Die Betrachtung der Bilder im Detail - Nikolas Huperz - E-Book

Die Betrachtung der Bilder im Detail E-Book

Nikolas Huperz

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Beschreibung

"Die Betrachtung der Bilder im Detail" ist der dritte Gedichtband von Nikolas Huperz und umfasst die Gedichte von 2017-2018.

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Seitenzahl: 81

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Die Rekonstruktion des Gefühls

Straßenbahn

Der Anruf

Die Geräusche beim Abstellen von Dingen II

Anthrazit

Mein Name ist Deutschland

Lethargie

Von der Erfindung des Wortes Eigentlich

Kopf

Sommernachmittagsgewitter

Therapie

Ich erkenne

Das Herauszögern des Öffnens der Augen

Unterm Strich: Nichts

Orientierungslos II

Orientierungslos III

Herbst

Bild natürlicher Unordnung

Als ich den Verstand verlor

Wochenendmorgen

Der Mensch erfand den Ackerbau

Deutschland

Fleiß

EG (Kammerspiel)

Die oberflächliche Betrachtung der Bilder

Zwischen zwei Städten

Hallo, mehr nicht

Regennacht

Der Plan

Mich stört . . . / Ich begrüße

Auf der Suche II

Herbst II

Ich schaue über eine Treppe

Metamorphose

Winter

Beharrlichkeit

Wimmelbild

Im Gewimmel

Im Gewimmel II

Die Betrachtung der Bilder im Detail

Motivation

Rolle

Nachwievor

Zwischen den Terminen

Der Traum und die Straßenkehrmaschine

Bescheidenheit

Auf der anderen Seite des Fensters

Ohne Titel

Erkennen

Jetzt das Sein

Darling

Beim Schritt vor die Tür

Vor circa 1000 Tagen

Film

Natur

Kultur

Das Schließen der Knöpfe eines nassen Hemdes

Deine Verrücktheit

Ich warte auf dich

Häuser links und Häuser rechts

Diesen Tag

Der kindliche Freiflug

Der Fluss und der Torf

Eine Straßenkreuzung

Kino

In der Fürstenstraße

Das Lyrische Du II

Post

Das große, unerklärliche Ganze

Saurier

Perspektivwechsel

Einen Zentimeter

Perspektive

Deutschland zwischen den Städten

Ohne Titel II

Das Papier in Deutschland

Einkaufsstraße 19:50 Uhr

Der vergessene Traum

Distanz

Die Sprecherstimme einer Dokumentation

Dein Name

Schwarzaufweiß

U-Bahn-Meditation

Gefühle

Das Vereinen der Gegensätze

Auf die gleiche Weise

Als ich meinen Körper ins Museum stellte

Damals

Der Morgen ohne Gesicht

Über das Bemalen des Schleiers

Überblick

Freudentaumel

Ein Regenschauer

Die falsche Richtung

Jemand anders

Der Zufall

Die Insel

Leeres Blatt

Schlussstrich

Deutscher Humor

Gewissen

Universalgeschichte

Schuppen von den Augen

Der Haufen Lethargie und die Wüste

Bewusstsein

Die Transparenz des Fensters eines Hochhauses

1991

Beim Verlassen eines Raumes

Die Begegnung

Die Kulisse vor mir

Tag nach einem Hochgefühl

Beobachtung

Traum von dir

Eine Frage

Gutseinlassen

Nichts

Das Königreich

Nachtbus

Bild

Der Moment

Erkenntnis

Ende

Die Rekonstruktion des Gefühls

I

Um mein Herz stehen Kräne.

Sie rekonstruieren

seit Tagen ein Gefühl.

Nun, da die Pläne fertig sind,

hämmert es in mir

– sie bauen.

Es donnert und kracht.

Sie fangen pünktlich an,

8 Uhr morgens,

auf die Sekunde genau.

Engpässe gibt es nicht.

Die Baustoffe kommen pünktlich.

Ein Schichtbetrieb ist in Planung.

II

Du liegst neben mir,

doch km-weit entfernt.

Ich versuche, mein Gefühl

mit dir zu rekonstruieren,

doch durch die Dunkelheit

kann ich gerade mal

deinen Rücken erkennen.

III

Am nächsten Morgen

wissen alle Bescheid.

Sie sehen mich an

und sie wissen es,

durchschauen mich

wie durch den Spiegel

eines Verhörraums.

Sehe ich zurück,

spiegelt es nur,

wirft mich zurück zu mir.

Ich sehe sie in der Straßenbahn

und sie sehen mich: Paranoia,

Panik, Schweiß auf der Stirn.

Plötzlich fühle ich mich klein.

Plötzliches Ende

– Kontrollverlust.

Straßenbahn oder: Auf der anderen Seite des Fensters II

Auf der anderen Seite des Fensters

sehe ich vorbeirauschende Herbstlandschaften

– sorgfältig eingeteilt

nach der Beschaffenheit ihrer

Darstellung. Das Wetter ist: gut.

Die Autos überholen sich,

sich leicht schneller fortbewegend

als ich, und

scheren (aus meiner

Perspektive) waghalsig

wieder

ein. Alles

verläuft:

schnell.

Ich steige

aus und gehe

weiter – entdecke

eine umgestürzte und

zerbrochene Statue eines

Dichters. Die Luft riecht nach

Laub. Nächster Tag: Der Entschluss,

ein Motorrad zu kaufen und sich

irgendwo im Nirgendwo

ein neues Leben aufzubauen,

rückt immer näher.

Dritter Tag: Da, wo kaum jemand ist,

ist fortan mein Leben von morgen.

Die Ziele von gestern liegen

hinter Stacheldraht: Einbahnstraße.

Der Anruf

Er war schon seit Jahren

nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen,

doch in diesem einen Augenblick,

in dem draußen ein Frühlingssturm tobte,

war ihm seine Sinnesabwesenheit

klarer denn je gewesen.

Nur wenige Stunden

vor dem Wettereinbruch hatte er

auf einen nicht erfolgenden Anruf gewartet.

Das war immer sein Problem gewesen:

dass er immer so lange auf Anrufe gewartet hat.

Er beschloss nun,

nie wieder auf Anrufe zu warten.

Durch die neugewonnene Zeit

konnte er dem Unwetter beiwohnen,

sah Dinge durch die Luft fliegen.

Das war wohl das Vernünftigste,

was er tun konnte.

Die Geräusche beim Abstellen von Dingen II

Im Zentrum des Küchentischs

steht ein leeres,

vor kurzem abgestelltes Glas.

Beim Abstellen hat es

ein Geräusch gemacht,

das in der Stille verschwand,

als sich die Wellen verteilten.

Der Klang war in etwa so

wie in einem dieser

sehr nachdenklichen Filme,

in welchen lange Zeit nicht geredet wird

(Originalton).

Dieses Glas starrt mich an,

spiegeln kann ich mich nicht darin,

es ist einfach nur da,

stellt für mich

(pragmatisch gesehen)

kein Problem dar.

Ich hatte noch nichts eingefüllt,

hatte es nur abgestellt.

Jetzt steht es da

und ich denke darüber nach,

wie in diesen sehr nachdenklichen Filmen,

in denen manchmal

sehr lange nicht geredet wird.

Anthrazit

Auf einem grauen

Abstellplatz

(nahe der Strecke)

liegt Kies und Geröll

am Rand.

Plattgestampfte

Oberfläche

(straßenflächengleich),

hier und da ein

Baugerät zurückgelassen

am Rand.

(Lagerflächenfunktion)

(Wolkenbrechen)

Ein Regentropfen

tropft das Grau

zu Anthrazit,

ein zweiter kommt dazu

und plötzlich – irgendwann –

ist das Grau verschwunden.

So bleibt (und das ist alles)

nur ein Platz mit nassem Werkzeug,

Kies und Geröll und

staubig-sandigem Matsch.

Ich fahre weiter, lasse die

verregnete Wüste hinter mir.

Der Regen macht den Staub zur Erde.

Mein Name ist Deutschland oder: Deutschland II

Durch den Schleier meiner begrenzten

Aufmerksamkeit lebe ich im Zwiespalt.

Mein Name ist Deutschland,

ich bin nicht perfekt.

Ich bin unhöflich, aber pünktlich.

Ich bin fokussiert, aber zerstreut.

Irgendwo zwischen diesen Widersprüchen

liegt der Kern meines Wesens,

liegt der Gedanke an mich selbst,

meine Wahrnehmung,

mein Selbstwertgefühl.

Das ist es, was mich ausmacht,

was mich definiert,

was mich erschafft

und wieder zerstört.

Mein Name ist Deutschland,

ich zerstöre mich selbst und

baue mich wieder auf. Ich

schreie in den Spiegel und

vergebe mir selbst.

Mein Name ist Deutschland,

ich bin geisteskrank, aber

von Regeln gezeichnet.

Meine Interessen sind

nüchtern

kalt,

eigentümlich,

von außen

schwer zu verstehen.

Mein Name ist Deutschland,

ich find mich selber gut,

erhebe mich, verwandle mich

wieder und wieder.

Es verleiht mir Macht und Stärke,

ich vergebe, doch vergesse nicht,

ich habe ausgedruckte Fotografien

von meinen Nachbarn an meiner

Wand um einen Spiegel herumgeklebt.

Mein Name ist Deutschland,

ich bin

ein Stalker,

ein Kontrolleur,

ein Biedermann,

ein Durchschnittstyp,

vor dem man sich fürchten sollte.

Mein Name ist Deutschland,

mein Ziel ist es, sich auszudehnen.

So strecke ich meine Tentakel aus und

sauge andere Länder aus. So trage ich

die Tragödie in die Welt. So verbreite

ich die nordische Kälte, die mich selbst

umgibt,

Pünktlichkeit,

Ordnung,

Fleiß,

Zuverlässigkeit,

Ausdauer,

Disziplin,

Beharrlichkeit.

Mein Name ist Deutschland.

Wenn du einen Fehler machst,

werde ich dich verbessern.

Wenn du nicht korrekt bist,

werde ich dich korrigieren.

Wenn du nicht pünktlich bist,

werde ich es dich spüren lassen.

Dabei werde ich unfreundlich sein,

kalt und distanziert,

werde dir nur in die Augen schauen,

um die Stärke zu demonstrieren,

die sich auch in meinem Händedruck

und meiner Rhetorik zeigt.

Diese Stärke ist meine Tugend,

mein Eldorado, das,

was den Rest der Welt erzittern lässt.

Meine niemals ausgesprochene Weisheit lautet:

Du musst selbst das Monster sein.

So gehst du niemals unter. Meine

nie ausgesprochene Reue ist ein

Indiz für Psychopathie.

Mein Name ist Deutschland.

Ich vergebe mir selbst, das ist genug.

Meine zahlreichen Sprüche,

Weisheiten und Sprichwörter

widersprechen sich und können

von mir nach Belieben

zurechtgelegt werden.

So mache ich mir die Welt,

wie sie mir am dienlichsten ist.

Das ist nicht nur Strategie,

das ist ein Lebensweg.

The German Way of Life.

Mein Name ist Deutschland,

ich bin ein Mirdieweltzurechtleger.

Mein Name ist Deutschland

und du kannst mich nicht ändern.

Denn durch den Schleier

meiner begrenzten Aufmerksamkeit

schaffe ich Kultur, konzentriere mich

auf das eine und ignoriere das andere,

so ist alles nur das Ergebnis

meiner subjektiven Auswahl,

meiner Hybris, meines Verstands.

Mein Name ist Deutschland,

ich find mich selber gut.

Lethargie

Jetzt quietschen all die Möbel

und lassen dich nicht schlafen,

Darling.

Dein innerer Schweinehund

krault sich selbst den Bauch

und schlawinert am Morgen

durch die Küche, während du

Kaffee schlürfst,

die Brote schmierst,

die Schuhe schnürst,

seit Jahren schon.

Immer-gleicher Arbeitsweg,

immer-gleiche U-Bahn,

immer-gleiche Pausenzeiten,

immer-gleiches Leben.

Könntest du nur anders sein,

doch siehst dich nicht imstande,

könntest du nur ausbrechen,

doch du bleibst, bleibst, bleibst

im Alltag, im Windschatten,

im System, im Getriebe,

in der Deckung, im Detail.

Die Bilder in den Rahmen verblassen,

hängen schon seit Jahren an der Wand.

Dann reißt der Nagel und es klirrt und

scheppert. Da liegen jetzt Bilder von

gestern, heute und

morgen wird alles anders

– morgen –

dieser magische Tag, auf den

du schon seit Jahren wartest.

Lethargisch gehst du nieder,

voller Stolz und Verzweiflung,

auf ein quietschendes Sofa,

das dich bei jeder Bewegung

aus dem Schlaf reißt. Höchste

Zeit, etwas zu unternehmen,

doch dein Schweinehund

knurrt dich in den Schlaf,

jedes Mal, wenn du dich selbst beflunkerst,

jedes Mal, wenn sich die Balken biegen.

Von der Erfindung des Wortes Eigentlich

Als Eigentlich noch ein Wort

war und

keine Lebenseinstellung,

schlitterte der Express

(mehr

oder

weniger

von den Schienen geleitet)

durch vernebeltes Talgebiet