Die beste Medizin kommt aus der Küche - Volkmar Nüssler - E-Book

Die beste Medizin kommt aus der Küche E-Book

Volkmar Nüssler

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Beschreibung

In seinem neuen Buch richtet der erfahrene Onkologe Prof. Dr. Volkmar Nüssler den Blick auf unser tägliches Essen und die heilende Kraft einer guten Ernährung. Denn: Falsche Ernährung ist heute weltweit die Todesursache Nummer eins. Anschaulich erklärt Volkmar Nüssler, wie wir mit Selberkochen unsere Gesundheit und den Planeten schützen können und welchen Einfluss Fleisch, Milchprodukte oder Gemüse auf unser Wohlbefinden haben. Nüssler fordert ein radikales Umdenken und bleibt nicht bei der kompetenten Wissensvermittlung stehen. Gemeinsam mit ausgewählten Spitzenköchinnen und -köchen hat er genussvolle Rezepte zum Nachkochen entwickelt, denn Die beste Medizin kommt aus der Küche. Nicht nur, aber besonders auch für Krebspatientinnen und -patienten, für deren Wohlbefinden und Heilung die Ernährung eine Schlüsselrolle spielt. Mutmachgeschichten von Menschen, die mit der Krebsdiagnose leben, unterstreichen den Tenor dieses Buches: die Lust am Leben selbst!

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Seitenzahl: 380

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Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN: 978-3-86489-877-8

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt / Main 2023

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Umschlagfoto: Maresa Mader

INHALT

Die Gesundheit selbst in die Hand nehmen

Eine persönliche Zeitreise zum Thema Essen

Die Prägungsphase in Sachen Ernährung und erste Schritte in Richtung Kochen

Wie sich das Thema Ernährung langsam weiterentwickelte

Der Kochkurs, der alles veränderte

Unser Mikrobiom – Billionen Bakterien, die über unsere Gesundheit entscheiden

Ein gesundes Mikrobiom – was können wir selbst dazu beitragen?

Probiotika

Präbiotika

Raffinierter Zucker und Süßstoffe

Fette

Gesunde und nachhaltige Ernährung – wie geht das überhaupt?

Verstecktes Salz, versteckter Zucker

Umstrittenes Lebensmittel: Milch

Die Sache mit dem Honig

Fisch – ein gesundes Nahrungsmittel für Mensch und Umwelt?

Fakten zum (Wild-)Fleisch

Exkurs: Interview Mastkälber

Eier – ein trauriges Kapitel

Gesunde Fette – oder macht Fett wirklich fett?

Woran erkenne ich gutes Olivenöl?

Proteine – warum pflanzliche Quellen immer noch am besten sind

Kaffee oder doch Tee– welche Getränke fördern unsere Gesundheit?

Alkohol – „Aber ein Glas ist doch gesund, oder?“

Gutes Brot – böses Brot?

Fermentation – ein 10.000 Jahre alter Weg zur Gesundheit

Gewürze – das Salz in der Suppe

Fasten – hilfreich oder gefährlich?

Von der Theorie in die Umsetzung

Das Kochen – die Basis für ein gesundes und genussvolles Leben

Rezeptideen

Rezepte von Martin Fauster

Rezepte von Franz Keller

Rezepte von Anna Matscher

Rezepte von Sigi Schelling

Facette Freizeit

Die Vielfalt unseres Lebens

Mutmach-Geschichten

Quellenverzeichnis

DIE GESUNDHEIT SELBST IN DIE HAND NEHMEN

DIESES BUCH IST all jenen Tumorpatient:innen gewidmet, die wissen wollen, was sie selbst tun können, um ein Rezidiv, also ein Wiederauftreten, ihrer Erkrankung zu vermeiden. Es ist allerdings auch all jenen Menschen gewidmet, die sich die Frage stellen: Ernähre ich mich richtig? Was tut mir gut? Wo kann ich etwas verbessern? Und es ist für all diejenigen, die wissen wollen, wie unser Essverhalten unsere Gesundheit, aber auch die Umwelt und das Klima beeinflusst. Was mir aber besonders am Herzen liegt, ist, jenen Menschen praktische Unterstützung zu geben, die berufstätig sind und dazu noch für Kinder sorgen müssen. Das sind Leute, die immer am Limit arbeiten und währenddessen noch ihren Haushalt versorgen. Da bleibt wenig Zeit, um in Kochbüchern zu blättern; da wird pragmatisch entschieden, was auf den Teller kommt. Dieses Buch soll die Leser:innen, die aus unterschiedlichen Gründen zu ihm greifen, motivieren, ihre Ernährung als ein persönliches Anliegen und als positive Möglichkeit zu betrachten, für sich und andere zu sorgen.

Eines sei zu Anfang gleich deutlich gesagt: Ernährung beziehungsweise unser Essverhalten ist nur ein Teil, wenn auch kein unwesentlicher, unseres Lebensstils, der wiederum viele Facetten hat. Deshalb ist es eigentlich unmöglich, das Thema „Ernährung“ nach exakt wissenschaftlichen Kriterien zu analysieren. Es hängt einfach mit sehr vielen Aspekten unserer Existenz zusammen – Umwelt, Kultur, Ökonomie, um nur einige Bereiche zu nennen. Und es versteht sich von selbst, dass wir niemals hundertprozentig alles steuern können, selbst wenn wir einen vorbildlichen Lebensstil bezüglich Essen, Bewegung, Alkohol und Rauchen pflegen. Mir hat einmal ein Zuhörer nach einem Vortrag zu diesem Thema skeptisch gesagt: „Herr Doktor, Sie werden sich doch nicht das eigene finanzielle Grab schaufeln? Was machen Sie denn, wenn Sie plötzlich keine Patienten mehr haben?“ Es wäre ja großartig, wenn das das einzige Gegenargument für eine gesunde Lebensweise wäre!

Trotzdem möchte ich Sie motivieren, Ihre Essgewohnheiten, aber auch Lebensgewohnheiten zu prüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Die analysierten Daten, aber auch mein eigener ethisch-moralischer Anspruch sollten Grund genug sein, das eine oder andere zu hinterfragen.

Ernährung sollte, wie das Wort schon suggeriert, unseren Körper nähren, damit er widerstands- und leistungsfähig wird und bleibt. Das Einnehmen von Mahlzeiten hat dabei eine zentrale und sehr praxisrelevante Funktion. Wir essen in der Regel dreimal täglich, wovon möglichst eine Mahlzeit warm sein sollte. Der Großteil der Berufstätigen nimmt die warme Mahlzeit am Arbeitsplatz ein; das bedeutet, dass für diese Menschen eigentlich nur der Abend und das Wochenende für das eigene Kochen infrage kommen. Das Wochenende kann ein wunderbarer Einstieg sein, entspannt für Familie und/oder den Freundeskreis gemeinsam ein schmackhaftes Mahl zu kreieren und zu genießen. Versuchen Sie es! Wer Koch oder Köchin hilft, sollte in jedem Fall das Ergebnis loben, damit keine Eintagsfliege daraus wird. Gesundes, schmackhaftes Essen zu kochen, ist für jedermann erlernbar und auch eine Frage des ganz individuellen Managements – und das kann man erlernen!

Von Montag bis Freitag haben die Betriebskantinen die Verantwortung, Sie optimal zu ernähren. Ein großes Thema, das wir mit der Gründung des Vereins Food & Health e. V. in Angriff genommen haben. Dieser Verein hat es geschafft, der Arbeit der Köch:innen und ihrer Mitarbeiter:innen in den Betriebskantinen eine öffentliche Plattform zu geben. Bisher wurde der von uns ausgeschriebene Kantinentest viermal im Focus veröffentlicht. Das zeigt die Bedeutung und das Interesse an diesem Thema und den Willen zur Verbesserung. Nun, viele Patient:innen werden an dieser Stelle sagen: Warum kümmert sich Professor Nüssler denn nicht um die Gemeinschaftsküchen in den Krankenhäusern? Damit haben Sie absolut recht! In den meisten Krankenhäusern, die eine Akutversorgung anbieten, gibt es tatsächlich noch großen Verbesserungsbedarf. Ein erster substanzieller Schritt in diese Richtung wurde gemacht, als im Herbst 2021 der Eckart 2021 als Initiativpreis an das Onkologische Kompetenzzentrum Bad Trissl und den Münchner Dreisternekoch Jan Hartwig verliehen wurde. Das Projekt verstand sich als Vorreiter zur Verbesserung der Gemeinschaftsküche in den Krankenhäusern und wurde von dem oben erwähnten Verein Food & Health e. V. umgesetzt. Interdisziplinär begleitet wurde das Projekt von Frau Professor Dr. Nicole Graf, Rektorin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, für die betriebswirtschaftliche Machbarkeit und meiner Person für die medizinische Expertise. Ziel dieser Initiative war es, zu zeigen, dass eine gesunde, nachhaltig erzeugte, schmackhafte und bezahlbare Küche auch im Krankenhaus möglich ist. Das Krankenhaus Bad Trissl legt schon seit Jahrzehnten sehr viel Wert auf eine leckere und gesunde Küche. Mit anderen Worten: Der Küchenchef Fritz Haidacher und sein Team waren hoch motiviert, an der einen oder anderen Stellschraube zu drehen. Für dieses Pilotprojekt eine sehr wichtige Voraussetzung! Am Ende war das Ergebnis für uns sehr zufriedenstellend. Unsere Analyse ergab, dass die Warenkosten pro Patient:in und pro Tag den Jahresdurchschnitt von 2020 sogar unterbieten konnten! Der Schlüssel zu diesem Erfolg war, weniger, aber dafür Fleisch aus artgerechter Tierhaltung zu nutzen und durch ausgewählte, hochwertige regionale/saisonale Zutaten einfache Gerichte attraktiv zu machen. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, empfehle ich Ihnen, die Website www.foodandhealth.org/zu besuchen. Mit diesem Projekt wurde der Beweis erbracht, dass Lebensmittelprodukte aus der ökologischen Landwirtschaft und artgerechten Tierhaltung auch für eine Großküche im Krankenhausbetrieb bezahlbar sind. Unser Anspruch an die Verköstigung von Patient:innen während der Therapie und in der Genesungsphase muss geschmacklich, aber auch optisch das Beste sein und die verwendeten Produkte sollten nach Möglichkeit als Mindeststandard aus regionalem oder saisonalem Anbau stammen. Fleisch aus der Massentierhaltung oder nicht artgerechten Tierhaltung ist auch in der Gemeinschaftsküche eines Krankenhauses ein absolutes No-Go! Nicht nur aus ethisch-moralischen Gründen, sondern auch, weil es unseren Patient:innen und Genesenden, aber auch unserem Planeten nicht guttut – wie Sie in diesem Buch erfahren werden.

Eine abwechslungsreiche Ernährung mit vielen unterschiedlichen pflanzenbasierten Nahrungsmitteln aus ökologischem Anbau und einem reduzierten Anteil von tierischen Produkten – wenn, dann aus artgerechter Haltung – sollte zur Basis jeder Gemeinschaftsküche werden. Gesunde Kost und Geschmack schließen einander nicht aus, und eine solche Ernährung ist nicht nur wichtig und richtig, sondern auch wirtschaftlich machbar.

Das ist unsere Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen und insbesondere unseren Patient:innen sowie unserem Klima!

EINE PERSÖNLICHE ZEITREISE ZUM THEMA ESSEN

JEDE BIOGRAFIE IST auch eine Biografie der Ernährung. Bestimmt erinnern Sie sich, was Sie als Kind gern oder nicht gern gegessen haben, wann Sie etwas, das Sie besonders gern essen, kennengelernt haben und wer Ihre Küche beeinflusst hat – vom Essen bei der Oma über gemeinsames Kochen in der WG bis zu Ernährungsumstellungen aufgrund von Erkrankungen. Ich möchte Ihnen hier einen Eindruck vermitteln, wie sich mein Interesse für gesunde Ernährung, die ein Genuss ist, entwickelt hat.

DIE PRÄGUNGSPHASE IN SACHEN ERNÄHRUNG UND ERSTE SCHRITTE IN RICHTUNG KOCHEN

DASS ICH BEHÜTET aufgewachsen bin in einer Familie, wo der Vater eine eigene Gemüsegärtnerei in Dresden hatte, lässt Sie vielleicht vermuten, dass ich den grünen Daumen nicht unbedingt vererbt, aber doch vermittelt bekommen habe. Stimmt! Meine Eltern hatten ein Haus mit Garten am Stadtrand von Dresden und viele Jahre lang eine dazugehörige Gärtnerei. Mein Vater mit heute 90 Jahren ist immer noch Gärtner mit Leib und Seele! Ohne diese Passion hätte er sich bestimmt nicht diesen hohen Grad von geistiger und körperlicher Fitness bis ins hohe Alter bewahrt. Da meine Mutter leider vor einiger Zeit gestorben ist, hält er nun ganz allein Haus und Garten und sein eigenes Leben vorbildlich in Schuss.

Wie mir der grüne Daumen vermittelt wurde? Das war zunächst alles andere als selbstverständlich. Als Halbwüchsiger hatte ich natürlich nicht die geringste Lust auf Gartenarbeit. Unkraut jäten und ähnliche Aktivitäten waren ein Albtraum für mich, insbesondere, wenn die Freunde nebenan einfach nur spielen durften. Da halfen auch die mahnenden Worte der Eltern wenig. Aber irgendwie zog ich es durch, eher aus Respekt vor meinen Eltern als aus Überzeugung, geschweige denn Freude oder gar Spaß. Dabei hatte ich den elterlichen Garten auch in dieser Zeit durchaus als etwas Besonderes wahrgenommen, was wohl auch damit zu tun hatte, dass in unsere Familie die Gartengestaltung oft Gegenstand eifriger Diskussionen war und mein Vater schon damals, wie man heute sagt, ein gutes Netzwerk hatte und auf diese Weise häufig mit neuen Stauden, Sträuchern und Bäumen nach Hause kam. Davon profitiert die außergewöhnliche Ästhetik des Gartens immer noch. Aus heutiger Sicht gibt es gerade zu dieser Ästhetik ein ganz persönliches „Aber“. Die ursprünglich vier Obstbäume des Gartens, zwei Apfelbäume und zwei Birnenbäume, wurden dem Zeitgeist geopfert. Schon damals hat mir das sehr missfallen, weil der Geschmack des Cox-Orange-Apfels für mich bis heute unvergesslich geblieben ist. In jener Zeit, es waren die Siebzigerjahre, war der Mauerfall von 1989 noch sehr weit weg und meinen Eltern und mir war nicht bewusst, dass diese Apfelsorte in England dominierte, nicht nur, weil sie ein Engländer, Richard Cox, gezüchtet hatte, sondern weil Cox-Orange feuchte Sommer mit wenig Hitze und feuchte Winter bevorzugte, wie sie in England üblich sind. Ein Boskop war der andere Apfelbaum, dem ich aufgrund seines hohen Säuregehaltes als Tafelapfel nicht nachtrauerte, der sich aber gut lagern ließ, sodass er zu Weihnachten als Bratapfel hervorragend schmeckte und noch im März des darauffolgenden Jahres eine willkommene Abwechslung war. Birnen hingegen sind bis heute mein Lieblingsobst geblieben. Die Williams - Christ-Birne (ebenfalls aus England stammend) und die Bosc-Flaschenbirne, benannt nach dem französischen Naturforscher Louis Augustin Guillaume Bosc d’Antic, kurz Bosc, waren schon in früher Jugend große Gaumenfreuden. Und ich entsinne mich sehr gut, dass, wenn ich einmal krank im Bett lag und mir nichts schmeckte, Birnenkompott das Einzige war, was immer ging. Doch nun zurück zum „Aber“: Der Obstgarten wurde in einen wertvollen Staudengarten mit Nadelgehölzen und dem sehr seltenen chinesischen Rotholzbaum umgewandelt. Rein ästhetisch ein Zugewinn mit großem Erholungswert. Aus heutiger Sicht allerdings wäre mir ein Obst- und Gemüsegarten lieber, da ich heute ungespritztes und nicht überdüngtes Obst und Gemüse sehr schätze. Rein ökologisch betrachtet sind in diesem Fall aber beide Varianten als ökologisch wertvoll einzuordnen.

Bis auf meine spätere Zeit in Dresden und Ostberlin hatte ich das große Glück, immer einen Garten bewirtschaften zu dürfen. Sonst wäre ich vermutlich ein sehr unausgeglichener Mensch geworden. Seit 22 Jahren lebe ich im Ostallgäu und habe dort die Möglichkeit, mich gärtnerisch ungehemmt auszutoben. Dieses Privileg ermöglicht es mir, den von mir propagierten Gedanken einer ökologischen Landwirtschaft selbst umzusetzen, und dafür bin ich jeden Tag aufs Neue dankbar!

Als Halbwüchsiger kochte ich gern, ohne dass ich damit beauftragt wurde. Es machte mir einfach Spaß. Gelernt habe ich es durch Abschauen bei meiner Mutter, und wenn mich meine Erinnerung nicht trübt, hat der Rest der Familie es meist genossen. Aus einer Laune heraus entwickelte ich eines Abends ein Gericht, das alle toll fanden: eine Mischung aus sehr reifem Camembert, fein gehackten Zwiebeln, Salz, Pfeffer, etwas Paprikapulver und weicher Butter. Die Bayern wissen, wovon ich rede – dort nennt man das Obazda –, seltsam ist nur, dass ich zu dem damaligen Zeitpunkt keinerlei Bezug zu Bayern und seiner Küche hatte, denn durch Deutschland zog sich noch ein breiter und sehr gut bewachter Streifen – die Mauer. Schon erstaunlich, wie manche Dinge einfach mehrfach erfunden werden.

WIE SICH DAS THEMA ERNÄHRUNG LANGSAM WEITERENTWICKELTE

MIT 18 JAHREN ging es dann ohne Diskussion (es bestand Wehrpflicht ohne Alternative) anderthalb Jahre zur Volksmarine nach Stralsund und Sassnitz. Kulinarisch drehte sich jetzt alles ums Sattwerden! Ich erinnere mich aber gut daran, dass es sehr viel Fisch gab und dass wir mengenmäßig gut versorgt wurden. Im Anschluss begann ich mit dem Medizinstudium, zunächst im damaligen Ostberlin an der Charité und ab dem vierten Semester wieder in Dresden. Die Zeit in Ostberlin war für mich wunderbar unbeschwert. Die gewohnte Spießigkeit galt hier nicht, es war eine andere Welt. Ich hatte das große Glück, in der Nähe von Berlin-Köpenick, in Kaulsdorf, zur Untermiete zu wohnen. Studentenwohnheime waren mir schon damals ein Gräuel, da die Wohnverhältnisse dort in der Regel keine Privatsphäre zuließen. Die „große Freiheit“ für einen, der aus Dresden kam, war natürlich das Westfernsehen, denn Dresden galt als das Tal der Ahnungslosen, wo Westfernsehen nur mit meterhohen Spezialantennen auf dem Dach möglich war. Die Erinnerung, wie ich mit der 70-jährigen Vermieterin in ihrem Wohnzimmer saß und gebannt in die Kiste schaute, lässt mich heute noch schmunzeln. Bei meiner Wirtin durfte ich hin und wieder kochen, was mir Spaß machte. Das Thema gesundes Essen war in dieser Zeit und in dem Alter kein Thema, über das ich nachdachte, nur schmecken musste es! Ab und zu leistete ich mir in einem der DDR-typischen Selbstbedienungsrestaurants am Alexanderplatz ein Eisbein mit Sauerkraut – hervorragend! Und noch etwas sollte erwähnt werden: In dieser Zeit kreierte ich einen Tomatensalat mit Käse, Knoblauch, Olivenöl, Pfeffer und Salz, der bei meiner damaligen Freundin, die heute anderweitig glücklich verheiratet ist, heute noch gern zubereitet wird – nach über 40 Jahren!

Und hier das ganz einfache Rezept:

ZUBEREITUNG

ZUTATEN

300G GOUDA(JUNG)

6 REIFE BIO-TOMATEN,MITTELGROSS

1 ZWIEBEL,MITTELGROSS

1–2 KNOBLAUCHZEHEN

1 HANDVOLL FRISCHE BIO-BASILIKUMBLÄTTER

3 EL OLIVENÖL

1 EL ESSIG

PFEFFER

SALZ

Gouda, Tomaten und Zwiebel in kleine Würfel schneiden. Ebenso die Knoblauchzehen. Basilikumblätter ebenfalls grob zerkleinern. Das Ganze mit Olivenöl, Essig und den Basilikumblättern vermengen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.

TIPP

Knoblauchzehen können auch mit einer Mikroplanreibe gerieben werden. Dann wird der Knoblauchgeschmack noch etwas intensiver. Basilikum aus dem Garten oder Balkon ist natürlich das Ideale bezüglich Geschmack und Anbau!

Dann muss er wohl gut sein. Wenn wir telefonieren, lachen wir oft über dieses alte Rezept! Wir haben auch Schweinskopfsülze selbst gemacht, im sogenannten Schnellkochtopf, der damals modern war. Ich finde das bemerkenswert, weil es zeigt, dass gemeinsames Kochen auch jungen Menschen Freude machen kann. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Physikum ging es zurück nach Dresden, um die klinischen Semester abzulegen. Diese Zeit war geprägt von politischer Gängelei, Engstirnigkeit, dem Gefühl, permanent kontrolliert zu werden. Bald wurde mir auch klar, dass eine Universitätskarriere ohne Parteizugehörigkeit nicht möglich war. Dann kam es, wie es kommen musste. Ich zeigte zunächst versteckt, dann immer offener meinen Unmut über das System. Zur Strafe bekam ich ein halbes Jahr Haft aufgebrummt aufgrund eines Paragrafen, der die sogenannte „Herabwürdigung des Staates“ definierte! Absatz eins dieses Paragrafen war mein Glück. Denn er brachte mir „nur“ sechs Monate Inhaftierung ein. Ich glaube mich zu erinnern, dass der Absatz drei bei bis zu fünf Jahren lag! Der psychische und physische Ausnahmezustand während der Haft ist wahrscheinlich der Grund, weshalb ich mich an das Essen dort kaum erinnere. Außer der Tatsache, dass es meinen Mitgefangenen im Wesentlichen nur um eines ging – irgendwie ein alkoholisches Getränk, meist aus Brotteig und Marmelade, zu erzeugen. Jedes Wochenende flog dieser Unsinn dann regelmäßig durch entsprechende Kontrollen auf. Im Nachhinein kann ich nur sagen, dass ich viel Glück hatte, und aufgrund meiner Resilienz (das Wort und seine Bedeutung waren mir damals allerdings unbekannt) habe ich alles gut überstanden. Meinen Eltern ist es hoch anzurechnen, dass sie damals den Mut hatten, meinen Fall in der sogenannten Vertretung der BRD in Ostberlin bekannt zu machen, sodass ich exakt einen Tag vor meiner offiziellen Entlassung von der Bundesrepublik „freigekauft“ wurde.

Am 30.9.1980 wurde meine Lebenstaste auf Reset gestellt, nach Durchlaufen des Aufnahmelagers Gießen und einer wunderbaren Zeit in Traunstein, wo man sich wirklich sehr fürsorglich um mich kümmerte. Eine Person, die ich noch heute bei verschiedensten Fortbildungsveranstaltungen in München treffe, möchte ich an dieser Stelle namentlich nennen – Krankenpfleger Walter Bleibinger. Eine Seele von Mensch, immer gut aufgelegt und an der Medizin, insbesondere Onkologie, bis heute interessiert! Er war für mich, da ich ja zu diesem Zeitpunkt keinerlei Freund:innen oder Verwandte in der „neuen Welt“ hatte, das Beste, was mir passieren konnte! Im Traunsteiner Krankenhaus war ich ein halbes Jahr als Hilfspfleger angestellt und konnte dann das Medizinstudium in München wiederaufnehmen. Danach folgte die Assistenzzeit und Habilitation in der Medizinischen Klinik III im Klinikum Großhadern. Großartige Jahre mit wunderbaren Kolleg:innen, einschließlich meines Chefs, der hier auch namentlich genannt werden soll, Professor Dr. med. Wolfgang Wilmanns.

Durch den Einfluss meiner damaligen griechischstämmigen Freundin entdeckte ich die mediterrane Küche. Die taugt mir bis heute – sie ist einfach, abwechslungsreich, leicht verdaulich und in der Regel unkompliziert. Noch dazu ist sie tendenziell pflanzlich, ohne dass das Wort „vegetarisch“ am Esstisch zum Gegenstand militanter Diskussionen werden muss. Die Abende beim Griechen oder Italiener zu dieser Zeit, die ich in sehr guter Erinnerung habe, wurden für mich zum Inbegriff für angenehme Geselligkeit und Entspannung, so, wie es eigentlich immer beim Essen sein sollte. Diese Küche inspiriert mich noch heute beim Kochen. Besonders angetan hat es mir aber bis heute speziell die zypriotische Küche, bei der die Aromen des Mittelmeers sich mit denen des Vorderen Orients mischen. Es ist eine einfache saisonale Kost, bei der Gemüse eine Hauptrolle spielt. Das allein wäre ein guter Grund gewesen, sich in dieser Gegend niederzulassen, aber wie das Leben so spielt, kam es doch ganz anders.

Beruflich war ich in jener Zeit viel unterwegs und es war eine sehr angenehme Tradition auf diesen Reisen, dass man sich abends zum gemeinsamen Essen traf. Florenz und Neapel sind zwei Städte, die ich diesbezüglich in guter Erinnerung habe. Florenz ist ein Beispiel für eine bodenständige und einfache Küche. Saison und Tradition bestimmen das, was auf den Teller kommt. Ein sehr positives Beispiel für ein hochwertiges Street-Food-Produkt sind Lampredotto-Brötchen mit Salsa Verde (Panino con Lampredotto e Salsa Verde)! Das muss man probiert haben – einfach köstlich! Oder die Ribollita, eine Gemüsesuppe mit weißen Bohnen. Die koche ich bis heute sehr gern selbst. Den Speck (Pancetta) für die Suppe kann man auch durch ein Stück Parmesanrinde ersetzen (vor dem Servieren herausnehmen). Und nicht zu vergessen, die Crostini di Fegatini (Röstbrot mit Hühnerleber) – ein perfektes Beispiel für die schmackhafte Verwendung von Innereien. Die zweite Stadt der guten Erinnerungen ist Neapel – wo die Pizza erfunden wurde! Hier ist sie außen knusprig mit einer dicken Kruste, innen weich und saftig. Legendär, diese Pizza mit einer Soße aus San-Marzano-Tomaten und mit Büffelmozzarella belegt. Wie mein Freund, der Buchautor und Koch Franz Keller, sagen würde: „Vom Einfachen das Beste!“

Mein beruflicher Werdegang war unter anderem mit vielen Reisen in die USA verknüpft. Die Küche in den USA profitiert zweifellos von dem multikulturellen Einfluss, und auch dort habe ich perfekte kulinarische Abende mit Kolleg:innen erleben dürfen, die aber letztlich für mich nicht so prägend waren wie die Erlebnisse in Südeuropa.

Da ich beruflich immer sehr eingebunden war und der Beruf mich auch forderte, kam ich relativ spät auf die Idee, mich dem Thema Jagd und der Falknerei zu widmen. Ich hatte immer schon ein Faible für Natur und Tiere. Das Bestehen der Jagdprüfung, auch als das „grüne Abitur“ bezeichnet, war ein weiterer wichtiger Schritt für mich gewesen, die Natur, die uns umgibt, in ihrer Vielfalt korrekt zu erkennen und Zusammenhänge zu begreifen, die letztlich auch unsere Ernährung betreffen. Die meisten von Ihnen werden Nichtjäger:innen sein, deshalb möchte ich an dieser Stelle meinen Freund, Kollegen und großes Vorbild in Sachen Jagd, Jörg Mangold (Ansitzgedanken, 2011) sprechen lassen: „Begeisterung für die Jagd, die große Jagdpassion, ist nicht unbedingt an das Erlegen oder Erbeuten eines Wildtieres gebunden. Jäger zu sein bedeutet für mich, aktiv eingebunden zu sein in das vielfältige Leben in Wald und Flur und auf dem Land. Jagen heißt für mich, Begegnungen zu haben mit Tieren und Menschen und dabei zu spüren, dass man ein kleiner Teil dieses wunderbaren Ganzen ist.“

Für alle unter Ihnen, die Fleisch essen – was nichts Verwerfliches ist –, sei an dieser Stelle gesagt, dass Jäger:innen, die ihr Handwerk beherrschen und das Wild mit einem sicheren Schuss in seinem Lebensraum erlegen, ethisch höchst korrekt handeln. Sie liefern das wertvollste Fleisch, was wir regional anbieten können. Mehr darüber im Kapitel "(Wild-)Fleisch“.

Die Falknerei habe ich bis zum heutigen Tag nicht praktizieren können, denn sie erfordert sehr viel Zeit. Die Falknerprüfung aber hat mein Wissen um die Greifvögel extrem erweitert, wofür ich sehr dankbar bin.

1999 trat ich die Stelle an, die ich bis heute innehabe: Koordinator des Tumorzentrums München. Die ersten zehn Jahre galten schwerpunktmäßig der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Kolleg:innen der Universitätskliniken, den städtischen Krankenhäusern und den niedergelassenen Kolleg:innen. Ein Paradigmenwechsel fand im Jahr 2010 statt, als wir uns entschlossen, kostenfreie Beratungsstellen direkt für die Patient:innen einzurichten. Eine Anmeldung per Telefon oder E-Mail genügte. 2010 wurde die erste Beratungseinheit, die „Krebsberatungsstelle mit Schwerpunkt psychoonkologische und psychosoziale sowie sozialpädagogische Beratung“ gegründet. Es folgten die Gründung der Ernährungsberatung und der Beratung für Komplementärmedizin. Eine bis heute bahnbrechende Pionierleistung, die unseren Patient:innen unkompliziert Unterstützung anbietet.

Gemeinsam mit meinen Mitarbeitern entwickelte ich einen Blog „Wissen gegen Krebs“ (https://news.tumorzentrummuenchen.de/), der Patient:innen bis heute Wissen, Tipps und Mut vermittelt. Unser jährlich stattfindender Patient:innentag war bis 2019 immer eine sehr gut besuchte Veranstaltung. Der Hörsaal war mit 500 Besucher:innen regelmäßig ausgebucht. Als die Corona-Pandemie Veranstaltungen dieser Art nicht erlaubte, rang ich mich zunächst sehr zögerlich zu der Idee eines online stattfindenden Patiententags durch (www.tumorzentrummuenchen.de/patienten/patiententag/patiententag2022.html). Das Online- Format brachte mich auf die Idee, auch eine Koch- und Entspannungssession zu integrieren. Bei Letzterem war das Großartige, dass sich aus dem Kolleg:innenkreis ein klassisches Duett zusammengetan hat. Dieses wunderbare Hobby der beiden Musikalischen war natürlich den Wenigsten bekannt. Überraschung und Begeisterung waren das Ergebnis. Der darauffolgende Online-Patient:innentag wurde dadurch getoppt, dass sich wieder ein bisher eher unbekanntes Ärzt:innenquartett aus meinem beruflichen Umfeld engagierte. Heute kann ich sagen, dass die Notwendigkeit eines digitalen Formats mit einem ausgewogenen Programm aus Wissensvermittlung und Unterhaltung eine tolle Bereicherung für die Patient:innen bedeutete, und ich bin Professor Sylvie Lorenzen, die das damals angeregt hatte, bis heute dankbar dafür. Über 3.000 dankbare Teilnehmer:innen erreichten wir zuletzt auf diese Weise, von denen viele krankheitsbedingt und natürlich auch ortsbedingt den Weg zu unserer Veranstaltung nie geschafft hätten! So wurde aus der Not eine Tugend, und für die meisten war das Online-Format ein Geschenk! Eine letzte Anmerkung noch, auch wenn es Sie vielleicht nur indirekt betrifft. Seit 2018 gibt es eine Projektgruppe „Ernährung und Krebs“, die federführend Professor Dr. med. Hans Hauner und Professor Dr. med. Marc Martignoni leiten. Deren Arbeit ist es zu verdanken, dass Erkenntnisse aus der Ernährungsmedizin für onkologisch tätige Ärzt:innen gedruckt oder im Online-Format als sogenanntes „Blaues Manual“ zur Verfügung stehen.

DER KOCHKURS, DER ALLES VERÄNDERTE

DER 14.5.2009 war der Tag, an dem sich für mich ein neues Kapitel aufschlug. An diesem Tag besuchte ich einen Kochkurs bei Hans Haas. Ein Geschenk meiner Frau, das bei mir zunächst Unmut ausgelöst hatte. War man etwa mit meinen Kochkünsten nicht mehr zufrieden? Mit dieser Chichi-Küche (so denken wahrscheinlich viele Leute über Sterneköch:innen), bei der man nicht satt wird (so jedenfalls lautet das Vorurteil), wollte ich lieber nichts zu tun haben. Der Geschenkgutschein wurde entsprechend spät eingelöst – kurz, bevor er verfiel. Aber was für eine Überraschung! Ein überaus herzlicher Empfang durch Hans Haas und seine Frau erzeugte bei mir ein Wohlgefühl und Neugier auf das, was mich da erwartete. Ich war der einzige „Single“, alle anderen Männer waren in Begleitung ihrer Frauen gekommen. Es war gewissermaßen ein Spiegelbild des häuslichen Lebens: Die Frauen legten los, die Männer waren eher nur gering solidarisch und ließen sich maximal zum Schneiden von Gemüse motivieren. Und immer lautete der Kommentar der Männer zu ihren Frauen: „Hör genau zu, was der Herr Haas sagt!“ Damit war klar, dass sich die Aufgabenverteilung auch nach diesem Tag nicht ändern würde. Ich vermute ja, dass die Frauen ihre Männer in der geheimen Hoffnung mitgebracht hatten, dass sie sich danach mehr in der Küche engagieren – eine allerdings unbestätigte Hypothese. Was mich bei Hans Haas so begeistert hatte: Entgegen meiner Erwartung, die wahrscheinlich viele Menschen teilen, musste ich feststellen, dass in der Sterneküche nichts weggeworfen wird. Alle Gemüse- und Fleischreste einschließlich der Knochen werden zu Gemüse- oder Fleischfond verarbeitet, die wiederum die Grundlage der legendären Soßen von Hans Haas sind. Und zugleich lernte ich viele einfache Tricks, um keine jener Zutaten, wie zum Beispiel Glutamat, zu verwenden, die nichts in einem schmackhaften, gesunden Essen zu suchen haben. Mir wurde sehr schnell klar, dass dieses Know-how an unsere Tumorpatient:innen, aber auch an Gesunde weitergegeben werden musste! Zumal ich bei den vielen von uns durchgeführten Patient:inneninformationstagen zum Thema Ernährung den Eindruck gewonnen hatte, dass es beim Thema Lebensmittel und Kochen noch sehr viel Informationsbedarf gab.

Meine Begeisterung löste eine Kettenreaktion aus. Zu Hans Haas hat sich eine Freundschaft entwickelt. Und dadurch hatte ich das große Glück, weitere Meisterköche kennenzulernen, vor denen ich bis heute Respekt habe und die ich bewundere. Nicht nur wegen ihres handwerklichen Könnens und ihrer Kreativität, sondern auch dafür, wie sie mit ihren Teams arbeiten, ganz im Geiste des großen Auguste Escoffier (1846–1935), der die französische Haute Cuisine prägte und dessen Standardwerk bis heute nicht an Bedeutung verloren hat. Vor allem hat er die unmenschlichen Arbeitsverhältnisse in der Küche radikal verbessert. Die Fotografie, aufgenommen am 20.3.2022 bei mir im Garten bei über 20 Grad – ein für mich sehr bedeutungsvolles und emotionales Treffen –, zeigt alle mir wichtigen Meisterköche und Freunde, die gewissermaßen Brüder und Schwestern im Geiste sind. Dazu gehören Astrid Löwenberg (Sommelière), Theresa Geisel (Vorsitzende des Vereins Food &Health e. V.) und Otto Geisel. Die Freundschaft mit Otto Geisel war und ist ein ganz wesentlicher Katalysator bei dem Bestreben, die Welt des Essens und Trinkens in allen Lebensbereichen etwas besser zu machen. Mit ihm zusammen, mit Carlo Petrini (Begründer der internationalen Slow-Food-Bewegung) und Gregory Emmel habe ich den Verein Food & Health gegründet.

VON LINKS NACH RECHTS

ASTRID LÖWENBERG, FRANZ KELLER, HANS HAAS, INA HAAS, SIGRID SCHELLING, LUIS MATSCHER, ANNA MATSCHER, VOLKMAR NÜSSLER, THERESA GEISEL, OTTO GEISEL, EVELYN GEISEL UND HERBERT HINTNERBEI UNSEREM TREFFEN AM 20. MÄRZ 2022 AUF GUT ROSENHOF.

Eckart Witzigmann, der die französische Nouvelle Cuisine in Deutschland etablierte und das legendäre Restaurant Tantris in München als Wiege dieses neuen Kochstils prägte, und der Sternekoch Martin Fauster, der momentan in Freiburg arbeitet, konnten leider an dem Tag nicht anwesend sein. Alle genannten Köche hatten sich gemeinsam mit Otto Geisel für die App HealthFood und mein erstes Buch Stark gegen Krebs sehr engagiert.

Sie wissen nun, dass meine Nähe zu den Sterneköchen eher einem Zufall geschuldet war, aber es war ein sehr glücklicher! Entsprechend meinem Credo „Von den Besten lernen“ kann ich Sie nur ermutigen, es mir nachzutun. Meine persönliche Erfahrung ist, dass die angebotenen Kochkurse der Meisterköch:innen für jeden von uns eine Bereicherung sind. Mit wenigen Schritten gelangen Sie zu einer neuen Stufe der Geschmackserfahrung und erlernen praktische, alltagstaugliche Fertigkeiten, die Sie mit nach Hause nehmen und umsetzen können. Für mich waren die Kochkurse von Hans Haas jedes Mal ein neues Highlight, und gleich am nächsten Tag kam das Gericht, das mich am meisten begeistert hatte, auf den Tisch. Wenn Sie es geschmacklich ähnlich hinbekommen, ist alles erreicht – was will man mehr? Das Wichtigste dabei ist, die Prinzipien zu erfassen, die sich für viele andere Gerichte ebenfalls anwenden lassen. Man tut gut daran, sich die Frage zu stellen: Warum schreibt das Rezept diesen Schritt vor? Das macht Sie gleich offener für die Entwicklung neuer Gerichte! Der schon erwähnte Escoffier hat mit der exakten Rezeptur die Basis für die beliebige Wiederholbarkeit der Gerichte geschaffen. Das wird von einem Profi, insbesondere der französischen Küche, verlangt. Damit hat er auch der Kochkunst wissenschaftlichen Charakter verliehen und es durch handwerkliches Talent geschafft, diese in den Rang der schönen Künste zu erheben. Ganz nebenbei hat Escoffier dadurch den Meisterköch:innen erhebliches soziales Ansehen verschafft. Das war in der damaligen Zeit absolut neu und hat an Aktualität ebenfalls nichts verloren. Damit erklärt sich auch der ästhetische Augenschmaus und die Schönheit der Sterneköch:innen-Bücher, die wir voller Bewunderung durchblättern. Leider vermitteln sie uns oft auch ein Gefühl der Ohnmacht, nach dem Motto „Das schaffe ich nie!“ oder „Das kann ich mir nicht leisten“. Haute Cuisine bedeutet in erster Linie, bewusst und effizient mit den Produkten zu arbeiten. Sie müssen nicht die besten Stücke von Fleisch oder Fisch nehmen! Sondern Sie lernen von diesen Köchen, die ausgewählten Produkte geschmackvoll zu verarbeiten. Die besten Soßen, die ich zum Beispiel bei Hans Haas und Sigi Schelling gegessen habe, sind aus Gemüse und Fleischresten entstanden! Manche Bücher mögen also das Gefühl von Überforderung auslösen, doch bitte haben Sie Geduld: Es gibt eine riesige Auswahl, und sicherlich werden auch Sie Ihren persönlichen Ratgeber finden. Es ist keine Schande, sondern eher eine große Bereicherung, eine umfassende Kochbuch-Bibliothek zu haben. Kochbücher haben doch etwas wunderbar Inspirierendes, ähnlich wie Reiseführer machen sie Appetit auf Neues. Aber unter uns gesagt, im Alltag sind es meistens die immer gleichen Lieblingskochbücher, die wir verwenden, nur hin und wieder wird ein neues Kochbuch in den Bereich Alltagstauglichkeit aufgenommen.

UNSER MIKROBIOM – BILLIONEN BAKTERIEN, DIE ÜBER UNSERE GESUNDHEIT ENTSCHEIDEN

ES KLINGT IMMER WIEDER SELTSAM und wird sehr oft vergessen, aber wir bestehen nicht nur aus „uns“. Tatsächlich ist unser Körper wie ein eigenes kleines Ökosystem, welches Billionen mikroskopisch kleine Lebewesen beherbergt: das Mikrobiom oder auch die Mikrobiota oder Mikroflora.

Zusammengesetzt ist diese Besiedelung unserer Haut und der Schleimhäute im Mund, Genitalbereich sowie dem Darm aus Bakterien (etwa 99 Prozent), Viren und Pilzen. Mengenmäßig übertreffen diese Symbionten die Zellen ihrer Wirt:innen um den Faktor zehn. Bildlich gesprochen findet man in einem Gramm Stuhl mehr Mikroorganismen, als derzeit Menschen auf unserer Erde leben. Haben Sie sich einmal gefragt, warum wir uns im Laufe der Evolution auf diese Symbiose eingelassen haben? Fakt ist, dass wir einen sehr guten Grund gehabt haben müssen. Denn zunächst stellt es eine sehr große Gefahr dar, fremde Organismen in sich aufzunehmen. Erkunden Sie mit mir den unbezahlbaren Vorteil, den diese Verbindung für uns und unser Überleben darstellte und bis heute darstellt.

Ich werde mich im Folgenden vor allem auf das Mikrobiom des Darmes fokussieren, da es maßgeblich für die Verdauung unserer Nahrung verantwortlich ist. Hier leben mindestens 1.000 verschiedene Arten an Mikroorganismen, wobei die meisten im Dickdarm ansässig sind. Der Dünndarm ist verhältnismäßig dünn besiedelt.

Jeder Mensch weist eine ganz einzigartige Zusammensetzung seines Mikrobioms auf, welche unter anderem beeinflusst wird durch die Gene und das Immunsystem, aber auch durch Medikamente und die Ernährung.1 Das Mikrobiom an sich ist maßgeblich an einer Vielzahl von Vorgängen in unserem Organismus involviert. Zunächst einmal hilft es uns, die unverdaulichen – meist pflanzlichen – Nahrungsbestandteile aus Magen und Dünndarm zu verwerten und daraus Stoffe herzustellen, die unser Körper nicht selbst produzieren kann. Ein Beispiel hierfür sind die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat, Propionat und Acetat. Diese Fettsäuren stellen unserem Körper nicht nur Energie zur Verfügung. Sie fungieren auch als eine Art Signalgeber. Unter anderem können sie eine reduzierte Nahrungsaufnahme einleiten und führen zu einer verbesserten Glukosetoleranz. Das bedeutet, sie nehmen einen direkten Einfluss darauf, wie schnell Glukose in unsere Blutbahn aufgenommen wird und wie schnell unser Blutzuckerspiegel folglich nach einer Mahlzeit ansteigt. Ist die Glukosetoleranz beeinträchtigt und der Blutzuckerspiegel steigt nach einer Mahlzeit extrem an, könnte dies ein erster Hinweis auf die Entwicklung von Diabetes Typ 2 sein. Auch auf das Immunsystem wirken die Darmbakterien direkt ein und können beispielsweise dessen Aktivität steigern.2 Ferner werden einige Vitamine und unsere Gallensäure von den Bakterien in unserem Darm (mit-)produziert. Vielversprechenden Studien zufolge nehmen sie sogar direkten Einfluss auf unser Essverhalten. Sie sind beteiligt an der Modulation der Darmmotilität, das ist die Beweglichkeit des Darms, und -sensibilität sowie der intestinalen Permeabilität, also der Durchlässigkeit unseres Darms, und der Aktivität unseres Darmnervensystems. Ist die mikrobielle Besiedelung in unserem Darm im Ungleichgewicht, kann es etwa zum Reizdarmsyndrom oder anderen funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen kommen.3

Abgesehen von der Verwertung unserer Nahrung und dem direkten Wirken in unserem Darm können die Mikroorganismen auch durch Signalstoffe über die Blutbahn direkt mit unserem Gehirn kommunizieren. Nicht umsonst wird oft von unserem „Darmhirn“ gesprochen. So fand eine Studie von Valles-Colomer et al. 2019 heraus, dass ein Zusammenhang besteht zwischen einem funktionierenden Mikrobiom und unserer psychischen Gesundheit. „Unsere“ Mikroorganismen können unter anderem auf das Gedächtnis, Stressreaktionen sowie das soziale Verhalten Einfluss nehmen und auch Krankheiten wie Depressionen und neurodegenerative Erkrankungen begünstigen. Wie genau die Mechanismen dahinter funktionieren, ist derzeit noch Objekt vieler Forschungsarbeiten. Bekannt ist bisher jedoch, dass die Darm-Mikrobiota die Produktion von Neurotransmittern und neuroaktiven Verbindungen wie Serotonin, GABA und Dopamin produzieren oder stimulieren kann und dass diese Verbindungen wiederum das Bakterienwachstum modulieren können.4

Auch die Entwicklung und die Kontrolle unseres (adaptiven) Immunsystems steht in großer Abhängigkeit mit der Zusammensetzung unserer Darmbesiedelung. Es zeigte sich beispielsweise, dass Erkrankungen wie Allergien, Autoimmun- und Entzündungskrankheiten im engen Zusammenhang stehen mit einer Veränderung der Darmflora. Umso bedenklicher ist der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika bei der Haltung von Nutztieren aller Art, welcher unser Mikrobiom aus dem Gleichgewicht bringt und dessen Diversität stark reduzieren kann (mehr dazu in den Kapiteln „Fleisch“, „Fisch“, „Eier“).5

Darüber hinaus steht wohl auch die Erkrankung Krebs im direkten Zusammenhang mit unserem Mikrobiom – so das Ergebnis einer Vielzahl aktueller Studien. Dabei könnte die mikrobielle Zusammensetzung sowohl auf die Tumor-Entstehung an sich als auch auf das Anschlagen bestimmter Krebstherapien und das Auftreten von Nebenwirkungen Einfluss haben. Derzeit wird an einer Methode geforscht, die gezielt bestimmte Bakterienstämme abtötet, die eine Krebsentstehung begünstigen könnten. Auch die Produktion der kurzkettigen Fettsäuren Butyrat und Pentanoat durch die Darmbakterien könnte in der Krebsimmuntherapie künftig eine wichtige Rolle spielen. Eine jüngst veröffentlichte Forschungsarbeit zeigte, dass die Aktivität tumorspezifischer T-Zellen durch die Fettsäuren moduliert werden könnte.6

EIN GESUNDES MIKROBIOM – WAS KÖNNEN WIR SELBST DAZU BEITRAGEN?

DASS EIN INTAKTES MIKROBIOM einen Schlüsselpunkt in unserer Gesundheit darstellt, liegt – spätestens nach den oben stehenden Ausführungen – auf der Hand. Jüngere Studien legen sogar nahe, dass eine aus der Balance geratene mikrobielle Besiedelung bei jeglichen Erkrankungen mitberücksichtigt werden sollte. Nicht umsonst bespreche ich das Thema zu Beginn dieses Buches. Was jedoch kann jede:r Einzelne von uns nun konkret dafür tun, dass es den „richtigen“, den gesundheitserhaltenden Bakterien in unserem Darm gut geht? Unser Handlungsspielraum fängt bereits in unserer frühesten Kindheit an. Bieten wir unseren Neugeborenen eine extrem saubere Umgebung, in der sie kaum mit Keimen und Viren in Berührung kommen, führt dies zu einer verringerten Zahl der mikrobiellen Vielfalt auf der Darmoberfläche. Als Resultat entwickelt sich das Immunsystem nicht optimal und der Grundstein für das Auftreten einer chronischen Entzündung ist gelegt. Ein erster Hinweis auf eine aus der Balance geratene Darmflora können das Auftreten von leichter Verstopfung, Übergewicht oder Stoffwechselstörungen sowie erhöhten Plasma-Cholesterinwerten sein. Dies jedoch meist im fortgeschrittenen Lebensalter.7

Auch im weiteren Verlauf unseres Lebens können wir einiges dazu beitragen, dass unsere Mikrobiota optimal (für uns) arbeiten kann. Vor allem die Ernährung gilt als einer der wichtigsten Faktoren, die die Unterschiede in der Darm-Mikrobiota hervorruft – insbesondere, wenn es sich um langfristige Ernährungsgewohnheiten und nicht um kurzfristige Interventionen handelt. Eine – zugegeben etwas ältere – Studie, die die Darmbakterien von Kindern aus Burkina Faso mit denen aus Europa verglich, brachte den Einfluss unserer Ernährung klar zutage: In dem westafrikanischen Staat ernährten sich die Kinder vorwiegend von Körnern und Gemüse. Fleisch kam nur selten auf den Tisch. Der Anteil der „nützlichen“ Bacteroidetes-Bakterien betrug bei ihnen im Durchschnitt 73 Prozent, während er bei einer europäischen Kost mit weniger komplexen Kohlenhydraten bei 27 Prozent lag. Die eher ungünstigen Firmicutes-Stämme machten bei den Kindern aus Burkina Faso etwa zwölf Prozent der Darmbakterienstämme aus, während in Europa durchschnittlich 51 Prozent des Mikrobioms aus Firmicutes bestanden.8

Es scheint jedoch so, dass nicht nur die Zusammenstellung der Nahrungsmittel und Nährstoffe entscheidend für die Zusammensetzung der Darmflora ist, sondern auch die Zeiten, zu denen wir essen, sowie unser Essverhalten insgesamt. Essen wir in Ruhe und kauen jeden Bissen ausreichend, oder essen wir unter Stress, vor dem Laptop oder Fernseher? Essen wir rund um die Uhr, oder machen wir Pausen zwischen den Mahlzeiten? Besonders in der Nacht sollte beispielsweise eine längere Fastenperiode angestrebt werden, um dem Organismus die Ruhe zu gönnen, die er benötigt, um etwa Aufräumarbeiten zu erledigen.

Im Folgenden möchte ich kurz auf einige Aspekte der Ernährung eingehen, die sich als heilsam oder störend für das mikrobielle Gleichgewicht herausgestellt haben.

PROBIOTIKA

ZUNÄCHST EIN PAAR WORTE zu Probiotika, also lebenden Mikroorganismen, die wir zum Beispiel über fermentierte Milchprodukte wie Joghurt oder Kefir oder in Kapselform, etwa nach einer Antibiotikabehandlung, zu uns nehmen. Ein Beispiel hierfür sind Bifidobacterium- oder Lactobacillus-Arten. Eine gut dokumentierte Wirkung dieser Probiotika ist ihre Fähigkeit, Gastroenteritis und Atemwegsinfektionen vorzubeugen. Dies geschieht hauptsächlich über die Hemmung von Pathogenen (Krankheitserreger) im Darm und die Unterstützung einer gesunden Darmwand sowie unseres (angeborenen) Immunsystems. Zudem wird der regelmäßige Verzehr von Joghurt in Zusammenhang gebracht mit einer Verbesserung von Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung oder Durchfall (mehr dazu im Kapitel „Milch“).9 Darüber hinaus scheint der Verzehr bestimmter Probiotika zu einem günstigen Effekt auf unsere Psyche zu führen. In einer Studie konnten beispielsweise die psychische Belastung und die Angstzustände der Teilnehmer:innen durch die Gabe von Lactobacillus und Bifidobakterien verbessert werden.10

PRÄBIOTIKA

UNTER PRÄBIOTIKA VERSTEHT man Nahrungsbestandteile, die „selektiv über unsere Darm-Mikroorganismen verwertet werden können und die einen gesundheitlichen Nutzen bringen“. So die Definition des Gremiums der International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP).11 Gemeint sind hier unter anderem Ballaststoffe, Polyphenole und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wobei vor allem Ballaststoffe wie Pektine, Inulin oder resistente Stärke dazu beitragen, dass sich die nützlichen Darmbakterien wie Bifidobakterien richtig wohlfühlen, während schädliche und pathogene Bakterien reduziert werden. In der Muttermilch findet man ebenfalls bestimmte kurzkettige Kohlenhydrate, die insbesondere durch Bifidobakterien verwertet werden können. So unterstützt die Muttermilch den Säugling von Beginn an dabei, eine gesunde Darmflora aufzubauen.12

Polyphenole scheinen eine ähnliche Wirkung auf unsere Darm-Mikrobiota zu haben wie die Ballaststoffe, jedoch ist die Studienlage hier etwas spärlicher und die bisherigen Erkenntnisse stammen überwiegend aus Zell- und Tierexperimenten. In Interventionsstudien, das sind Studien, in denen ursächliche Zusammenhänge mit hoher Wahrscheinlichkeit erkannt werden, am Menschen schienen Polyphenole aus grünem Tee und Kakao die größten Veränderungen des Mikrobioms zu bewirken. Insbesondere konnten hier Bifidobakterien und Lactobacillus erhöht werden, während einige pathogene Arten reduziert wurden.13

RAFFINIERTER ZUCKER UND SÜSSSTOFFE

KAUM EIN BESTANDTEIL wird so sehr mit verarbeiteten Lebensmitteln und der typisch westlichen Ernährungsweise in Verbindung gebracht wie der raffinierte Zucker. So kann ein hoher Konsum von raffiniertem Zucker, künstlichen Süßstoffen und Zuckeralkoholen (also Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Xylit, Maltit und Mannit) zu einer Beeinträchtigung der Interaktion zwischen uns und unseren Magen-Darm-Mikroben führen, was das Auftreten von Stoffwechselstörungen und Fettleibigkeit begünstigt. Zudem wird der Glukose- und Insulinstoffwechsel bei übermäßigem Verzehr beeinträchtigt und die Bakterienvielfalt unseres Darms verringert. Die Darmmikroben spielen bei der Aufnahme und der weiteren Verwertung der Glukose über die Leber eine wichtige Rolle. Nicht von ungefähr gilt eine nicht ausbalancierte Darm-Mikrobiota als eines der typischen Merkmale bei Adipositas und Typ-2-Diabetes. Der Zweifach-Zucker Saccharose (Haushaltzucker) besteht aus Fruktose und Glukose und wird vor allem über den Dünndarm aufgenommen. Zucker, der hier nicht resorbiert werden kann (zum Beispiel bei einer übermäßigen Aufnahme über die Nahrung), gelangt weiter in den Dickdarm und dient hier den Darmbakterien als „Futter“. Gerade Fruktose (Fruchtzucker) spielt wohl eine entscheidende Rolle bei der Modulation der Darmflora, die zum Entstehen einer sogenannten nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) beitragen kann. Dies ist besonders bedenklich, weil Fruktose in den letzten Jahren als Ersatz für den üblichen Haushaltszucker in vielen Fertiglebensmitteln Einzug gehalten hat, teilweise begründet durch die geringe Auswirkung auf unseren Glukosespiegel. (Mehr dazu im Kapitel „Verstecktes Salz, versteckter Zucker“.)

Zuckeralkohole und künstliche Süßstoffe finden ebenfalls ihren Weg in den Dickdarm, da sie über den Dünndarm kaum aufgenommen werden können. Auch diese Stoffe werden von unseren Mikroorganismen verwertet. Die Aussage, Süßstoffe würden uns nicht schaden, da wir sie gar nicht aufnehmen könnten, muss spätestens hier überdacht werden. Studien am Menschen über die genauen Auswirkungen von Süßstoffen und Zuckeralkoholen sind derzeit leider noch rar, die wenigen Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass sich die mikrobielle Vielfalt verringert, wenn wir viele dieser Stoffe zu uns nehmen.14

FETTE

WAS FÜR DIE GESAMTE ERNÄHRUNG gilt, bewahrheitet sich insbesondere bei den Fetten: Sowohl Menge als auch Qualität entscheiden über den Gesundheitswert. So zeigte sich, dass die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren wie Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) die Anzahl einiger nützlicher Bakterien im Darm erhöhte. Wie genau die Nahrungsfette Einfluss auf die Zusammensetzung und Funktionalität unserer Darm-Mikrobiota beeinflussen, ist noch nicht abschließend geklärt. Die meisten Fette werden jedoch über den Dünndarm resorbiert. Nur ein geringer Teil der Fette erreicht den Dickdarm, wo sie von den Darmbakterien verwertet werden können.

Hier zeigt sich jedoch ein grundlegendes Problem unserer Darm-Mikrobiota: Sie besteht vorwiegend aus Anaerobiern (Bakterien, die keinen Sauerstoff benötigen und die in Anwesenheit von Sauerstoff meist absterben). Da die Verstoffwechselung von Nahrungsfetten jedoch Sauerstoff benötigt, werden der Abbau und die Nutzung von Fetten als Energiequelle für die Bakterien erschwert. Wenn die fettreiche Nahrung noch zusätzlich ballaststoffarm ist, ein klassisches Beispiel wäre hier Currywurst mit Weißbrot, wird die Verwertung über die Bakterien zusätzlich eingeschränkt.15

Auch wenn es nicht direkt mit der Ernährung zu tun hat, möchte ich an dieser Stelle noch anmerken, dass sich auch chronischer Stress auf unser Mikrobiom auswirkt. Über Neurotransmitter (vor allem GABA, Dopamin und Serotonin), kurzkettige Fettsäuren und das Immunsystem beeinflusst die Mikrobiota das Gehirn mithilfe des Vagusnervs. Auch das Gehirn beeinflusst auf ähnliche Weise die Zusammensetzung der Darmbakterien. Als Folge von chronischem Stress kann unsere Darmbarriere geschädigt und durchlässiger werden, es können Entzündungen entstehen und das Mikrobiom kann in ein Ungleichgewicht geraten. Auch chronischer Schlafmangel ist ein körperlicher Stress, der sich negativ auf unser Mikrobiom auswirkt und unter anderem die Entstehung von Adipositas begünstigen kann. Eine gute Schlafqualität sorgt hingegen dafür, dass für uns nützliche Bakterien vermehrt auftreten und die mikrobielle Vielfalt erhöht wird. Die genauen Mechanismen sind zwar noch nicht 100-prozentig verstanden, es wird jedoch vermutet, dass hier ebenfalls von den Bakterien produzierte Neurotransmitter wie GABA und Serotonin beteiligt sind, die über die Darm-Hirn-Achse direkt mit unserem Gehirn kommunizieren können.16

Unsere Darmbakterien spielen eine zentrale Rolle in unserer Gesundheit, die weit über den Darm hinausgeht.

Wir haben es mit unserer Ernährung (und unserem Stressmanagement) selbst in der Hand, dass sich unser Mikrobiom optimal entwickelt:

• über den Verzehr von Probiotika, wie sie beispielsweise in Joghurts (auch oft in den veganen Alternativen) zu finden sind,

• über Präbiotika aus einer ballaststoffreichen, pflanzenbasierten Ernährung,

• über ungesättigte Fettsäuren,

• durch den Verzicht auf ein Übermaß an Zuckern, Zuckeralkoholen und künstlichen Süßstoffen sowie Alkohol und Antibiotika.

Motivationsschub: Diese an sich kleinen Veränderungen haben große Auswirkungen auf unsere kleinen Freunde, die Darmbakterien. Mit diesen kleinen Schritten tragen wir dazu bei, starken Einschränkungen unserer körperlichen und geistigen Gesundheit vorzubeugen.

GESUNDE UND NACHHALTIGE ERNÄHRUNG – WIE GEHT DAS ÜBERHAUPT?

WAS IST EINE GESUNDE ERNÄHRUNG? Es gibt wohl wenige Themen, die so kontrovers diskutiert werden wie diese Frage. Fragt man die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist die Antwort ziemlich eindeutig:

• eine abwechslungsreiche Ernährung mit einer vielfältigen, pflanzenbasierten Nahrungsmittelauswahl. In diesem Zusammenhang wird oft davon gesprochen „alle Farben des Regenbogens“ auf dem täglichen Speiseplan zu haben.

• Fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag. Das bedeutet mindestens drei Portionen oder etwa 400 Gramm Gemüse und zwei Portionen oder etwa 250 Gramm Obst, da ein Zuviel an Fruchtzucker sonst unseren Organismus schädigen könnte.

• Reichlich Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen sowie (ungesalzene) Nüsse und Samen. Eine Portion entspricht etwa 125 Gramm gegarten Hülsenfrüchten. Nüsse, Ölsaaten oder Trockenfrüchte können eine Portion Obst am Tag ersetzen. Eine Portion entspricht hier etwa 25 Gramm.

• Bei Getreideprodukten möglichst die Vollkornvariante wählen. Lebensmittel wie Brot, Nudeln oder Reis sättigen länger, wenn man die Vollkornvariante zu sich nimmt. Zudem können die enthaltenen Ballaststoffe das Risiko für verschiedene Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Dickdarmkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.

• Tierische Nahrungsmittel in Maßen. Täglich Milch und Milchprodukte, ein- bis zweimal die Woche Fisch, selten Fleisch und Wurst und ab und zu Eier. Die maximale Menge an Fleisch sollte je nach Körperstatur und Geschlecht maximal 300 bis 600 Gramm pro Woche umfassen.

• Bevorzugt pflanzliche Fette verwenden. Tierische Fette sind oft reich an gesättigten Fettsäuren, daher sollten sie durch pflanzliche Öle wie Rapsöl, Walnuss-, Lein- oder Sojaöl ersetzt werden, die viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren beinhalten.

• Zucker und Salz nur in Maßen. Gezuckerte Lebensmittel sind oft arm an anderen Nährstoffen, erhöhen das Risiko für Karies und enthalten viele Kalorien, Salz hingegen kann den Blutdruck erhöhen und sollte daher auf sechs Gramm pro Tag reduziert werden.

• Als Getränk Wasser bevorzugen, mindestens 1,5 Liter pro Tag.

• Nahrungsmittel schonend zubereiten. Das bedeutet kurze Garzeiten, möglichst wenig Wasser und Fett hinzufügen und das Verbrennen von Lebensmitteln beim Braten, Grillen, Backen oder Frittieren vermeiden.