Die Alzheimer-Revolution - Dale E. Bredesen - E-Book

Die Alzheimer-Revolution E-Book

Dale E. Bredesen

0,0
21,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mehr als 1,3 Millionen Deutsche leiden an der neurodegenerativen Krankheit Alzheimer. Tendenz steigend. Die Angst vor einer Erkrankung ist groß, denn bisher galt Alzheimer als unheilbar. Der Neurologe Dr. Dale Bredesen hat jetzt - nach über 30 Jahren intensiver Forschung - bewiesen, dass es möglich ist, Alzheimer vorzubeugen und zu heilen. Laut seinen Forschungsergebnissen liegen die Ursachen nicht nur in den Genen, sondern auch unser Lebensstil ist entscheidend: Unerkannte Infektionen, ja hrelange ungesunde Ernährung bzw. Mangelernährung und der Kontakt mit Giftstoffen sind wesentliche Faktoren, die die Krankheit auslösen können. Bredesen zeigt, wie man Alzheimer erkennen und sich präventiv schützen kann. Aber auch was man tun kann, wenn man die ersten Anzeichen der Krankheit bemerkt oder sich in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Ein Buch, das Hoffnung macht, denn es zeigt: Alzheimer ist nicht länger ein unlösbares Schicksal.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 354

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

4. Auflage 2024

© 2018 by mvg-Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Copyright der Originalausgabe: © 2017 by Dale E. Bredesen

Die englische Originalausgabe erschien 2017 bei AVERY, einem Imprint von Penguin Random House, unter dem Titel The end of Alzheimer’s: the first program to prevent and reverse.

This edition published by arrangement with Avery, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Wichtiger Hinweis

Sämtliche Inhalte dieses Buches wurden – auf Basis von Quellen, die der Autor und der Verlag für vertrauenswürdig erachten – nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und sorgfältig geprüft. Trotzdem stellt dieses Buch keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Übersetzung: Martin Rometsch

Redaktion: Dr. Alwin Letzkus

Illustrationen: Joe LeMonnier

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern

ISBN Print 978-3-86882-900-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-159-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobil) 978-3-96121-160-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Ich widme dieses Buch meiner Frau, Dr. Aida Lasheen Bredesen – einer vorzüglichen und fürsorglichen Ärztin, die mich in die Welt der funktionellen und integrativen Medizin einführte und mir in diesem wichtigen Fachgebiet mehr beibrachte als alle anderen –, und unseren beiden geliebten Töchtern Tara und Tess.

Inhalt

Teil IDie Alzheimer-Lösung

KAPITEL 1 Zerstörerische Demenz

KAPITEL 2 Patientin null

KAPITEL 3 Was für ein Gefühl ist es, aus der Demenz zurückzukehren?

KAPITEL 4 Wie Sie an Alzheimer erkranken – ein Leitfaden

Teil II Alzheimer in neuem Licht

KAPITEL 5 Am Ende der Weisheit – Vom Krankenbett auf die Sitzbank und zurück

KAPITEL 6 Das Gottesgen und die drei Arten der Alzheimerkrankheit

Teil III Analyse und personalisierte Therapie

KAPITEL 7 Die »Kognoskopie« – Wo stehen Sie?

KAPITEL 8 ReCODE – den kognitiven Abbau umkehren

KAPITEL 9 Erfolg und das soziale Netzwerk – Zwei Menschen und ihr Gesundheitsprogramm

Teil IV So maximieren Sie Ihren Erfolg

KAPITELFazit: Sie können es schaffen

KAPITEL 11 Es ist nicht leicht – Umgehungen und Krücken

KAPITEL 12 Widerstand gegen den Wandel – Machiavelli trifft Feynman

Anhang

Anhang A

Anhang B

Anhang C

Anhang D

Danksagungen

Anmerkungen

Stimmen zum Buch

Teil IDie Alzheimer-Lösung

KAPITEL 1 Zerstörerische Demenz

Du kannst nichts ändern, indem du gegen die Realität kämpfst. Um etwas zu ändern, baue ein neues Modell, welches das vorhandene Modell ablöst.

R. Buckminster Fuller

Es ist unmöglich, dem Trommelfeuer der schlechten Nachrichten rund um die Alzheimerkrankheit zu entkommen: dass sie unheilbar und im Wesentlichen nicht behandelbar ist, dass es keine zuverlässige Methode gibt, um ihr vorzubeugen, und dass die besten Neurowissenschaftler der Welt seit Jahrzehnten vor ihr kapitulieren. Trotz der vielen Milliarden Dollar, die Behörden, Pharmaunternehmen und die Hexenmeister der Biotechnologie ausgeben, um Medikamente gegen Alzheimer zu entwickeln und zu testen, waren 99,6 Prozent aller bisherigen Ideen totale Fehlschläge, die nicht einmal aus der Testphase herauskamen. Und wenn Sie glauben, in den 0,4 Prozent, die auf den Markt kamen, schlummere Hoffnung – schließlich brauchen wir nur ein einziges Alzheimer-Medikament, wenn es denn wirkt, nicht wahr? –, dann irren Sie sich. Die amerikanische Alzheimer-Gesellschaft drückt es in ihrer düsteren Realitätsprüfung so aus: »Ein wirklich neues Alzheimer-­Medikament wurde seit 2003 nicht mehr zugelassen und die derzeit zugelassenen Medikamente können den Verlauf der Krankheit nicht aufhalten oder verlangsamen.« Die vier vorhandenen Alzheimer­­Medikamente könnten zwar »helfen, Symptome zu lindern, zum Beispiel Gedächtnisverlust und Verwirrung«, aber nur »für begrenzte Zeit«.

Vielleicht forschen Sie nun in Ihren Erinnerungen, wann Sie zum letzten Mal gelesen haben, dass die FDA (die amerikanische Arzneimittelbehörde) ein neues Alzheimer-Medikament zugelassen hat. Keine Sorge, wenn Ihnen nichts einfällt. Von 244 experimentellen Alz­heimer-Medi­kamenten, die von 2000 bis 2010 getestet wurden, ließ die FDA 2003 nur ein einziges, nämlich Memantin, zu. Und wie ich weiter unten erläutern werde, ist es bestenfalls mäßig wirksam.

Wie gesagt, die Lage ist düster. Kein Wunder, dass die Diagnose »Alzheimer« das Letzte ist, was wir hören wollen. Ein Mann, dessen Frau sich mitten auf ihrer langen Abschiedsreise in die Alzheimerkrankheit befand, schüttelte hilflos den Kopf und sagte: »Wir hören immer wieder, dass Medikamente entwickelt werden, die den Niedergang verlangsamen. Aber warum sollte jemand das tun? Glauben Sie mir, es gibt nichts Schlimmeres, als jeden Tag damit leben zu ­müssen.«

Die Alzheimerkrankheit ist Teil des Zeitgeistes geworden. In Artikeln, Blogs und Podcasts, im Radio, im Fernsehen, in Dokumentar- und Unterhaltungsfilmen lesen und hören wir eine Geschichte nach der anderen über diese Krankheit. Leider enden alle tragisch. Wir fürchten Alzheimer wie keine andere Krankheit. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe.

Erstens ist sie die einzige – lassen Sie mich wiederholen: die einzige – der zehn häufigsten Todesursachen, für die es keine wirksame Behandlung gibt. Und wenn ich »wirksam« sage, lege ich die Messlatte sehr tief. Wenn wir ein Medikament oder eine andere Maßnahme hätten, die bei Alzheimerkranken wenigstens eine leichte Besserung bewirken würden, wenn auch keine Heilung, würde ich das von den Dächern schreien. Dasselbe würden alle tun, die einen Angehörigen haben, bei dem das Alzheimerrisiko hoch ist, und natürlich jeder, der bereits erkrankt ist. Aber solche Medikamente gibt es nicht. Wir haben nicht einmal eine Behandlung, die verhindern könnte, dass aus einer subjektiven kognitiven Beeinträchtigung oder einer milden kognitiven Beeinträchtigung (beide gehen oft der Alzheimerkrankheit voraus) eine ausgewachsene Alzheimerdemenz wird.

Angesichts der erstaunlichen Fortschritte in anderen Bereichen der Medizin in den letzten zwanzig Jahren – denken Sie nur an Krebs oder AIDS, an Mukoviszidose oder an Herz-Kreislauf-Erkrankungen – ist es unglaublich, dass es im Jahr 2017, in dem ich dieses Buch schreibe, nicht nur kein Heilmittel für Alzheimer gibt, sondern nicht einmal ein Mittel, mit dem man Alzheimer zuverlässig verhindern oder verlangsamen könnte. Sie wissen ja, wie Kritiker sich über Fernsehsendungen am Nachmittag lustig machen, die engelhafte Kinder und heiligmäßige Mütter und Väter zeigen, die tapfer gegen Krebs kämpfen und mit dem neuesten Wundermittel noch vor dem Abspann völlig gesund werden. Kitschig, klar. Wir Alzheimerforscher wären gern kitschig, wenn ein glückliches Ende dieser Krankheit wenigstens ansatzweise erkennbar wäre.

Der zweite Grund dafür, dass Alzheimer so viel Angst auslöst, ist die Tatsache, dass diese Krankheit nicht »nur« tödlich ist. Viele Krankheiten sind tödlich. Jahre und bisweilen Jahrzehnte, bevor sie dem Sensenmann die Tür öffnet, beraubt sie ihre Opfer ihrer Menschlichkeit und terrorisiert ihre Familien. Ihre Erinnerungen, ihr Denkvermögen, ihre Fähigkeit, ein erfülltes und unabhängiges Leben zu führen – alles ist weg. Es ist ein trostloser und unerbittlicher Sturz in einen geistigen Abgrund, in dem sie ihre Angehörigen, ihre Vergangenheit, die Welt oder sich selbst nicht mehr kennen.

Die Professorin für Linguistik und Hauptfigur des Films Still Alice – Mein Leben ohne Gestern (2014) leidet an einer 1995 entdeckten DNS-­Mutation, die im mittleren Alter zu Alzheimer führt. Wahrscheinlich haben Sie von den großen Fortschritten der Krebsbiologen gelesen: Sie haben Gene entdeckt, die mit der Tumorbildung zusammenhängen, und auf dieser Grundlage Medikamente entwickelt. Und was ist mit Alzheimer? Die Entdeckung im Jahr 1995 hat nicht dazu geführt, dass auch nur ein einziges Alzheimer-Medikament entwickelt wurde.

Es gibt noch einen Grund dafür, warum diese schreckliche Krankheit einzigartig ist. In den letzten fünfzig Jahren haben die Molekularbiologie und die Neurowissenschaft einen Triumph nach dem anderen ­erlebt. Biologen haben die enorm komplexen Pfade entwirrt, die zum Krebs führen, und haben herausgefunden, wie man viele von ihnen blockiert. Wir haben die chemischen und elektrischen Vorgänge im Gehirn ergründet, die die Grundlage für das Denken und die Gefühle bilden, und wirksame, wenn auch unvollkommene Medikamente gegen ­Depression und Schizophrenie, gegen Angst und bipolare Störungen entwickelt. Sicher, wir müssen noch viel lernen und viel bessere Medikamente entwickeln; doch bei fast jeder anderen Krankheit haben wir das deutliche Gefühl, dass die Forschung auf dem richtigen Weg ist, dass sie die Grundlagen versteht und dass sie trotz der unangenehmen Überraschungen, die die Natur ihr immer wieder beschert, die fundamentalen Regeln des Spiels aufgedeckt hat. Für Alzheimer gilt das nicht.

Es ist, als hätte uns die Natur ein Regelwerk überreicht, das mit unsichtbarer Tinte geschrieben wurde, lektoriert von Kobolden, die ganze Kapitel umschreiben, wenn wir ihnen den Rücken zuwenden. Es gibt scheinbar eindeutige, durch Versuche mit Nagetieren im Labor gewonnene Beweise dafür, dass die Ursache der Alzheimerkrankheit eine Ansammlung von klebrigen Plaques im Gehirn ist, die die Synapsen zerstören. Diese Plaques bestehen aus einem Eiweiß namens Amyloid-­beta. Die Laborstudien lassen darauf schließen, dass Amyloid-beta sich in mehreren Schritten im Gehirn bildet und dass wir die Alzheimerkrankheit behandeln oder ihr sogar vorbeugen können, wenn wir diese Schritte verhindern oder die Plaques aus Amyloid-­beta* beseitigen. Seit den Achtzigerjahren behandeln die meisten Neurobiologen diese Grundidee, die Amyloid-Hypothese, als Dogma. Sie hat ihren Schöpfern Preise im Wert von mehreren Millionen Dollar, zahllose Lobeshymnen und angesehene akademische Titel eingebracht und hat zudem enormen ­Einfluss darauf, welche Arbeiten über Alzheimer in den wichtigsten medizinischen Zeitschriften veröffentlicht werden (ein Hinweis: Bevorzugt werden Autoren, die der Amyloid-Hypothese folgen) und welche Studien die amerikanischen Institutes of Health, die Hauptquellen der biomedizinischen Forschung, fördern.

Doch als Pharmaunternehmen Substanzen testeten, die aufgrund der Amyloid-Hypothese entwickelt wurden, waren die Ergebnisse frustrierend bis verwirrend. In klinischen Studien reagierten menschliche Gehirne nicht so auf diese Verbindungen (meist Antikörper, die sich an das Amyloid binden), wie es in den Lehrbüchern stand. Viele dieser Chemikalien leisteten zwar durchaus, was man von ihnen erwartete: Sie ­beseitigten die Amyloid-Plaques effektiv oder sie blockierten das Enzym, das für die Amyloid-Bildung notwendig ist. Die experimentellen Substanzen taten also genau das, was ihre Erfinder, die sich auf das Amyloid-Lehrbuch stützten, mit ihnen bezweckten; aber den Patienten ging es nicht besser, sondern, auch wenn es unglaublich klingt, manchmal sogar schlechter. Die Resultate dieser klinischen Studien (die übrigens oft mehr als 50 Millionen Dollar kosten) enthüllen immer wieder das genaue Gegenteil dessen, was die Reagenzglasforschung, alle Mausmodelle und alle Theorien, die der Amyloid-Hypothese folgen, vorhersagen. Die Attacke auf das Amyloid sollte den Weg zur Heilung der Alzheimerkrankheit ebnen. Aber das war nicht der Fall.

Es ist, als würden unsere Weltraumraketen ausnahmslos jedes Mal auf der Rampe explodieren. Irgendetwas muss hier total falsch laufen.

Ebenso tragisch wie das engstirnige Beharren auf der Amyloid-Hypothese ist die Annahme der Schulmediziner, Alzheimer sei eine einzige Krankheit. Als solche wird sie meist mit Donepezil (Aricept) oder Memantin (Axura, Ebixa, Memando) behandelt. Wie gesagt, weiß ich, dass es derzeit keine Therapie für die Alzheimerkrankheit gibt. Lassen Sie mich das erklären.

Aricept ist ein Acetylcholinesterase-Hemmer**: Es hindert das Enzym Acetylcholinesterase daran, Acetylcholin zu zerstören, das im Gehirn ­gebildet wird und zu den Neurotransmittern gehört. Diese befördern Signale von einem Neuron zum anderen. So können wir denken und fühlen, und so können wir uns erinnern und uns bewegen. Neurotransmitter sind also wichtig für das Gedächtnis und für die gesamte Gehirnfunktion. Der Grundgedanke ist einfach: Bei Alzheimer ist das Acetylcholin reduziert. Wenn wir also das Enzym Acetylcholinesterase hemmen, das Acetylcholin abbaut, bleibt mehr davon in den Synapsen und diese arbeiten vielleicht ein wenig länger, selbst wenn Alzheimer das Gehirn verwüstet.

Dieser Ansatz funktioniert in gewissem Umfang, aber es gibt gewichtige Vorbehalte. Erstens beseitigen wir nicht die Ursache der Alz­heimerkrankheit und hemmen nicht ihr Fortschreiten, wenn wir den Abbau von Acetylcholin blockieren. Zweitens reagiert das Gehirn auf die Hemmung der Acetylcholinesterase häufig so, wie es zu erwarten ist: Es produziert mehr Acetylcholinesterase. Das schränkt natürlich die Wirkung des Medikaments ein (und es kann zu einem echten Problem ­werden, wenn das Mittel plötzlich abgesetzt wird). Drittens haben Acetylcholinesterase-Hemmer wie alle Medikamente Nebenwirkungen, ­da­runter Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Kopf- und Gelenkschmerzen, Benommenheit, Appetitlosigkeit und verlangsamte Herzfrequenz.

Memantin wirkt auf Chemikalien und Moleküle im Gehirn ein, die mit der fundamentalen Alzheimer-Pathophysiologie wenig zu tun haben. Doch wie Aricept kann es vielleicht die Symptome der Krankheit lindern (oder gar verzögern), zumindest eine Zeit lang. Es wird meist im Spätstadium der Krankheit angewandt, aber man kann es auch zusammen mit einem Acetylcholinesterase-Hemmer einsetzen. Memantin hemmt mithilfe des Neurotransmitters Glutamat die Übertragung von Gehirnsignalen von einem Neuron zum nächsten. Dadurch wird die sogenannte Excitotoxizität des Glutamats reduziert, die auf der Aktivierung von Neuronen beruht. Leider kann Memantin auch die Neurotransmitter hemmen, die wir für die Gedächtnisbildung unbedingt brauchen, und es kann die kognitive Funktion deshalb anfangs ­schädigen.

Das Wichtigste ist, dass weder Acetylcholinesterase-Hemmer noch Memantin die eigentlichen Ursachen der Krankheit beseitigen oder den Krankheitsverlauf aufhalten – und sie sind erst recht keine Heilmittel.

Das alles ist schlimm genug, aber es gibt ein noch grundlegenderes Problem. Alzheimer ist keine einzelne Krankheit. Gewiss, die Symptome erwecken diesen Anschein, doch wie ich in Kapitel 6 erläutern werde, haben wir herausgefunden, dass es drei wichtige Subtypen der Alzheimerkrankheit gibt. Unsere Forschungen über die unterschiedlichen biochemischen Profile von Alzheimerpatienten haben gezeigt, dass diese drei leicht zu unterscheidenden Subtypen jeweils auf verschiedenen biochemischen Vorgängen beruhen und dass jeder von ihnen eine andere Behandlung erfordert. Alle drei gleich zu behandeln ist ebenso naiv, wie das gleiche Antibiotikum gegen jede Infektion anzuwenden.

Es ist schlimm genug, dass die größten Geister der Neurowissenschaft und der Medizin seit über dreißig Jahren an der Alzheimerkrankheit scheitern. (Die über siebzig Jahre zwischen der Benennung der Krankheit und der Amyloid-Hypothese zähle ich nicht mit, weil in diesen Jahrzehnten viel weniger über Alzheimer geforscht wurde.) Wer aufmerksam ist, sieht, dass wir die falschen Methoden anwenden. Vor allem die Idee, die Ursache der Amyloid-Produktion zu ermitteln, sie zu blockieren und dann die Plaques zu entfernen, wurde nie getestet.

Wenn bei Ihnen ein genetisches Alzheimerrisiko besteht oder wenn Sie bereits erkrankt sind oder wenn einer Ihrer Angehörigen erkrankt ist, ist es daher Ihr gutes Recht, sich über diese Situation zu ärgern.

Es ist kein Wunder, dass wir die Alzheimerkrankheit heute als allmäch­tig fürchten. Als hoffnungslos. Als immun gegen sämtliche Therapien.

Bis jetzt.

Lassen Sie es mich so klar ausdrücken, wie ich kann: Wir können die Alzheimerkrankheit verhindern und den mit ihr einhergehenden kognitiven Verfall oft rückgängig machen. Genau das haben nämlich meine Kollegen und ich in Studien nachgewiesen, die von Experten begutachtet und in führenden medizinischen Zeitschriften veröffentlicht wurden. Unsere Studien beschreiben diese erstaunlichen Befunde bei Patienten zum ­ersten Mal genau. Ja, ich weiß, dass es der seit Jahrzehnten gehegten gängigen Meinung hohnspricht zu behaupten, man könne den geistigen Abbau rückgängig machen, eben dies sei bei Hunderten von Patienten gelungen und wir alle könnten dem Verlust der geistigen Kräfte vorbeugen, den Experten lange Zeit für unvermeidlich und irreversibel hielten. Das sind kühne Behauptungen, die eine gesunde Skepsis verdienen. Ich erwarte, dass Sie skeptisch bleiben, wenn Sie von den Forschungen in meinem Labor lesen, die wir seit drei Jahrzehnten durchführen. Ihr Höhepunkt waren die ersten Heilungen des kognitiven Abbaus im Frühstadium der Alzheimerkrankheit und deren Vorläufer, das heißt der milden kognitiven Beeinträchtigung und der subjektiven kognitiven Beeinträchtigung. Ich erwarte, dass Sie auch skeptisch bleiben, wenn Sie die Geschichten dieser Patienten lesen, die aus dem Abgrund des kognitiven Abbaus hinauskletterten. Und ich rechne damit, dass Sie skeptisch reagieren, wenn Sie von den personalisierten Therapieprogrammen lesen, die wir entwickelt haben, damit jeder Mensch dem geistigen Niedergang vorbeugen und, wenn bereits Anzeichen dafür vorliegen, diesen Niedergang aufhalten und wieder normal denken, sich erinnern und bei geistiger Gesundheit leben kann.

Sollten die Ergebnisse, die ich beschreibe, jedoch Ihre Skepsis überwinden, dann bitte ich Sie, aufgeschlossen zu sein und über eine Änderung Ihrer Lebensweise nachzudenken – nicht nur, wenn der Rutsch in den kognitiven Abgrund schon begonnen hat, sondern auch dann, wenn Sie noch nicht davon betroffen sind. Natürlich ist dieses Buch für Menschen, deren Gedächtnis und deren geistige Fähigkeiten bereits nachgelassen haben (und ihre Angehörigen und Betreuer) besonders wichtig. Wenn sie das Programm befolgen, das ich beschreiben werde, können Menschen, die kognitiv beeinträchtigt sind oder bereits an Alzheimer leiden, die Krankheit nicht nur zum Stillstand bringen, sondern oft auch rückgängig machen. Für diese Menschen war das Fortschreiten der Krankheit bis zur schweren Demenz bisher unausweichlich, und sie haben von Fachleuten nur schlechte Nachrichten gehört. Das Anti-Alzheimer-Programm, das meine Kollegen und ich entwickelt haben, wirft dieses düstere Dogma auf die Müllhalde der Geschichte.

Es gibt eine zweite, sehr spezifische Gruppe, für die dieses Buch den Unterschied zwischen der düsteren Zukunft, die ihnen vorausgesagt wurde, und einer Zukunft voller Gesundheit und Freude ausmachen kann. Diese Menschen besitzen eine Genvariante (Allel) namens ApoE4. (ApoE ist die Abkürzung für Apolipoprotein E. Ein Apolipoprotein ist ein Eiweiß, das Lipide, also Fette, befördert.) ApoE4 ist der größte bekannte Risikofaktor*** für Alzheimer. Wenn Sie ein ApoE4 besitzen (von einem Elternteil geerbt), steigt Ihr Alzheimerrisiko auf 30 Prozent; wenn Sie zwei Kopien besitzen (von beiden Elternteilen geerbt), steigt das Risiko deutlich über 50 Prozent (der Wert liegt zwischen 50 und 90 Prozent, je nachdem, welche Studie Sie lesen). Bei Menschen, die dieses Allel nicht besitzen, liegt das Risiko bei etwa 9 Prozent.

Die große Mehrheit der ApoE4-Träger weiß nichts von dieser ­tickenden Zeitbombe in ihrer DNS und erfährt meist erst von ihr, wenn Alzheimersymptome sie zu einem Gentest veranlassen. Es ist gewiss verständlich, dass die meisten Menschen ihren ApoE-Status nicht kennen wollen, solange es keine Alzheimertherapie gibt. Als der Nobelpreisträger Dr. James Watson (der Mitentdecker der DNS-Doppelhelix) im Jahr 2007 sein Genom sequenzieren ließ, wollte er nicht darüber informiert werden, ob er ApoE4-Träger war. Warum sollte man niederschmetternde Nachrichten empfangen, wenn man seine Situation ­ohnehin nicht ändern kann? Da es nun jedoch ein Programm gibt, mit dem man sein Alzheimerrisiko verringern kann, sogar als ApoE4-Träger, könnten wir die Zahl der Demenzkranken drastisch senken, wenn sich mehr Menschen auf ApoE4 testen ließen und ein Präventionsprogramm befolgen würden, lange bevor Symptome auftreten. Ich hoffe sehr, dass dieses Buch vor allem ApoE4-Trägern Hoffnung geben wird: Ihre Lage ist nicht aussichtslos, denn auch sie können der Alzheimerkrankheit vorbeugen oder den geistigen Abbau rückgängig machen.

Dieses Buch kann aber das Leben aller Menschen über vierzig ändern. Der Verlust der geistigen Fähigkeiten ist nämlich unsere größte Furcht, wenn wir älter werden, und mit dem Gehirn geht es schon ab etwa vierzig Jahren bergab. Denn diese Fähigkeiten machen uns zu Menschen: Wir wollen Briefe von Menschen, die uns nahestehen, lesen und verstehen; wir wollen einen Film anschauen und der Handlung folgen; wir wollen die Menschen in unserer Umgebung verstehen; wir brauchen das Gefühl, dass unser Leben einen Sinn hat; wir wollen die Aktivitäten des täglichen Lebens selbst bewältigen und kein bloßer Protoplasmaklumpen sein, den andere füttern, anziehen, umdrehen und waschen; und wir wollen uns an die Ereignisse unseres Lebens und an die Menschen, die uns etwas bedeuten, erinnern. Wenn diese Fähigkeiten schwinden, dann schwindet auch unsere Identität und unser Leben verliert an Bedeutung. Allen Leserinnen und Lesern, die das Glück haben, nicht einmal eine Spur von kognitivem Verfall bei sich beobachtet zu haben, obwohl sie genau wissen, dass er ihnen in der Zukunft droht, möchte ich diesen Rat geben: Holen Sie tief Luft und machen Sie sich klar, dass der kognitive Niedergang bei den meisten Menschen behandelt werden kann, vor allem in seinem Frühstadium. Einerlei, was andere Ihnen gesagt haben, die Lage ist nicht hoffnungslos oder irreversibel. Im Gegenteil. Zum ersten Mal können Alzheimerkranke Hoffnung schöpfen.

Der Grund dafür ist eine grundlegende Entdeckung: Die Alzheimer-­»Krankheit« entsteht nicht, weil das Gehirn etwas tut, was es nicht tun soll, so wie Krebs entsteht, weil Zellen sich ungehemmt vermehren, oder das Herz krank wird, weil Blutgefäße mit Plaques verstopft sind. Alzheimer ist die Folge eines körpereigenen und gesunden Abbauprogramms für das ausgedehnte synaptische Netzwerk des Gehirns. Allerdings läuft dieses Programm Amok, ähnlich wie die magischen Besen, denen Micky Maus im »Zauberlehrling« (einem Teil des Filmklassikers Fantasia aus dem Jahr 1940) befehlen will, für ihn Wassereimer zu tragen, und die dann außer Rand und Band geraten. Bei der Alzheimerkrankheit ist ein im Grunde normaler Vorgang im Gehirn aus dem Ruder gelaufen.

Dieses Buch ist kein wissenschaftlicher Wälzer, obwohl ich die wissenschaftlichen Belege anführe, die meine Schlussfolgerungen stützen. Es ist ein praktischer, verständlicher Schritt-für-Schritt-Leitfaden, mit dem Sie den geistigen Abbau im Frühstadium der Alzheimerkrankheit oder ihrer Vorläufer – der milden kognitiven Beeinträchtigung und der subjektiven kognitiven Beeinträchtigung – dauerhaft verhindern können. Mithilfe dieses Buches können die 75 Millionen Amerikaner, die das ApoE4-Gen in sich tragen, dem Schicksal entkommen, das in ihrer DNS geschrieben steht. Das dafür entwickelte Programm war die erste wissenschaftliche Veröffentlichung einer Studie, die im Jahr 2014 über die Reversibilität des kognitiven Abbaus bei neun von zehn Patienten berichtete,**** die an Alzheimer oder an einem ihrer Vorläufer erkrankt waren. Die ausgeklügelte, personalisierte Therapie stützte sich auf ­unsere jahrzehntelange Forschung über die Neurobiologie der Alzheimerkrankheit und erhielt den Namen ReCODE***** für reversal of cognitive decline (»Umkehrung des kognitiven Abbaus«). Wir konnten damit nicht nur den kognitiven Abbau bei Alzheimer und Prä-Alzheimer rückgängig machen – was zuvor niemand für möglich gehalten hatte –, sondern die Patienten auch dauerhaft heilen. Die erste Patientin, die von ReCODE profitierte, wird heute seit fünf Jahren mit dieser Methode behandelt und ist mit 73 Jahren kognitiv gesund. Sie hat einen Vollzeitjob und reist um die Welt. Unsere umfangreiche folgende Arbeit mit Hunderten von Patienten beweist, dass sie keineswegs die Einzige ist.

Nach der Veröffentlichung unserer Studie im Jahr 2014 erhielten wir viele Tausend E-Mails, Anrufe und Besuche von Ärzten und anderen Heilberuflern, potenziellen Patienten und Angehörigen aus dem ganzen Land sowie aus Großbritannien, Australien, Asien, Europa und Südamerika. Alle wollten mehr über die erfolgreiche Methode erfahren. Die Zeitschrift, in der die Studie veröffentlicht wurde, heißt Aging (Altern) und die Mitarbeiter berichteten, dass unsere Arbeit unter Zehntausenden von wissenschaftlichen Artikeln, die sie im Laufe der Jahre abgedruckt hatten, nach dem Messverfahren, mit dem sie den Einfluss und das Interesse bestimmten, einen der höchsten Ränge und somit die 99,99ste Perzentile erreicht habe. Dieser erste Artikel enthielt keine detaillierte Beschreibung des Programms (wissenschaftliche Zeitschriften begrenzen die Seitenzahl), aber in diesem Buch hole ich das nach. Ich werde auch berichten, wie ich ReCODE entwickelt habe, und seine wissenschaftliche Grundlage erläutern. Im Anhang finden Sie Bezugsquellen der Nahrungsmittel, Ergänzungsmittel und anderen Komponenten von ReCODE sowie Links zu Ärzten und anderen Heilberuflern, die über das Programm Bescheid wissen und Ihnen oder einem Ihrer Angehörigen helfen können, es anzuwenden.

Nichts ist wichtiger, als das Leben von Patienten zu verbessern. Das motivierte mich während meiner jahrzehntelangen Suche nach einer Methode, Alzheimer zu verhindern und zu heilen. Wenn genügend Menschen ReCODE anwenden, helfen sie aber nicht nur sich selbst. Da diese Krankheit etwa einen von neun Amerikanern im Alter von 65 oder mehr Jahren (insgesamt 5,2 Millionen Menschen) heimsucht, droht das Altern der Babyboomer einen Alzheimer-Tsunami auszulösen, der Medicare (Gesundheitsdienst für Ältere) und Medicaid (Gesundheitsdienst für Bedürftige) in den Ruin treiben und das Gesundheitssystem überfordern könnte – ganz zu schweigen von dem Tribut, den es von ­Dutzenden Millionen Familien fordern wird, deren Angehörige von dieser gnadenlosen Krankheit verschlungen werden. Deshalb ist es wichtiger denn je, ihr vorzubeugen und sie zu behandeln. Die Hunderte von Patienten, bei denen ich eine Heilung des kognitiven Abbaus beobachtet habe – obwohl dies dem medizinischen Dogma zufolge unmöglich ist –, haben mich davon überzeugt, dass die Prävention und Therapie der Alzheimerkrankheit keine Fantasie ist.

Wir wissen, wie es geht – jetzt, heute.

Das meine ich, wenn ich sage: Sobald genügend Menschen ReCODE befolgen, breiten sich die Wellen über das ganze Land und über die ganze Welt aus und senken die Gesundheitskosten um viele Milliarden Dollar pro Jahr. Sie verhindern den Bankrott von Medicare, senken die globale Last der Demenz und verlängern unser Leben. Das alles ist machbar.

Hier ist endlich nichts Geringeres als die erste gute Nachricht über Alzheimer. Es ist eine Chronik der Freude über das wiedergewonnene Leben. Einer der Patienten, von denen Sie lesen werden, sagte, er könne jetzt wieder an die Zukunft denken, wenn er mit seinen Enkeln spreche. Eine Patientin versicherte, ihr Gedächtnis sei besser, als es in den vergangenen dreißig Jahren je gewesen sei. Die Frau eines Musikers ­berichtete, ihr Mann könne wieder Gitarre spielen. Die Tochter einer Patientin erzählte mir, jedes Mal, wenn sie aus dem College nach Hause zurückgekehrt sei, habe sie gemerkt, dass ihre Mutter wieder ein wenig abgebaut habe; nun sei sie wieder Teil der Familie. Was Sie lesen werden, ist der Anfang einer neuen Welt, der Anfang vom Ende der Alzheimerkrankheit.

Das steht Ihnen bevor:

Die Kapitel 2 bis 6 berichten von der wissenschaftlichen Odyssee, die zu ReCODE führte. Sie beschreiben die Entdeckungen, die das wissenschaftliche Fundament des Programms bilden – wie Alzheimer »unter der Maske« wirklich aussieht, woher die Krankheit kommt und warum sie so verbreitet ist. Das sind die Entdeckungen, die das erste wirksame Programm gegen den kognitiven Verfall stützen, die stoffwechselbedingten und anderen Faktoren identifizieren, die Ihr Risiko vergrößern, und den kognitiven Abbau umkehren, wenn er bereits begonnen hat. Zudem fordern diese Entdeckungen das zentrale Alzheimer-Dogma heraus; denn sie zeigen, dass diese verheerende Krankheit die Folge eines normalen, gesunden Prozesses im Gehirn ist, der aus dem Ruder läuft. Das heißt, das Gehirn erleidet eine Verletzung, eine Infektion oder einen anderen Schock (ich werde die vielen Arten noch erklären) und wehrt sich dagegen. Der Abwehrmechanismus schließt die Produktion des mit Alzheimer verbundenen Amyloids ein. Ja, Sie haben richtig gelesen: Das Amyloid, das seit Jahrzehnten verteufelt wird und das alle loswerden wollen, ist Teil dieser Schutzreaktion. Kein Wunder, dass der Versuch, es zu beseitigen, für Alzheimerpatienten nicht sehr hilfreich ist.

Im Gegensatz zum derzeitigen Dogma ist die Alzheimerkrankheit also in Wahrheit eine schützende Reaktion auf drei unterschiedliche Vorgänge: Entzündung, suboptimale Versorgung mit Nährstoffen und anderen Molekülen, die die Synapsen unterstützen, und Vergiftung. In Kapitel 6 erfahren Sie mehr darüber; jetzt möchte ich nur unterstreichen, dass es drei verschiedene Typen der Alzheimerkrankheit gibt (die oft zusammen auftreten) und dass diese Tatsache tiefgreifende Folgen für die Diagnose, Vorbeugung und Behandlung hat. Außerdem bedeutet diese Entdeckung, dass wir die subtileren Formen des kognitiven Abbaus, der milden kognitiven Beeinträchtigung und der subjektiven kognitiven Beeinträchtigung besser behandeln können, bevor sie sich zu einer ausgewachsenen Alzheimerkrankheit entwickeln.

In Kapitel 7 lernen Sie die Tests kennen, mit denen Sie herausfinden, was Ihren kognitiven Abbau verursacht oder was Ihr Risiko dafür vergrößert – und wie Sie heute vielleicht selbst dafür sorgen, dass Sie an Alzheimer erkranken werden. Die Tests sind notwendig, weil die oft zahlreichen Faktoren, die zu dieser Krankheit beitragen, sich sehr wahrscheinlich von den Faktoren unterscheiden, die bei anderen vorliegen. Deshalb erstellen diese Tests für Sie ein persönliches Risikoprofil und enthüllen, um welche Faktoren Sie sich kümmern müssen, um eine optimale Besserung zu bewirken. Sie werden den Grund für jeden Test kennenlernen und erfahren, wie die physiologischen Parameter, die er misst, zur Gehirnfunktion und zur Alzheimerkrankheit beitragen. Kapitel 7 fasst die Tests zusammen, die zu dieser »Kognoskopie« gehören, und erläutert ihre Leitprinzipien.

Die Kapitel 8 und 9 erklären, was Sie mit den Testergebnissen anfangen können und welche Probleme Sie anpacken müssen, um den kognitiven Abbau umzukehren und das Risiko für einen weiteren Abbau zu verringern: Entzündungen, Infektionen, Insulinresistenz, Hormon- und Nährstoffmangel sowie Vergiftungen. Verlorene oder nicht mehr brauchbare Synapsen müssen ersetzt und geschützt werden. Allerdings braucht jeder Mensch seine eigene ReCODE-Version entsprechend der Testergebnisse. Ihre Version unterscheidet sich von den Versionen anderer Menschen, weil sie Ihrer einzigartigen Physiologie optimal angepasst wird. Natürlich ist ReCODE insofern einzigartig und neu, weil es wirkt und den kognitiven Abbau verhindert und umkehrt. Dennoch legt das Programm Wert auf eine individualisierte Therapie.

In den Kapiteln 10 bis 12 erkläre ich Ihnen, wie Sie die besten Ergebnisse erzielen und dann gesund bleiben. Diese Kapitel bieten auch Umgehungen und Krücken an, nicht nur, damit Sie den kognitiven Abbau rückgängig machen können, sondern auch, um Fragen zu beantworten und der Kritik an dieser Methode zu begegnen.

Seit den Anfängen der »modernen« Medizin im 19. Jahrhundert werden Ärzte dafür ausgebildet, Krankheiten zu diagnostizieren – zum Beispiel Bluthochdruck, Herzinsuffizienz oder Arthritis – und nach einem allgemeingültigen Schema zu behandeln, etwa mit einem Blutdrucksenker. Das ändert sich allmählich. Heute gibt es beispielsweise präzise Krebstherapien, bei denen das genetische Profil eines Tumors bestimmt, welches Medikament verwendet wird. Der starke Wunsch nach einer personalisierten Medizin könnte uns einem Kernaspekt der östlichen Medizin näher bringen, zum Beispiel der traditionellen chinesischen Medizin und dem Ayurveda. Obwohl die frühen Anwender dieser Heilweisen nichts über die molekularbiologischen Details bestimmter Krankheiten wussten, waren sie Experten darin, den ganzen Menschen zu behandeln anstatt eine einzelne »Krankheit« wie etwa Bluthochdruck.

Die neue Medizin des 21. Jahrhunderts verbindet das Beste der modernen westlichen mit der traditionellen östlichen Heilkunst. Sie kombiniert das Wissen über molekulare Vorgänge mit dem Verständnis der ganzen Person. Dann fragen wir nicht mehr nur, wo das Problem liegt, sondern auch, warum es entstanden ist. Die Frage nach dem Warum ist entscheidend, auch um der Alzheimerkrankheit vorzubeugen und sie zu behandeln.

Meine Laborkollegen und ich waren der Auffassung, dass niemand an Alzheimer sterben sollte. Um das zu erreichen, müssen wir – Ärzte und Patienten – unsere Methoden aus dem 20. Jahrhundert durch Methoden aus dem 21. Jahrhundert ergänzen und uns aktiv um unsere kognitive und allgemeine Gesundheit kümmern.

Bücher über Medizinwissenschaft gelten als leidenschaftslose, objektive Darstellung von »Fakten«, die von Experten geprüft und anerkannt wurden. Da ich nicht ganz leidenschaftslos sein möchte, bitte ich um Nachsicht. Wie die Geschichte immer wieder bewiesen hat, stellten sich die Fakten, die wir als biomedizinische und wissenschaftliche Gemeinschaft akzeptierten, unterstützten und verbreiteten wie ein Evangelium, allzu oft als falsch heraus (Beispiele: Neugeborene empfinden keine Schmerzen; Geschwüre werden durch Stress verursacht; die Hormonersatztherapie bei Frauen nach der Menopause beugt Herzkrankheiten vor – und so weiter). Die Therapie neurodegenerativer Krankheiten ist davon nicht ausgenommen; auch ihre Dogmen wurden zertrümmert und verbrannt. Je nachdem, welchen Experten Sie wann fragen, ist Alzheimer auf freie Radikale oder Schwermetalle oder fehlgefaltete Proteine oder Diabetes des Gehirns oder Tau-Proteine oder eine Art Tensid-Effekt zurückzuführen, und das ist nur ein Teil der Liste. Es gibt einfach keinen Konsens. Mehr noch, keine der heutigen Hypothesen erklärt alle veröffentlichten Daten, wie man sie in mehr als 50 000 wissenschaftlichen Artikeln findet. Es ist daher kein Wunder, dass die Alzheimerkrankheit dabei ist, 45 Millionen der 325 Millionen Amerikaner das Leben zu ­nehmen.

Ja, ich bin sehr leidenschaftlich, was diese Krankheit, die ihr zugrunde liegenden neurodegenerativen Vorgänge, die vielen allzu einfachen Behandlungsmethoden, die politischen und finanziellen Entscheidungen und die Millionen Toten anbelangt. Als Ärzte fürchten wir, dass Gefühle und Leidenschaft unsere Entscheidungen beeinflussen und uns unserer Objektivität berauben könnten. Diese Sorge ist berechtigt. Doch jeder, der sich mit Alzheimer befasst und mit Kummer und Verzweiflung konfrontiert ist, muss zu dem Schluss kommen, dass Leidenschaftslosigkeit viel zu viele unserer täglichen Entscheidungen beeinflusst. Ist unsere Gesellschaft angesichts der Demenztragödie abgestumpft? Haben wir den Versuch aufgegeben, alle Hebel in Bewegung zu setzen? Sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass der wissenschaftliche Genius, der Bypässe, Antibiotika, Plasmapherese, künstliche Gliedmaßen, Stammzellen und Organtransplantationen entwickelt hat, gegen Alzheimer machtlos ist? Sind wir als Wissenschaftler und Ärzte so sehr im medizinischen Dogma gefangen, dass wir uns ganz auf ein einziges Medikament, auf eine Alzheimertherapie für alle konzentrieren, einerlei, wie oft sie versagen?

Hoffentlich nicht, denn wenn die Notwendigkeit wirklich die Mutter der Erfindung ist, dann ist die Leidenschaft vielleicht ihr Vater.

* Der Einfachheit halber verwende ich im Folgenden das Wort Amyloid.

** Andere Acetylcholinesterase-Hemmer, die bei Alzheimer verordnet werden, sind unter anderem Rivastigmin (Exelon), Galantamin (Reminyl, Galnora) und Hyperzin A (rezeptfrei erhältlich).

*** Andere Gene, Präsenilin 1 (PS-1) und Präsenilin 2 (PS-2), erhöhen das Alzheimerrisiko ebenfalls und lösen fast immer vor dem sechzigsten Lebensjahr, manchmal schon in den Dreißigerjahren, Symptome aus. Diese Gene wurden jedoch nur bei wenigen Hundert Großfamilien gefunden, die weniger als 5 Prozent der Fälle ausmachen.

**** Drei weitere wissenschaftliche Artikel bestätigten 2015 und 2016 diese erste Studie.

***** Zunächst nannten wir die Methode MEND für metabolic enhancement for neurodegeneration (»Stoffwechselförderung bei Neurodegeneration«). Aber MEND ist heute veraltet und wurde durch unser neues und besseres ReCODE ersetzt.

KAPITEL 2 Patientin null

»Jeder kennt jemanden, der Krebs überlebt hat, doch niemand kennt jemanden, der Alzheimer überlebt hat.«

Kristin hatte Suizidgedanken. Vor Jahren hatte sie verzweifelt mit angesehen, wie ihre Mutter langsam den Verstand verlor und gezwungen war, in einem Pflegeheim zu leben, weil sie ihre Angehörigen nicht mehr erkannte und sich nicht mehr selbst versorgen konnte. Kristin hatte mit ihrer Mutter gelitten, deren Abstieg in die Alzheimerkrankheit begann, als sie 62 Jahre alt war. Er dauerte 18 Jahre. Am Ende hatte Kristin alleine gelitten, weil ihre Mutter nicht mehr empfindungsfähig war.

Als Kristin 65 war, stellten sich auch bei ihr kognitive Störungen ein. Sie verirrte sich, wenn sie auf der Autobahn fuhr, und wusste nicht mehr, welche Einfahrten und Ausfahrten sie benutzen sollte, nicht einmal auf bekannten Strecken. Sie konnte Informationen, die für ihren Job wichtig waren, nicht mehr verstehen und Berichte nicht rechtzeitig abgeben. Da sie sich keine Zahlen mehr merken konnte, musste sie sogar vier Ziffern notieren, ganz zu schweigen von Telefonnummern. Es fiel ihr schwer, sich zu merken, was sie eben gelesen hatte, und wenn sie auf einer Seite unten angelangt war, musste sie wieder oben anfangen. Zögernd bereitete sie sich auf ihren Ruhestand vor. Sie machte immer mehr Fehler, rief ihre Haustiere oft bei einem falschen Namen und musste in ihrer eigenen Wohnung Lichtschalter suchen, obwohl sie diese jahrelang ein- und ausgeschaltet hatte.

Wie viele andere Menschen versuchte Kristin, diese Symptome zu ignorieren. Aber sie wurden immer schlimmer. Zwei Jahre lang ging es ständig mit ihr bergab; dann konsultierte sie ihren Arzt, der ihr mitteilte, sie werde dement wie ihre Mutter und er könne nichts für sie tun. Er schrieb »Gedächtnisstörungen« in ihre Krankenakte und deshalb bekam sie keine langfristige Pflegeversicherung. Bei einer Netzhaut-Bildgebung wurde Amyloid festgestellt. Sie dachte mit Schrecken an den geistigen Verfall ihrer Mutter und fürchtete, auch sie werde mit fortschreitender Demenz und ohne Pflegeleistungen und medizinische Behandlung leben müssen. Also beschloss sie, sich das Leben zu nehmen.

Sie rief Barbara, ihre beste Freundin, an und erklärte ihr: »Ich habe gesehen, was meine Mutter mitmachte, als sie mir entglitt, und ich möchte auf keinen Fall, dass mir das auch passiert.« Barbara war entsetzt. Sie kannte bereits andere Menschen, die der Demenz zum Opfer gefallen waren; doch dieses Mal hatte sie eine Idee. Sie erzählte Kristin von neuen Studien, über die sie gelesen hatte, und schlug ihr vor, statt sich das Leben zu nehmen in das mehrere Tausend Kilometer entfernte Buck Institute for Research on Aging zu reisen, gleich nördlich von San Francisco. So kam Kristin im Jahr 2012 zu mir.

Wir unterhielten uns stundenlang. Ich konnte ihr nichts garantieren und ihr keinen Patienten nennen, der unser Programm befolgt hatte. Ich besaß damals nur Diagramme, Theorien und Daten von transgenen Mäusen. Im Grunde hatte Barbara ihre Freundin zu früh zu uns geschickt. Schlimmer noch: Die klinische Studie, die ich beantragt hatte, um das Programm zu testen, das ich entwickelt hatte, war eben abgelehnt worden. Das Gutachtergremium hielt es für »zu kompliziert« und wies darauf hin, dass solche Studien dafür gedacht waren, ein einziges Medikament oder eine einzige Intervention zu testen, nicht ein ganzes Programm (ach, wenn Krankheiten doch so einfach wären!). Daher konnte ich ihr nur die einzelnen Teile des Programms erläutern und ihr raten, die Unterlagen ihrem Arzt zu bringen und ihn zu fragen, ob er mit ihr arbeiten wolle. Das tat sie, und so begann, was heute als ReCODE-Programm bekannt ist.

Drei Monate später rief Kristin mich an einem Samstag an und erklärte, sie könne kaum glauben, wie ihre geistigen Fähigkeiten sich entwickelt hätten. Sie konnte wieder ganztags arbeiten, Auto fahren, ohne sich zu verirren, und sich mühelos Telefonnummern merken. So gut wie jetzt sei es ihr seit Jahren nicht mehr gegangen. Als ich auflegte, dachte ich an die jahrelangen Forschungen, die zahllosen Stunden an der Schreibwand mit Laborkollegen, die Streitgespräche mit mir selbst über jedes Detail der Theorie und des Therapieansatzes. Das alles war nicht vergebens gewesen; es hatte uns die richtige Richtung gewiesen. Natürlich war Kristin nur ein einziger Mensch, eine »Einzelfallstudie«, wie man sagt, und wir brauchten ähnliche Ergebnisse zu Tausenden und letztlich zu Millionen. Ich erinnerte mich an den Arzt, der zu seiner Patientin gesagt hatte: »Sie sind nur eine Anekdote, statistisch nicht signifikant.« Worauf die Patientin erwiderte: »Nun, meine Familie hält mich für signifikant. Außerdem bin ich jetzt wieder gesund, und darum interessiert mich die Statistik nicht.« So ist es. Jeder grundlegende Wandel muss irgendwo beginnen – jedes erfolgreiche Programm muss mit Patient null anfangen –, und Kristin war die Patientin null.

Sie vertraute sich einem Angehörigen an: »Hast du gewusst, dass ich Alzheimer hatte?« Er antwortete: »Natürlich, es war nicht zu übersehen. Ich wusste nur nicht, wie ich dich darauf ansprechen sollte – ich wollte dich nicht entmutigen.« Kristin, nun 73, befolgt ReCODE inzwischen seit fünf Jahren. Sie arbeitet immer noch ganztags, reist durch die Welt und ist immer noch frei von Symptomen. Außerdem hat sie das Programm aus verschiedenen Gründen – eine kurze Viruskrankheit, fehlende Tabletten, eine Reise – vier Mal unterbrochen, wenn auch nur kurz, und jedes Mal begannen ihre geistigen Fähigkeiten nachzulassen. Doch sobald sie ReCODE wieder aufnahm, normalisierten sie sich.

Als meine Kollegen und ich 1989 mit den Forschungen begannen, die zu ReCODE führten, hatte sich das Alzheimer-Dogma durchgesetzt. Es geht davon aus, dass die Krankheit von klebrigen Plaques aus Amyloid verursacht wird, einem Eiweißmolekül, das die Zwischenräume zwischen den Neuronen ausfüllt. Da diese Zwischenräume, die Synapsen, den Neuronen die Kommunikation ermöglichen, hat der Schaden, den die klebrigen Amyloid-Plaques hervorrufen, verheerende Folgen: Die Synapsen stellen ihre Arbeit ein. Diese Plaques waren eine der Abnormitäten, die der Neuropathologe Dr. Aloysius Alzheimer (1864–1915) im sezierten Gehirn des ersten Patienten fand, bei dem er vorsenile Demenz diagnostiziert hatte, wie er 1906 schrieb. (Die andere Abnormität war eine Überfülle von langen, fadenförmigen Knäueln aus sogenannten Tau-Proteinen; aber die Bedeutung dieser neurofibrillären Bündel wurde lange verkannt, weil man sich auf die Amyloid-Plaques konzentrierte.) Die Dominanz der Amyloid-Hypothese führte zu einer Herdenmentalität. Viele experimentelle Substanzen, die entwickelt wurden, um Alzheimer zu behandeln, hatten die gleiche Wirkung: Sie schnappten sich die Amyloid-Plaques (manchmal schon das Amyloid, bevor es zu Plaques verklebte) und versuchten, sie zu entfernen.

Wissenschaftler in medizinischen Zentren, Universitäten sowie Biotechnologie- und Pharmaunternehmen haben Hunderte von Verbindungen entdeckt, die Amyloid beseitigen. Dutzende von ihnen machten bei Labortieren einen so vielversprechenden Eindruck, dass große Pharmaunternehmen wie Eli Lilly und Biogen Milliarden von Dollar ausgaben, um sie bei Patienten in klinischen Studien zu testen. Ich muss mich nicht absichern und brauche auch nicht zu schätzen, wenn ich Ihnen sage, wie viele der über 200 experimentellen Medikamente sich als unbedenklich und wirksam erwiesen haben. Wirksam bedeutet, dass sie den Verlauf der Krankheit aufgehalten oder, besser noch, sie geheilt haben, sodass die FDA sie zugelassen hat. Diese Zahl ist null. Deshalb erklärte die Alzheimer-Gesellschaft, kein Medikament könne »die Alzheimerkrankheit heilen oder ihr Fortschreiten aufhalten«.

Natürlich wecken alle diese Misserfolge Zweifel am zentralen Alzheimer-Dogma: an der Amyloid-Hypothese, die davon ausgeht, dass Amyloid bei der Alzheimerkrankheit eine entscheidende Rolle spielt. Das ist etwa so, wie wenn ich behaupten würde, Zellklumpen spielten eine wichtige Rolle beim Krebs. Die Amyloid-Hypothese sagt nichts darüber aus, warum das Amyloid vorhanden ist, welche Aufgabe es normalerweise hat und wie man die Krankheit verhindert. Wichtiger noch, diese Hypothese sagt Ihnen nicht, was die Alzheimerkrankheit wirklich ist.

Deshalb überrascht es nicht, dass die ersten Ergebnisse bei Kristin und ein paar anderen Patienten, die ReCODE befolgten, zwar bei Ärzten, Patienten und Angehörigen von Patienten eine Flut von Bitten um genauere Informationen auslösten, aber auch auf enorme Skepsis stießen. Sie widersprachen dem alten Dogma, dass nichts, schon gar nicht etwas wie das umfangreiche ReCODE-Programm, die Alzheimerkrankheit verhindern, verlangsamen oder heilen kann – jedenfalls nicht, solange es kein Wundermittel gibt. Doch die Zahl der Patienten, die erfolgreich mit ReCODE behandelt wurden, ist inzwischen auf über 200 gestiegen und immer mehr Mediziner nutzen das Programm mit Erfolg bei ihren eigenen Patienten. Seit 2016 habe ich rund 450 Ärzte, Neuropsychologen, Krankenschwestern, Gesundheitsberater und Ernährungstherapeuten aus sieben Ländern und aus ganz Amerika in dieser Methode ausgebildet.

Noch ermutigender ist, dass immer mehr Neurowissenschaftler und Ärzte zu verstehen beginnen, dass die Alzheimerkrankheit nicht das ist, wofür wir sie hielten. Sie wird nicht von klebrigen Amyloid-Plaques (oder von neurofibrillären Bündeln) verursacht, sondern ist die Folge einer Schutzreaktion im Gehirn.

Es lohnt sich, das zu wiederholen: Alzheimer entsteht nicht, weil das Gehirn sich weigert, seine Aufgaben weiter zu erfüllen. Diese Krankheit unterscheidet sich also vom Krebs, bei dem eine ererbte oder im Laufe des Lebens erworbene Genmutation eine Zelle und alle ihre Nachkommen in wucherndes Gewebe verwandelt, das ein Organ vernichtet. Sie unterscheidet sich auch von rheumatoider Arthritis und anderen Autoimmunkrankheiten, bei denen das Immunsystem die eigenen Zellen des Körpers angreift. Bei diesen und vielen anderen Krankheiten ist etwas gefährlich aus dem Ruder gelaufen: Ein physiologisches System funktioniert nicht so, wie es soll.

Alzheimer ist anders. Wie ich in Kapitel 4 genauer erläutern werde, besagt eine der Schlüsselentdeckungen, die aus meinem Labor kommen, dass Alzheimer entsteht, wenn das Gehirn auf bestimmte Bedrohungen so reagiert, wie es soll. Warum hat die Evolution uns ein Gehirn gegeben, das so arbeitet? Weil diese Reaktion auf äußere Bedrohungen in den meisten Fällen erfolgreich ist: Das Gehirn wehrt die Bedrohung ab und arbeitet dann ungestört weiter. Probleme treten erst auf, wenn diese Bedrohungen chronisch, zahlreich, hartnäckig und heftig werden. In diesen Situationen greift das Gehirn ebenfalls zu chronischen, zahlreichen, hartnäckigen und heftigen Verteidigungsstrategien – in einem so hohen Maße, dass eine Grenze überschritten wird und die Abwehr dem Körper schadet. Die Alzheimerkrankheit entwickelt sich, wenn das Gehirn versucht, sich vor drei metabolischen und toxischen Bedrohungen zu ­schützen:

Entzündung (durch Infektionen, falsche Ernährung und andere Ursachen),Mangel an wichtigen Nährstoffen, Hormonen und anderen Molekülen, die das Gehirn braucht,Giftige Substanzen wie Schwermetalle oder Biotoxine (Gifte, die Mikroben, zum Beispiel Schimmelpilze, bilden).

In Kapitel 6 werde ich im Detail erklären, wie wir herausgefunden haben, dass diese drei Arten von Bedrohungen – zu denen Dutzende von Faktoren beitragen – diese Schutzreaktionen im Gehirn auslösen, was diese drei Bedrohungen anrichten und warum die Amyloid-Reaktion, die sie hervorrufen, den Synapsen so sehr schadet. Hier möchte ich nur erwähnen, dass die optimale Methode, Alzheimer zu verhindern und zu behandeln, klar wird, sobald wir begreifen, dass diese Krankheit entsteht, wenn das Gehirn sich verzweifelt gegen eine Entzündung wehrt, Nährstoffmängel bewältigen muss oder gegen Giftstoffe kämpft: Wir müssen herausfinden, auf welche der vielen möglichen Faktoren innerhalb dieser drei Bedrohungen das Gehirn eines bestimmten Patienten ­reagiert, um sich zu verteidigen; dann müssen wir diese Faktoren beseitigen und dem Gehirn helfen, die restlichen Angreifer abzuwehren.