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Jahrzehntelang ging es darum, Informationen zu sammeln, auszuwerten und dann zu (be-) urteilen. Das hat sich grundlegend geändert. Die Alternative, sich Bedenkzeit zu nehmen, Hintergrundfakten zu recherchieren und die Entscheidung ein wenig später zu treffen, steht in der Praxis meist nicht zur Verfügung. Die Suche nach einer Lösung, die Zeiteffizienz und Ansprüche an fundierte Entscheidungen gleichermaßen gerecht wird, führt zu einer Fähigkeit, die lange unbeachtet geblieben ist: das Bauchgefühl, die Intuition. Ein häufig auftretendes Missverständnis sei an dieser Stelle gleich ausgeräumt: Es geht in diesem Buch an keiner Stelle darum, den Verstand zu verteufeln und die Intuition als alleiniges Entscheidungsinstrument darzustellen. Die auf unserem Verstand basierenden Entscheidungs- mechanismen sind hinreichend bekannt und in ihrer praktischen Anwendung vertraut. In diesem Buch soll die Intuition als Sparringpartner Aufmerksamkeit finden, dieses Buch soll die Perspektive erweitern. Es verbindet zwei entscheidende Themen miteinander: zum Einen die Beteiligten beim Doppelpassspiel: Intuition und Vernunft und zum Anderen die Unternehmensführung. Die Integration der Ressource Intuition in Entscheidungsprozesse führt in allen Bereichen der Unternehmensführung zu Veränderungen. Sie wird im Kunden- und Mitarbeiterkontakt sowie bei den Mitarbeitern untereinander spürbar. Das Buch richtet sich hauptsächlich an Menschen im beruflichen Kontext - an alle Entscheider. Es ist ein Plädoyer gegen die Vernachlässigung der Intuition bei unternehmerischen Entscheidungsprozessen. Es ist ein Plädoyer für ein Teamspiel zwischen Vernunft und Intuition.
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2014
Die 360° Kompetenz
Intuitive Entscheidungskultur
Anke Schaen
Die 360° Kompetenz
Intuitive Entscheidungskultur im Unternehmen
Ein Praxishandbuch für Menschen mit
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Copyright 2014 by Anke Schaen Umschlag: Ursula I. Meyer Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN 978-3-7323-0782-1 (paperback)
Inhalt
Vorwort
Teil I
Annäherungen
Wie wir zum Kopfmenschen wurden
Woher bezieht unsere Intuition ihre Treffgenauigkeit?
Intuition – eine unterschätzte Ressource
Philosophie
Psychologie
Kognitionsforschung
Naturwissenschaft
Der Intuitionsbaum
Doppelpass für Entscheidungskompetenz
Intuitiver oder nicht-intuitiver Mensch?
Intuition im beruflichen Alltag
Intuitiv entscheiden
Rahmenbedingungen für eine 360° Entscheidungskompetenz
Der ungern gesehene Gast
Der Mythos vom richtigen Zeitpunkt
Intuition in der Praxis
Mitarbeitermotivation
Intuitive Personalpolitik
Das Entscheidungsmodell
Effectuation als eine Option
Mut zum potenziellen Fehler
Unternehmenskultur
Unternehmenskultur auf dem Prüfstand
Flexibilität
Personalmanagement: eine Bestandsaufnahme
Unternehmenskultur als Führungsinstrument
Teil II
Praxisbeispiel
Intuition einmal praktisch
Ein Bild entsteht
Ich spüre was, was du nicht spürst
Ein gelungener Start
Werte hin, Werte her
Der Aha-Effekt
Das Projekt und die Mitarbeiter
Alle unter einen Hut – geht das?
Am Fuße des Stammes
Der Workshop
Intuitive Entscheidungskultur – was ist das?
Der Intuitionsbaum
Der Fehler des Monats
Fehler können passieren, aber nur einmal
Alle in einem Boot
Innen, Außen und ein bisschen mehr
Entscheidungsprozesse
Vorschläge über Vorschläge und andere Probleme
Expandieren mit Intuition
Zu guter Letzt
Ein Dankeschön
Anhang
Interview mit Herrn Frey
Interview mit Herrn Küppers
Analysebogen
Anmerkungen
Weiterführende Literatur
Stichwortverzeichnis
Über die Autorin
Vorwort
„The good old intuition“, dieses Zitat aus den Paul Temple Romanen von Francis Durbridge, kam mir als erstes in den Sinn, als Anke Schaen mich bat, ein Vorwort für ihr Buch zu schreiben. Intuition und Vernunft will sie darin zusammenbringen, und wie ich finde, geht es eigentlich auch bei Durbridge darum. Er lässt seinen Hobbydetektiv diese Bemerkung nämlich immer dann machen, wenn dessen Frau Steve durch ihre Ideen zur Lösung des aktuellen Kriminalfalles beigetragen hat. Ein bisschen spöttisch und herablassend klingt es aber auch, denn Steves »Eingebungen« sind natürlich nicht so schlüssig hergeleitet und logisch begründet, wie Pauls eigene »vernünftigen« Argumente. Doch letztlich vertraut er, jedenfalls dann, wenn er selbst keinen besseren Vorschlag hat, auf ihr Bauchgefühl. Und nicht selten profitiert er bei der Lösung eines Falles davon.
Bei diesen Detektivgeschichten aus den 1940 und 50er Jahren war die Welt noch zweigeteilt. Die vernünftig und rational argumentierenden Männer und die emotionalen Frauen, die zwar ihre eigene Meinung hatten, sie aber oft »nur« mit ihrer Intuition begründeten und nicht folgerichtig herleiteten.
So bekommt die sprichwörtliche »weibliche Intuition« nicht nur bei Durbridge etwas von einem Trostpreis für das von der Rationalität vernachlässigte Geschlecht. Doch sogar Paul Temple muss hin und wieder zugeben, dass ihn die Intuition seiner Frau weitergebracht hat, als seine eigene Logik es konnte. So läuft es am Ende der Geschichte, wenn er alles noch einmal Revue passieren lässt, oft darauf hinaus, dass man beides brauchte, um den Fall zu lösen, eine Kombination aus Vernunft und Intuition und in diesem Fall aus Mann und Frau.
Anke Schaen versteht Intuition nicht als eine typisch weibliche Eigenschaft, die in einer rational durchdachten Welt eher stört, sondern als wichtige Ressource, die Mann oder Frau bewusst einsetzen kann und sollte. Ihr Praxisbeispiel zeigt aber auch, dass es eher die Männer sind, die ein Problem damit haben, einer Wahrnehmung zu vertrauen, die sie nicht vernünftig begründen können, sondern die vielleicht nur eine Ahnung ist. Aber wie Alexander von Humboldt schon sagte: »Überall geht ein frühes Ahnen dem späteren Wissen voraus.« Hat man Angst, sich auf diese Ahnung einzulassen, wird man auch das Wissen nicht bekommen. Und hätte Paul Temple nicht hin und wieder auf die »good old intuition« seiner Frau gehört, wäre so mancher Fall ungelöst und so mancher Verbrecher ungestraft geblieben.
Ursula I. Meyer
Kornelimünster 27. August 2014
TEIL I
Annäherungen
Ständig müssen wir uns entscheiden. Wir sind privat und beruflich dauernd gezwungen, zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen, die von recht unterschiedlicher Tragweite sind: den Aufzug oder die Treppe nehmen, den Bewerber einstellen oder weitersuchen, Bewilligung oder Ablehnung eines Investitionsvorhabens im Unternehmen.
Meist reicht bei diesen Entscheidungen die Zeit nicht aus, um länger zu überlegen oder Hintergrundinformationen einzuholen. Man muss sich schnell entscheiden, denn unsere Welt lebt zunehmend von der Schnelligkeit. Dazu kommt ein immer größer werdendes Informations- und Datenangebot.
Mit dieser Situation sind Führungskräfte in besonderem Maße konfrontiert. Denn von ihnen wird einerseits Entscheidungskompetenz verlangt, um die Arbeitsprozesse nicht zu verzögern. Auf der anderen Seite haben ihre Entscheidungen immer weitreichende Konsequenzen, für die Mitarbeiter und das Unternehmen.
Wie wir zum Kopfmenschen wurden
Unser Gehirn ist dauernd damit beschäftigt, Informationen zu sammeln, auszuwerten und dann zu (be)urteilen. Von der Gesellschaft wird dieses Abwägen als rational empfunden. Gefühle – zumal im geschäftlichen Kontext – wurden über Jahrzehnte regelrecht verachtet. Schließlich galten sie jahrhundertelang als »unrein«, entspringen sie doch dem Bauch – oder noch viel unedleren Körperteilen. Platon hielt Emotionen, vor allem dann, wenn sie zu wichtig genommen wurden, für erniedrigend. Nur mit der Vernunft, glaubte der griechische Philosoph, ließe sich der »Dämon der Gefühle« zähmen.1 Für die Stoiker waren Gefühle lästige Störfaktoren ihrer Gelassenheit.
Heute stehen wir mitten in einem Veränderungsprozess. Man versucht den Menschen ganzheitlich zu sehen, Vernunft und Gefühle zu respektieren. Die Zeit nannte diesen Prozess schon 2009 die »emotionale Wende«; die zahlreichen Bücher zum Thema emotionale Intelligenz sind dafür ein Beleg. In einem Übersichtsartikel für die Annual Review of Psychology kommt die Hirnforscherin Elizabeth Phelps von der New York University zu dem Schluss: »Um das menschliche Denken zu verstehen, müssen wir die Emotionen berücksichtigen.«2
Unbestreitbar, Gefühle und Intuition können uns in die Irre führen. Oft aber liegen wir mit unserer Intuition richtiger als mit dem Verstand. Dennoch wagen wir es häufig nicht, ihr auch zu vertrauen, denn es fehlt uns an fundierten Beweisen – und da ist sie wieder, unsere immer noch tief verankerte Ratiogläubigkeit. Wenn es um die Rolle der Intuition als lange unterschätze Ressource geht, haben zahlreiche Wissenschaftsteams in den vergangenen Jahren Wissensgrundlagen erarbeitet, die selbst Skeptikern den Weg des Umdenkens erleichtern.
Neuroökonomen behaupten: Entscheidungen ohne Gefühle gibt es nicht. Der Homo oeconomicus, der die zur Auswahl stehenden Alternativen rein rational abwägt, ist ein Auslaufmodell in der Wirtschaftstheorie. »Alle Entscheidungen sind letztlich Gefühlsentscheidungen«, sagt Gerhard Roth, Hirnforscher an der Universität Bremen.3 Das bestätigt das von mir geführte Interview mit Herrn Frey, Geschäftsführer in einem mittelständischen Unternehmen. Er sagte: »Singuläre Entscheidungen fälle ich schnell auf Grund meines Expertenwissens und bei komplexen Themen hole ich ergänzendes Wissen ein und versuche grundsätzlich meine Intuition als Ergänzung zur Analytik hinzu zu ziehen. Da gibt es keinen starren Ablauf. Im Endeffekt ist es eine Mischung aus der Kombination meiner Erfahrung, Intuition, Analytik und internen/externen Expertenmeinungen.«4
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Gerd Gigerenzer, Psychologe und seit 1997 Direktor des Center for Adaptive Behavior and Cognition (ABC) am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Zusammen mit Psychologen, Kognitionsund Hirnforschern hat er das Ziel, jene Prozesse zu entschlüsseln, auf denen unsere Gefühle und unsere Intuition beruhen. Ihre Feststellungen sind eindeutig: In vielen Situationen fährt man mit dem Bauch besser als mit dem Kopf, beziehungsweise, so sollte man ergänzen, Bauch und Kopf bilden ein starkes Team.5
Woher bezieht unsere Intuition ihre Treffgenauigkeit?
Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass wir bewusst ca. 50 Bits pro Sekunde verarbeiten können. Unser Unterbewusstsein kann sogar mehrere Millionen Bits pro Sekunde aufnehmen, von denen uns jedoch nur ein Bruchteil bewusst wird. Eine enorme Leistungsfähigkeit, die große Vorteile bietet, aber auch Nachteile hat. Das Bewusstsein konzentriert sich auf Details, während wir unbewusst das große Ganze wahrnehmen. Wie eine Kerze beleuchtet die Vernunft nur ein Detail in ihrer Nähe. Die Umgebung bleibt im Dunkeln.
Das unbewusste Gespür hingegen lässt sich mit einem schwachen Flutlicht vergleichen. Es leuchtet das Szenario breitflächig aus. Die Fokussierung auf Details ist damit allerdings nicht möglich. Dafür wird das große Ganze sichtbar. Dieses Vorgehen gilt gerade in komplexen Situationen als sinnvoll. Je unübersichtlicher die Situation, desto öfter versagt die Analyse – und die Intuition ist im Vorteil.
Viele Informationen führen also nicht zu mehr Klarheit. Im Gegenteil: Durch das Weglassen von Informationen lassen sich Trefferquoten verbessern. »Gute Intuitionen müssen Informationen ignorieren«, so Gigerenzer. Diese These steht konträr zu dem bis heute weit verbreiteten Ideal des Maximierer: ›Mehr Information ist besser. Mehr Zeit ist besser. Mehr Optionen sind besser.‹ Mein Interviewpartner Herr Küppers, Geschäftsführer in einem medizintechnischen Betrieb, kennt diese Einstellung: »Ich denke, dass eine schnell getroffene Entscheidung manchmal nachträglich überdacht werden muss, weil vielleicht der eine oder andere Aspekt nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Ich nehme für mich in Anspruch, bei besonderen Entscheidungen auch tatsächlich einen Tag oder zwei Tage vergehen zu lassen, und dann immer wieder aus dem Tagesablauf heraus an die Fragestellung zu denken, um so zu einer Antwort zu kommen.«6
Diese Erkenntnis macht einen totalen Perspektivewechsel, eine ›Revolution im Kopf‹ nötig. Ihr entgegen steht die verinnerlichte Grundeinstellung zu gängigen und akzeptierten Formen der Entscheidungsfindung, wie dem Maximierer. Trotz der großen wissenschaftlichen Bandbreite fundierter Erkenntnisse vertrauen wir noch oft genug ausschließlich der Ratio, wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen zu treffen. Wenn Gefühle bei der Entscheidungsfindung mitspielen sollen, ist Skepsis weiterhin an der Tagesordnung.
Dem zu Grunde liegt eine »Entweder-oder-Haltung«. Gefühl und Verstand werden als Dualismus empfunden. »Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk, der rationale Verstand ein treuer Diener«, sagte Albert Einstein und gleichzeitig kritisiert er: »Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.«7 Langsam aber unaufhaltsam gelangt das Geschenk, von dem Einstein sprach, wieder zu mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung und öffnet den Blick für eine Lösung, die Zeiteffizienz und Ansprüchen an fundierte Entscheidungen gleichermaßen gerecht wird: Intuition als Teil fundierter und nachhaltiger Entscheidungskompetenz. Denn Intuition und Logik oder Vernunft sind keine Gegner, sondern idealerweise Verbündete. Unser Verstand hat die finale Aufgabe, die intuitiven Eingebungen auszuwerten, Konsequenzen zu überprüfen. Erst dann können wir bewusst entscheiden, wonach wir wirklich handeln wollen.
Ein häufig auftretendes Missverständnis sei an dieser Stelle deshalb gleich ausgeräumt: Es geht mir nicht darum, den Verstand zu verteufeln und die Intuition als alleiniges Entscheidungsinstrument darzustellen. Die auf unserer Vernunft basierenden Entscheidungsmechanismen sind hinreichend bekannt und in ihrer praktischen Anwendung vertraut. Dieses Buch will der Intuition als Sparringspartner Aufmerksamkeit schenken. Das Ziel ist eine erweiterte Perspektive. Für das Unternehmen bedeutet dies, durch die Implementierung intuitiver Entscheidungskultur eine belastbare Grundlage für die Zusammenführung von Fakten und Intuitionen zu schaffen. Das Ergebnis ist ein schnelles und sehr flexibles Entscheidungsinstrumentarium, eine 360° Kompetenz, das sich auf die gesamte Unternehmenskultur, d.h. den Umgang mit Kunden, Geschäftspartnern und auf die Mitarbeiter untereinander, auswirkt.
Intuition – eine unterschätzte Ressource
Was ist das, Intuition? Bauchgefühl, Eingebung, Geistesblitz, gefühltes Wissen – eine einheitliche Definition gibt es nicht. Eine einheitliche Wahrnehmung ebenso wenig. Und doch spielt die Intuition in allen Lebensbereichen eine wichtige Rolle.
Auch wenn mancher das weit von sich weisen möchte: »Intuitionen hat jeder Mensch, aber er weiß nicht, woher sie kommen.«8 Das sagt Professor Dr. Hans-Peter Dürr, renommierter Atom- und Quantenphysiker, Vordenker der Friedensund Umweltbewegung und Träger des Alternativen Nobelpreises. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sich die Einzelwissenschaften auf ihre Weise mit der Intuition auseinandersetzen, was zu sehr unterschiedlichen Betrachtungen und Einordnungen führt:
Philosophie
Die Philosophie beschreibt die Intuition am häufigsten durch ihr Gegenteil, die Logik oder Rationalität. Während die Erkenntnis auf Sinneswahrnehmungen und folgerichtigen Schlüssen beruht, ist intuitives Erkennen eine in ihrer Systematik und Entstehung nicht wirklich nachvollziehbare Fähigkeit des Menschen.
Psychologie
In der Psychologie nach C.G. Jung ist die Intuition eine von vier psychischen Grundfunktionen, die eine Einschätzung zukünftiger Entwicklungen mit all ihren Optionen und Potenzialen ermöglicht. Sie wird meist als intuitives Erfassen oder als Ahnung wahrgenommen, die von Emotionen bestimmt ist. Jung unterscheidet die konkrete Intuition, sie vermittelt Wahrnehmungen, die tatsächliche Dinge betreffen, von der abstrakten Intuition, sie vermittelt die Wahrnehmung ideeller Zusammenhänge.
Auch in der Systemischen Theorie taucht die Intuition auf. Hier wird sie als wichtiges Merkmal für ein qualifiziertes Management gesehen. Eine Führungskraft muss im guten Kontakt mit sich selbst und mit den Mitarbeitern stehen. Zugleich muss sie die Bedürfnisse des Marktes erspüren, um Erfolg zu haben. Intuition gilt als ein Synonym für emotionale Intelligenz.
Kognitionsforschung
Intuition wird als grundlegende menschliche Kompetenz verstanden und ist die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung und zur angemessenen Reaktion bei großer Komplexität der zu verarbeitenden Fakten. Sie führt oft zu richtigen, beziehungsweise im Kontext der Entscheidungssituation, optimalen Ergebnissen. Die Kognitionsforschung unterscheidet zwei Stufen der Intuition: Die auf Gefühlen und die auf dem Verstand beruhende Intuition. Beide arbeiten Hand in Hand, wenn sie die Informationen unbewusst verarbeiten und das Bewusstsein erst dann »einschalten«, wenn das Unterbewusstsein auf eine Lösung stößt.
Naturwissenschaft
Die moderne naturwissenschaftliche Perspektive betrachtet Intuition kritisch mit der Begründung, sie könne nur unzureichend und mit nicht-wissenschaftlichen Methoden bewiesen werden und zerfalle bei Hinterfragung. Intuition wird hier als erkenntnisfähige und fühlende Emotion verstanden.
Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten sehen von einer verbindlichen Definition ab. Denn das Phänomen Intuition, wenn wir es einmal so nennen wollen, lässt sich auch deshalb nur schwer eingrenzen, weil die Verwendung des Begriffs stark von der subjektiven Einschätzung, individuellen Interpretation und unterschiedlichen Erlebenssituationen abhängt. So lässt sich die Frage ›Was ist Intuition?‹ auch weniger mit einer Definition, als vielmehr mit einer Beschreibung von Erfahrungen und Eindrücken beantworten:
• Intuition im Erleben Im täglichen Handeln wird durch die Intuition eine Entscheidung generiert, der kein bewusster kognitiver Beurteilungsprozess vorausgeht. Dennoch ist das Sicherheitsempfinden für die durch die Intuition erlangte Beurteilung oder den Handlungsweg oft sehr hoch.
• Intuition als Prozess Intuition als Mittelpunkt oder Teil eines kognitiven Bewertungs- und/oder Auswahlprozesses.
• Intuition als Funktion Eine geschulte Intuition wirkt unterstützend bei der Handhabung komplexer Sachverhalte.
• Intuition als Fähigkeit Einsatz der Intuition mit dem Ergebnis der Professionalisierung des Entscheidungs- und Handlungsprozesses.
• Intuition als lehr- und erlernbare Kompetenz Anders als in einigen psychologischen und kognitionswissenschaftlichen Theorien dargestellt, deutet einiges darauf hin, dass Intuition eine Fähigkeit und Kompetenz ist, die man erlernen und ausbilden kann.
• Intuition als Erklärung Die Intuition wird gerne herangeführt als grundsätzliche Erklärung für Handlungen, die nicht auf bewusste Bewertungs- und Entscheidungsprozesse zurückgeführt werden können. Das geschieht hauptsächlich dann, wenn die Ergebnisse dieser Prozesse positiv sind. Eine falsche oder schlechte Intuition taucht nicht auf. Scheitert das Handeln, hat man schlicht »einen Fehler gemacht«. Allerdings gibt es bis jetzt keinen Mechanismus, um zu prüfen, welche mentalen Vorgänge zur jeweiligen Entscheidung führten.
Der Grund für die kritische Einstellung der Wissenschaften zur Intuition liegt in der rationalistischen Ausrichtung unserer westlichen Kultur.
»Ich denke, also bin ich«, mit diesem berühmten Satz formulierte der Rationalist René Descartes in seinem Discours de la méthode ein Weltbild, das uns seit dem 17. Jahrhundert entscheidend prägt.9 Das rationale Denken wurde zum Fundament, auf dem der Mensch idealerweise seine Entscheidungen aufbaut. Die Ressource ›Intuition‹ ist dabei weitgehend verloren gegangen. Heute gerät dieses Weltbild ins Wanken, weil die Intuition in allen Lebensbereichen an Bedeutung gewinnt. Das zeigt sich selbst da, wo man es kaum vermuten würde, weil die Hürden besonders schwer überwindbar scheinen: in der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Politik. Unser rationales Denken ist zunehmend überfordert mit der Komplexität der modernen Welt, wir stoßen in vielen Bereichen an unsere Grenzen. Der Benediktinerpater Willigis Jäger behauptet sogar: das Wiederentdecken der Intuition sei eine lebenswichtige Stufe in der menschlichen Evolution. Damit wird die Intuition zu einem zwangsläufigen Entwicklungsschritt. Auch mein Interviewpartner Herr Frey sieht im Vertrauen auf die Intuition das Ergebnis eines Reifungsprozesses: »Als junger Mensch hast du die Intuition auch, vertraust ihr aber noch nicht so sehr. Wenn man aber die Erfahrung gemacht hat, etwas zehnmal nach dem Bauchgefühl richtig gemacht zu haben, ist es leichter ihr zu vertrauen.«
Wer in der Einschätzung der Intuition nicht so weit gehen möchte, kommt jedoch nicht an den Ergebnissen neuester Forschung vorbei. Sie belegen dass die Wahrnehmung und Akzeptanz intuitiver Eindrücke – nicht zuletzt in komplexen Situationen – zu besseren Entscheidungen führt, als ausschließlich rationales Handeln.
Forschungen der Universität Uppsala in Schweden zeigten, dass es Testpersonen nicht möglich war, ihre eigenen Gesichtszüge zu kontrollieren, wenn zwischen neutralen Gesichtsausdrücken ein Foto mit einem Lächeln erschien. Selbst wenn dieses Foto nur für fünfhundert Millisekunden zu sehen war und danach wieder neutrale Gesichter gezeigt wurden, mussten die Probanden mitlächeln. Der Test mit ärgerlichen Gesichtern zeigte das gleiche Ergebnis. Die Studie belegte, dass sich die Bereitschaft spontan emotionale Ausdrücke von Menschen zu spiegeln, nicht bewusst kontrollieren lässt.10
Ursache ist das Einschwingen von Spiegelneuronen, die zum größten Teil in der Bauchgegend zu finden sind. Aus diesem Grund spricht man bei Situationen, die wir nicht erklären können, häufig vom so genannten »Bauchgefühl«.
Ein weiteres nachvollziehbares Erklärungsmodell, das Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit und Treffgenauigkeit der Intuition zulässt, ist die unbewusst stattfindende Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Wir sind permanent von einer ungeheuren Flut an Informationen und von Eindrücken umgeben, die von außen einströmen. Die verschiedenen Gedächtnisbereiche filtern das meiste aus. Denn wie bereits erwähnt, nehmen wir nur einen sehr geringen Teil von der großen Flut an Informationen, der von unserem Unterbewusstsein aufgenommen wird, bewusst war. Man muss sich auf einzelne Aspekte konzentrieren, die mit bereits Gewusstem in Verbindung stehen. Doch die Eindrücke aus dem Ultrakurzzeitgedächtnis sind nicht völlig verloren, sondern können bei Bedarf ins Bewusstsein geholt werden.
Etwas anders liegt es bei subliminalen (unterschwelligen) Wahrnehmungen. Hierbei handelt es sich um unbewusste Eindrücke, die nicht ins Bewusstsein eingehen, aber dennoch für Entscheidungsprozesse eine Rolle spielen können.
Ein häufig verwendetes, weil besonders einleuchtendes Beispiel für unbewusste Wahrnehmung ist die Situation, die der Formel-1-Rennfahrer Juan Manuel Fangio 1950 beim Großen Preis von Monaco erlebt hat.
In der zweiten Runde des Rennens fuhr er aus einem Tunnel. Vor ihm lag eine Gerade, auf der die Fahrer üblicherweise Vollgas geben. Fangio jedoch bremste seinen Wagen. Was auf den ersten Blick wie ein Fahrfehler aussah, erwies sich als, ja, als was? Als großes Glück? Als intuitiv richtige Reaktion? Denn als Fangio die nächste Kurve erreichte, sah er unmittelbar vor sich zahlreiche ineinander verkeilte Rennwagen. Aufgrund seiner geringen Geschwindigkeit konnte er ausweichen, und der Karambolage entgehen. Einige andere Fahrer nach ihm hatten weniger Glück/Intuition und rasten ungebremst in die Unfallstelle.
Der Vorgang wurde analysiert und man kam zu folgenden Begründungen: Kommt ein Wagen auf dem Stadtkurs in Monaco aus besagtem Tunnel, blicken ihm die Zuschauer gewöhnlich entgegen. Ihre Gesichter bilden dann eine helle Kulisse. In dieser entscheidenden Runde drehten die Menschen Juan Manuel Fangio jedoch ihre dunkleren Hinterköpfe zu, weil ihre Aufmerksamkeit zu diesem Zeitpunkt dem Unfall galt.11
Wahrscheinlich registrierte Fangios Unterbewusstsein diese winzige Veränderung, erkannte sie als Abweichung von einem bekannten Muster. Das interpretierte er als Gefahrensignal, was ihn intuitiv das Richtige tun ließ: bremsen. In weniger als 100 Millisekunden kann unsere Intuition solche Schlüsse ziehen und entsprechende Maßnahmen anordnen.
In wissenschaftlichen Versuchen zeigte sich, dass auch bei geringem Erfahrungswissen intuitiv richtige Entscheidungen gefällt werden können. Das heißt, dass auch Entscheidungen, die sich richtig anfühlen, die man aber nicht rational erklären kann, auf gespeicherten Informationen beruhen. Für die Führungskraft heißt das, man kann ihnen Vertrauen entgegenbringen.