Die Begründung der Welt - Thomas Christian Kotulla - E-Book

Die Begründung der Welt E-Book

Thomas Christian Kotulla

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Beschreibung

Die existenziellen Fragen des Lebens faszinieren seit jeher: Warum existiert überhaupt "Etwas" und nicht "Nichts"? Aus welchem Grund ist unsere Welt so schön und zugleich so grausam? Wieso empfinden wir Liebe und Gerechtigkeit als etwas Gutes? Warum verhalten wir uns trotzdem oft lieblos oder ungerecht und haben anschließend ein schlechtes Gewissen? Sind wir in unserem tiefsten Inneren gut oder schlecht? Haben wir einen freien Willen? Hat unser Leben einen tieferen Sinn? Wie können wir möglichst glücklich sein? Und gibt es ein Leben nach dem Tod? Bei seiner Suche nach Antworten befasst sich der Autor mit philosophischen, psychologischen und theologischen Erklärungen. Und gelangt zu Entdeckungen, die dazu herausfordern, das eigene Welt- und Menschenbild zu überdenken. "Ein großartiges Buch über die großen Fragen mit überraschenden und scharfsinnigen Antworten. Für alle, die ihr Leben auf eine solide Basis stellen wollen. Und eine elegant-anregende Lektüre obendrein." Dr. Markus Spieker, TV-Hauptstadtkorrespondent und Buchautor

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Thomas Christian Kotulla
Thomas Christian Kotulla
Die Begründung der Welt
Wie wir finden, wonach wir suchen.

www.fontis-verlag.com

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Die zitierten Bibelstellen wurden, soweit nicht anders angegeben, folgender Übersetzung entnommen:
Gute-Nachricht-Bibel © 1997 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
© 2013 by `fontis - Brunnen Basel
Umschlag: David&Goliath®, LüdenscheidIllustration Umschlag: David&Goliath®, LüdenscheidE-Book: mbassador GmbH
E-ISBN 978-3-03848-584-1

Inhalt

Einstieg

Teil I

Die Wahrheit ist irgendwo da draußen

Gibt es einen Gott?

Die ursprüngliche Identität des Menschen

Woher kommen wir?

Die Geschichte von der Entstehung des Menschen

Alles Evolution?

Der Mensch und das Leid in der Welt

Wo bist du, Gott?

Die ewige Suche nach Wahrheit

Was können wir wissen?

Teil II

Die Frage nach dem Sinn allen Seins

Wozu das Ganze?

Die Frage nach dem Ursprung allen Übels

Wo liegt unser Problem?

Der Konflikt zwischen Liebe und Gerechtigkeit

Sind wir noch zu retten?

Der Glaube an das Unglaubliche

Dürfen wir hoffen?

Der Traum von einer besseren Welt

Wohin gehen wir?

Danksagung

Über den Autor

Anmerkungen

Einstieg

Die existenziellen Fragen des Lebens üben seit jeher eine große Faszination auf die Menschheit aus:

Warum existiert überhaupt «Etwas» und nicht «Nichts»? Wer oder was hat das Universum und dessen vermutlichen Urknall in Gang gesetzt? Wie ist es möglich, dass aus den Atomen des Universums menschliche Wesen hervorgehen, die logisch denken, miteinander kommunizieren und sich lieben oder hassen können?

Warum ist unsere Welt so schön und zugleich so grausam? Warum sehnen wir Menschen uns nach Liebe, sind aber nicht dazu in der Lage, vollkommen liebevolle Beziehungen zu führen? Warum erwarten wir, von unseren Mitmenschen fair und gerecht behandelt zu werden, während wir uns selbst immer wieder unfair und ungerecht verhalten?

Sind wir in unserem tiefsten Inneren gut oder schlecht? Haben wir einen freien Willen? Gibt es absolute Werte, nach denen wir streben sollten? Hat unser Leben einen tieferen Sinn? Wie können wir die Welt zu einem besseren Ort machen und möglichst gut, liebevoll, gerecht und glücklich sein?

Und nicht zuletzt: Wird unsere Existenz mit unserem Tod zu Ende gehen, oder gibt es ein ewiges Leben nach dem Tod?

Die Antworten auf solche Fragen sind ähnlich vielfältig wie die Menschen, die sich ihnen seit Jahrtausenden widmen. Dennoch – so wird das vorliegende Buch zeigen – lassen sich jegliche dieser Antworten in zwei große Gruppen unterteilen: Antworten aus einer «theistischen» Perspektive und Antworten aus einer «atheistischen» Perspektive.

Schließlich beantwortet ein Theist, also ein Mensch, der an einen Gott glaubt, Fragen nach dem Ursprung des Universums, nach dem ursprünglichen Wesen des Menschen oder nach der Existenz eines ewigen Lebens zumeist grundsätzlich anders als ein Atheist.

In der Gruppe theistischer Antworten kann – je nach Glaubensrichtung und entsprechendem Gottesbild – nochmals zwischen verschiedenen Arten von Antworten differenziert werden. So beantwortet ein Muslim viele der genannten Fragen anders als ein Christ, ein Hindu, ein Buddhist oder ein Jude.

Doch welche der theistischen oder atheistischen Antworten auf die existenziellen Lebensfragen decken sich mit der Realität und sind damit «wahr»?

Dies ließe sich nur dann verlässlich sagen, wenn die Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz eines Gottes – und gegebenenfalls die Frage nach dem Wesen dieses Gottes – realitätskonform und damit wahrheitsgetreu zu beantworten wäre.

Denn wie soll man den existenziellen Lebensfragen auf den Grund gehen, ohne den Ursprung der menschlichen Existenz zu kennen? Wie soll man die Fragen nach dem ursprünglichen Wesen des Menschen, nach dem Sinn des menschlichen Daseins oder nach der Existenz eines ewigen Lebens beantworten, ohne zuvor auf die Frage nach der Existenz und dem möglichen Wesen Gottes einzugehen?

Jedes philosophische Buch, das nach Antworten auf die existenziellen Lebensfragen sucht, müsste sich daher eigentlich zunächst mit der Gottes-Frage befassen. Umso erstaunlicher, dass einige Philosophen diese Frage unbeantwortet lassen oder ausblenden.

«Einspruch!», werden Sie jetzt vielleicht denken. «Da sich Gott wissenschaftlich nicht beweisen lässt, bleibt einem letztlich doch gar nichts anderes übrig, als die Gottes-Frage unbeantwortet zu lassen oder auszublenden. Eine neutrale Perspektive muss notwendigerweise atheistisch sowie frei von jedem Glauben sein.»

Im Laufe des Buches soll geprüft werden, ob diese weit verbreitete Ansicht richtig ist. Dabei wird es zunächst zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Gottes-Frage kommen; nicht auf der Basis religiöser Dogmen, sondern mithilfe des Verstands und der Realität. Anschließend soll Schritt für Schritt den anderen existenziellen Lebensfragen nachgegangen werden. Auf diese Weise wird deutlich werden, wie sehr die Antwort auf die Gottes-Frage die Beantwortung aller anderen existenziellen Fragen beeinflusst.

Spätestens beim Thema «Gott» werden Sie vermutlich wissen wollen, mit wem Sie es in diesem Buch zu tun haben. Daher möchte ich kurz einige Worte zu meiner Person sagen:

Ich selbst habe einen ursprünglich atheistischen Hintergrund und werde von meinen Mitmenschen unter anderem als rational, kritisch, analytisch und skeptisch charakterisiert. Dies mag zum einen in meinem Naturell, zum anderen in meiner Tätigkeit als Wissenschaftler begründet liegen. Zwar war mir schon immer bewusst, dass der Glaube an einen Gott keine ausschließliche Angelegenheit des Verstands sein kann. Gleichzeitig habe ich mich aber stets dagegen gewehrt, dass der Glaube ein Ausschalten des Verstands oder ein Ausblenden naturwissenschaftlicher Erkenntnisse erfordern solle. Aus diesem Grund stellten vor allem die Evolutionstheorie und das Leid in der Welt rationale Barrieren für mich dar, um die Existenz eines Gottes in Betracht zu ziehen.

Die existenziellen Lebensfragen faszinieren mich seit langem. Dabei war meine Wahrheitssuche anfangs rein intellektuell motiviert. Das Erkenntnisinteresse an sich stand für mich also im Vordergrund. In diesem Zusammenhang spürte ich zwar immer wieder, dass ich mich früher oder später auch genauer mit der Gottes-Frage auseinanderzusetzen hätte. Doch meine Abneigungen gegen bestimmte Glaubensgemeinschaften und meine schier unüberwindbaren Zweifel hinderten mich daran. Dies sollte sich ändern, als ich vor einigen Jahren eine schwere Krankheit erlitt.

Meine Krankheit ließ mein Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Alles, woran ich bis dahin geglaubt hatte, und alles, woraus ich meine Kraft und Hoffnung geschöpft hatte – Familie, Freundschaft, Liebe, Glück, Erfolg –, wurden von einem Moment zum anderen in Frage gestellt. Schließlich wurde mir schmerzhaft bewusst, dass all diese Werte – und auch ich selbst – durch meinen Tod verloren gehen würden und damit im wahrsten Sinne des Wortes «wertlos» wären.

Mir wurde erstmals wirklich klar, dass meine persönliche Identität untrennbar mit meiner Existenz verbunden ist und dass mein Tod nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Persönlichkeit auslöschen würde. Zudem wurde mir bewusst, dass dieses Schicksal nicht nur mich selbst, sondern letztlich die gesamte Menschheit betrifft. Denn spätestens mit dem Verglühen unseres Sonnensystems würde jede menschliche Existenz und damit jede menschliche Erinnerung ein für alle Mal verschwinden. Das Nachdenken über meine eigene Nicht-Existenz und über die letztliche Aussichtslosigkeit des Menschseins überforderte mein Gehirn und meine Psyche.

Als ich im Krankenhaus liegend nach mehreren Tagen wieder einigermaßen klare Gedanken fassen konnte, musste ich mir eingestehen, dass ein Großteil meiner bisherigen Wahrheitssuche unehrlich war: Aus Angst vor unangenehmen Antworten hatte ich bestimmte Fragestellungen ein Leben lang verdrängt. Mir wurde bewusst, dass ich mit meiner Suche von vorne beginnen musste und mich zunächst mit der existenziellsten aller menschlichen Fragen befassen musste: mit der Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz eines Gottes. Denn wenn es einen Gott geben sollte und wenn ein Leben nach dem Tod existieren sollte, dann war dies für mich plötzlich relevanter denn je.

Meine gesamte Wahrheitssuche war von diesem Augenblick an nicht mehr nur intellektuell, sondern vor allem existenziell motiviert. Es ging für mich nicht mehr nur um Erkenntnis an sich, sondern um meine eigene Existenz und den eigentlichen Wert des Menschseins. Dies bedeutet nicht, dass ich aufgrund der veränderten Situation nicht mehr rational, kritisch, analytisch und skeptisch gewesen wäre – im Gegenteil. Doch erstmals in meinem Leben konnte ich mich all meinen Zweifeln offen und ehrlich stellen. Denn was hatte ich noch zu verlieren? Nichts.

Was ich bei meiner anschließenden Suche erfahren und entdecken durfte, erstaunt mich bis heute. Ich habe Dinge herausgefunden, die ich niemals für möglich hielt. Und das Verblüffende ist: Diese Dinge sind so offensichtlich, dass ich mir im Nachhinein nicht erklären kann, wie ich sie jahrelang übersehen konnte.

Die Antworten auf die existenziellen Lebensfragen liegen direkt vor unseren Augen. Wir erkennen sie nur nicht, weil wir nicht richtig hinsehen.

Auch wenn meine Suche noch lange nicht abgeschlossen ist, halte ich die bisherigen Entdeckungen für so erstaunlich, dass ich sie in diesem Buch mit Ihnen teilen möchte. Ich kann mir vorstellen, dass auch Sie erstaunt sein werden.

Es sei jedoch erwähnt, dass dieses Buch keinen Bericht über meine persönlichen Erlebnisse der vergangenen Jahre enthält. Zwar befasst sich das Buch sowohl mit rationalen als auch mit emotionalen Aspekten des Menschseins. Doch letztlich ist das Buch kein persönlicher Erlebnisbericht, sondern ein argumentatives Sachbuch mit philosophischen, psychologischen und theologischen Elementen.

Mein Buch wird Sie dazu herausfordern, vieles zu hinterfragen, woran Sie momentan glauben. Dabei ist es möglich, dass Sie meinen Ausführungen und Schlussfolgerungen nicht voll und ganz zustimmen werden. Doch selbst, falls mein Buch Sie «nur» zum Nachdenken anregen sollte, hätte das Lesen des Buches für Sie einen Wert. Schließlich ist jede persönliche Wahrheitssuche ein langer Weg voller Denkanstöße.

Haben Sie beim Lesen keine Angst vor komplizierten Fragestellungen oder unangenehmen Antworten, sondern seien Sie offen für eine Entdeckungsreise, die Sie ein ums andere Mal zum Staunen, Grübeln oder auch Kopfschütteln bringen wird.

Teil I

Kapitel 1Die Wahrheit ist irgendwo da draußenGibt es einen Gott?

Wenn man nach Antworten auf die existenziellen Lebensfragen sucht, liegt es nahe, sich zunächst mit dem Ursprung der menschlichen Existenz zu befassen. Sprich: Woher kommen wir?

Geht man dieser Frage auf den Grund, so gelangt man früher oder später zu einem Punkt, an dem sich die Frage stellt, ob es einen Gott gibt. Wie im Laufe des Buches deutlich werden wird, hat die Antwort auf die Gottes-Frage einen entscheidenden Einfluss auf alle anderen existenziellen Lebensfragen, etwa nach dem Sinn des menschlichen Daseins oder nach der Existenz eines ewigen Lebens. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, im ersten Kapitel des Buches auf die Gottes-Frage einzugehen.

Wovon genau ist eigentlich die Rede?

Bevor man sich der Gottes-Frage annimmt, sollte man klären, von welchem Gottes-Verständnis man ausgeht. Schließlich kann die Antwort auf die Gottes-Frage – je nachdem, was man unter einem «Gott» versteht – erheblich variieren.

Betrachtet man Gott zum Beispiel als «alten Mann mit weißem Bart, der auf einer Wolke sitzt», so dürfte den meisten vernünftigen Menschen klar sein, dass ein solcher Gott nicht existiert. Begreift man Gott hingegen als «höhere übernatürliche Macht», so könnten die Meinungen, ob dieser Gott existiert, schon differenzierter ausfallen.

Ferner stellt sich die Frage, ob ein Gott als abstraktes, allgemeines Prinzip oder als konkretes, spezifisches Wesen gelten sollte. Und auch diejenigen Glaubensrichtungen, die Gott als Wesen betrachten, sind sich teilweise uneinig, welche konkreten Wesenszüge diesem Gott zuzuschreiben sind (zum Beispiel liebevoll oder gerecht).

Das aktuelle Kapitel befasst sich nicht mit dem Gott einer bestimmten Glaubensrichtung. Zudem soll vorerst offen bleiben, ob Gott – falls er existiert – ein abstraktes, allgemeines Prinzip oder ein konkretes, spezifisches Wesen ist. Stattdessen folgt das Kapitel einem Gottes-Verständnis, das mit nahezu allen Glaubensrichtungen vereinbar ist. So wird «Gott» zunächst sehr allgemein als höchstes Übernatürliches betrachtet.

Dieser Gottes-Begriff konzentriert sich auf die Aussage, dass Gott – falls er existiert – übernatürlich ist und dass er – falls es mehrere übernatürliche Prinzipien oder Wesen gibt – das hierarchisch höchstgestellte unter diesen Prinzipien oder Wesen ist.1 Doch was bedeutet «übernatürlich»?

Wie der Begriff vermuten lässt, ist etwas Übernatürliches dadurch gekennzeichnet, dass es über die Natur hinausgeht. Möchte man also wissen, was der Begriff «übernatürlich» bedeutet, muss man zunächst verstehen, was die Begriffe «natürlich» bzw. «Natur» bedeuten. Eine Antwort geben die philosophischen Denkrichtungen «Naturalismus» und «Supranaturalismus».

Laut dem «Naturalismus» steht der Begriff «Natur» für alles Existierende. Denn im Naturalismus wird angenommen, dass alles in der Realität Existierende Teil der Natur ist und dass jenseits dieser Natur nichts existiert. Anders als im umgangssprachlichen Gebrauch bezeichnet «Natur» hier also nicht nur alle Tiere und Pflanzen, sondern unser gesamtes natürliches Universum, einschließlich aller gegebenenfalls weiteren natürlichen Universen.

Im «Supranaturalismus» wird hingegen angenommen, dass es zusätzlich zu dieser Natur etwas Übernatürliches gibt, das sich grundlegend von allem Natürlichen unterscheidet. Doch worin besteht dieser Unterschied?

Alles Natürliche zeichnet sich laut dem Naturalismus durch zwei Eigenschaften aus: Erstens unterliegt alles Natürliche bestimmten Gesetzmäßigkeiten, den so genannten «Naturgesetzen», wie zum Beispiel dem Gesetz der Schwerkraft. Zweitens ist alles Natürliche – zumindest potenziell – mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden nachweisbar.

So kann durch naturwissenschaftliche Untersuchungen zum Beispiel nachgewiesen werden, dass Atome – als Grundbausteine der Natur – nicht nur zu existieren scheinen, sondern auch bestimmten Naturgesetzen unterliegen.

Dies zeigt sich daran, dass eine Reaktion zwischen Atomen unter gleichen Bedingungen immer (oder mit einer festen Wahrscheinlichkeit) das gleiche chemische Reaktionsergebnis hervorbringt (dazu später mehr). Ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgt jede sonstige natürliche Existenz, die ausschließlich aus Atomen besteht.

Im Gegensatz dazu ist das Übernatürliche nicht etwa dadurch gekennzeichnet, dass es außerhalb des Universums liegen muss, sondern dadurch, dass es unabhängig von der Natur ist. Das heißt: Das Übernatürliche unterliegt nicht den Gesetzen der Natur und ist mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden grundsätzlich nicht nachweisbar.

Ein Beispiel wäre ein übernatürliches Prinzip, das ohne nachweisbare Gesetz- oder Regelmäßigkeit einen verstorbenen Menschen auferweckt, Papier zu Gold verwandelt oder andere, den Naturgesetzen widersprechende Phänomene bewirkt (dazu ebenfalls später mehr). In Abgrenzung dazu wären außerirdische Lebensformen nicht übernatürlich, sondern nur überirdisch, solange sie bestimmten Naturgesetzen, wie zum Beispiel dem Gesetz der Schwerkraft, unterliegen.

Welche Bedeutung haben diese Erkenntnisse für die Gottes Frage? Da «Gott» als höchstes Übernatürliches betrachtet wird, ist die Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz Gottes (Theismus versus Atheismus) immer auch eine Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz des Übernatürlichen (Supranaturalismus versus Naturalismus). Denn falls ein übernatürlicher Gott real existieren sollte, müsste es in der Realität notwendigerweise etwas Übernatürliches geben.

Dieses Übernatürliche würde sich dadurch auszeichnen, dass es keinen Naturgesetzen unterliegt und mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden grundsätzlich nicht nachweisbar ist. Umgekehrt gilt: Falls in der Realität nichts Übernatürliches existieren sollte, könnte es auch unmöglich einen übernatürlichen Gott geben.

Im Laufe des Kapitels soll daher geprüft werden, ob etwas Übernatürliches real existiert oder nicht. Anschließend soll geklärt werden, welchen Einfluss die Existenz oder Nicht-Existenz des Übernatürlichen auf die Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz eines übernatürlichen Gottes hat.

Die besondere Rolle der Wissenschaften

Wenn man wissen möchte, ob ein Phänomen real existiert oder nicht, liegt es nahe, zur Beantwortung dieser Frage eine wissenschaftliche Perspektive einzunehmen. Als Mittel der Wahl gilt dabei üblicherweise die naturwissenschaftliche Perspektive:

Die Aufgabe der Naturwissenschaften ist es, die Existenz und Beschaffenheit realer Phänomene auf Basis von Beobachtungen oder Experimenten zu untersuchen. So können die Naturwissenschaften zum Beispiel durch mikroskopische Beobachtungen nachweisen, dass bestimmte Bakterien real existieren. Und durch naturwissenschaftliche Experimente lässt sich zeigen, dass aus einer Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff unter bestimmten Bedingungen Wasser entsteht.

Damit ein Phänomen naturwissenschaftlich nachweisbar ist, muss es jedoch zwei Voraussetzungen erfüllen: Erstens muss das Phänomen in irgendeiner Form beobachtbar sein. Zweitens muss sich die Beobachtung des Phänomens unter gleichen Bedingungen wiederholen und dadurch nachprüfen lassen.

Wenn ein Astronom zum Beispiel behauptet, durch teleskopische Beobachtungen einen neuen Planeten entdeckt zu haben, so können andere Astronomen diese Behauptung nachprüfen, indem sie die entsprechenden Beobachtungen mit einem Teleskop wiederholen.

Wenn ein Physiker herausfinden möchte, wie lange es dauert, bis eine aus zehn Metern Höhe fallengelassene Bowlingkugel die Erde erreicht, so kann er Experimente durchführen und wird unter gleichen Bedingungen immer einen Wert von zum Beispiel 1,6 Sekunden beobachten. Der Grund dafür ist, dass das Fallen einer Bowlingkugel bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegt – und zwar vor allem dem Gesetz der Schwerkraft.

Das Vorliegen solcher Gesetzmäßigkeiten ist damit eine Voraussetzung dafür, dass sich die Existenz eines Phänomens durch wiederholte Beobachtungen nachprüfen lässt.

Anders sieht es aus, wenn ein Phänomen nur einmalig auftritt oder keinen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Falls ein Jugendlicher zum Beispiel behauptet, ein UFO gesehen zu haben, oder falls ein Arzt behauptet, ein gesund aus dem Koma erwachter Mensch sei zuvor klinisch tot gewesen, so können diese Phänomene nicht naturwissenschaftlich nachgewiesen werden. Denn die Beobachtung der Phänomene lässt sich nicht wiederholen und dadurch nachprüfen.

Selbst wenn der Jugendliche seine angebliche UFO-Sichtung gefilmt haben sollte und selbst wenn der Arzt seine Aussagen durch Gehirnstrommessungen belegen könnte, verbliebe stets die Möglichkeit, dass die Filmaufnahmen gefälscht oder die Gehirnstrommessungen fehlerhaft sind. Dies gilt vor allem, wenn die betreffenden Phänomene den bekannten Naturgesetzen widersprechen – wie zum Beispiel dem Gesetz, dass klinisch tote Menschen niemals wieder lebendig werden können.

Phänomene, die nicht den Gesetzen der Natur unterliegen – oder diesen sogar widersprechen – und deren Existenz sich nicht durch wiederholte Beobachtungen nachprüfen lässt, können also nicht naturwissenschaftlich bewiesen werden, sondern bleiben stets eine Angelegenheit des Glaubens. Welche Bedeutung hat diese Erkenntnis für die Frage, ob etwas Übernatürliches wissenschaftlich beweisbar ist?

Wie eingangs erwähnt, gilt die naturwissenschaftliche Beweisführung als Mittel der Wahl, wenn es darum geht, die Existenz oder Beschaffenheit realer Phänomene zu überprüfen. Falls die nachzuweisenden Phänomene aber nicht natürlich, sondern übernatürlich sind, stößt die naturwissenschaftliche Beweisführung unmittelbar an ihre Grenzen. Schließlich wurde zu Beginn des Kapitels erwähnt, dass das Übernatürliche per definitionem keinen Naturgesetzen unterliegt und sich daher nicht – wie für einen naturwissenschaftlichen Beweis erforderlich – durch wiederholte Beobachtungen nachprüfen lässt.

Das heißt: Selbst falls es übernatürliche Prinzipien oder Wesen gäbe, wären diese nicht mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden nachweisbar. Umgekehrt formuliert: Die Tatsache, dass etwas Übernatürliches nicht naturwissenschaftlich nachweisbar ist, bedeutet nicht, dass es nicht trotzdem existieren kann.

Ähnliches gilt für die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes: Selbst falls ein Gott existieren sollte, so läge seine übernatürliche Existenz jenseits des naturwissenschaftlich Nachweisbaren. Denn selbst, wenn ein Naturwissenschaftler behaupten würde, obachtungen nachprüfen. Auch die Vertreter anderer Wissenschaften (wie der Geistes- oder Sozialwissenschaften) könnten weder einen Beweis für die Existenz noch einen Beweis für die Nicht-Existenz eines übernatürlichen Gottes liefern, der naturwissenschaftlichen Anforderungen entspricht.

Sowohl der Theismus (Glaube an die Existenz Gottes) als auch der Atheismus (Glaube an die Nicht-Existenz Gottes) sind damit Glaubensrichtungen, die auf naturwissenschaftlich nicht überprüfbaren Grundannahmen beruhen. Dieser Tatsache sollte sich jeder Theist und jeder Atheist bewusst sein.

Die Suche nach dem Gottesbeweis

Der Umstand, dass die Existenz oder Nicht-Existenz des Übernatürlichen – und damit auch die eines übernatürlichen Gottes – naturwissenschaftlich nicht überprüfbar ist, hat dazu geführt, dass zahlreiche Philosophen und Theologen in den vergangenen Jahrhunderten nach logischen Gottesbeweisen gesucht haben.

Ziel dieser logischen Beweise ist es nicht, die Existenz Gottes durch wiederholte Beobachtungen zu belegen, sondern die Richtigkeit der Aussage «Gott existiert» durch logisches Schlussfolgern aus «wahren Grundannahmen» herzuleiten. Zu den wichtigsten der logischen Gottesbeweise zählen der kontingente/kausale2 sowie der teleologische/kosmologische3 Gottesbeweis.

Die Grundannahme des kontingenten/kausalen Gottesbeweises lautet, dass etwas natürlich Existierendes niemals aus dem Nichts oder aus sich selbst heraus entstehen kann. Stattdessen erfordere alles natürlich Existierende eine Ursache.

So regnet es zum Beispiel niemals «aus heiterem Himmel», sondern Regen wird immer durch eine bestimmte Kombination aus Wolken, Wassertropfen und Schwerkraft verursacht. Auch ein Tier kann niemals aus dem Nichts oder aus sich selbst heraus entstehen, sondern muss stets von anderen Tieren gezeugt und damit «verursacht» werden.

Dieses Verursachungs-Prinzip gelte für jede natürliche Existenz und müsse daher mindestens bis zum Ursprung unseres natürlichen Universums zurückreichen. Doch wer oder was hat das natürliche Universum verursacht?

Laut dem kontingenten/kausalen Gottesbeweis muss davon ausgegangen werden, dass unser natürliches Universum – einschließlich aller gegebenenfalls weiteren natürlichen Universen – seinen Ursprung in etwas Übernatürlichem hat. Denn nur das Übernatürliche unterliege nicht dem Verursachungs-Prinzip der Natur und bedürfe daher selbst keiner Ursache.

Nur wenn man davon ausgehe, dass das natürliche Universum (und dessen Urknall) letztlich durch etwas Ewig-Übernatürliches verursacht wurde, könne man plausibel erklären, warum das Universum trotz des natürlichen VerursachungsPrinzips überhaupt entstanden ist.

Mit anderen Worten: Die Existenz des natürlichen Universums erfordere eine erste, übernatürliche Ursache, die von Ewigkeit her existiert. Laut dem kontingenten/kausalen Gottesbeweis kann diese erste, übernatürliche Ursache als «Gott» bezeichnet werden.

Der teleologische/kosmologische Gottesbeweis basiert auf der Grundannahme, dass aus dem Zustand der Unordnung und Ziellosigkeit niemals zufällig und ohne planerischen Eingriff etwas Geordnetes und Zielgerichtetes entstehen kann.

So liege es jenseits jeder mathematischen Wahrscheinlichkeit, dass aus den Atomen des Urknalls zufällig und ohne planerischen Eingriff Lebewesen hervorgegangen sind, die logisch denken, miteinander kommunizieren und sich lieben oder hassen können. Zudem sei für die Existenz des Universums und des Lebens eine feinste Abstimmung zahlreicher physikalischer Naturkonstanten erforderlich, die keineswegs zufällig und aus sich selbst heraus erfolgt sein könne.

Die Tatsache, dass unser natürliches Universum und das Leben dennoch existieren, belege das Vorhandensein eines übernatürlichen Planers, der laut dem teleologischen/kosmologischen Gottesbeweis als «Gott» bezeichnet werden kann.

Doch lässt sich die Richtigkeit der Aussage «Gott existiert» auf diesem Wege wirklich logisch herleiten? Belegen die vorgestellten Gottesbeweise also tatsächlich die Existenz Gottes? Oder könnte die «erste Ursache des natürlichen Universums» nicht auch ewige Materie gewesen sein? Und könnten das natürliche Universum und das Leben nicht auch ohne einen «übernatürlichen Planer» entstanden sein?

Was die Existenz ewiger Materie betrifft, sieht man sich letztlich mit einer Definitions-Frage konfrontiert. Schließlich wäre ewige Materie – aufgrund ihrer Unabhängigkeit vom Verursachungs-Prinzip der Natur – per definitionem übernatürlich. Und da «Gott» als höchstes Übernatürliches betrachtet wird, könnte ewige Materie prinzipiell göttlich sein. Die Frage nach der realen Existenz eines höchsten Übernatürlichen wäre dadurch allerdings nicht geklärt.

Was den teleologischen/kosmologischen Gottesbeweis betrifft, steht man nicht vor einer Definitions-, sondern vor einer Wahrscheinlichkeits-Frage. Schließlich mag die Wahrscheinlichkeit der zufälligen Entstehung des Universums und des Lebens zwar extrem gering sein; doch sie ist mit Sicherheit nicht gleich null. Zudem wird die Frage, ob eine zielgerichtete Ordnung nicht auch zufällig und ohne planerischen Eingriff entstehen kann, im Rahmen evolutionstheoretischer Ansätze kontrovers diskutiert.

Viele Theisten erwidern darauf, dass zwar keiner der logischen Gottesbeweise für sich betrachtet zwingende Beweiskraft besitze, dass die Summe dieser Gottesbeweise aber zu einer solch erdrückenden Beweislast führe, dass die Wahrscheinlichkeit der Nicht-Existenz Gottes als vernachlässigbar gering gelten könne.

Natürlich ließe sich darüber diskutieren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Existenz oder der Nicht-Existenz Gottes tatsächlich ist. Diese Diskussion wäre aber wenig zielführend, da sich die entsprechende Wahrscheinlichkeit nur auf Basis von Grundannahmen berechnen ließe, die für sich genommen erneut Glaubensaussagen wären. Das Wahrscheinlichkeits-Problem würde dadurch nicht gelöst, sondern lediglich auf eine andere Ebene verlagert.

Eigentlich könnte dieses Kapitel daher mit dem Fazit abgeschlossen werden, dass eine verlässliche Antwort auf die Gottes-Frage unmöglich ist. Genau dies ist auch das Fazit aller mir bekannten bisherigen Ausführungen und Überblicke zu den Gottesbeweisen. Doch ganz so schnell sollte man nicht aufgeben. Denn es wurde etwas Entscheidendes übersehen:

Weiter oben hat sich gezeigt, dass sowohl der Theismus als auch der Atheismus Glaubensrichtungen sind, da sie auf naturwissenschaftlich nicht überprüfbaren Grundannahmen (bezüglich der Existenz oder Nicht-Existenz übernatürlicher Prinzipien oder Wesen) beruhen. Die entscheidende Frage lautet daher nicht: Glaube ich an Gott oder glaube ich nicht an Gott? Sondern: Woran glaube ich – an die Existenz Gottes oder an die Nicht-Existenz Gottes?

Diese Unterscheidung mag auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, doch sie verdeutlicht, dass jeder Mensch zu einem gewissen Grad glaubt (entweder an die Existenz oder an die Nicht-Existenz Gottes) und dass dieser Glaube immer auf Grundannahmen beruht.4

Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, haben diese Grundannahmen entscheidenden Einfluss auf das eigene Weltund Menschenbild – und damit auf die Beantwortung aller existenziellen Lebensfragen, wie etwa ethischer Fragestellungen, Fragen nach dem Wesen des Menschen oder Fragen nach dem Sinn des menschlichen Daseins.

Mit anderen Worten: Die persönlichen Antworten auf die existenziellen Lebensfragen werden stets durch die theistischen oder atheistischen Grundannahmen des eigenen Welt- und Menschenbildes geprägt. Wenn man nach wahren Antworten sucht, sollte man diese Grundannahmen genauer betrachten und dabei zunächst zwei Fragen klären.

Erstens: Wie plausibel und realistisch ist der Glaube an die Nicht-Existenz des Übernatürlichen (Naturalismus)?

Zweitens: Wie plausibel und realistisch ist der Glaube an die Existenz des Übernatürlichen (Supranaturalismus)?

Die folgenden Ausführungen können dabei helfen, diese Fragen persönlich für sich zu beantworten. Anschließend soll geklärt werden, welche Bedeutung die Existenz oder Nicht-Existenz des Übernatürlichen für die Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz eines übernatürlichen Gottes hat.

Die Grundannahmen des Naturalismus

Zunächst zu den Grundannahmen des Naturalismus: Wie eingangs erwähnt, wird im Naturalismus von der Nicht-Existenz des Übernatürlichen ausgegangen. Vertreter des Naturalismus nehmen also an, dass außerhalb und unabhängig von der Natur nichts existiert. Mit «Natur» sind dabei nicht nur alle Tiere und Pflanzen gemeint, sondern unser gesamtes natürliches Universum, einschließlich aller gegebenenfalls weiteren natürlichen Universen.

Da laut dem Naturalismus außerhalb und unabhängig von dieser Natur nichts existiert, wird davon ausgegangen, dass das Universum nicht durch einen äußeren, übernatürlichen Eingriff, sondern nur aus sich selbst heraus oder aus dem «Nichts» entstanden sein kann.

Als Ursprung jeglicher Existenz wird üblicherweise ein Urknall vor knapp 14 Milliarden Jahren vermutet, dessen Energie zur Entstehung von Materie, Raum und Zeit geführt hat. Alternativ gehen manche Naturalisten davon aus, dass Energie, Materie, Raum und Zeit schon immer existiert haben. In beiden Fällen wird angenommen, dass alles Existierende Teil der Natur ist, den Gesetzen der Natur unterliegt und ausschließlich aus natürlicher Energie und Materie besteht.5

Da Atome und deren Bestandteile die Grundbausteine von Materie bilden, muss im Naturalismus angenommen werden, dass jede Existenz ein Resultat energiebasierter Reaktionen zwischen Atomen ist. Alles prinzipiell darüber Hinausgehende wäre übernatürlich und wird deshalb abgelehnt. Auch wir Menschen – mit unserem Denken, Empfinden und Handeln – sind demnach letztlich nichts anderes als die Summe und das Resultat komplexer Reaktionen zwischen Atomen.

Wie plausibel und realistisch sind die Grundannahmen des Naturalismus? Um diese Frage zu beantworten, muss man verstehen, was es bedeuten würde, wenn wir Menschen tatsächlich nur aus Atomen bestünden.

Wie die Realität zeigt, sind Atome dadurch gekennzeichnet, dass sie unter gleichen Bedingungen immer (oder mit einer festen Wahrscheinlichkeit) das gleiche chemische Reaktionsergebnis hervorbringen. So entsteht bei einer Reaktion von Wasserstoff-Atomen mit Sauerstoff-Atomen unter bestimmten Bedingungen stets Wasser.

Dies liegt darin begründet, dass Wasserstoff-Atome und Sauerstoff-Atome, genau wie alle anderen Atome, keinen eigenständigen Willen besitzen und sich nicht, je nach Tages stimmung, für oder gegen eine chemische Reaktion entscheiden können. Stattdessen unterliegen Atome den Naturgesetzen; und sie verhalten sich immer (oder mit einer festen Wahrscheinlichkeit) so, wie es diese Gesetze vorhersagen bzw. vorherbestimmen.6

Selbstverständlich ist es denkbar, dass den Naturwissenschaften bei weitem nicht alle Naturgesetze bekannt sind und dass an anderen Orten des Universums (oder in anderen Universen) andere Naturgesetze herrschen als in unserer eigenen Galaxie. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass jede natürliche Existenz, und damit auch jedes Atom, bestimmten Naturgesetzen unterliegen muss – andernfalls wären Atome unabhängig von der Natur und damit übernatürlich.

Die Erkenntnis, dass Atome keinen eigenständigen Willen besitzen, mag auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen; doch sie hat weitreichende Konsequenzen für das naturalistische Welt- und Menschenbild. Denn wenn wir Menschen ausschließlich aus «willenlosen» Atomen bestünden, dann könnten auch wir selbst keinen eigenständigen Willen besitzen – alles andere wäre übernatürlich.

Die Tatsache, dass Sie gerade dieses Buch lesen (und es gleich womöglich wieder weglegen), wäre nicht das Ergebnis Ihrer persönlichen Willensentscheidung, sondern lediglich eine Folge komplexer atomarer Reaktionen in Ihrem Gehirn, denen Sie voll und ganz ausgeliefert sind. Um zumindest teilweise einen eigenständigen Willen zu besitzen, müssten Sie die atomaren Reaktionen in Ihrem Gehirn unabhängig steuern können. Doch wie soll ein unabhängiges Steuern möglich sein, wenn auch Sie selbst nur aus Atomen bestehen, die von den Gesetzen der Natur abhängig sind?

Noch gravierender zeigen sich die Konsequenzen des naturalistischen Welt- und Menschenbildes in Bezug auf den menschlichen Verstand: Wenn es nichts Übernatürliches gäbe, dann wäre auch der menschliche Verstand – unser angeblich eigenständiges logisches Denken – ausschließlich ein Resultat komplexer atomarer Reaktionen in unserem Gehirn, welche wir nicht unabhängig steuern können.

Doch wenn wir unser Denken nicht unabhängig steuern könnten (da wir selbst nur aus Atomen bestehen), wie könnte unser Denken dann eigenständig sein? Können Atome oder Kombinationen aus Atomen etwa eigenständig denken? Nein, denn andernfalls wären sie unabhängig von den Naturgesetzen und damit übernatürlich. Und allein dadurch, dass die Atome im menschlichen Gehirn besonders komplex miteinander verbunden sind, verlieren diese ja nicht ihre Abhängigkeit von den Naturgesetzen. Genauso wenig hätte durch besonders komplexe atomare Reaktionen – ohne eigenständiges Denken – der philosophische Text entstehen können, den Sie gerade lesen und gedanklich verarbeiten.

Ein eigenständiges (also von den Naturgesetzen unabhängiges) Denken ist auf Basis von Atomen, die den Gesetzen der Natur unterliegen, prinzipiell unmöglich.

Spätestens jetzt dürfte deutlich werden, welche Konsequenzen ein naturalistisches Welt- und Menschenbild hat, das die Existenz des Übernatürlichen ausschließt: Wenn wir Menschen lediglich aus Teilchen bestünden, die den Gesetzen der Natur unterliegen, dann wäre ein eigenständiges logisches Denken unmöglich.

Jedes Nachdenken und Reflektieren über unsere alltäglichen Probleme, jedes Verstehen logischer Zusammenhänge, jedes Abstrahieren von konkreten Ereignissen auf allgemeine Prinzipien, jedes Bilden persönlicher Meinungen und jedes Argumentieren, Kommunizieren und Diskutieren könnte niemals eigenständig von uns gesteuert sein, sondern wäre lediglich ein Resultat komplexer atomarer Reaktionen in unserem Gehirn, auf die wir keinen aktiven Einfluss haben.

Sollte dies wahr sein, so wäre unser gesamtes Nachdenken, Reflektieren, Verstehen, Abstrahieren, Urteilen, Argumentieren, Kommunizieren und Diskutieren nicht das, wofür wir es halten. Und ein eigenverantwortliches Denken, Entscheiden und Handeln wäre prinzipiell unmöglich. Ein Leben ohne unseren Verstand, also ohne die Fähigkeit zum eigenständigen logischen Denken, wäre wie ein Film, in dem wir zwar glauben, die Hauptakteure zu sein, in Wirklichkeit aber nur Zuschauer ohne Einflussmöglichkeiten sind.

Doch jeder Mensch denkt; und jeder Mensch muss sich bei seinen täglichen Entscheidungen und Handlungen auf eine gewisse Eigenständigkeit und Folgerichtigkeit seines Denkens verlassen können. Andernfalls wäre jedes Menschsein eine Illusion.

Natürlich ließe sich darüber diskutieren, ob wir Menschen tatsächlich die Fähigkeit zum eigenständigen logischen Denken besitzen. Doch um überhaupt sinnvoll diskutieren zu können, muss man diese Denkfähigkeit bereits voraussetzen. Andernfalls wäre jedes eigenständige Diskutieren unmöglich!

Die Annahme, dass wir Menschen eigenständig und logisch denken können, ist daher die grundlegendste aller menschlichen Prämissen, die wir nicht eigenständig in Frage stellen können, ohne uns dafür bereits unseres eigenständigen logischen Denkens bedienen zu müssen. Das heißt: Sobald wir darüber nachdenken, ob wir eigenständig und logisch denken können, setzen wir bereits voraus, dass wir eigenständig und logisch denken können!

Ein solches Denken kann aber nur dann existieren, wenn wir Menschen aus mehr bestehen als aus willenlosen Atomen, die den Gesetzen der Natur unterliegen. Denn jede Eigenständigkeit des Denkens steht im Widerspruch zur erwähnten Abhängigkeit der Atome von den Naturgesetzen.

Mit anderen Worten: Ein eigenständiges, unabhängiges Denken erfordert stets eine Unabhängigkeit von den Naturgesetzen – und damit etwas Übernatürliches, wie zum Beispiel eine «Seele». Eine Forderung, die mit dem Naturalismus unvereinbar ist.

Diese Erkenntnis finde ich erstaunlich. Denn es sind vor allem Naturalisten, die dem Glauben an das Übernatürliche für gewöhnlich Irrationalität attestieren. Interessanterweise ist jedoch das Gegenteil der Fall:

In einem naturalistisch geprägten Welt- und Menschenbild, in dem das menschliche Denken nichts anderes darstellt als das Resultat komplexer atomarer Reaktionen im menschlichen Gehirn, ist für wahre Rationalität kein Platz. Denn jeder Mensch, der gegen die Existenz des Übernatürlichen argumentiert, argumentiert damit auch gegen die Existenz des eigenständigen logischen Denkens – und entkräftet dadurch sein eigenes naturalistisches Denken und Argumentieren.

Sobald man für sich beansprucht, zu einem gewissen Grad eigenständig und logisch denken zu können, muss man davon ausgehen, dass diese Denkfähigkeit auf etwas Übernatürliches zurückgeht.

C.S. Lewis, Schriftsteller und Professor an der University of Cambridge, bringt diese Tatsache in seinem philosophischen Werk «Wunder» wie folgt auf den Punkt:

[Der Verstand des Menschen ist] jener kleine verräterische Spalt in der Natur, der uns anzeigt, dass es noch etwas außerhalb der Natur und über sie hinaus gibt.7

Für diejenigen unter Ihnen, die dieser Schlussfolgerung nicht zustimmen, werden im folgenden Abschnitt naturalistische Gegenargumente diskutiert. Alle anderen Leser können diesen stärker wissenschaftlich geprägten Abschnitt gegebenenfalls überspringen.

Die Gegenargumente des Naturalismus

Gegenargument 1: Die Naturwissenschaften zeigen, dass das menschliche Gehirn ein komplexes neuronales Netz ist, durch das die Existenz des menschlichen Verstands erklärt werden kann.

Naturalisten argumentieren, dass der menschliche Verstand – als Teil des Gehirns – durch ein komplexes neuronales Netz zu erklären sei, das sich über die Jahrmillionen kontinuierlich höherentwickelt habe. Dank der Evolution unterscheide sich dieses neuronale Netz so grundlegend von einfachen Reaktionen zwischen Atomen, dass ein eigenständiges logisches Denken tatsächlich möglich sei.

Doch was ist damit gemeint? Dass neuronale Netze aufgrund ihrer Komplexität und Evolutionsgeschichte aus