Die Birkhahn-Story – Neuausgabe der Lebensgeschichte einer Turflegende 1945 bis 1965 - Hans-Volkmar Gaitzsch - E-Book

Die Birkhahn-Story – Neuausgabe der Lebensgeschichte einer Turflegende 1945 bis 1965 E-Book

Hans-Volkmar Gaitzsch

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Beschreibung

Im Stallhof der Leipziger Galopprennbahn erinnert eine an einem Boxentrakt angebrachte Gedenktafel, an das beste, je im Scheibenholz trainierte Pferd: BIRKHAHN. Hans Volkmar Gaitzsch erzählt aus der interessanten Lebensgeschichte des Doppel-Derbysiegers von 1948 und von den Menschen, die als Züchter, Besitzer, Trainer oder Jockeys seine Begleiter waren.

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Die Birkhahn-Story

Gewidmet

meinem Bruder Peter

und

meinem Sohn Hendrik

mit denen ich die Liebe

zum Galopprennsport teile

Hans - Volkmar Gaitzsch

DIE BIRKHAHN – STORY

NEUAUSGABE

DER LEBENSGESCHICHTE EINER

TURFLEGENDE

Engelsdorfer Verlag

Impressum eBook:

ISBN 978-3-86901-137-0

Copyright (2008) Engelsdorfer Verlag

Impressum Printausgabe:

Copyright (2006) Engelsdorfer Verlag

Alle Rechte beim Autor

Umschlagphoto: Siegfried G. Müller (Leipzig)

Gestaltung und Herstellung:

Engelsdorfer Verlag, Leipzig - Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

„DIE BIRKHAHN STORY“

INHALTSÜBERSICHT

Zum Geleit

Vorwort zur Erstausgabe

Vorwort zur Neuausgabe

Prolog

Teil I: Birkhahns Lebensweg

1. Zuchtwahl mit Vorgeschichte

2. Aufzucht und Flüchtlingsjahre

3. Rennlaufbahn

* als Zweijähriger

* als Dreijähriger

* als Vierjähriger

* als Fünfjähriger

4. Zuchtlaufbahn

Teil II: Birkhahns Umfeld

1. Birkhahns Abstammung

2. Birkhahns Geschwister

3. Der „Doppelgänger“

4. Menschen, die seine Begleiter waren

* Seine Züchterin: Frau Madlene von Heynitz

* Sein Besitzer: Herr Karl-Heinz Wieland

* Seine Trainer: F. Höfling, E. Brege, F. Reif und A. Horalek

* Seine Jockeys: E. Boehlke, O. Schmidt,

W. Genz und H. Just

Teil III. Birkhahns Lebensstationen

1. Aufzucht- und Flüchtlingsorte

* Gut Dröschkau

* Gestüt Altefeld

* Gut Kirchberg

2. Trainingsstandorte und Rennbahnen

* Hannover – Große Bult

* Leipzig - Scheibenholz

* Berlin - Hoppegarten

3. Wirkungsstätten als Deckhengst

* Gestüt Graditz

* Gestüt Schlenderhan

Epilog

Nachwort

Anhang:

A1: „Alle Rennergebnisse auf einen Blick“

A2: „Die Derbysieger von 1948 im Überblick“

A3: „Zur Geschichte des Pferdes und der Vollblutzucht“ (kurzer historischer Abriss)

A4: „Die von Dark Ronald begründete Super-Hengstlinie“

A5: „Birkhahn in der Kunst“

Quellenangaben

* Literaturverzeichnis

* Photonachweise

Anzeigen

Zum Geleit

Der Leipziger Galopprennsport kann auf eine über 140-jährige wechselvolle Geschichte zurückblicken. Diese Jahre waren geprägt durch politisch und ökonomisch unterschiedlichste Bedingungen, die die Rentabilität des Trainings- und Rennbetriebes maßgeblich beeinflussten.

Bekanntlich wurde am 12. August 1945 im Scheibenholz der erste deutsche Nachkriegs-Renntag durchgeführt. Damit erfolgte von Leipzig aus das Signal zur Wiederbelebung des Galopprennsports in den vier Besatzungszonen. Trotz der damaligen wirtschaftlich schwierigen Situation waren passionierte Turffreunde wieder bereit, Rennpferde zu unterhalten, um damit die leeren Boxen im Scheibenholz zu füllen.

Zu diesen Besitzern der ersten Stunde gehörte Herr Karl-Heinz Wieland, der im Frühjahr 1947 den Hengst Birkhahn erwarb und in das Leipziger Scheibenholz brachte. Ein Jahr später ging der Stern des späteren Doppel-Derby-Siegers von Hoppegarten und Hamburg auf. Birkhahn setzte durch seine Leistungsbereitschaft - er errang bei 22 Starts 16 Siege - ein Zeichen, das bis heute nachwirkt. Und dies sollte uns in den heutigen, für den Galopprennsport schwierigen Zeiten Mut machen, dass sich Einsatzbereitschaft und Kampfgeist lohnen.

Getragen von solch einer Aufbruchstimmung ist der Leipziger Reit- und Rennverein Scheibenholz e.V. angetreten, das Scheibenholz wieder zu einem attraktiven Rennplatz auszubauen. Mögen uns dabei viele Rennsportfreunde aus nah und fern in den vielfältigsten Formen unterstützen, so wie es der Autor dieser lesenswerten Gedenkschrift über die Geschichte des Leipziger Ausnahmepferdes getan hat.

Wir wünschen, dieser dem 40. Todestag von Birkhahn gewidmeten Denkschrift, die anlässlich unseres Renntages am 1. Mai 2005 erscheinen wird, viele interessierte Leser.

Jürgen Funke

Präsident des LRRS e.V.

Vorwort zur Erstausgabe

Das Interesse am Galopprennsport verdanke ich meinem großen Bruder Peter, der mich zum ersten Mal im Sommer 1946 auf die Rennbahn ins Leipziger Scheibenholz mitnahm. So lernte ich bereits als Steppke an seiner Hand diese unvergleichbare Welt des Turfs kennen. Ich war fasziniert von den kleinwüchsigen Jockeys mit den bunten Seidenjacken, den eleganten Vollblütern, die mit ihren Reitern vor den Tribünen paradierten, und sich dann im Endkampf nichts schenkten. Diese unverwechselbare Atmosphäre auf dem Rennplatz, die sich unter den Zuschauern präsentierenden originellen Typen und dem ganzen aufregenden Drumherum ...

Das Rennfieber hatte mich gepackt. Pferdenamen, wie Putzig, Lump, Goldsucher, Garonner, Afrikaner – um nur einige zu nennen – konnte ich schon schreiben, bevor man es mir in der Schule beibrachte. War ein Renntag vorüber, konnte ich es nicht erwarten, dass es am nächsten wieder zu den Pferden ins Scheibenholz ging.

Und unserer Mutter war es nicht zu verdenken, dass sie es ungern sah, wie wir „mit Hummeln unter dem Stuhl“ hastig unser Mittagessen einnahmen, um pünktlich mit der Startglocke zum ersten Rennen noch vor Ort zu sein.

Mit der Straßenbahn Linie 11 fuhren wir vom Connewitzer Bahnhof bis Kurt-Eisner-Straße, von dort ging es weiter mit dem Bus der Linie A zwei Haltestellen bis Schleußiger Weg, um dann im Eilschritt am an der Rückseite der Ställe stehenden Kassenhäuschen vorbei zum Eingang Dammplatz zu gelangen. Wenn wir Glück hatten, sahen wir von hier aus noch das erste Rennen, wechselten dann zum Sattelplatz und verlebten noch drei aufregende Stunden zwischen Sattelboxen, Führring, Tribüne und Absattelring am Waagebäude. Und diese unerklärbare Leidenschaft zum Galopprennsport hat mich bis heute nicht losgelassen.

Wenn auch viele Erinnerungen im Laufe der Zeit verblassten, prägte sich doch ein Erlebnis von den damaligen Rennbahnbesuchen tief in mein Gedächtnis ein.

Dieses beruhte auf einem Drei-Pferde-Rennen am Pfingstmontag des Jahres 1949, wo ich zusammen mit tausenden Zuschauern Augenzeuge wurde, wie Birkhahn stark blutend aus dem Rennen zurückkehrte. Der Anblick des schwer verletzten Pferdes machte nicht nur meine Kinderseele traurig.

Besitzer, Trainer, Jockey und Pfleger standen hilflos um ihren Schützling, der im Angesicht der betreten schweigenden Zuschauer vom Tierarzt untersucht wurde, um den Grad der Verletzung festzustellen. Und alle bangten um diesen großartigen Vollblüter, den Liebling aller Leipziger Turffreunde. Obwohl dieses Ereignis nun bereits über 55 Jahre zurückliegt, wirkte dieses Erlebnis so nachhaltig, dass ich schon immer das Bedürfnis verspürte, Birkhahns Geschichte niederzuschreiben. Und so habe ich aus gegebenem Anlass mit der vorliegenden Gedenkschrift versucht, unserer Leipziger Turflegende ein Denkmal zu setzen. Der Autor möchte sich auf diesem Wege bei allen recht herzlich bedanken, die ihn bei der Realisierung dieses Vorhabens unterstützt haben.

Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei Erich Siegel, dem Urgestein des Leipziger Turfs, der mir bereitwillig sein Privat-Archiv dann zur Verfügung gestellt hatte, wenn meine eigenen Archiv-Unterlagen Lücken aufwiesen. Auch hat er mir das von ihm erarbeitete Birkhahn-Pedigree uneigennützig für diese Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

Ebenso unterstützte mich mein Bruder Peter durch die Überlassung seines Fachzeitschriften-Fundus. So half er mir mit entsprechend aufbereiteten Berichterstattungen über Birkhahn aus den Galopp-Rennzeitungen „Neuer Turf“, „Deutscher Rennsport“ und „Der Renntag“ aus den Jahren 1947 bis 1950.

Obwohl der Autor über ein eigenes umfangreiches Archivmaterial verfügt und auch auf das von ihm aufgebaute Leipziger Turfkommunikations-Center (TKC) zurückgreifen konnte, blieben noch einige Sachverhalte ungeklärt. Deshalb sei auch denen gedankt, die mir meine noch offenen Fragen bereitwillig beantworteten. In diesem Zusammenhang seien genannt: der Berliner Sportjournalist Jens Sorge, der Leipziger Fotograf Siegfried Müller, der Sekretär und der technische Leiter des Leipziger Rennvereins, Bernd Schirm und Karl Scholz, und nicht zuletzt auch der sich bereits im Ruhestand befindliche Trainer Eugen Sippenauer. Meinen langjährigen Turffreunden William Aps, Volker Beutler und Stefan Würzberger verdanke ich viele interessante Gespräche über unseren geliebten Galopprennsport, die dann auch manche Erinnerungen an jene Zeiten wieder wachriefen und mich zum Schreiben inspirierten.

Abschließend an dieser Stelle noch ein herzliches Dankeschön meiner Tochter Stephanie für ihre Unterstützung bei der Erstellung der Datei und meiner Ehefrau Manuela, die mir verständnisvoll in den letzten Wochen die notwendigen Freiräume bei der Erarbeitung des Manuskriptes verschaffte. Ich danke auch herzlich den genannten Sponsoren für die Unterstützung dieses Projekts.

Auch dem Verlagsleiter des Engelsdorfer Verlages, Herrn Hemmann, bin ich zu Dank verpflichtet, der es ermöglichte, dass diese Gedenkschrift – zwischen dem 14. März (60. Geburtstag) und 18. Juni (40. Todestag) von Birkhahn – noch rechtzeitig zum Leipziger 1. Mai-Renntag erscheinen konnte.

Taucha, im April 2005 Hans-Volkmar Gaitzsch

Vorwort zur Neuausgabe

Als einer der Chronisten des Leipziger Turfs hatte ich mich erst im Herbst 2004 entschlossen, Birkhahn aus gegebenem Anlass im nächsten Jahr nicht nur mit einem Artikel zum Doppeljubiläum, sondern mit einer Gedenkschrift in Buchform zu würdigen. So kam es zu der bereits am Vorabend des Leipziger 1.Mai-Renntages kurzfristig herausgegebenen Buchausgabe. Da die „Birkhahn-Story“ mehr interessierte Leser als erwartet gefunden hatte, war die Auflage bereits Ende des Jahres verkauft.

Beim Vertrieb auf den Rennbahnen unterstützten mich dankenswerterweise der Jockeydiener auf ostdeutschen Bahnen, Jochen Möller, und mein mich zu den Turfstätten begleitender Reisegefährte Hans-Joachim Banert. Mein Dank gilt auch den Herren Daniel Delius, Jens Sorge und Egon Knof für ihre wohlwollenden Rezensionen in der „Sport-Welt“ vom 16. Juni 2005, in „Galopp Intern“ Nr. 6 / 2005 bzw. im „Rennkurier“ – einer Sondernummer der Goslarischen Zeitung“ – vom 14. Juli 2005, mit denen sie „Die Birkhahn-Story“ verkaufsfördernd einem noch größeren Leserkreis bekannt gemacht haben.

So bekam ich auch viele Leser-Zuschriften, die neben Zuspruch auch konstruktive Hinweise beinhalteten. Einige Leser übermittelten ihre persönlichen Erinnerungen, teils mit privaten Photos oder anderen Birkhahn-Materialien, die sie mir freundlicherweise zur weiteren Verwendung überließen.

Deshalb möchte ich mich bei allen recht herzlich bedanken, die mir in meinen Bemühungen um eine inhaltsreichere Neuausgabe Unterstützung gewährten. Stellvertretend seien genannt:

Frau Bettina Fuchß (Darmstadt / Potsdam), die sich schon seit Jahren intensiv mit Vollblut-Pedigrees beschäftigt und mir eine von ihr erarbeitete und mit ausführlichen Erläuterungen versehene Ahnentafel von Birkhahn zur Verfügung stellte.

Herr Georg Fandrich (Elze-Leine) – ein ausgewiesener Experte für Vollblutzucht – für seine zahlreichen fachkundigen Hinweise, die mir bei der Klärung noch offener Fragen sehr hilfreich waren. Dabei machte er mich auch auf eine irrtümliche Darstellung zum Kauf von Bramouse im besetzten Frankreich und deren Erwerb durch Frau von Heynitz aufmerksam. Als Quelle dienten mir bisher neben Veröffentlichungen von Erich Siegel und Jens Sorge vor allem Harald Siemens „Faszination Galopp“ (Hamburg 1994, Seiten 164/65). Herr Fandrich übermittelte mir eine etwas andere, in Martin Beckmanns Buch „Das war Waldfried“ zu findende Version über diese Vorgänge. Der hier dargestellte Sachverhalt zum Ankauf der Mutterstute steht allerdings wiederum im Widerspruch zu einem mir erst jetzt vorliegenden Zeitungs-Artikel, wo Frau von Heynitz selbst formulierte : „… Ich hatte mich um eine Zuchtstute beworben, und so wurde mir Bramouse durch die Kommission zugeteilt.“ Ich habe mich nun beim Text für die Neuausgabe entschieden, beiden Versionen zu folgen und diese - soweit wie möglich – zu harmonisieren.

In dem erwähnten Zeitungsartikel der Frau von Heynitz: „Bürgermeister und Birkhahn“, veröffentlicht in der „Hannoverschen Allgemeinen“ aus dem Jahr 1964, schreibt diese über ihr ganz besonderes, persönliches Verhältnis zu diesen beiden Hengsten. Immer, wenn ich aus den Erinnerungen der Madlene von Heynitz zitieren werde, beziehe ich mich – ohne nochmalige Angabe – auf diese Quelle.

Im Zusammenhang mit der „verschollenen“ Bronzestatue von Birkhahn aus dem Nachlass des Herrn K.H. Wieland, meldeten sich die Herren Jürgen Tiemesmann (Heiligenhausen), Bernd Müller (Dortmund) und Manfred W. Graf (Herleshausen) mit Photos und erläuternden Texten von sich in ihrem Besitz befindlichen Birkhahn-Porzellanfiguren. Und dann geschah kurz vor der Manuskriptabgabe noch etwas Unerwartetes: per Post wurde mir ein Photo der gesuchten Bronzestatue vom jetzigen Besitzer zugestellt. Dieser hatte die besagte Bronzestatue vom Nachlaßverwalter des Herrn Wieland erworben. Der Absender möchte aber anonym bleiben, was ich hiermit respektiere. Diese historischen Sachzeugen waren mir wichtig genug, um sie mit Erlaubnis der Eigentümer in Wort und Bild im Buch zu dokumentieren.

Zu Dank verpflichtet bin ich auch: Herrn Prof. Dr. Helmut Waibl vom Anatomischen Institut der Stiftung Tierärztlichen Hochschule Hannover und deren Pressesprecherin, Frau Naumann, die mir den Wunsch nach einer Originalaufnahme des Birkhahn-Skelettes erfüllten, Herrn Jens Sorge, der mir ein von seinem Sohn Frank stammendes Photo von Birkhahns Grabstein in Schlenderhan beschaffte und Herrn Horst Gründel (Radebeul), der mir eine Kopie des Programmheftes vom Hamburger Derby-Renntag überließ.

Ein Dankeschön gilt auch meinem langjährigen Turffreund Hans Wolfram (Schmölln), der mich im Rahmen meiner Recherchen mit entsprechender antiquarischer Literatur unterstützte und Herrn Klaus-Dieter Graage (Dippoldiswalde), dessen Hinweise zur Erstausgabe sich als hilfreich erwiesen.

Dazu ergaben eigene, weiterführende Recherchen über die Lebensstationen Birkhahns und dessen Umfeld, insbesondere der Lebensdaten seiner Züchterin Frau von Heynitz, viele neue Erkenntnisse.

In diesem Zusammenhang bestand auch der Wunsch, weitere in Beziehung zu Birkhahn stehende Orte wie Dröschkau, Gut Kirchberg und Altefeld aufzusuchen.

So nutzte ich beispielsweise während des Bad Harzburger Meetings einen rennfreien Tag, um das ca. 25km entfernte Gut Kirchberg aufzusuchen. Glücklicherweise fuhr mich an diesem regnerischhässlichen Freitag mein Braunschweiger Sammlerfreund Dieter Hemme nicht nur ortskundig sicher ans Ziel, sondern dokumentierte mit einer Photoserie diesen von der Birkhahn-Besitzerin damals gewählten und heute zu Seesen gehörenden Aufenthaltsort.

Hier lernte ich den früheren Gutsherrn, Georg von Petersdorff-Campen kennen, der mir – obwohl unangemeldet an die Tür geklopft – freundlicherweise erste Fragen beantwortete. Als Fünfzehnjähriger hatte er auf dem elterlichen Rittergut die hier in der Nachkriegszeit Zuflucht gefundene Frau von Heynitz mit ihren Pferden wahrgenommen und dabei mit Interesse verfolgt, wie diese ihre Mutterstute und den Jährling rund um die Uhr versorgte. Die Begegnung mit diesem sympathischen Zeitzeugen, erwies sich für mich als ein ausgesprochener Glücksfall. Abgesehen davon, dass wir unser gemeinsames Interesse an der Genealogie entdeckten, war er für mich ein anregender Gesprächspartner und der Schlüssel für weitere Informationsquellen, wobei hier vor allem seine Cousine, Frau Maria von Heinemann, zu nennen wäre. Beiden verdanke ich mein Wissen über die Lebensdaten der Frau von Heynitz und ihrem damaligen Zufluchtsort Kirchberg.

Die in Leipzig geborene und jetzt in Norddeutschland lebende Frau von Heinemann war die erklärte Lieblingsenkelin der Frau von Heynitz. Ihre Großmutter lebte damals in Hannover und sie wurde von ihr oft in den Rennstall und zum Reiten mitgenommen. In jener Zeit hatte Frau von Heynitz ein Rennpferd namens Pastorale und wenn dieses auf der Großen Bult in Hannover startete, durfte sie mit in den Führring gehen. Sie erinnert sich noch heute gerne an die erlebnisreiche Zeit, die sie mit ihrer Großmutter verbringen konnte. Ihre Erzählungen und die mir aus ihrem Privatbesitz selbstlos zur Nutzung überlassenen Zeitdokumente in Form von Photos aus dem Familienalbum und Zeitungsausschnitten dienten einer weiteren inhaltlichen Bereicherung meines „Birkhahn-Archivs“.

Ein ebenso offenes Ohr für mein Anliegen, das Gut Dröschkau und das Gestüt Altefeld kennen zu lernen, fand ich bei dem Ortschronisten Herrn Klaus Lotzenburger sowie dem Ehepaar Doris und Manfred W. Graf. Die mit ihnen geführten Gespräche waren für meine Arbeit sehr aufschlussreich. So gilt mein besonderer Dank allen genannten Personen, die mir ihre – mit dem Namen Birkhahn verbundene – Anwesen stolz präsentierten.

Im Ergebnis dieser Exkursionen waren dann so viele interessante Materialien angefallen, dass es sich lohnte, die neuen Sachverhalte für eine inhaltlich erweiterte Buchausgabe aufzubereiten. In Anbetracht der dabei gewonnenen zahlreichen neuen Tatbestände ergab sich die Frage nach einem etwas überarbeiteten Nachdruck oder einer Neuausgabe der „Birkhahn-Story“. Ich habe mich schließlich dafür entschieden, das Buch unter demselben Titel noch einmal neu herauszugeben.

Für die Unterstützung bei der Erstellung des Layouts bin ich Frau Dr. Birgit Dombeck und Herrn Harald Lohr sowie für die nochmalige Durchsicht des Manuskripts Herrn Klaus-Dieter Graage zum Dank verpflichtet.

Taucha, im März 2006 Hans –Volkmar Gaitzsch

Prolog

Im Stallhof der Leipziger Galopprennbahn erinnert eine an einem Boxentrakt (Abb. 1) angebrachte Gedenktafel an das beste je im Scheibenholz trainierte Pferd: BIRKHAHN.

Die sechszeilige Inschrift auf dem oberen Teil der bronzefarbenen Gedenktafel informiert den neugierigen Betrachter:

„In diesem Stalltrakt stand von 1947 – 49

der Derbysieger von 1948

(Blaues Band von Hoppegarten u. Hamburg)

B I R K H A H N

br. H. von Alchimist aus der Bramouse

*14.03.1945 + 18.06.1965“

und verrät uns damit auch das im Jahr 2005 begangene Doppel-Jubiläum: Den 60. Geburtstag und 40. Todestag des Leipziger Doppel-Derbysiegers. (Abb. 2)

Abb. 1: Der Scheibenholzer Stallhof mit Blick auf Birkhahns damaligen Boxentrakt

Die Birkhahn-Story gäbe genug Stoff für ein noch ungeschriebenes und auf einen Produzenten wartendes Drehbuch. Schon die Abstammung des von Frau Madlene von Heynitz gezogenen und in den letzten Kriegstagen im ehemaligen Wehrmachts-Gestüt Altefeld geborenen Hengstfohlens ist brisant. Seine vielen Lebensstationen, angefangen vom mit seiner Besitzerin geteilten Flüchtlingsdasein, wie er sich im Rennstall zu einem Ausnahmepferd entwickelte und später in der Zucht Spuren bis in die heutige Zeit hinterließ, würde genügend Würze für einen Dokumentar-Spielfilm beinhalten. Vielleicht lesen potentielle Filmemacher diese Birkhahn-Gedenkschrift und lassen sich von der Story über eine Turflegende inspirieren. Der Autor hat bereits dazu eine Konzeption für ein Drehbuch erarbeitet und plant selbst eine Videoproduktion (siehe Seite 182).

Abb. 2: Die vom Stall „H.V.G.“ für den Doppel-Derbysieger Birkhahn gestiftete Gedenktafel

Teil I: BIRKHAHNS LEBENSWEG

1. Zuchtwahl mit Vorgeschichte

Die passionierte Pferdefrau Madlene von Heynitz hatte eine gute Entscheidung getroffen, als sie ihre Mutterstute Bramouse zur Bedeckung zu Alchimist nach Graditz schickte. Damit wiederholte sie die bereits bei Bürgermeister erfolgreich umgesetzte Zuchtwahl, wenn auch in etwas abgewandelter Form. Diesmal wurde nicht Herold, sondern dessen Sohn als Deckhengst bemüht. Das Zuchtergebnis, ein 1945 geborenes braunes Hengstfohlen, sollte schon zwei Jahre später auf der Rennbahn und danach als Deckhengst für Furore sorgen Zunächst einmal hatte aber Frau von Heynitz nach dem Kriegsende mit der Zuchtstute samt ihrer Nachzucht reichlich Probleme mit den Besatzungsbehörden bekommen. Denn Birkhahns Mutter, der französischen Stute Bramouse, haftete noch lange der Verdacht auf deutsche Kriegsbeute an. Der sich als unbegründet erwiesene Vorwurf hatte aber eine interessante Vorgeschichte.

Frau von Heynitz hatte sich Ende 1939 bei den zuständigen Behörden um eine Mutterstute für ihre kleine Zuchtstätte in Dröschkau beworben. In dieser Zeit verfassten Vertreter von privaten Zuchtstätten, wie Oberlandstallmeister G. von Lippa (Leiter des Gestüts Mydlinghoven), Landstallmeister Graf Sponeck (Leiter des Gestüts Schlenderhan) und Graf Spreti (Gestüt Waldfried) eine Eingabe an das OKD des Heeres, Abt. Reit- und Fahrwesen. Sie baten darin ‘angesichts der zahlenmäßig großen Importationen der Armee, der SS, des Auswärtigen Amtes und des Christian Weber’ zur Wahrung der Chancengleichheit, eigene Einkäufe in Frankreich machen zu dürfen. Das Gesuch wurde überraschend sehr schnell genehmigt. Daraufhin wurde am 15. 10. 1940 eine Kommission gebildet, die auf Einkaufstour nach Frankreich fuhr. Außer dem durch einen Unfall verhinderten Graf von Sponeck reisten neben dem Generalsekretär des Union-Clubs Herr Altenburg und G. von Lippa auch der Graditzer Gestütsleiter Graf Kalnein. Landstallmeister Hans Georg Graf von Kalnein wurde 1877 in Kilgis (Kreis Preußisch Eylau) geboren. Nachdem dieser zwölf Jahre lang das Landgestüt Celle erfolgreich geleitete hatte, übernahm er 1927 das Gestüt Altefeld. Im Jahre 1930 wechselte Graf Kalnein von dort mit dem gesamten Vollblutbestand in das Gestüt Graditz und führte dieses bis zum Kriegsende.

Die Kommission besuchte etwa 15 Gestüte in der Normandie sowie der Umgebung von Paris und erwarb mit ordnungsgemäßen Kaufverträgen 54 Pferde.

Behilflich bei der Zusammenstellung des Lots waren der ehemalige Leiter des Aga Khan-Gestütes in Frankreich der Comte de Berignac und Herr von Osten-Seckendorf, der gute Beziehungen zu Marcel Boussac besaß. Bei den Verkaufsverhandlungen mit Baron Rothschild soll dieser Graf Kalnein gebeten haben: „Nehmen Sie mir doch noch ein paar Stuten ab, ich habe kein Futter mehr, sie durchzuhalten.“ Daraufhin war dann auch noch die unscheinbare Bramouse mit auf die Verkaufsliste gekommen.

Die Pferdetransporte kamen am 14. und 15. Dezember 1940 in Köln wohlbehalten an. Obwohl die Pferde legal im besetzten Frankreich erworben wurden, war dann in den ersten Nachkriegsjahren immer wieder von Beutegut die Rede. Dies erwies sich eigentlich als gegenstandslos, zumal Baron Rothschild und der Comte de Berignac die Rechtskräftigkeit der Kaufverträge nach der Befreiung Frankreichs bestätigten.

Am 18. Dezember wurde dann eine Verlosung von 26 Mutterstuten (fast alle tragend) sowie 38 Jährlingen, Fohlen und Absetzen durchgeführt. An der Verlosung beteiligten sich 34 Züchter und Besitzer, die aber teilweise (wie auch Frau von Heynitz ) nicht persönlich anwesend waren. Die vierjährige braune Stute Bramouse aus der Zucht des Baron M. de Rothschild wurde Frau Madlene von Heynitz zugelost und mit 6.000 Reichsmark bezahlt. Den geschäftlichen Teil des Eigentumsüberganges besorgte Graf Kalnein in Vertretung für die vor Ort nicht anwesende Frau von Heynitz. Zusammen mit den für das Gestüt Graditz bestimmten Pferden ging Bramouse auf Transport in Richtung neue Heimat. In Graditz angekommen, übergab Graf Kalnein die Stute der Frau von Heynitz, die ihm den verauslagten Kaufpreis erstattete.