 1895, im Alter von 58 Jahren, in den Ruhestand ging, bekam er eine Pension von 2200 Kronen, stand sich also kaum schlechter als vorher. Allerdings musste von dem Einkommen eine siebenköpfige (und nach dem Tod des Sohnes Edmund 1900 sechsköpfige) Familie ernährt werden: neben Alois und Klara Hitler die beiden Kinder aus erster Ehe, Alois jr. und Angela, sowie die Kinder Adolf und Paula, so dass der Zollbeamte keine großen Sprünge machen konnte. 1895, im Jahr seiner Pensionierung, erwarb Alois Hitler ein großes Anwesen in Hafeld bei Lambach. Doch als Hobbylandwirt war er wenig erfolgreich. 1897 veräußerte er den Hof und kaufte ein Haus mit Grundstück in Leonding bei Linz.

Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes im Januar 1903 bezog Klara Hitler eine Witwenrente in Höhe von 1200 Kronen jährlich, dazu kamen noch Erziehungsbeiträge für Sohn Adolf und Tochter Paula von zusammen 480 Kronen jährlich. (Stiefsohn Alois hatte bereits 1896 die Familie verlassen, Stieftochter Angela heiratete 1903 den Beamten Leo Raubal und zog danach aus.) Zum Haushalt gehörte noch eine jüngere Schwester Klaras, die ledige Johanna Pölzl, die «Hanni-Tante», die zum Unterhalt der Familie beitrug. 1905 verkaufte Klara Hitler das Haus in Leonding und mietete eine Etagenwohnung in der Humboldtstraße 31 in Linz. Zwei Jahre später bezog sie mit ihrer Familie im kleinen Ort Urfahr auf der anderen Seite der Donau eine Neubauwohnung. Vom Verkauf des Hauses blieb ein Vermögen von rund 6000 Kronen. Als Klara Hitler im Dezember 1907 im Alter von nur 47 Jahren an Brustkrebs starb, bekamen Adolf und Paula Hitler eine Waisenrente von jeweils 25 Kronen monatlich zugesprochen. Das väterliche Erbe von jeweils 652 Kronen wurde auf ein Sperrkonto bis zum 24. Lebensjahr festgelegt, aber über den mütterlichen Erbteil von rund 2000 Kronen, 1000 Kronen für jeden, konnten Klaras Kinder bereits verfügen. Dazu gewährte die «Hanni-Tante» ihrem Neffen Adolf ein Darlehen in Höhe von 942 Kronen, so dass dieser, als er im Februar 1908 nach Wien aufbrach, über eine Summe von rund 2000 Kronen verfügte – ein finanzielles Polster, das es ihm zunächst gestattete, den aus Linz gewohnten müßiggängerischen Lebenswandel fortzusetzen.

Im Herbst 1909 war das mütterliche Erbe jedoch weitgehend aufgezehrt, und erst jetzt hat der Zwanzigjährige offenbar eine kurze Phase der Entbehrungen durchgemacht, die er später für seinen gesamten Aufenthalt in Wien reklamierte. Nicht geklärt ist, ob und wie lange er in einem Obdachlosenasyl hat übernachten müssen. Durch den Verkauf selbstgefertigter Ansichtskarten und Aquarellbilder konnte er sich jedoch bald eine Einnahmequelle verschaffen, die ihm im Februar 1910 ermöglichte, in das Männerheim in Wien-Brigittenau, Meldemannstraße 27, einzuziehen, wo er drei Jahre verbrachte. Das Männerheim war keineswegs ein Elendsquartier, sondern ein für damalige Verhältnisse recht modernes Haus mit vorbildlichen Gemeinschaftseinrichtungen, unter anderem einem großen Lesesaal mit Bibliothek. Für jeden Bewohner gab es eine eigene kleine Schlafkabine mit elektrischem Licht. Produktion und Verkauf seiner Bilder spielten sich so gut ein, dass Hitler sich selbst versorgen und 1911 auf seinen Anteil an der Waisenrente zugunsten seiner Schwester Paula verzichten konnte. Nach Vollendung des 24. Lebensjahres am 20. April 1913 bekam Hitler das väterliche Erbe ausgezahlt, das seit 1903 von 652 auf 819 Kronen und 98 Heller angewachsen war. So abgesichert, zog er im Mai 1913 nach München, wo er bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs weiterhin recht auskömmlich auch vom Verkauf seiner Aquarelle lebte.

3. Wurde bereits in der Kindheit der Keim gelegt für die spätere mörderische Karriere?  Nach den Annahmen der Psychoanalyse gelten die ersten Lebensjahre als entscheidend für die Prägung und Entwicklung einer Persönlichkeit. Nicht wenige Historiker und Psychologen sind daher der Versuchung erlegen, im jungen Hitler bereits Züge des künftigen Monsters entdecken zu wollen. So hat man die Tatsache, dass das Kind des Öfteren durch den Vater Prügel bezogen hat, als eine Ursache angeführt für die spätere Gewaltbereitschaft und schließlich mörderische Politik des Diktators. Doch körperliche Züchtigung war damals ein durchaus übliches Erziehungsinstrument. Die Konstellation in der Familie Hitler – ein autoritär-repressiver Vater, eine liebevoll-ausgleichende Mutter – war eher typisch für Mittelschichtfamilien um die Jahrhundertwende. Der Berliner Gauleiter der NSDAP Joseph Goebbels notierte im August 1932 nach einem Gespräch mit dem «Führer»: «Hitler hat fast genau dieselbe Jugend durchgemacht wie ich. Der Vater Haustyrann, die Mutter eine Quelle der Güte und der Liebe.»

Nach allem, was bislang bekannt ist, scheint Hitler eine ziemlich normale Kindheit verbracht zu haben. Jedenfalls gibt es keine gesicherten Erkenntnisse über eine abnorme Persönlichkeitsbildung, aus der sich die späteren Verbrechen ableiten ließen. Wenn es ein Problem in der Erziehung des Jungen gab, dann war es eher ein Zuviel als ein Zuwenig an mütterlicher Zuwendung. Klara Hitler hatte die ersten drei Kinder bald nach der Geburt verloren; ihr viertes, Adolf, war ihr verwöhnter Liebling. Das hat möglicherweise dazu beigetragen, im jungen Hitler ein zur Selbstüberschätzung neigendes Ego auszubilden, mit einem Hang zur Rechthaberei und der Bereitschaft, unangenehmen Anstrengungen aus dem Wege zu gehen.

4. Warum scheiterte Hitler an den Anforderungen der höheren Schule?  Adolf Hitler besuchte von 1895 bis 1900 die Volksschulen in Fischlham, Lambach und Leonding. Das Lernen fiel ihm leicht, und er erbrachte ausnahmslos gute bis sehr gute Leistungen. Das änderte sich mit dem Übergang zur Realschule in Linz im September 1900. Gleich am Ende des ersten Schuljahres blieb der Zwölfjährige mit einem «Nicht genügend» in Mathematik und Naturgeschichte sitzen. Auch in den beiden folgenden Schuljahren schaffte er die Versetzung nur unter Mühen. Sein ehemaliger Klassenlehrer Dr. Eduard Huemer erinnerte sich 1924 an den «hageren blassen Jungen», der zwar «entschieden begabt», aber «nicht fleißig» gewesen sei. «Widerborstig, eigenmächtig, rechthaberisch und jähzornig», sei es ihm «sichtlich schwer» gefallen, «sich in den Rahmen einer Schule zu fügen».

In «Mein Kampf» hat Hitler sein schulisches Versagen damit erklärt, dass ihn sein Vater nach eigenem Vorbild in eine Beamtenlaufbahn habe zwingen wollen – ein Gedanke, der ihm, der sich früh zum Künstler berufen gefühlt habe, gänzlich unerträglich gewesen sei. Doch wenn Hitlers Vater tatsächlich vorgehabt haben sollte, aus seinem Sohn einen Beamten zu machen, dann hätte er ihn wohl eher aufs humanistische Gymnasium und nicht auf die Realschule geschickt, die vor allem auf technische und kaufmännische Berufe vorbereitete.

Den wohl wichtigsten Grund für Hitlers schlechtes Abschneiden hat sein Klassenlehrer richtig erkannt: In den Jahren der Pubertät konnte sich der renitente Schüler nur schwer in den Schulbetrieb einfügen. Gegen die Fächer, die ihn nicht interessierten, entwickelte er einen lebhaften Widerwillen. Auch als sein Vater 1903 starb, besserten sich die schulischen Leistungen nicht. Im Schuljahr 1903/04 wurde er nach einer Nachprüfung nur unter der Bedingung versetzt, dass er die Schule wechselte. Klara Hitler schickte ihn daraufhin in die Realschule nach Steyr, achtzig Kilometer von Linz entfernt. Aber auch dort wollte sich der Schulerfolg nicht recht einstellen, und im Herbst 1905 gelang es dem Sechzehnjährigen, eine Krankheit vortäuschend, seine Mutter davon zu überzeugen, ihn endlich von der Schule zu nehmen. Zurück blieb ein unbändiger Hass auf die Lehrer. Der Einzige, den Hitler ausnahm, war sein Geschichtslehrer in Linz, Dr. Leopold Pötsch, der, wie er noch in «Mein Kampf» lobend hervorhob, es verstanden habe, «durch eine blendende Beredsamkeit nicht nur zu fesseln, sondern wahrhaft mitzureißen».