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Innerlich stark und selbstbewusst – mit der 90-Sekunden-Erfolgsformel: Wir sind perfekt darin, negative Gefühle zu unterdrücken oder zu vermeiden. Warum werfen mächtige Gefühle wie Traurigkeit, Scham, Hilflosigkeit, Wut, Enttäuschung oder Verletzlichkeit uns dann so oft vollkommen aus der Bahn? »Weil sie von uns Besitz ergreifen, wenn wir sie nicht zulassen«, sagt die Psychologin Joan Rosenberg. Dabei zeigen neurowissenschaftliche Erkenntnisse: Diese Gefühle rasen wie in einer 90-sekündigen Welle durch unseren Körper. Wenn wir diese 90 Sekunden bewusst durchleben, können wir ihre Energie nutzen und in eine positive Kraft umwandeln – und so belastende Emotionen verblüffend einfach meistern.
Die revolutionäre Methode, um alle Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, tiefe Selbstliebe zu kultivieren und gewappnet zu sein für alles, was das Leben noch für uns bereithält!
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Seitenzahl: 385
Veröffentlichungsjahr: 2022
Über dieses Buch:
Wir sind perfekt darin, negative Gefühle zu unterdrücken oder zu vermeiden. Warum werfen mächtige Gefühle wie Traurigkeit, Scham, Hilflosigkeit, Wut, Enttäuschung oder Verletzlichkeit uns dann so oft vollkommen aus der Bahn? »Weil sie von uns Besitz ergreifen, wenn wir sie nicht zulassen«, sagt die Psychologin Joan Rosenberg. Dabei zeigen neurowissenschaftliche Erkenntnisse: Diese Gefühle rasen wie in einer 90-sekündigen Welle durch unseren Körper. Wenn wir diese 90 Sekunden bewusst durchleben, können wir ihre Energie nutzen und in eine positive Kraft umwandeln – und so belastende Emotionen verblüffend einfach meistern.
Die revolutionäre Methode, um alle Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, tiefe Selbstliebe zu kultivieren und gewappnet zu sein für alles, was das Leben noch für uns bereithält!
Über die Autorin:
Die renommierte Psychologin Dr. Joan I. Rosenberg ist eine anerkannte innovative Impulsgeberin, Speakerin und Trainerin. Die zweifache TEDx-Rednerin ist Mitglied der Association of Transformational Leaders und weithin bekannt für ihre Führungsqualitäten und ihre fachliche Kompetenz im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Ihre TEDx-Talks über »Emotional Mastery« wurden bereits von mehreren Millionen Zuschauern gesehen. Sie ist Professorin an der Pepperdine University und Veteranin der United States Air Force.
Weitere Informationen unter: www.drjoanrosenberg.com
Dr. Joan I. Rosenberg
Die90-SEKUNDEN-FORMELfür ein Leben, das du liebst
So verwandelst du blockierte Gefühle in Selbstliebe, Lebensfreude und unerschütterliches Selbstvertrauen
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Sabine Zürn
Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel 90 Seconds to a Life You Love bei Little, Brown Spark, Hachette Book Group.
Die in diesem Buch vorgestellten Informationen und Empfehlungen sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Dennoch übernehmen die Autorin und der Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der hier beschriebenen Anwendungen ergeben. Bitte nehmen Sie im Zweifelsfall bzw. bei ernsthaften Beschwerden immer professionelle Diagnose und Therapie durch ärztliche oder naturheilkundliche Hilfe in Anspruch.
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Copyright © 2019 by Joan I. Rosenberg, PhD
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2022 by Integral Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle Rechte sind vorbehalten.
Redaktion: Ralf Lay, Mönchengladbach
Umschlaggestaltung: Guter Punkt München
unter Verwendung eines Motivs von © Dmytro Synelnychenko/iStock/Getty Images Plus
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-23531-4V001
www.Integral-Lotos-Ansata.de
www.facebook.com/Integral.Lotos.Ansata
Meiner Mutter und meinem Vater.
Weil ihr mir mein Leben geschenkt habt.
Für all eure Unterstützung, um mein Leben schöner zu machen.
Für euer geduldiges Verständnis, eure unerschütterliche Liebe und Fürsorge.
Für meinen Vater.
Ein Mensch weniger Worte, der meine Liebe zu ihnen beflügelte.
Für meine Mutter.
Du verkörperst Güte und was es bedeutet, in Anmut, Schönheit und Gelassenheit älter zu werden.
Du inspirierst alle Menschen, denen du begegnest, und jedes Leben, mit dem du in Berührung kommst.
Du ermutigst mich dazu, mit jedem einzelnen Tag noch etwas besser werden zu wollen.
Vorwort von Mary Morrissey
Einleitung
Teil IKompetenzen entwickeln
1. Kapitel: Ein Leben nach Plan führen
2. Kapitel: Der »Rosenberg-Reset«
3. Kapitel: Die acht unangenehmen Gefühle verstehen
Teil IIFallstricke umgehen
4. Kapitel: Ablenkungen erkennen und überwinden
5. Kapitel: Ängste ablegen
6. Kapitel: Falsche Denkmuster aufgeben
Teil IIIIhr Benefit
7. Kapitel: Die eigene Wahrheit aussprechen
8. Kapitel: Trauer bewältigen
9. Kapitel: Zuversicht und Resilienz gewinnen
10. Kapitel: Sich zu seinem wahren Selbst bekennen
Danksagungen
Anhang
Der Rosenberg-ResetTM
90 Sekunden für ein Leben, das du liebst (Kontakt)
Anmerkungen
Register
Über die Autorin
Seit 47 Jahren bin ich im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung tätig und moderiere oder unterrichte an der Seite meiner Freunde – darunter Persönlichkeiten wie Wayne Dyer, Les Brown, Bob Proctor, Marianne Williamson, Deepak Chopra, Gay Hendricks und viele mehr. Als Beraterin arbeite ich mit zahlreichen renommierten Experten dieses Fachgebiets zusammen. Auf Vermittlung Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, war ich wiederholt für eine Friedensinitiative tätig, habe mit den Kindern von Dr. Martin Luther King jr. bei »Season for Nonviolence« zusammengearbeitet und war dreimal Speaker vor der UN-Vollversammlung.
Wie Joan Rosenberg habe auch ich Counseling Psychology studiert und mit dem Master-Degree abgeschlossen, Joan hat promoviert. Wir verfügen beide über vierzig Jahre Erfahrung in der Persönlichkeitsentwicklung. Joan beschäftigte sich eingehend mit dem Thema aus psychologischer Sicht, während ich mich darauf konzentrierte, die spirituelle Seite von Erfolg zu ergründen.
Im September 2013 ergab sich zum ersten Mal die Gelegenheit zu einem längeren Gespräch mit Joan, und ich erinnere mich noch genau an unsere einstündige Unterhaltung auf dem Rasen von »The Old Manse« des Schriftstellers und Philosophen Ralph Waldo Emerson. Mir fielen Joans Herzlichkeit, ihre Schlagfertigkeit und ihre klugen Kommentare auf, obwohl sie bei unserem ersten Treffen eher schweigsam und zurückhaltend war. Zu diesem Zeitpunkt leitete ich gerade ein Persönlichkeitsentwicklungstraining im Rahmen der »Concord Experience«. Dieses Programm sollte zu einem vertieften Verständnis des Transzendentalismus beitragen, des US-amerikanischen Teils des theologischen Weltwissens.
Während unseres Gesprächs zeigte mir Joan ein Blatt mit einem Schema, das 25 Jahre ihres Lebenswerks enthielt, und erläuterte mir ihre Auffassung von persönlichem Wachstum und von Wohlbefinden. Dies umfasste alles, was für ein unerschütterliches Selbstvertrauen erforderlich ist. Einen so brillanten und doch einfachen Ansatz für wahre Transformation hatte ich in all den Jahren meiner eigenen Studien nicht kennengelernt.
Dieses einfache Schema liegt diesem Buch zugrunde. Mir war auf Anhieb klar, dass Joan einen äußerst wichtigen Prozess entwickelt hatte, der für viele Menschen wegweisend sein würde.
Das unkomplizierte Konzept ist überzeugend und praktikabel zugleich – dahinter steht der Gedanke, dass man innerhalb von etwa 90 Sekunden von einer Seite eines unangenehmen Gefühls auf dessen andere Seite wechseln kann, wenn man das Gefühl wirklich zulässt. Und das funktioniert tatsächlich!
Dr. Rosenbergs Methode (die sie »Rosenberg-Reset« nennt) beruht auf diesem kurzen Zeitraum von nur 90 Sekunden und auf Ihrer Bereitschaft, acht unterschiedliche unangenehme Gefühle zuzulassen.
Besonders faszinierend finde ich, wie Joan dieses einfache Konzept auf unzählige bekannte emotionale Herausforderungen anwendet, mit denen die meisten von uns konfrontiert werden. Die Auseinandersetzung mit diesen acht Gefühlen fördert nicht nur emotionale Stärke, Selbstvertrauen und Resilienz. Ebenso werden Ängste abgebaut, und die gnadenlose Selbstkritik verstummt, sodass Sie für sich selbst eintreten und Ihre Versagensängste loslassen können. Meiner Meinung nach braucht jeder Mensch dabei etwas Unterstützung und kann sich diesen Ansatz zunutze machen. Und das ist erst der Anfang!
Wegen Joans einzigartiger Sicht auf viele Bereiche des persönlichen Wachstums habe ich sie häufig als Speaker und Trainerin zu meinen Veranstaltungen eingeladen. Ich beziehe mich in meinen Kursen selbst oft auf ihre 90-Sekunden-Formel.
Dieses Buch eröffnet Ihnen die Möglichkeit, mehr über die Wissenschaft hinter Joans Ansatz und die unangenehmen Gefühle kennenzulernen sowie von Joans Erkenntnissen aus ihrer jahrelangen Tätigkeit auf diesem Gebiet zu profitieren. Sie zeigt auf, wie diese einfache Methode dazu beitragen kann, durch schwierige Emotionen zu gesünderem Denken und Handeln zu gelangen. Joans Vorgehensweise fügt sich gut ein in meine eigene Arbeit, Menschen dabei zu helfen, eine andere Einstellung zu sich selbst zu gewinnen und ein Leben zu führen, das sie lieben. Ihre Methode lässt sich aber auch in viele andere bekannte Psychotherapieformen integrieren.
Ich frage mich, warum niemand vor ihr diesen Weg eingeschlagen hat. Warum ist eine so logische, leicht zu verstehende und einfach anzuwendende Technik nicht das Herzstück eines jeden Kurses über Vertrauensbildung, von Beraterausbildungen und von Psychotherapien in den USA und anderswo?
Die in diesem Buch beschriebenen Methoden sind nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht sinnvoll. In jedem einzelnen Beispiel, über das Dr. Rosenberg berichtet, wird deutlich, dass und wie sie im wirklichen Leben funktionieren! Auf den folgenden Seiten begegnet Ihnen kein theoretischer Hokuspokus oder reines »Wohlfühldenken«, das nur auf einfachem Optimismus beruht – nein, das Buch führt Sie durch unangenehme Gefühle und weg von schädlichen Denkmustern hin zu echtem, tiefem und dauerhaftem Selbstvertrauen, zu Resilienz und zu einer Veränderung Ihres Lebens zum Besseren.
Dies ist vielleicht eines der wichtigsten Bücher Ihres Lebens! Lesen Sie es einmal durch, und nutzen Sie es anschließend als Arbeitsbuch, um zu lernen, wie auch Sie ein Leben führen können, das Sie wirklich lieben. Geben Sie es auch an all die Menschen weiter, die Ihnen etwas bedeuten.
Ich bin mir sicher, dass Sie Dr. Joan Rosenberg ebenso dankbar sein werden für ihre einzigartige Methode, unser aller Leben zu verbessern.
Mary Morrissey
Gründerin des Life Mastery Institute
Versetzen Sie sich kurz zurück in Ihre Kindheit oder Jugend – da gab es doch bestimmt immer ein paar Jungen oder Mädchen, die als Letzte zu einer Party oder anderen Aktivitäten eingeladen wurden. Sie waren meist eher zurückhaltend und verbrachten die Zeit lieber allein statt mit anderen. Vielleicht waren Sie auch so? Diese »Mauerblümchen« warteten eigentlich nur darauf, dass sie jemand beachtete, mit ihnen sprach oder sie einlud.
Genauso war ich auch. Als Kind war ich zwar selbstbewusst, aber äußerst schüchtern. Schon mit vier Jahren kam ich in den Kindergarten. Ich war die Jüngste und Kleinste, was mit der Zeit immer schwieriger auszuhalten war. Ich war eigentlich immer gehemmt und sehr verletzlich. Seelisch fühlte ich mich wund und ungeschützt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie unsere Grundschullehrerin die anderen Kinder darum bitten musste, mit mir Freundschaft zu schließen. Abgesehen von meinem Gefühl der Schwäche und meinen Schwierigkeiten, mich anzupassen (die wahrscheinlich genau damit zusammenhingen), wurde ich während meiner gesamten Kindheit und Jugend unaufhörlich gehänselt und gemobbt.
Warum konnte ich nicht einfach mitspielen und eine gute Zeit haben wie die anderen Kinder auch? Ich wollte unbedingt das haben, was sie meiner Meinung nach besaßen: Glück, Selbstvertrauen und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Erst viel später wurde mir klar, dass ich dem naiven, aber falschen Glauben aufgesessen war, ich müsse mich nur in ihrer Nähe aufhalten, um all das Ersehnte auch zu bekommen. Aber Selbstvertrauen ist leider nicht übertragbar. Ich konnte nicht auf wundersame Weise plötzlich ein Gefühl innerer Zufriedenheit entwickeln oder Freude am Leben finden, nur weil ich mit ihnen zusammen war.
Es gab keinen dramatischen oder erkennbaren Grund, warum ich nicht das haben konnte, was die anderen Kinder hatten. Ich stamme aus einem stabilen und liebevollen Elternhaus. Zwar hatten wir wie jede Familie unsere Höhen und Tiefen, aber es gab keine Suchterkrankungen, psychischen Störungen oder Missbrauch. Drogen oder Alkohol habe ich gemieden, ich war nicht magersüchtig, habe mich nicht geritzt oder selbst verletzt. Als ich älter wurde, verfiel ich nicht in Einkaufsorgien, dem Glücksspiel oder entwickelte irgendwelche anderen Formen zwanghaften Verhaltens.
Dass ich auf solche Bewältigungsstrategien verzichtete, täuschte aber nicht darüber hinweg, wie tief ich verletzt war. Inzwischen weiß ich, dass der emotionale Schmerz, von dem ich glaubte, niemand würde ihn verstehen, bemerken oder hören, zum Teil deshalb existierte, weil ich ihn nicht vollständig zuließ oder ihn anderen gegenüber nicht zum Ausdruck brachte.
Im Alter von neunzehn Jahren fing ich an zu begreifen, wie ich mich verändern konnte. Diese Erkenntnis war stark beeinflusst von zwei Ereignissen in meinem Leben. Das erste war die beiläufige Bemerkung, ich sei langweilig. Diese unfreundliche Äußerung einer gleichaltrigen Betreuerin nach einer Fahrt auf einem Heuwagen im Sommercamp erschütterte mich in den Grundfesten. Es fühlte sich an, als hätte jemand eine Heugabel in meinen Magen gesteckt und herumgedreht. Meine Welt stand plötzlich auf dem Kopf.
Diese unverblümte, spontane Kritik aus dem Bauch heraus brachte mich dazu, gründlich darüber nachzudenken, wie ich mich selbst sah, wie andere mich vielleicht sähen und was das für mich in Zukunft bedeutete. So schmerzhaft die Bemerkung auch war – sie hatte auch einen wahren Kern. Ich wusste bald nicht mehr, was mir mehr wehtat: die harten Worte oder meine Selbsterkenntnis.
Ich wollte verstehen, warum sie mich als langweilig empfand, und mich ändern, damit andere mich interessant und liebenswert fanden. Mir ging es gar nicht so sehr darum, mich zu verändern, um in diese oder andere Gruppen zu passen. Vielmehr wollte ich begreifen, was jene Menschen ausmacht, die andere emotional ansprechend und sympathisch finden. Deshalb musste ich herausfinden, warum mich die Bemerkung so getroffen hatte, obwohl ich mich durch sie in einem neuen Licht sehen konnte.
Das zweite Ereignis war der Tod eines engen Freundes, als ich 21 Jahre alt war. Mir war bewusst, dass ich trauerte und das völlig normal war. Doch ich konnte meine Traurigkeit nicht wirklich spüren. Diese Wahrnehmung war ein weiterer Impuls für mich, genauer hinzusehen und Antworten darauf zu suchen.
Jeden von uns trifft sein ganz eigener Schuss vor den Bug, der uns herausfordert oder sogar dazu zwingt, die Richtung zu ändern und endlich zu dem Menschen zu werden, der wir eigentlich sind. Solche Magenhiebe waren für mich die schmerzhaften Auslöser für meinen Wunsch, Psychologin zu werden. Ich wollte verstehen, was uns wirklich hilft, Selbstvertrauen, emotionale Belastbarkeit und ein Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Heute weiß ich, dass jeder Mensch sich das Leben erschaffen kann, das er liebt. Während mein Leben früher von Selbstzweifeln und Ohnmacht geprägt war, lebe ich heute das genaue Gegenteil davon.
Vielleicht haben Sie das Gefühl, nirgendwo dazuzugehören oder reinzupassen. Vielleicht nehmen Sie sich als »anders« wahr, als beziehungslos oder ängstlich, was die Erfüllung Ihrer Träume und Ziele angeht. Im Vergleich mit anderen scheinen Sie überhaupt kein Selbstvertrauen zu haben und fragen sich vielleicht, warum Sie das nicht auch haben können. Aber das muss nicht so bleiben! Denn es gibt einen Weg, ein unerschütterliches Selbstvertrauen zu entwickeln und zu erhalten – er beginnt mit dem Vorsatz, sich zu verändern. Konzentrieren Sie sich darauf, und bleiben Sie dabei. Auf diese Weise machen Sie schnell Fortschritte, während Sie Ihr Leben zu dem transformieren, das Sie lieben.
So paradox es auch klingen mag: Der Schlüssel zu Selbstvertrauen und einem Leben, das Sie lieben, liegt in Ihrer Bereitschaft, sich unangenehmen Gefühlen zu stellen und mit ihnen umzugehen. Selbstvertrauen entsteht, wenn in Ihnen die tiefe Überzeugung verankert ist, mit den emotionalen Auswirkungen Ihres Handelns grundsätzlich gut zurechtzukommen. Wenn Sie acht unangenehme Gefühle erlebt und durchgestanden haben, können Sie alles erreichen, was Sie sich im Leben nur wünschen.
Selbstvertrauen entsteht, wenn in Ihnen die tiefe Überzeugung verankert ist, mit den emotionalen Auswirkungen Ihres Handelns gut zurechtzukommen.
Wie können Sie diese Gefühle durchstehen? Indem Sie eine einfache Formel anwenden: eine Wahlmöglichkeit, acht Gefühle, 90 Sekunden.
Der »Rosenberg-Neustart« (im Folgenden: Rosenberg-Reset, wie einer meiner Kollegen meine Methode liebevoll nannte)1 besteht nur aus drei Schritten, die fast gleichzeitig ablaufen.
Erstens treffen Sie die Entscheidung, voll präsent zu sein. Das bedeutet, sich Ihres gegenwärtigen Gefühlserlebens ganz bewusst zu sein und möglichst viel davon wahrzunehmen. Das öffnet Sie für das gesamte Spektrum Ihrer Gefühle von angenehm bis unangenehm.
Unangenehme Gefühle sind meist nur schwer zu ertragen. Deshalb erklären Sie zweitens Ihre Bereitschaft, die folgenden acht häufigen unangenehmen Gefühle zuzulassen oder bewusst mit ihnen umzugehen:
Traurigkeit,Schamgefühl,Hilflosigkeit,Wut,Verlegenheit,Enttäuschung,Frustration undVerletzlichkeit.Drittens ertragen und durchleben Sie diese unangenehmen Gefühle, indem Sie eine oder mehrere körperliche Reaktionen wahrnehmen, die 90 Sekunden lang dauern. Dazu gehören Rotwerden, Herzklopfen oder ein Kloß im Magen. Damit bringt der Körper Gefühle zum Ausdruck. Das Zulassen dieser Reaktionen und der Emotionen, für die sie stehen, ist ein essenzieller Teil des Rosenberg-Reset.
Wenn Sie diese Reaktionen ausblenden oder sich von ihnen ablenken, bleiben Sie innerlich leer, denn tief im Inneren wissen Sie, dass Ihnen etwas fehlt. Verbinden Sie sich mit Ihrem gegenwärtigen Gefühlserleben, und reiten Sie für jeweils 90 Sekunden auf der Welle eines oder mehrerer der acht unangenehmen Gefühle. Das bedeutet Vitalität und Lebensfreude für Sie! Meistern Sie diesen Reset-Prozess, und es erwartet Sie ein Leben der Fülle und höchster Intensität – und dieses Leben gestalten Sie ganz nach Ihren Wünschen und Vorstellungen.
Der Reset ist wie ein Befreiungsschlag: Sorgen, Befürchtungen, Versagensängste und das Gefühl, von anderen abgewertet zu werden, finden ein Ende. Ebenso Ihr negatives Selbstbild und Ihre ständige harte Selbstkritik, mit der Sie sich kleinmachen. Sie werfen den alten emotionalen Ballast ab, und das gibt Ihnen die innere Freiheit, Risiken einzugehen, anderen zu vertrauen und sich offen und verletzlich zu zeigen. Veränderungen machen Ihnen keine Angst mehr – im Gegenteil, Sie gehen offen darauf zu. Wenden Sie den Reset regelmäßig an, damit tiefes Vertrauen und innere Stärke zu Ihren ständigen Begleitern werden.
Die schwierigen Gefühle, die ich ausgewählt habe, sind abgeleitet vom allgemein gebräuchlichen Wortschatz, den wir alle tagtäglich verwenden. Mir ist wichtig, dass Sie sich beim Lesen des Buches dessen bewusst sind. Meine Liste beruht auf mehr als vier Jahrzehnten klinischer Arbeit mit Klient*innen und Doktorand*innen. Im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass bestimmte Wörter zu ungenau sind, zum Beispiel »Schmerz«, »verletzt sein«, »gestresst sein«, »unter Druck stehen«.
Dies merkte ich daran, dass Therapiegespräche über »verletzt sein« keine echte Veränderung erbrachten. Wenn jedoch ein Klient ein spezifischeres Wort verwendete, um seine Gefühle zu beschreiben (zum Beispiel »enttäuscht sein«), kam es oft zu einem Aha-Erlebnis – mit einem Klick stellte sich plötzlich eine Erkenntnis ein, der Klarheit und ein Gefühl der Entspannung folgten.
Die Begriffe »Gefühle« und »Emotionen« verwende ich im Folgenden synonym. Natürlich könnten wir endlos über ihre Vielschichtigkeit und wissenschaftlichen Konnotationen diskutieren. Und vielleicht würden Sie im Gegensatz zu mir auch ganz andere Gefühle als schwierig oder unangenehm bezeichnen. Mir ist äußerst wichtig, dass Sie verstehen, dass die 90-Sekunden-Formel und die von mir ausgewählten spezifischen Gefühle unsere alltäglichen Erfahrungen und unseren Gebrauch dieser Wörter am besten widerspiegeln.
Mit Ausnahme von Traumen gilt die hier beschriebene Zeitspanne von 90 Sekunden für die meisten Situationen; tatsächlich sind es oft sogar weniger als 90 Sekunden. Vielleicht denken Sie jetzt: »Nein, das stimmt nicht. Gefühle dauern viel länger.« Etwas weiter hinten im Buch gehe ich darauf ein, warum Gefühle in unserer Wahrnehmung scheinbar länger anhalten, als das wirklich der Fall ist.
Sie können diese 90 Sekunden aber auch als Sinnbild für die kurze Zeitspanne betrachten, die Sie brauchen, um sich Ihren schwierigen Gefühlen anzunähern. Dazu passt der Satz, den ich schon öfter gehört habe: »90 Sekunden lang kann ich das gut aushalten.« Sie können das doch bestimmt auch für 90 Sekunden, oder? Und genau das ist die Voraussetzung für ein selbstbewusstes, authentisches und resilientes Leben.
Mit diesem Buch möchte ich Ihnen einen strategischen und praktikablen Begleiter an die Hand geben, um emotionale Stärke, Selbstvertrauen und psychische Widerstandskraft zu entwickeln. Denn die brauchen Sie, um die allerschwierigsten Emotionen zu bewältigen. Es ist nicht nur ein Arbeitsbuch, sondern vermittelt auch eine Lebensphilosophie. Dies belegen zahlreiche Beispiele von Menschen, die ihr Leben sozusagen »neu erfunden« haben, indem sie sich endlich erlaubten, so zu sein, wie sie wirklich sind.
Der Reset ermöglicht einen schnellen Erkenntnisgewinn und beschleunigt die dauerhafte persönliche Transformation. Sie erkennen, was Sie daran hindert, ein Leben zu schaffen und zu leben, das Sie lieben. Indem Sie Ihre Emotionen zulassen, befreien Sie sich selbst.
Diesen praxiserprobten und bewährten Prozess habe ich während mehr als vier Jahrzehnten in der klinischen Praxis entwickelt. Er beruht auf meinen persönlichen beruflichen Erfahrungen als Betreuerin und Dozentin von Psychologiestudierenden an der University of Southern California, an der University of California, Los Angeles, und inzwischen an der Pepperdine University Graduate School of Education and Psychology.
Das Buch ist ein spannender neuer Ansatz für Veränderung, Transformation und persönliches Wachstum. Nun liegt es in Ihrer Hand, emotionale Stärke sowie Selbstvertrauen aufzubauen und ein authentisches Leben zu führen. Es dauert nur 90 Sekunden, um Ihr Leben zu verändern.
Worauf warten Sie noch?
Teil IKompetenzen entwickeln
Mehr – haben Sie sich jemals in Ihrem Leben gewünscht, mehr zu sein oder mehr zu haben? Selbst wenn Sie schon alles erreicht haben, was einmal Ihre Traumvorstellung oder Ihr Ziel gewesen ist, strebt ein Teil von Ihnen immer weiter und weiter. So ging es auch mir: Ich wollte ständig mehr haben. Damit meine ich keine materiellen Dinge, sondern ich wollte ein besserer Mensch werden: kompetenter, nachdenklicher, großzügiger und liebevoller.
Da ich beruflich erfolgreich war, wusste ich nicht so recht, was mich dazu antrieb, bis ich Mary Morrissey kennenlernte, die führende Expertin auf dem Gebiet der Persönlichkeitsentwicklung, meine geschätzte Mentorin und Freundin. Sie erläuterte mir, dass wir Menschen ständig auf der Suche nach einer freieren, vollkommeneren und besseren Version unserer selbst sind und das Leben sich nur durch uns selbst voll entfalten kann.2
Nehmen Sie sich Zeit, um darüber nachzudenken, wie das in Ihrem Leben ist. Beantworten Sie für sich die folgenden Fragen: Wie möchten SieIhr Leben gestalten? Wie müsste Ihr Leben sein, das Sie wirklich lieben?3 Wie würde es sich von Ihrem jetzigen Leben unterscheiden? Was würde das für Ihre Gesundheit bedeuten? Wie wären Ihre Beziehungen zu Ihrem Partner, zu Ihrer Familie und zu anderen? Mit wem würden Sie am liebsten Ihre Zeit verbringen? Würden Sie reisen oder Ihre Hobbys pflegen? Wie würden Sie Ihre Zeit gern nutzen?4
Ich weiß, dass man dazu neigt, solche Fragen schnell und oberflächlich zu beantworten. Aber ich möchte Sie dazu einladen, dafür ein Journal oder ein Heft anzulegen, in das Sie Ihre Gedanken notieren.
Eintrag 1: Welches Leben möchten Sie führen?
Beantworten Sie die oben genannten Fragen ausführlich und in Ruhe.
Die Reaktionen meiner Klient*innen auf diese Fragen reichen von leidenschaftlichen, detaillierten Schilderungen einer großartigen Zukunft bis hin zu ratlosen Blicken, die die unzähligen Zweifel an der eigenen Fähigkeit zum Ausdruck bringen, einen der eigenen Träume zu verwirklichen. Einige wichtige Antworten kommen aber übereinstimmend von allen:
Sie möchten sich voll und ganz für eine Sache einsetzen, die sinnvoll ist und einem guten Zweck dient.Sie wollen wissen, welche Bedeutung sie für die Menschen und die Gegebenheiten in ihrem Leben haben.Alle wünschen sich mehr Selbstbewusstsein und innere Stärke und möchten weniger belastet sein von den Problemen des täglichen Lebens.Viele bekommen zu hören, sie sollten selbstbewusster auftreten oder ein höheres Selbstwertgefühl entwickeln. Doch keiner verrät ihnen, wie das geht. Ich versichere Ihnen, dass Sie das schaffen können. Sie werden selbstbewusster und resilienter werden.
Die meisten Menschen denken, das Leben mache mit ihnen, was es will, und sie müssten hinnehmen, was es ihnen bringt. Wenn für Sie das Leben eine Verkettung schwieriger Probleme ist, können Kritik und Klage Ihre Bewältigungsstrategien sein, um mit den Härten des Daseins fertigzuwerden. Leider wissen viele gar nicht, dass sie es selbst in der Hand haben, genau das Leben zu erschaffen, das sie führen wollen. Richten Sie sich aus auf klare Intentionen, und ergreifen Sie inspirierte Maßnahmen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Auf diese Weise entsteht bei Ihnen das Gefühl, maßgeblich auf die Entwicklung Ihres Lebens einwirken und es wirklich zu Ihrem machen zu können.
Für andere liegt der Sinn ihres Lebens dagegen in der tatkräftigen Verwirklichung ihrer Ziele oder Träume. Wer in seinen Handlungen einen Sinn und tiefere Bedeutung sieht, hat meist das Gefühl, sein Lebensglück aktiv zu gestalten, statt nur ein Opfer der eigenen Lebensumstände zu sein. Persönlichkeitstrainer bezeichnen die reaktive, passive Haltung als »life by default« (»Leben nach Vorgabe«, »Durchschnittsleben«) und ein bewusst gestaltetes Leben als »life by design« (»Leben nach Plan«).
Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen, Ihr Leben nach Ihren Vorstellungen zu gestalten. Sie sind der Schöpfer Ihres Lebens, das so wird, wie Sie es sich vorstellen, und das Sie selbstbewusst, emotional belastbar, motiviert, zielstrebig und resilient werden lässt. Das setzt voraus, dass Sie alle Aspekte annehmen, die nun mal zum Leben gehören: Neben den schönen, lustigen, angenehmen und glücklichen Seiten sind das die unerfreulichen, chaotischen, unerwarteten und unangenehmen Dinge.
Die meisten von uns möchten unangenehme Gedanken und Gefühle am liebsten vermeiden, weil sie so verdammt unbehaglich oder sogar schmerzhaft sind. Wir gehen ihnen deshalb gern aus dem Weg und lenken uns von ihnen ab. Dieses Verhalten bezeichnet die Psychologie als »Erlebensvermeidung« (»experiential avoidance«5).
Durch die Abkopplung von schwierigen Gefühlen verschließen Sie sich aber vor wichtigen emotionalen Botschaften, die positiven Einfluss auf Ihr Leben nehmen oder es zum Besseren verändern könnten. Das ständige Wegschauen oder Vermeiden von unangenehmen oder unbequemen Gefühlen steht leider oft am Beginn eines langsamen Weges hin zu Angst, körperlichem Schmerz, Verwundbarkeit und Hilflosigkeit. Wer über längere Zeit hinweg immer wieder die Augen vor der Realität der eigenen Lebenserfahrungen verschließt, koppelt sich am Ende von sich selbst ab und wird irgendwann mit innerer Leere, emotionaler Erstarrung und seelischer Depression (»soulful depressionTM«6) zu kämpfen haben. Mit der Zeit können daraus sogar intensive Gefühle der Isolation, Entfremdung oder Hoffnungslosigkeit erwachsen.
Je mehr Sie in der Lage sind, sich dem Schmerz zu stellen, desto handlungsfähiger und stärker werden Sie.
Aber so weit muss es gar nicht erst kommen, denn es gibt einen Weg hin zu Selbstvertrauen, emotionaler Stärke und Resilienz. Diese drei Eigenschaften wirken sich unmittelbar aus auf Ihre Fähigkeit, ein sinnerfülltes Leben zu führen.
Stellt sich nun also die Frage, wie man sich denn zu einem emotional belastbareren und handlungsfähigeren Menschen entwickeln kann. Es mag sich für Sie widersinnig anhören, aber die Antwort darauf hängt damit zusammen, wie gut Sie Schmerz ertragen können beziehungsweise ob Sie mit Ihren eigenen unangenehmen Gefühlen fertigwerden. Je mehr Sie in der Lage sind, sich dem Schmerz zu stellen, desto handlungsfähiger und stärker werden Sie.
Offenheit für Veränderungen, eine positive Einstellung dem Schmerz gegenüber, die Bereitschaft, aus jeder Erfahrung zu lernen, und die Fähigkeit, unangenehme Gefühle zuzulassen und auszudrücken – das sind die Schlüssel zu unerschütterlichem Selbstvertrauen, emotionaler Stärke und Resilienz.
Der richtige und wirkungsvolle Umgang mit unangenehmen Gefühlen macht Sie ruhiger, selbstbewusster, souveräner und gelassener, wenn Sie damit konfrontiert werden. Ihre wachsende Kompetenz, solche Gefühle zu bewältigen, lässt Ängste verschwinden und Ihre harte Selbstkritik und Ihr negatives Selbstgespräch verstummen. Und irgendwann sind auch ehrliche und offene Gespräche mit anderen für Sie keine Herausforderung mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit. Oft verbessern und vertiefen sich Beziehungen dadurch sogar.
Wenn Sie in enger Verbindung bleiben mit Ihrem gegenwärtigen Gefühlserleben, können Sie Ihr Leben voll und ganz nach dem ausrichten, was Sie sein möchten, und mehr von dem tun, was Sie lieben. Dadurch erhält Ihr Dasein viel mehr Sinn und Bedeutung.
Was hindert Sie also noch daran, Ihre unangenehmen Gefühle anzunehmen, wenn sie doch dazu beitragen, genau das Leben zu führen, das Sie sich schon immer gewünscht haben?
Zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit arbeitete ich als Psychologin in der zentralen Studienberatung der University of California in Los Angeles. Ursprünglich hatte man mich eingestellt wegen meiner Erfahrungen in der Beratung von Frauen mit Essstörungen, darunter Magersucht, Bulimie und Essattacken mit Kontrollverlust. Es ging ausnahmslos immer um Essen, Gewicht oder Aussehen.
Liz war so etwas wie ein Paradebeispiel für diese Themen. Im Alter von zwanzig Jahren hatte sie bei einer Größe von circa 1,60 Meter knapp 14 Kilo Übergewicht. Sie berichtete, dass emotionales Essen beziehungsweise unkontrollierte Essattacken ihr Leben bestimmten: »Wenn ich unzufrieden bin, mich einsam oder gelangweilt fühle, esse ich was. Manchmal wegen einer schlechten Note in einer Hausarbeit oder einer Prüfung, dann wieder, weil ich nichts gebacken kriege oder weil ich mich über eine meiner Freundinnen ärgere und meine, ihr das nicht sagen zu können. Und ganz oft weiß ich selbst nicht mal, warum.«
Im Gespräch über ihre Essgewohnheiten meinte Liz, sie äße, bis ihr schlecht würde. Und dann würde sie noch mehr in sich reinstopfen. Sie hasste ihr Übergewicht und akzeptierte irgendwann, dass das viele Essen keines ihrer Probleme lösen würde. Essen konnte nicht überdecken, was sie belastete. Im Gegenteil: Neben den weiterhin bestehenden Problemen ärgerte sie sich auch noch über ihr Essverhalten und die zusätzlichen Pfunde. Der Groschen fiel bei ihr, nachdem sie am Tag vorher eine Riesenpizza verdrückt hatte, weil sie wütend auf ihre Mutter war und sie »bestrafen« wollte. Ihr wurde klar, dass ihre Mutter gar nichts von den Auswirkungen dieser Pizzaschlacht mitkriegen würde, sondern nur sie selbst. Und sie war immer noch wütend. Trotz der Essattacke war das Gefühl nicht verschwunden, und nichts war besser oder anders geworden.
Durch meine Arbeit mit Liz und unzähligen anderen wurde schnell deutlich, dass hinter diesen Problemen viel tiefer liegende und massivere Themen standen. Bei den Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen der Studierenden konnte ich vergleichbare Muster erkennen: Diejenigen mit Essproblemen konzentrierten sich viel zu stark auf Essen, Gewicht und Aussehen. Ihre Aufmerksamkeit war auf das falsche Themenfeld ausgerichtet. Sie litten nicht an einer Essstörung, sondern an etwas, das ich als »Störung des Gefühlsmanagements« (»emotional management disorder«) bezeichne.
In der Regel hatten die Probleme zwei Ebenen. Das Essverhalten an sich war die eine Ebene, denn es konnte sogar lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Aber es diente nur als Tarnung und Ablenkungsmanöver für die wahren Ursachen dahinter. Am Ende der ersten Sitzungen mit den einzelnen Studierenden kam ich zu der Erkenntnis, dass das eigentliche Problem darin bestand, dass sie nicht in der Lage waren, ihre alltäglichen emotionalen Reaktionen und Erfahrungen zu bewältigen. Sie hatten Schwierigkeiten, ihre Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse und Wahrnehmungen einzuordnen. Ihr Fokus auf Essen, Gewicht und Aussehen lenkte sie von ihren schmerzlichen Gedanken, Gefühlen oder Bedürfnissen ab, die schwer zu ertragen waren. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit auf die »Kontrolle« der falschen Dinge.
Eintrag 2: Worauf liegt Ihr Fokus?
Vielleicht richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Themen oder Probleme, die Sie von dem ablenken, was Sie wirklich belastet. Statt sich mit Ihren wahren Problemen auseinanderzusetzen, verlagern Sie Ihren Fokus.
Was tun Sie, um zu verschleiern, was wirklich in Ihnen vorgeht? Auf welche Nebensächlichkeiten richten Sie Ihre Aufmerksamkeit? Welche Aktivitäten, Gespräche, Menschen, Ereignisse oder Situationen meiden Sie absichtlich? Betrachten Sie Ablenkungen wie emotionales Essen, exzessiven Sport oder eine ausschweifende Shoppingtour als Hinweise darauf, dass bei Ihnen andere Probleme vorliegen könnten. Welche würden das sein?
Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, und schreiben Sie die Antworten auf diese Fragen in Ihr Journal oder Notizbuch.
Im Laufe meiner vierzigjährigen Beratungstätigkeit entdeckte ich bei vielen meiner Klient*innen ein Verhaltensmuster, das mit den weit verbreiteten, aber destruktiven falschen Vorstellungen über emotionale Stärke und Schwäche zusammenhängt. Ich fand heraus, dass vor allem Menschen mit dem geringsten Selbstvertrauen an den folgenden Überzeugungen oder Verhaltensweisen festhielten.
Bitte gehen Sie die Liste durch, und markieren Sie Ähnlichkeiten, die Sie bei sich selbst feststellen …
Menschen mit geringem Selbstvertrauen
ignorieren unbequeme oder unangenehme Gefühle,bezweifeln oder hinterfragen fast alles, was sie sagen oder tun,zögern, Risiken einzugehen,sind oft ängstlich,neigen dazu, sich Sorgen darüber zu machen, anderen zur Last zu fallen,grübeln ständig darüber nach, was andere von ihnen denken,glauben, alles allein machen zu müssen,hassen es, um Hilfe zu bitten,stellen die Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen über ihre eigenen,drücken ihre Gefühle nicht aus, um nicht verletzbar zu sein,zeigen kein Anzeichen von Verletzlichkeit, um nicht als schwach zu gelten,setzen ihre eigenen Leistungen und Erfolge herab,verstecken ihre Erfolge oder schmälern die Anerkennung dafür undkönnen keine Komplimente annehmen.Mir wurde bewusst, dass all diese Überzeugungen und Verhaltensmuster zu Problemen mit dem Gefühlsmanagement führen. Diese sind die Ursache hinter vielen Schwierigkeiten, darunter Ängste, Depressionen, Essstörungen sowie Drogen- und Alkoholkonsum oder -missbrauch.
Ebenso fielen mir die wohl seit Jahren bestehenden destruktiven Ansichten über die Bedeutung von emotionaler Stärke beziehungsweise Schwäche auf. Was haben Sie darüber gelernt oder gehört? Kommen Ihnen die folgenden Sätze bekannt vor?
Traurigkeit und Tränen demonstrieren Schwäche.Mach weiter.Reiß dich zusammen.Finde dich damit ab.Lass es hinter dir.Vergiss es einfach.Mach es selbst.Heul doch.Zeig nicht deine verletzliche Seite.Hör endlich auf zu jammern!Das ist doch gar nicht deine Art!Du bist allein für deinen Erfolg zuständig.Denk nicht mal daran, andere um Hilfe zu bitten.Weiche Gefühle sind ein Ausdruck von Schwäche.Zieh dich am eigenen Schopf aus dem Sumpf.Du brauchst Hilfe? Du hast selbst Hände zum Zupacken.Auch wenn manche dieser Sprüche kurzfristig einen positiven Impuls setzen, enthalten sie einen negativen Kern, der Menschen schaden kann, die daran festhalten. Ich habe eine ganz andere Vorstellung davon, was es braucht, um emotional stark zu sein. Sehen wir uns jetzt meine Neudefinition der wesentlichen Bestandteile von emotionaler Stärke an.
Emotionale Stärke bedeutet, handlungsfähig zu sein und sich mithilfe persönlicher Ressourcen helfen zu können (»resourceful«). Das Gefühl, den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu sein, resultiert aus Ihrer Erfahrung, mit den acht unangenehmen Gefühlen wirkungsvoll umgehen zu können. Dies läuft in Ihrem Inneren ab – dabei verarbeiten Sie emotionale Erfahrungen auf Ihre ganz eigene emotionale Weise.
Das Bewusstsein, sich selbst helfen zu können, schließt Ihr Umfeld mit ein, indem Sie sich auf andere verlassen, deren Bedürfnisse und Grenzen anerkennen, sie um Hilfe bitten und die angebotene Unterstützung dann auch dankbar annehmen. Und Ihre Überzeugung, handlungsfähig zu sein und erfolgreich Ihre Ressourcen einzusetzen, bringt zum Ausdruck, dass Sie die emotionalen Voraussetzungen mitbringen, um Ihre Träume und Ziele zu verwirklichen. Und wenn es erforderlich ist, haben Sie den Mut, andere um ihre Unterstützung zu bitten.
Vielleicht sind Sie aber der Meinung, dass zu emotionaler Stärke gehöre, Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse und Empfindungen zu kontrollieren, abzuschalten oder auszublenden. Mit anderen Worten: jegliche Form von Wahrnehmung zu ignorieren oder zu verdrängen. Bitte machen Sie sich bewusst, dass Ihnen dadurch emotionale Reaktionen zu Ihrem eigenen Schutz oder zur Verbindung mit anderen nicht zur Verfügung stehen.
Abschottung macht Sie nur schwächer und verletzlicher. Das Gefühl »emotionale Schwäche« – oder besser gesagt: Verletzlichkeit – steigert sich noch, wenn Sie Ihre Reaktionen auf die alltäglichen Momente des Lebens vermeiden, unterdrücken, ausschalten oder sich davon ablenken. Diese Form der Abkopplung und des Wegschauens (»nicht wissen wollen, was man weiß«) steht in direktem Zusammenhang mit dem Umgehen schwieriger Gefühle, statt sich den Erfahrungen des Lebens zu stellen.
Im Gegensatz dazu sind Menschen, die sich ihrer Gefühle bewusst und darauf ausgerichtet sind (»wissen, was man weiß«), besser in der Lage und eher bereit, in allen Bereichen des Lebens Risiken einzugehen. Außerdem sind sie viel mehr in ihrer Mitte und gelassener, wenn ihre Beziehungen zu Familie und Freunden stabil sind und sie sich anderen gegenüber öffnen können. Sie nehmen Hilfe und Unterstützung an.
Das Gefühl inneren Friedens ist ein weiterer Ausdruck von emotionaler Stärke. Um wahre emotionale Stärke, Selbstvertrauen und Wohlbefinden zu erlangen, ist es unabdingbar, sich selbst als handlungsfähig und das eigene Leben gestaltend wahrzunehmen.
Als ich damit begann, meine Beobachtungen aus der langjährigen Behandlung von Klient*innen und aus vielen Lebensgeschichten zusammenzufassen, kristallisierte sich ein deutlich erkennbares Muster heraus. Das führte mich zu einer Erkenntnis, die Ihnen vielleicht als eine Selbstverständlichkeit erscheinen mag: Den meisten Menschen fällt es unheimlich schwer, mit unangenehmen Gefühlen umzugehen.
Und je länger ich mich mit diesem Thema befasste (Zehntausende von Stunden), desto mehr Merkmale dieses Musters erkannte ich. Erstens stellte ich fest, dass dieselben unangenehmen Gefühle immer wieder auftraten (Traurigkeit, Schamgefühl, Hilflosigkeit, Wut, Verlegenheit, Enttäuschung, Frustration und Verletzlichkeit).
Zweitens erkannte ich, dass meine Klient*innen all diese Gefühle verdrängten oder vermieden und darüber klagten, nicht bei sich selbst zu sein, sich in der eigenen Haut nicht wohlzufühlen, nicht im Gleichgewicht zu sein oder sich emotional schwach und unvollständig zu fühlen.
Ich verstand drittens, dass mehrere häufig auftretende psychischen Probleme auf die Schwierigkeit zurückgeführt werden konnten, diese Gefühle zuzulassen. Zu den Symptomen zählten Ängste, Mangel an Authentizität, Ablenkung, Schwierigkeiten, sich Gehör zu verschaffen, seelische Depressionen, Versagensängste, geringe Risikobereitschaft, niedriges Selbstbewusstsein und harte Selbstkritik.
Viertens vermieden es die meisten, andere um Hilfe zu bitten, und machten sich Sorgen, ihnen zur Last zu fallen, wenn sie es doch taten.
Und fünftens wurde offensichtlich, dass sich all diese Herausforderungen wandelten, wenn Klient*innen ihren Fokus verlagerten und unangenehme Gefühle mithilfe des Rosenberg-Reset annahmen.
Sobald Sie die ganze Bandbreite Ihrer Gefühle – angenehme wie unangenehme – bewusst wahrnehmen und akzeptieren, verändert sich Ihr Selbstbild. Durch das Annehmen unangenehmer Gefühle verändert sich auch alles andere. Beinah direkt stellen sich persönliches Wachstum, Weiterentwicklung und mehr Dynamik ein. Die Menschen fühlen sich stärker und handlungsfähiger. Sie wagen es, sich zu äußern und herausfordernde Gespräche zu führen, Risiken einzugehen, die ihnen vorher Angst eingejagt haben, und aktiv Träume umzusetzen, die ihnen zuvor unerreichbar erschienen.
Ich bin zutiefst überzeugt, dass ein Mensch erst dann dieses tiefe innere Wissen erlangt, diesen unerschütterlichen Glauben an sich selbst, Probleme bewältigen und alles erreichen zu können, was er sich vorgenommen hat, wenn er diese acht unangenehmen Gefühle er- und durchlebt hat.
Das ist der Kern, das Herzstück der 90-Sekunden-Formel, die das Selbstvertrauen stärkt und jeden Menschen befähigt, sich in der Welt zu behaupten. Alles andere ergibt sich daraus.
Warum ist das so wichtig? Wer sich vor Risiken, egal welcher Art, fürchtet oder sie vermeidet, hat eigentlich weniger Angst vor dem Risiko selbst als vor den unangenehmen Gefühlen, die sich einstellen könnten, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es uns wünschen. Ihr Gefühl, handlungsfähig zu sein und in der Welt zu bestehen, hängt unmittelbar damit zusammen, ob Sie die acht unangenehmen Gefühle zulassen und durchleben.
Wer sich vor Risiken, egal welcher Art, fürchtet oder sie vermeidet, hat eigentlich weniger Angst vor dem Risiko selbst als vor den unangenehmen Gefühlen, die sich einstellen könnten, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es uns wünschen.
Mit wachsendem Selbstbewusstseinwerden Sie feststellen, wie viel besser Sie Ihr gegenwärtiges Gefühlserleben annehmen, ihm begegnen, es kennen, ertragen, spüren, akzeptieren und ausdrücken können. Je größer Ihr Selbstbewusstsein und Ihre Bereitschaft sind, in Ihrer Wahrnehmung präsent zu bleiben, desto besser können Sie alle Aspekte des Lebens bewältigen.
Das zweite entscheidende Merkmal emotionaler Stärke ist die Fähigkeit, sich mithilfe der eigenen Ressourcen selbst helfen zu können. Dies schließt ein, dass Sie sowohl mit Ihren Bedürfnissen nach Unabhängigkeit und Abhängigkeit sowie den damit verbundenen Gefühlen zurechtkommen. Besonders wichtig bei der Nutzung der Ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen ist Ihre Bereitschaft, sich auf andere Menschen zu stützen. Dadurch fällt es Ihnen umso leichter,
Ihre Bedürfnisse und Grenzen anzunehmen,andere um Hilfe zu bitten sowieoffen und freundlich Hilfe in jeder Form anzunehmen (Unterstützung, Fürsorge, Zeit, Energie und so weiter).Wir sind von Natur aus soziale Wesen. Dennoch glauben die meisten Menschen aus individualistisch geprägten Kulturen wie der unseren, dass es eine Zumutung für andere sei, sie um Hilfe zu bitten und sich auf sie zu verlassen. Es ist aber eine Tatsache, dass wir letztlich nur sehr wenig ganz ohne die Unterstützung anderer Menschen tun können – auch wenn es uns schwerfällt, dies zuzugeben. Wir brauchen sowohl Unabhängigkeit als auch Abhängigkeit und nicht nur das eine oder das andere. Unser Bedürfnis, unabhängig von anderen unsere Ziele zu verfolgen, sollte sich die Waage halten mit dem Wunsch, mit anderen Menschen verbunden zu sein und sie bei Bedarf um Hilfe zu bitten.
Um alle verfügbaren Ressourcen zu nutzen, die uns zur Verfügung stehen, müssen wir akzeptieren, dass wir durchaus abhängig von anderen sind. Meist gestehen wir uns das erst ein, wenn wir am Boden liegen. Dann erst bringen wir den Mut auf, andere um ihre Unterstützung zu bitten. Je mehr Sie dazu in der Lage sind, desto offener und ehrlicher nehmen Sie Ihre jeweiligen Bedürfnisse und Grenzen an. Das ist die wichtigste Voraussetzung überhaupt, um den nächsten Schritt zu tun – nämlich um Hilfe zu bitten. Mit anderen Worten: Wer sich auf andere verlässt und ihre Hilfe erbittet, der beweist emotionale Stärke.
Bitten ist die Vorstufe für den letzten Schritt: etwas dankbar annehmen. Es ist ratsam, Gutes anzunehmen und dankbar für die Wertschätzung und Unterstützung anderer zu sein. Indem sie ihre Hilfe, ihr Wissen, ihre Einsatzbereitschaft, ihre Zeit, ihre Talente oder ihre Begeisterungsfähigkeit zur Verfügung stellen, geben sie etwas von sich selbst. Nehmen Sie diese Großzügigkeit dankbar an. Das hilft nicht nur Ihnen, sondern es freut und ehrt auch Ihre Mitmenschen. Hilfe anzunehmen und dankbar dafür zu sein schafft ein Gleichgewicht zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit.
Die Bitte um Hilfe ist kein Ausdruck von Schwäche, sondern von Menschlichkeit.
Emotionale Stärke bedeutet, sich auf andere Menschen zu verlassen, eigene Bedürfnisse und Einschränkungen zuzulassen und um Hilfe zu bitten. Das sind Grunderfahrungen menschlicher Existenz. Die Bitte um Hilfe ist kein Ausdruck von Schwäche, sondern von Menschlichkeit.
Vielleicht halten Sie es für unlogisch, dass man emotional stärker wird, wenn man sich erlaubt, unangenehme Gefühle zu empfinden. Es mag sein, dass Sie sich lieber für emotional stark halten – oder so wirken –, indem Sie emotionalen Stress nicht wahrnehmen, nicht darüber nachdenken, ihn aktiv verdrängen oder ausblenden. Aber so funktioniert das nicht. Wenn Sie so mit Ihren Gefühlen umgehen, wird die Situation nur noch schwieriger. Je mehr Sie unangenehme Gefühle wegdrücken, desto schlechter werden Sie sich fühlen.
So war es auch bei meiner Patientin Christa. In den Therapiesitzungen sprach sie viel über die Beziehungen zu ihren Freunden, besonders nach einem massiven Konflikt mit Ellie, mit der sie sehr eng befreundet war. Der Vorfall veranlasste Christa, ihre Beziehung zu Ellie und zu anderen aus ihrem Freundeskreis von Grund auf zu überdenken.
»Obwohl ich Studienförderung erhalte, zahle ich oft für meine Freunde, wenn wir essen gehen, ausgehen oder Ausflüge machen«, erzählte sie. »Wenn jemand eine Mitfahrgelegenheit braucht, bin ich die erste Anlaufstelle, und oft schwänze ich meine Vorlesungen oder Prüfungen, um anderen zu helfen. Wenn jemand eine Übernachtungsmöglichkeit braucht, stelle ich immer meine Wohnung zur Verfügung, aber meistens bleiben die Leute länger als verabredet. Das ging sogar so weit, dass Freunde wochenlang bei mir wohnten.«
Als ich sie fragte, wie sie sich dabei fühlte, stiegen langsam und zögerlich Gefühle der Enttäuschung, Traurigkeit und Wut über das egoistische Verhalten ihrer Freunde in ihr auf. In Anbetracht der Häufigkeit und der Intensität, wie Christas Gutmütigkeit ausgenutzt wurde, fragte ich sie, ob ihr das in der Vergangenheit jemals bewusst geworden sei. Sie bejahte meine Frage, meinte aber, dass sie manche Verhaltensweisen als Teil der Freundschaft betrachtet habe. Sie hatte ein Problem damit, solche Dinge sofort und offen anzusprechen.
»Ich habe schon gemerkt, was da lief, aber ich habe versucht, meine Gefühle zu verdrängen oder wegzuschieben«, sagte sie.
Mein Fokus lag darauf, Christa dabei zu helfen, über ihre Wahrnehmungen nachzudenken, statt sie wegzuschieben. Als Christas Traurigkeit und Wut allmählich an die Oberfläche kamen, konnte sie die ganze Heftigkeit dieser Gefühle spüren und dazu nutzen, um ihren Freunden klare Grenzen zu setzen. Keiner sollte sie mehr so schamlos ausnutzen wie in der Vergangenheit.
Hätte Christa ihre echten Gefühle von Wut, Enttäuschung und Traurigkeit bewusst wahrgenommen und sich erlaubt, sie in den jeweiligen Situationen zu zeigen, hätte sie mit großer Wahrscheinlichkeit viel früher einen Schlusspunkt gesetzt. Sie hätte sich davor schützen können, ausgenutzt zu werden, wenn sie geäußert hätte, was ihr auffiel und was sie störte. Sie hätte den anderen ihre Grenzen aufgezeigt oder sich gar nicht mehr mit ihnen getroffen. Diese Form des Selbstschutzes fördert das persönliche Wachstum und ist ein Ausdruck von Selbstliebe.
Wenn Sie emotional wirklich präsent und in der Lage sein wollen, eine engere Beziehung zu sich selbst und eine tiefere Verbindung mit anderen aufzubauen, können Sie das tun. Das hat auch Christa erkannt. Bevor sie Grenzen setzen konnte, lebte sie ein Durchschnittsleben. Das Wegschieben ihrer Wahrnehmungen hatte dazu geführt, dass andere sie ausnutzten und sie im Glauben lebte, das Leben würde einfach so laufen und tun, was es will. Doch durch Selbstbeobachtung und unsere Zusammenarbeit konnte Christa mit der Zeit alle alten Muster ablegen, die sie behinderten. Das ermöglichte ihr ein Leben ganz nach ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen.
Wie gelang es Christa, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es liebte? Die Antwortet lautet: Sie entschied sich dafür, mit ihren unmittelbaren Gefühlen in Resonanz zu gehen, offen dafür zu sein, ihre unangenehmen Gefühle vollständig zu erleben, und sie so anzunehmen, wie sie sind. Durch wiederholtes Üben entwickelte Christa Vertrauen in sich selbst, dass sie Veränderungen offen annehmen und alles bewältigen kann, was auf sie zukommt. Auf dieser Grundlage konnte sie das Leben verwirklichen, das sie sich immer gewünscht hatte.
Dank ihrer neu gewonnenen Stärke und Selbstsicherheit wurde Christa sich bewusst, dass sie alles erreichen konnte, was sie sich vornahm, und auch damit umgehen konnte, wenn es nicht klappte.
Sie verließ ihr früheres Umfeld und fand neue Freunde, die ihr gegenüber zugewandter waren und mehr Unterstützung boten. Sie schloss ihren Bachelor ab, bestand eine Fachprüfung und trat eine Stelle in einem angesehenen Unternehmen an. Mit zunehmendem Selbstbewusstsein beschloss sie, ein inzwischen höchst geschätztes Kleinunternehmen zu gründen, in dem sie ihre künstlerischen Talente einbringen kann. Sie ist stolz auf das, was sie erreicht hat, und bewahrt sich ihre Neugier und Offenheit, wie ihr Leben sich weiterentwickeln wird.
Sind auch Sie bereit durchzustarten?
Die 27-jährige Naomi kam vor einigen Jahren in meine Praxis. Während unseres ersten Gesprächs berichtete sie von einer Reihe Problemen. Ihre Eltern, bei denen sie immer noch lebte, waren alkoholkrank und stritten ständig. Vor einiger Zeit hatte sie einen sexuellen Übergriff erlebt, und ihre Verunsicherung, Traurigkeit und Angst nahmen seither immer mehr zu. Sie konnte nicht mehr aufhören zu weinen.
Im Lauf unseres Gesprächs erfuhr ich, dass sie trank, Marihuana rauchte und bei unkontrollierten Essattacken viel in sich hineinstopfte und danach exzessiv abführte. Außerdem riss sie sich selbst die Haare aus. Wenn die Schmerzen unerträglich wurden, schlug sie ihren Kopf gegen die Wand oder geriet in einen nicht mehr kontrollierbaren Wutanfall, bei dem sie ihre Eltern, Schwestern und Freunde anbrüllte. Sie setzte sich herab, beschimpfte und verurteilte sich für das, was geschehen war, und dafür, wie sich ihr Leben entwickelte. Naomi war offensichtlich völlig überfordert und wusste nicht, an wen sie sich wenden oder wie sie ihren Schmerz bewältigen sollte.
Ich erinnere mich noch, wie ich Naomi am Ende unserer ersten Sitzung sagte, dass ich trotz ihrer zahlreichen verschiedenen Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatte, eigentlich nur ein einziges Problem sähe. Verblüfft und sprachlos, aber auch neugierig blickte sie mich an. Ich erklärte ihr, dass mit Ausnahme des sexuellen Übergriffs alle Probleme auf Bewältigungsstrategien im Umgang mit schwierigen Lebenssituationen zurückgingen. Das eigentliche Grundproblem bestand in all ihren unterschiedlichen Strategien, mit dem unerträglichen emotionalen Schmerz fertigzuwerden, der mit Aspekten ihrer Kindheit, ihres Erwachsenwerdens und mit dem sexuellen Übergriff zusammenhing. Sie versuchte, sich dadurch von ihren Verletzungen abzulenken und sie »zu vergessen«.