Die Alpen-Apotheke - Mag. Arnold Achmüller - E-Book
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Die Alpen-Apotheke E-Book

Mag. Arnold Achmüller

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Beschreibung

Gesundheits-Ratgeber und Heilbuch mit dem geheimen Wissen der Kräuterdoktoren. Die Bauerndoktoren der Alpen besaßen ein überliefertes Kräuterwissen, das vielen Menschen half, Krankheiten zu behandeln. Ob bei Verdauungsproblemen, Atemwegserkrankungen oder Gelenkbeschwerden: Die Bauerndoktoren hatten für alles ein Mittel, nutzten die Heilkräfte der Natur und haben einen Schatz an wertvollen Hausmitteln aus Heil-Kräutern hinterlassen. Die Rezepte und Rezepturen für Wickel, Salben oder Tinkturen hat der Wiener Apotheker Arnold Achmüller seit Jahren gesammelt und wissenschaftlich geprüft. Erweitert um neueste Forschung, praktische Tipps und hilfreiche Illustrationen sowie gegliedert nach Gesundheitsbeschwerden entstand so dieses wertvolle Nachschlagewerk. Die Alpen-Apotheke macht uns heute das erprobte Kräuterwissen wieder zugänglich.

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Seitenzahl: 186

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Arnold Achmüller

Die Alpen-Apotheke

Hausmittel zum Selbermachen

Knaur e-books

Über dieses Buch

Bauerndoktoren aus dem Alpenraum nutzten schon immer die Heilkräfte der Natur und haben einen Schatz an wertvollen Hausmitteln hinterlassen. Das alte Wissen, das vielerorts schon in Vergessenheit geraten ist, hat der Apotheker Arnold Achmüller gesammelt, gesichtet, geprüft und um praktische Tipps erweitert.

– Wickel, Salben und Tinkturen

– Gegliedert nach Beschwerden

– Aktuelles aus Forschung und Wissenschaft

Inhaltsübersicht

I. Volksmedizin – Die Medizin des VolkesII. Bäuerliche HeiltraditionDie Kunst der DiagnostikHarnschauKörpervermessungPulsdiagnostikDer Einfluss des KosmosDiät und PräventionHeilendes WasserHexen, Kurpfuscher und BetrügerIII. Die VolksheilerBrühmte Heiler aus den AlpenSüdtirolNordtirolSteiermarkSchweizBayernIV. Kräuterkunde in den Alpen-LändernAtemwegserkrankungenEibischHolunderMalveMeerrettichQuendelSchlüsselblumeSpitzwegerichMuskel- und GelenkbeschwerdenArnikaBeinwellWacholderWurmfarnWunden und hauterkrankungenKletteRingelblumeSanikelErkrankungen der VerdauungsorganeBlutwurzEdelweißEnzianHeidelbeereMeisterwurzMinzeErkrankungen von Leber und GalleLöwenzahnOdermennigRettichBeruhigung und NervenerkrankungenBaldrianJohanniskrautAugen- und OhrenkrankheitenAugentrostHauswurzErkrankungen von Mund- und RachenraumBibernelleBrombeereSalbeiHerz-Kreislauf-ErkrankungenBärlauchWeißdornBlasen-, Nieren- und ProstataerkrankungenAckerschachtelhalmBrennnesselPreiselbeereFrauenheilkundeFrauenmantelGänsefingerkrautHimbeereSchafgarbeKinderheilkundeKamilleKinderwunschStorchschnabelV. Tipps für die PraxisKonservierung der HeilkräuterGrundrezepte mit HeilpflanzenTeemischungTinktur/KräuterschnapsKräuterlikörKräuterweiGewürzsalzGekochter KräutersirupNicht gekochter KräutersirupKräuterölSalbeWickelKräuteressigKräuterkissenBonbonsAlkoholBücher des Autors
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I.Volksmedizin – Die Medizin des Volkes

Lass es dich nicht gereuen,

auch beim gemeinen Manne nachzufragen, ob ein Ding zum Heilmittel geeignet sei.

Hippokrates, 4. Jahrhundert v. Chr.

Die Bewohner des Alpenraumes haben trotz unterschiedlicher Sprachen und häufig wechselnder Landschaften hinsichtlich ihrer Lebensumstände sehr viele Gemeinsamkeiten. In diesem wenig städtisch geprägten Raum sind die Wege oft lang und beschwerlich. Anders als in flachen Gebieten war man in früheren Zeiten notgedrungen auf sich selbst angewiesen und dadurch eigenständiger.

Diese mitunter sehr beschwerlichen Lebensumstände sind für die Erforschung alter Weisheiten heutzutage ein Segen. Denn vieles wurde in Ermangelung an Alternativen bewahrt, was anderorts bereits viel früher aufgegeben wurde. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es vor allem entlegene Täler sind, in denen das Kräuterwissen bis ins 20. Jahrhundert bewahrt wurde.

Die Kräuterkunde ist dabei nur Teil eines ganzen medizinischen Heilverständnisses, das im Groben im gesamten Alpenraum auf denselben Grundvorstellungen beruhte und im Kern bereits seit der Antike existierte. Grundlage für die Behandlung war die Säftelehre. Hier wurde ein Gleichgewicht der vier menschlichen Säfte Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim als Grundvoraussetzung eines gesunden Lebens gesehen. 2000 Jahre lang war die Säftelehre die zentrale Vorstellung in der Heilkunde Europas. Die Volksheilkunde des Alpenraumes war somit Teil einer traditionell europäischen Medizin. Man nennt diese Laienheilkunde heute Volksmedizin, Traditionelle Heilkunde oder Volksheilkunde und grenzt sie somit von der etablierten wissenschaftlichen Medizin, der sogenannten Schulmedizin oder auch Allopathie, ab.

In der Antike gab es noch keine Trennung zwischen Schulmedizin und Volksmedizin. Ärzte sammelten Erprobtes und Bewährtes in ihren Schriften und schafften es so, dieses Wissen zu bewahren. Im Mittelalter kam es dann zum Bruch zwischen gelehrtem und populärem Heilwissen. Das hat auch mit der christlichen Erklärung von Krankheit und Leid zu tun. Im Mittelalter herrschte nämlich die Sichtweise vor, dass Kranke durch Buße Gesundheit erlangen und Krankheit im Allgemeinen eine Strafe Gottes sei. Zusätzlich beriefen sich die Ärzte in Mitteleuropa auf Werke der berühmten antiken Gelehrten, die fast alle aus dem Mittelmeerraum stammten und dementsprechend vorwiegend mediterrane Pflanzen in ihren Werken als Heilmittel beschrieben hatten. Die einfache Bevölkerung in den Alpen und nördlich davon benutzte aber heimische Heilpflanzen, die diesen Werken oft unbekannt waren. Dieser scheinbar unbedeutende Sachverhalt scheint bis heute nicht vollständig beseitigt, werden doch auch heute heimische alpine Heilpflanzen, wie beispielsweise der Wurmfarn, mit jahrhundertelanger volksmedizinischer Tradition nicht oder nur spärlich erforscht.

Die europäische Medizin war bis ins späte Mittelalter sehr dezentral. Außer der christlichen Kirche gab es keine überregionale Kraft, die Regeln und Gebote in Bezug auf Heilung aussprechen konnte. Das änderte sich ab dem 16. Jahrhundert maßgeblich. Universitäten lenkten nun immer zentraler das Wissen um die Heilkunde, und die weltliche Autorität versuchte zunehmend – auch durch Scharlatane und Betrüger dazu veranlasst – die Heilkunst zu regulieren und nur staatlich geprüften Personen zu erlauben. Durch eine in zunehmendem Maß verbesserte medizinische Versorgung und neu entdeckte Heilmittel wurden bis dahin gebräuchliche Heilmittel aus der Schulmedizin verdrängt und nur noch in der Volksheilkunde verwendet. Des Weiteren entfernte sich die gelehrte Medizin zunehmend von der Säftelehre und konzentrierte sich stattdessen immer mehr auf die Behandlung einzelner kranker oder schmerzender Organe und Körperteile. Die Krankheit an sich wurde auf einen bestimmten Körperbereich eingegrenzt und auf anatomische Veränderungen reduziert. Die Schulmedizin verabschiedete sich so von einer ganzheitlichen Behandlung, in welcher der harmonische Zustand der vier vermeintlichen Körpersäfte des Menschen angestrebt wurde. Somit setzte sich in der Medizin zunehmend ein sogenanntes mechanistisches Weltbild durch. In diesem aufkommenden Maschinenzeitalter sah man auch den menschlichen Körper zunehmend als eine Ansammlung von maschinellen Funktionen und Bauteilen, in der der kranke Teil einfach kuriert werden muss, damit sich der Mensch wieder gesund fühlt. Diese Vorstellung wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts durch verbesserte chirurgische Techniken und den Siegeszug der Antibiotika sogar noch verstärkt. Die Volksmedizin war aber sogar noch in dieser Zeit in der Säftelehre fest verankert – so musste es zu einer Trennung zwischen Volks- und Schulmedizin kommen.

Die Volksmedizin bekam eine stark untergeordnete Rolle, die mal belächelt, mal als zu gefährlich, jedenfalls als vernachlässigbare Anhäufung von Aberglauben und bestenfalls unwirksamen Heilmitteln abgetan wurde. Aus diesem Grund befasste sich die moderne Schulmedizin im Allgemeinen kaum mit dem medizinischen Wissen des Volkes. Dennoch gab es immer wieder Fürsprecher der Volksmedizin wie Ärzte, die erkannten, dass das volksmedizinische Wissen zunehmend verschwindet und in dieser Tradition mehr als unnütze Ratschläge stecken.

Einer der Ersten war der Rostocker Arzt Georg Friedrich Most, der 1843 die »Encyklopädie der gesammten Volksmedicin« verfasste. Auch der Botaniker Heinrich Marzell forderte bereits 1925, dass man Volksmedizin ernst nehmen und nicht pauschal für unglaubwürdig halten solle. Dies unterstrich auch der in Graz tätige Hygieniker Josef Richard Möse, der 1958 auf die Bedeutung der Volksmedizin in der Antibiotikaforschung hinwies.

Besonderes Unverständnis bereitet bis heute vielen, dass sich die Volksmedizin neben pflanzlicher, tierischer und mineralischer Produkte auch zahlreicher »magischer« Mittel, sogenannter Heilmittel aus der Volksmagie bedient. So unterteilte bereits der Medizinhistoriker Robert Jütte die Volksheilkunde in eine biologische, eine religiöse und eine magische Heilkunde.

Dass sich magische und religiöse Handlungen und Rituale in der Volksmedizin wiederfinden, hat gleich mehrere Gründe. So gehen viele dieser heutzutage als Aberglauben belächelten Anwendungen auf den Versuch zurück, Krankheit und Gesundheit zu erklären. Nennen wir beispielsweise Bakterien und Viren, die Auslöser diverser Infektionskrankheiten: Vor 200 Jahren noch waren dies Dämonen, die von einem Infizierten zum nächsten übersprangen. Diese Dämonen, die auch für andere Krankheiten und vor allem Schmerzen verantwortlich gemacht wurden, galt es zu bändigen und zu verjagen. Man personifizierte sozusagen die Krankheit. Nach dieser Vorstellung ist es nur mehr als verständlich, dass man die Krankheit beispielsweise durch Sprüche vertreiben wollte.

Zum anderen galt Heilung stets als etwas Geheimnisvolles, nicht Verständliches. Rituale scheinen diesem unverständlichen Vorgang gerechter zu werden als eine einfache Verabreichung eines Heilmittels. Auch heute besteht vielfach die Erwartungshaltung, etwas Fremdes, Exotisches müsse stärker wirksam sein als etwas Bekanntes. Während etwa die Traditionelle Chinesische Medizin in ihrem Ursprungsland eher von der ärmeren Bevölkerungsschicht angewandt wird, ist es in Europa genau umgekehrt – das Einfache, Naheliegende überzeugt einfach nicht. In dem aus dem 11. Jahrhundert stammenden Lehrgedicht aus Salerno heißt es gleichsam: »Heilmittel, die man teuer kauft, die nützen, kriegt man sie gratis, bleibt die Krankheit sitzen.«

In den Ergebnissen der noch in den Kinderschuhen steckenden Placeboforschung könnte die Lösung dieses jahrtausendealten Glaubens stecken. Placebos nennen wir heute Scheinmedikamente oder auch Handlungsweisen, die aus der Erwartungshaltung des Patienten bereits zu einem positiven Effekt führen. Es gibt auch Nocebos, bei denen eine negative Erwartungshaltung zu einer negativen Auswirkung führt. Placebobeziehungsweise Nocebowirkungen können Scheinmedikamente, aber auch Gespräche, Rituale oder einfach nur die Farbe des verabreichten Heilmittels auslösen.

So zeigt sich heute eindeutig, dass rituelle Gesten für sich allein bereits Heilungserfolge hervorrufen können. Schmerzen können gelindert, Schwindelattacken eingedämmt und Infektionen schneller überwunden werden. Natürlich sind erfolgreiche Heilmethoden im Volk weitertradiert, verändert und auch auf andere Beschwerden übertragen worden. So ist es zu dieser Fülle an Ratschlägen aus der magischen Heilkunde gekommen, die in der heutigen aufgeklärten Welt häufig belächelt werden.

Heute verkennen wir dagegen vielfach die Tatsache, dass es sowohl Placebo- als auch Nocebowirkungen gibt, und behandeln unseren Körper, als sei er eine Maschine, der man nur ein passendes Arzneimittel einflößen muss, um die Funktionen wiederherzustellen. Dass bereits im Gespräch und in der Aufmerksamkeit, die man dem Patienten zukommen lässt, vielfach ein Teil der Heilung steckt, kommt in der durch Zeitdruck geprägten westlichen Schulmedizin oft zu kurz. Die wenigsten Therapien werden auch hinsichtlich einer psychologischen beziehungsweise ganzheitlichen Komponente durchgeführt und der menschliche Körper wird fast nur in alternativen Heilrichtungen als Ganzes betrachtet. Bei Erkrankungen, wie stressbedingtem Burnout oder Allergien, die vielfach systemischen Ursprungs sind und sich also nicht wirklich räumlich begrenzen lassen, stoßen wir mit einer rein mechanistischen Betrachtung des menschlichen Körpers an Grenzen. Neu entstehende Disziplinen wie die Psychoneuroimmunologie, in der das Zusammenspiel von Psyche und Immunsystem im Zentrum steht, sind zwar vielversprechend, stecken jedoch noch in den Kinderschuhen.

Der medizinische Fortschritt wird somit nicht vollends ausgenützt und rein auf seine »technische« Komponente reduziert. Verbunden mit einem schlechten Lebensstil, mit falscher Ernährung und wenig Bewegung kommt es dadurch trotz gesteigerter Lebenserwartung im Durchschnitt nur zu einer geringen Zunahme von Jahren, in denen Menschen gesund und vital sind.

Was im Hinblick auf Gesundheit nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist die Abhängigkeit, die man schafft, wenn man fundamentalste Kenntnisse über einfach verfügbare Hausmittel verliert. Man gibt einen wesentlichen Teil seiner Selbstständigkeit auf. Wenn man nicht weiß, wie man sich bei kleineren gesundheitlichen Problemen, die jeden Menschen von Zeit zu Zeit erfassen, verhalten und darauf reagieren sollte, wird man, beeinflusst von Werbemaßnahmen, zum Konsumenten von Lehrmeinungen und Produkten degradiert. Ein Sprichwort im 19. Jahrhundert lautete demgemäß: »Der ist wohl am besten dran, der sich selber helfen kann.«

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II.Bäuerliche Heiltradition

Bis ins 19. Jahrhundert fanden die Geburt, die Behandlung der Kranken sowie die Altersversorgung und das Sterben im eigenen Haus statt. Die Behandlung und Pflege im Krankenhaus etablierten sich erst im letzten Jahrhundert. Da es im Alpenraum lange an universitär gelehrten Ärzten, Wundärzten und Hebammen sowie an handwerklich ausgebildeten Badern fehlte, gab es hier einen starken Sektor an Laienmedizinern. Dies waren neben der eigenen Familie in erster Linie sogenannte Bauerndoktoren, aber auch Viehdoktoren, Zahnreißer, Wanderheiler und Geistliche, die die Leidenden bzw. Kranken pflegten und behandelten.

Grundlage für ihre Tätigkeit war von der Antike bis ins vorige Jahrhundert die Humoralpathologie, die sogenannte Säftelehre. Die im antiken Griechenland entstandene und durch den römischen Arzt Galen im 2. Jahrhundert n. Chr. systematisch geordnete Säftelehre wurde bis ins späte Mittelalter als gängige Gesundheitslehre propagiert. Sie besagt, dass der Körper nur dann im Einklang – gesund – sei, wenn die vier menschlichen Säfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle im Gleichgewicht (Eukrasie) zueinander stehen. Ungleichheit (Dyskrasie), d. h. ein Überhang von einem oder mehreren dieser Säfte, ist demnach der Ausgangspunkt für Krankheit. Den vier Säften wurden auch die vier Eigenschaften warm, trocken, feucht und kalt zugeordnet. Menschen hatten je nach Charaktereigenschaft von Geburt an einen Hang zu einem bestimmten Ungleichgewicht. Ein bestehendes Ungleichgewicht wurde mit Heilmitteln, Diät oder diversen Ausleitungsverfahren wie Schwitzkuren, Aderlass, Schröpfen, Brechmitteln oder Einläufen behandelt. Dabei musste die gewählte Therapie dem jeweiligen Ungleichgewicht entgegenstehen. So musste beispielsweise zu viel Kälte mit Wärme behandelt werden, zu viel Feuchtigkeit musste getrocknet werden. Die Säftelehre war eine Medizinlehre, in der der Mensch ganzheitlich gesehen wurde, in der also nicht nur Symptome behandelt wurden.

In der Volksheilkunde hielt sich die Säftelehre teils bis ins 20. Jahrhundert. Die Ragginer, eine Familie von Bauernärzten aus Lüsen bei Brixen in Südtirol, wandten bis 1890 die Säftelehre sowohl zur Diagnosefindung als auch zur Therapie an. Auch sie versuchten meist durch Ausleitungsverfahren wie Aderlass, Abführmittel und Brechmittel eine Verbesserung des Verhältnisses der Körpersäfte zu erreichen. Man findet bis heute zahlreiche Reste der Säftelehre in der Volksheilkunde wieder. Ohrenringe gelten noch immer als Heilmittel gegen rheumatische Erkrankungen sowie Augen- und Ohrenerkrankungen. Durch die künstliche Öffnung des Ohrringes sollten schlechte Säfte abfließen können – eine These, die bereits im alten Ägypten nachweisbar ist. Auch in der Basentherapie und in der Behauptung, Leber und Darm gehören »entgiftet« und der Körper »entschlackt«, stecken bis heute Reste der Säftelehre.

In vielen Bauernstuben sind auch heutzutage noch zahlreiche alte medizinische Bücher und Rezeptsammlungen erhalten, die den Menschen bei Krankheiten eine Hilfestellung boten. Meist wurden diese Bücher allerdings nicht von den Bauern selbst verfasst, sondern waren gekauft und von einer Generation zur nächsten weitergegeben worden. Teilweise wurden sie durch eigene Kenntnisse ergänzt. Die ursprüngliche Herkunft dieser Bücher ist heute jedenfalls meist sehr schwer festzustellen. Meist dürften diese aber aus dem 18./19. Jahrhundert stammen. Auch Nachdrucke berühmter Kräuterbücher, die es im Laufe der Zeit aus den Klosterbibliotheken in die Bauernstuben schafften, ergänzten das Kräuterwissen vieler Heilkundiger. So wurde im Jahr 1595 Christoph Gostner aus Sexten wegen Kurpfuscherei angeklagt und gab an, neben dem »Albertus Magnus Kräuterbuch« auch »Der Frauen Rosengarten« und das medizinische Nachschlagewerk »Theophrastus Paracelsus – Wund- und Arzneibuch« zu besitzen.

Eine Besonderheit in vielen dieser Bücher ist das große Feld an magischen Ratschlägen. Die enthaltenen magischen Regeln, die an genau festgeschriebenen Tagen diverse Tätigkeiten empfahlen und absonderlichste Rituale beschreiben, verweisen auf eine Zeit, in der die Aufklärung noch in den Kinderschuhen steckte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang das 1849 verfasste Rezeptbüchlein »Das sechste und siebente Buch Mosis«, aber auch das häufig fälschlicherweise Albertus Magnus zugeschriebene Werk »Bewährte und approbierte sympathetische und natürliche ägyptische Geheimnisse für Menschen und Vieh«. Dass es sich hier nicht um heimische Volksheilkunde, sondern um das Resultat eines neuzeitlichen Aberglaubens handelt, liegt auf der Hand. Scheinen doch viele der Anwendungen nicht antiken Vorstellungen geschuldet, sondern wild zusammengewürfelt, frei nach dem Ansatz »je ausgefallener und exotischer, desto stärker wirksam«. Es war allgemeiner Volksglauben, dass diese Rezeptbücher magische Handlungen und Zauberei ermöglichten. Da bis ins späte 19. Jahrhundert nur ein Bruchteil der Bevölkerung schreiben und lesen konnte, kam es zu zahlreichen Legenden und Sagen. Dies steigerte natürlich die Ehrfurcht vor diesen Büchern und führte zu einem verstärkten Aberglauben.

Derartige Bücher schaffen es heutzutage immer wieder in die Medien, wobei oftmals vollkommen aus dem Kontext gerissen nur ein Bruchteil dessen vermittelt wird, wofür sie ursprünglich geschrieben wurden. Das Obermoar Rezeptbuch aus St. Jakob im Ahrntal in Südtirol ist ein derartiges Beispiel. Um gestohlene Wertsachen wiederzufinden, sollte man zum Beispiel ein Totenkreuz vom Grab eines jung Verstorbenen an den Ort des Diebstahls bringen und die Sachen würden wieder auftauchen.

Man darf Volksmedizin aber nicht nur auf die Anwendung von Magie reduzieren. Natürlich erregten magische Rezepte seit jeher eine größere Aufmerksamkeit und fanden infolgedessen Verbreitung. Tatsächlich waren die Mehrzahl der Behandlungen aber rationale Mittel aus der Kräuterkunde – selbst im sehr abergläubischen 17. Jahrhundert. So ist aus den Prozessakten des 1610 wegen Kurpfuscherei angeklagten Südtiroler Bauerndoktors Wolfgang Mitterhofer ersichtlich, dass bei 13 von ihm getätigten Behandlungen nur in fünf Fällen magische Amulette zum Einsatz kamen. In den anderen acht Fällen waren Ratschläge aus der Kräuterkunde Grundlage der Therapien.

Die Kunst der Diagnostik

Generell war die Diagnostik in der Volksheilkunde bis ins 20. Jahrhundert eher einfach gehalten. Man kannte schlichtweg nicht sehr viele unterschiedliche Beschwerden. Auch die Hingabe, mit der man sich der Therapie der verschiedenen Krankheiten widmete, war sehr unterschiedlich. So wurden vor allem Krankheiten, die die Arbeitskraft der Menschen minderten, von den Volksheilern behandelt. Denn in einer vorindustriellen Zeit war eine ausfallende Arbeitskraft mitunter existenzbedrohend für die gesamte Familie.

Wunden, Gelenkserkrankungen, Fieber, ansteckende Krankheiten,

Magen- und Hautprobleme galten als die problematischsten Erkrankungen. Dagegen wurden Nervenerkrankungen kaum beachtet und wohl oft auch nicht als behandelbare Krankheit angesehen.

Natürlich war die Diagnosefindung aufgrund fehlender Nachweismethoden auch vom Aberglauben vergangener Jahrhunderte geprägt. Oft galt es nur abzuklären, ob es sich um eine Strafe Gottes handelte oder ob die Krankheit von Dämonen ausgelöst wurde.

Harnschau

Die Harnschau (Uroskopie) war eine von der Säftelehre abgeleitete Denkschule. Von der Antike bis weit in die Neuzeit galt die Harnschau neben der Pulsdiagnostik und allgemeiner Befindlichkeit als wichtigste Diagnosemöglichkeit. Vor allem im Mittelalter galt sie als das wichtigste diagnostische Hilfsmittel. Man vermutete, dass das durch die Säftelehre propagierte Ungleichgewicht, das letztlich zur Krankheit führt, im Harn ersichtlich wird. Der Patient musste zu diesem Zweck den Morgenurin in einem runden, durchsichtigen Harnglas sammeln und dem Heiler bringen. Dieser stellte aufgrund der Farbe, Konsistenz und möglicher Niederschläge die Diagnose.

Die oberste Schicht entsprach dem Kopfbereich, die zweite dem Brustbereich, die nächste der Bauchgegend und die unterste Schicht dem Unterleibs- und Geschlechtsbereich. Dabei galt es 20 verschiedene Farbtöne und fünf verschiedene Konzentrationsgrade zu unterscheiden. Hilfestellungen boten sogenannte Urinspiegel, mit deren Hilfe man auch festzustellen versuchte, wo im Körper das Ungleichgewicht war. Manchen »Beschauern« sagte man sogar nach, dass sie aus dem Urin Alter und Geschlecht des Patienten ablesen konnten. So existieren gleich mehrere Legenden, in denen der Arzt bzw. Volksheiler den Urin eines vermeintlich älteren Patienten als den Urin einer schwangeren jungen Frau enttarnte. Denn durch den untergejubelten Urin eines falschen Patienten sollte das Können des Heilers widerlegt und dieser bloßgestellt werden.

Als im 18. Jahrhundert zunehmend chemische Verfahren in der medizinischen Diagnostik entwickelt wurden, war dies in der Schulmedizin das Ende der Harnschau. In der Volksmedizin traf man die Harnschau aber bis ins 20. Jahrhundert an. Die Ragginer wandten im 19. Jahrhundert neben der klassischen Harnschau auch bereits einfache chemische Verfahren an. So beschreiben Asche/Schulze in ihrem Buch »Die Ragginer. 200 Jahre Volksmedizin in Südtirol« die folgende Aufzeichnung durch Sebastian Ragginer: »Wie man ein Nierenleiden erkennt. Man nimmt ein wenig Urin in ein enges Fläschchen, hält es über eine Flamme, bis der Urin kocht, gibt dann etliche Tropfen Essigsäure dran, bildet sich dann eine weiße Wolke, so ist Eiweiß drin, also Nierenleiden.«

Körpervermessung

Ein zusätzliches diagnostisches Verfahren war lange Zeit das Messen des Verhältnisses von Körpergröße zu Körperbreite. Dabei stellt man sich vor, dass ein Mensch, der krank ist, auch äußerlich das »rechte Maß« verloren hat. Nach Plinius dem Älteren (23–79 n. Chr.) sei dies für einen gesunden Menschen »die Länge des Menschen vom Scheitel bis zum Fuß gleich der Breite, gemessen mit ausgebreiteten Armen über der Brust von Hand zu Hand«. Auch das Bild des sogenannten vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci, das um 1490 entstand, beschreibt im Grunde dieses bereits in der Antike vorherrschende Bild der idealen Verhältnisse. Je größer der Unterschied zwischen den beiden Maßen, desto kränker der Patient bzw. desto weiter fortgeschritten war die Krankheit. Auch Hildegard von Bingen (1098–1179) beschrieb im 12. Jahrhundert diese Art der Diagnostik. Beispielsweise untersuchte man hiermit bei Patienten mit Tuberkulose (Schwindsucht), die durch starke Abmagerung und Verfall gekennzeichnet waren, wie weit die Krankheit bereits fortgeschritten war.

Diese Sichtweise war noch lange im gesamten Alpenraum bei Bauernärzten anzutreffen. Der Spanner Peter aus Haslach im Mühlviertel in Oberösterreich soll noch im 20. Jahrhundert Krankheiten diagnostiziert haben, indem er mit seinen Fingern den Körper ausmaß. Und in Redewendungen, wie »das rechte Maß«, »maßlos sein« und »Maß und Ziel verloren«, findet man Reste dieser Praxis bis heute.

Pulsdiagnostik

Eine weitere bereits in der Antike bekannte Methode war die Pulsdiagnostik. Hier versuchte man aufgrund der Art des Pulses auf ein eventuelles Ungleichgewicht bzw. eine Erkrankung im Körper zu schließen. Anders als bei der Harnschau, bei welcher der Zustand der Körpersäfte untersucht wurde, galt es, mittels der Pulsdiagnostik ein mögliches Ungleichgewicht des Energieflusses zu entdecken.

Beginnend mit der Beschreibung des Blutkreislaufs durch William Harvey 1628, verabschiedete sich die Schulmedizin in den darauffolgenden Jahrhunderten nicht nur von der Säftelehre, sondern zunehmend auch von der Pulsdiagnostik. Doch in der Volksheilkunde überlebte auch diese Art der Diagnostik einige Jahrhunderte länger. So bediente sich laut Bernd Mader der in Kleinpreding in der Steiermark tätige Bauernarzt Müllerhansl noch im 18. Jahrhundert neben der Harnschau der Pulsdiagnostik.

Der Einfluss des Kosmos

Die Zeit spielt in der Volksheilkunde und im Speziellen in der Kräuterheilkunde eine überaus wichtige Rolle. Das beginnt bereits beim Sammeln der Heilpflanzen. Hier wird traditionellerweise auf die Tageszeit und auf den richtigen Jahreszeitpunkt geachtet. Heilpflanzen werden eher am Morgen oder vormittags bis zur Mittagszeit gesammelt. Giftpflanzen und Pflanzen, denen man magische Wirkungen zuschreibt, wie beispielweise dem Farnsamen, werden dagegen eher nachts gesammelt.

Zahlreiche Untersuchungen bestätigen, dass der Zeitpunkt die Qualität der gesammelten Heilpflanzen maßgeblich beeinflusst. Pflanzen enthalten natürlich je nach Jahreszeit und Ort unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen. Beispielsweise konnte in einer Arbeit von Josef Richard Möse bei Spitzwegerich eine höhere Wirkstoffkonzentration für den Frühsommer nachgewiesen werden. In den restlichen Monaten und vor allem im Herbst war diese schwächer ausgeprägt.

Während die Sonne eher beim Sammeln der Heilkräuter eine Rolle spielte, war der Mond in der Therapie der Krankheiten sehr bedeutsam. Manche Krankheiten, besonders jene, bei denen man etwas verringern bzw. zum Verschwinden bringen wollte, mussten bei abnehmendem Mond behandelt werden. Zu diesen typischen Leiden zählen beispielsweise Warzen, Kropf, Nierensteine und Geschwülste.

Ein Rezept des Zillertaler Bauerndoktors Kiendler gegen Nierensteine lautete dementsprechend: »Einen guten Brandwein, darin 4 bis 5 Knoblauchzehen einen Tag und eine Nacht, ehe der Mond neu wird, gut verschlossen. 1 Stunde bis 1,5 Stunden vor Neumond iss den Knoblauch und trink den Brandwein, iss darauf 10 oder 12 Wacholderbeeren, das mache alle Neumonde, faste darauf 4 Stunden.« Die Behandlung von Krankheiten, die wie Tuberkulose (Schwindsucht) zu Abmagerung und Auszehrung führen, sollte dagegen nur bei zunehmendem Mond den gewünschten Erfolg bringen. Auch Entbindungen sollen bei zunehmendem Mond unproblematischer verlaufen. Dabei weiß man, dass bereits in der Antike Mond und Sternenbilder maßgeblich für weltliche Begebenheiten verantwortlich gemacht worden waren. Auch der berühmte Arzt Paracelsus (1493–1541) schenkte dem Mond große Beachtung. Er nannte die Anziehungskraft des Mondes sogar als eine Grundlage für Krankheiten. Nach Paracelsus gibt es sogenannte lunatici