Die Bundespflegekammer - Ursula Jendrsczok - E-Book

Die Bundespflegekammer E-Book

Ursula Jendrsczok

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Beschreibung

Die erste Landespflegekammer (Rheinland-Pfalz) hat ihre Arbeit aufgenommen; weitere (Schleswig-Holstein, Niedersachsen) befinden sich in der Gründungsphase. In anderen Bundesländern (Berlin, Mecklenburg-Vorpommern) wurde bereits positiv abgestimmt. Immer wird dabei die Errichtung einer Bundespflegekammer angestrebt. Sie soll die Interessen der Pflegenden auf Bundesebene vertreten und auch Einfluss auf die Qualität und Ausbildung der Pflegenden nehmen. Dieses Buch basiert auf der Masterarbeit von Ursula Jendrsczok (benotet mit „sehr gut“). Es zeigt den Weg zur Bundespflegekammer, nennt die Ziele und Aufgaben, zeigt Chancen und Risiken einer solchen Gründung.

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Ursula Jendrsczok | Manuela Raiß

Die Bundespflegekammer

Mehr Autonomie – mehr Anerkennung:Warum eine Selbstverwaltung für Pflegende so wichtig ist

schlütersche

Ursula Jendrsczok ist Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, absolvierte einen Bachelor in Pflege mit Schwerpunkt Management (B.Sc.) sowie einen Master in Health Care Management (M.Sc.). Sie verfügt über Berufserfahrung in der Perinatologischen Intensivmedizin. Seit Beginn des Kammeraufbaus arbeitet sie in Rheinland-Pfalz in den Geschäftsstellen der Gründungskonferenz (2013–2014), des Gründungsausschusses (2015) und seit dem 01.01.2016 in der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz. In Ihrer Masterthesis befasste sie sich umfassend mit dem Thema: »Die Professionalisierung der Pflegeberufe in Deutschland durch die Errichtung von Landespflegekammern und Bundespflegekammer«.

Manuela Raiß ist Altenpflegerin und Pflegemanagerin (Dipl. FH) und Pflegewissenschaftlerin (M.Sc.N). Seit 2015 gestaltet sie in der Geschäftsstelle der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz deren Aufbau mit (weitere Informationen zur Person unter: www.iwig.de). Sie war lange Jahre freiberuflich als Pflegesachverständige und Qualitätsbeauftragte, sowie Fachbuchautorin und Dozentin in den Bereichen SGB XI/SGB V/Heimgesetz/Betreuungsrecht, tätig.

»Wir benötigen jetzt auch zügig die Einrichtung einer Bundespflegekammer, zur Bündelung der Länderaktivitäten mit einer Selbstverwaltung und zur Unterstützung derer, die sich noch im Aufbau befinden.«

(ANDREAS WESTERFALLHAUSAUF DEM 2. DEUTSCHEN PFLEGETAG,MÄRZ 2016 IN BERLIN)

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89993-384-0  (Print)

ISBN 978-3-8426-8874-2  (PDF)

ISBN 978-3-8426-8876-6  (EPUB)

© 2017 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover

Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.

Reihengestaltung:

Groothuis, Lohfert, Consorten, Hamburg

Umschlaggestaltung:

Kerker + Baum, Büro für Gestaltung GbR, Hannover

Titelfoto:

Artalis-Kartographie –

Fotolia.com

INHALT

Vorwort

Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz

Pflegekammern – Von der Pflege für die Pflege

Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR)

Bundespflegekammer – Erste Adresse für die Bundespolitik

Kurzfassung

1Einführung

2Prozess der Professionalisierung des Pflegeberufs

2.1Pflegen zwischen Zeitnot und fachlicher Komplexität – Eine Beschreibung der Ist-Situation

2.2Von der Laienpflege zur »Profession Pflege« – Ein Exkurs

3Gemeinsam autonom handeln – Das Prinzip der Selbstverwaltung

3.1Staatsgewalt vs. gesellschaftliche Selbstregulierung

3.2Funktionale berufliche Selbstverwaltung im Allgemeinen und Speziellen

3.3Entwicklungsbedarf der professionellen Pflege

3.3.1Berufsrechtliche Grundlagen

3.3.2Autonomie, Anerkennung und Prestige

3.3.3Handlungsmonopol

3.3.4Spezialisiertes Wissen, Akademisierung und Berufsethik

3.3.5Berufsorganisation und Selbstverwaltung

3.4Aufbau von Landespflegekammern – Jetzt reguliert die Pflege selbst!

3.4.1Rechtliche Grundlagen

3.4.2Ziele und Aufgaben

3.4.3Struktureller Aufbau

3.5Entwicklung in den einzelnen Bundesländern

3.5.1Rheinland-Pfalz

3.5.2Schleswig-Holstein

3.5.3Niedersachsen

3.5.4Bayern

3.5.5Weitere Bundesländer

3.5.6Pflegekammern im Überblick

4Bundeskammern der Heilberufe

5Bundespflegekammer – Die Spitzenorganisation der Pflege

5.1Ziele und Aufgaben

5.2Rechtsform

5.3Organe – Viele Landespflegekammern bilden eine Bundespflegekammer

5.3.1Mitgliederversammlung

5.3.2Vorstand

5.3.3Besondere Vertreter

5.4Regelwerke – das Grundgesetz der Bundespflegekammer

6Voraussetzungen der Gründung – Es kann los gehen!

6.1Der Zeitpunkt der Gründung ist frei wählbar

6.2Eckpunkte einer Gründungssatzung der Bundespflegekammer

6.3Organigramm der Bundespflegekammer

7Zusammenfassung

8Ausblick – Chancen und Risiken der Zukunft

8.1Für den Pflegeberuf

8.2Für die Pflegeempfänger

8.3Für die Gesellschaft

Literatur

Bücher, Sammelwerke, Kommentare, Abschlussarbeiten, Pressemitteilungen

Zeitschriften- und Zeitungsartikel

Internetquellen

Weitere Quellen

EU-Vertrags-, Gesetzesverzeichnis

Urteilsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Register

VORWORT

Pflegekammern – Von der Pflege für die Pflege

Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz

Die Zukunft der Pflege selbst gestalten – und dies zu 100 %. Die Errichtung der ersten deutschen Pflegekammer in Rheinland-Pfalz ist ein Meilenstein in der Geschichte der Pflege. Erstmals können wir als starke Stimme der Pflege sprechen und mit bedeutender berufspolitischer Durchsetzungskraft die Bedürfnisse der Pflegenden, der Pflegeempfänger und der Gesellschaft vertreten.

Bereits in den letzten 15 Jahren zeichnete sich ein wachsendes politisches Interesse an der Arbeit der Pflegefachpersonen in Deutschland ab. Dennoch reichte dieses Engagement bisher bei weitem nicht aus, um maßgeblich und auf Augenhöhe mit den anderen Akteuren des deutschen Gesundheitswesens die Rahmenbedingungen des Gesundheits- und Pflegesystems aktiv mitzugestalten. Diese Möglichkeit wurde den Pflegenden in Deutschland bislang verwehrt.

Der entscheidenden Rolle der Pflegenden, die mit rund 40 000 Mitgliedern in Rheinland-Pfalz die mit Abstand größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen darstellen, wird mit der Übertragung der Selbstverwaltung endlich Rechnung getragen.

Diesem bedeutenden Schritt gingen Jahrzehnte des persönlichen Engagements vieler Pflegenden im Land voraus. Gemeinsam gründeten die Berufsverbände und Organisationen der Pflege eine Dachorganisation, den Dachverband der Pflegeorganisationen (DPO). Darin bündelten Sie die Interessen und die Fachexpertise der Pflege, setzen sich immer wieder mit den landespolitischen Vertretern auseinander und forderten das Mitspracherecht und die Selbstverwaltung für die Pflegenden ein. Zunehmend erkannte auch die Politik die entscheidende Rolle der Pflege in der Sicherstellung der gesellschaftlichen Gesundheitsversorgung. Letztlich profitiert nicht nur die Politik von einem festen, kompetenten und zuverlässigen Ansprechpartner, wenn es um Fragen zur pflegerischen Versorgung der Gesellschaft oder die Ausgestaltung der pflegerischen Berufsausübung geht. Es steht fest – nur wir Pflegenden selbst können Pflege bedarfsgerecht und zielführend gestalten.

Die Parteien im rheinland-pfälzischen Landtag verabschiedeten einstimmig das Gesetz zur Errichtung der ersten Pflegekammer. Jetzt sind wir und Sie alle, die in der Pflege tätig sind, aufgerufen, dieses Vertrauen anzunehmen und unsere Zukunft in der Pflege selbst zu gestalten!

Wir leisten Pionierarbeit, die langfristig in ganz Deutschland zu spüren sein wird!

Die Belastung des Pflegepersonals hat sich in allen Sektoren in den letzten Jahren verschärft. Die Problematik der mangelnden Refinanzierung z. B. im Krankenhaussektor bringt die Einrichtungen an ihre Grenzen. Der ökonomische Druck wirkt sich dabei vor allem auf die Personalstellen aus. Dies verhindert einen bedarfsgerechten und dringend erforderlichen Stellenaufbau und führt im Gegenteil unweigerlich zu einem Stellenabbau im Bereich der Pflege. Die Qualität der pflegerischen Versorgung ist gefährdet. Als Pflegekammer können wir hier als Sprachrohr der Pflegenden und als Anwalt der Pflegeempfänger entscheidend Einfluss nehmen. Wir sitzen nun mit an den Tischen an denen Entscheidungen vorbereitet und getroffen werden. Die Pflege, die Gesellschaft und die Partner im Gesundheitswesen profitieren von unserer neutralen und starken Stimme der Pflegenden. Wir werden uns mit Ideen und Lösungsansätzen einbringen.

Die Landespflegekammer in Rheinland-Pfalz hat zu Beginn dieses Jahres ihre inhaltliche Arbeit aufgenommen. Bereits jetzt haben wir viele Themen angestoßen und befassen uns in der Vertreterversammlung, dem Vorstand sowie in zahlreichen Ausschüssen und Arbeitsgruppen mit z. B. Unterstützungsangeboten für die Pflegenden vor Ort, der Fort- und Weiterbildung, der Langzeitpflege oder der Fachsprachüberprüfung, um nur einige Themen aufzuzeigen. Zudem ist uns die fachliche und berufsrechtliche Beratung der Pflegenden im Land von Anfang an wichtig.

Wir in Rheinland-Pfalz unterstützen die Bundesländer, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben, eine Pflegekammer zu errichten. Neben Schleswig-Holstein und Niedersachen sollen bald weitere Bundesländer folgen. Ziel ist es, in allen Bundesländern eine starke Berufsvertretung der Pflegenden zu etablieren, um gemeinsam die pflegerische Versorgung der Gesellschaft zu gestalten. Wir als Landespflegekammer sprechen uns für eine Dachorganisation auf Bundesebene aus. Diese wird die Interessen aller 1,2 Millionen Pflegende im Bund bündeln und Einfluss auf die bedeutenden bundespolitischen Prozesse nehmen. Damit verschaffen wir uns bundesweit Gehör. Zudem fördert eine Bundespflegekammer den Aufbau der Landeskammern und koordiniert und vereint die Aktivitäten der Länder. Die ersten Landeskammern werden den Aufbau einer Bundeskammer beraten und diesen herausfordernden Prozess gestalten. Pflegekammern fördern den Wissenszuwachs der Pflegenden und zeigen den Professionsangehörigen einen gemeinsamen Weg auf. Autonomes Handeln der Pflege wird auch die Haltung, das berufliche Selbstverständnis und nicht zuletzt den Professionalisierungsprozess der Pflegenden insgesamt positiv beeinflussen. Gelingt dies, wird der Wert der professionellen Pflege für die Professionsangehörigen selbst aber auch für die Gesellschaft und die Politik nachhaltig spürbar. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für die Weiterentwicklung des gesamten Berufsfeldes.

Der Aufbauprozess benötigt Zeit und erfordert Mut für Neues. Mit dem Aufbau der Kammerstrukturen investieren wir schon heute in die Zukunft der Pflege. Mit einer Bundespflegekammer setzen wir darüber hinaus ein Zeichen für die Pflege in ganz Deutschland.

Die vorliegende Abhandlung zur Bundespflegekammer ist die konsequente Weiterentwicklung von Arbeiten über die Pflegekammern insgesamt. In der Arbeit werden Wege zur Etablierung einer Bundespflegekammer aufgezeichnet. Ich beglückwünsche die Autorinnen zu Ihrem ausgezeichneten Werk und empfehle, die Überlegungen dringend in die Konzeption einer zukünftigen Bundespflegekammer aufzunehmen.

Dr. Markus Mai

Bundespflegekammer –Erste Adresse für die Bundespolitik

Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR)

Deutschland braucht Pflegekammern in allen Bundesländern, in dieser Konsequenz benötigt Deutschland eben auch eine Bundespflegekammer auf der Bundesebene. Sowohl die Länderpflegekammern als auch eine Bundespflegekammer sind der Garant dafür, dass die Berufsgruppen der professionell Pflegenden als wichtige und erstzunehmende Akteure in den Mittelpunkt der pflegerischen Versorgung gestellt werden.

Das bedeutet für die Pflegefachpersonen Wertschätzung pur und zugleich das Ende über die Fremdbestimmung deren Interessen. Die Pflegenden müssen künftig selbst bestimmen können, was angesichts der großen Herausforderungen das Beste für ihre Berufsgruppe ist. Hierzu gehört die eigene Festlegung ihrer Berufsrechte, ihrer Ziele und Aufgaben.

Erfolgreich gestartet ist die Landespflegekammer in Rheinland-Pfalz. Schleswig-Holstein und Niedersachsen werden folgen. Umso bedeutsamer wird die schnelle Etablierung einer Bundespflegekammer als zentrales Organ von Landespflegekammern. Sie wird als Dachorganisation aller Pflegekammern in Deutschland die Professionalisierung der beruflich Pflegenden enorm vorantreiben können.

Die Bundespflegekammer wird bei Kammergründungen in allen Bundesländern mit einer Mitgliederzahl von über 1,2 Millionen Beschäftigten in der Pflege die größte aller Berufskammern in Deutschland sein. Sie wird damit mit einem hohen Grad an politischer Durchsetzungskraft ausgestattet.

Letzteres ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn Fakt ist, dass viele Themen auf Bundesebene heute mit weitaus mehr Einfluss der professionell Pflegenden diskutiert würden, wenn es bereits eine Bundespflegekammer als Dachorganisation aller Pflegekammern in Deutschland gebe. Das macht die aktuelle Diskussion um ein Pflegeberufereformgesetz mehr als deutlich. Die Politik braucht Klarheit und einen eindeutigen Ansprechpartner für die Belange der professionell Pflegenden. Die Bundespflegekammer wird diesen berechtigten Ansprüchen voll und ganz gerecht werden.

Ihr oberstes Ziel wird es sein, auf Bundesebene dafür Sorge zu tragen, dass eine sachgerechte und professionelle Pflege der Bevölkerung sichergestellt ist. Ihre Aufgaben werden die Definition der Inhalte und des Spektrums der Pflege sein. Dazu gehören u. a. auch die Schaffung einer einheitlichen Berufsethik und Berufsordnung sowie die Sicherung der beruflichen Fort-und Weiterbildung.

Hierzu wird die wie die Bundesärztekammer, einer der wichtigsten Akteure sein, wenn es darum geht, Gesetze auf Bundesebene zu beraten und an Gesetzgebungsverfahren aktiv beteiligt zu sein.

Dabei stehen bei allen unterschiedlichen Aufgaben die Wahrung der Interessen der beruflich Pflegenden und die Sicherung der Qualitätsstandards im Sinne der Patientensicherheit an erster Stelle. Angesichts des demografischen Wandels und der Umverteilung der Aufgaben wird die Bundespflegekammer auch zu der dringend benötigten stärkeren Positionierung gegenüber angrenzenden Berufsgruppen, insbesondere gegenüber der Ärzteschaft führen, und doch das Gemeinsame im Blick haben.

Der Deutsche Pflegerat ist zuversichtlich, dass es spätestens mit der Gründung einer Bundespflegekammer gelingt, zusammen mit den Berufsverbänden die Arbeitsbedingungen in der Pflege gewaltig und nachhaltig zugleich zu verbessern. Das ist Gleichberechtigung auf Augenhöhe. Auch wenn die Kammern nicht in die Tarifhoheit in Deutschland eingreifen, so zeigen die Erfahrungen mit anderen Berufen, die über eine Kammer verfügen, dass diese in den meisten Fällen neben einer besseren Ausbildung und besseren Arbeitsbedingungen auch von einer besseren Entlohnung für ihre hochwertigen Leistungen profitieren.

Wie die Landespflegekammern, so wird auch die Bundespflegekammer zu einem enormen Motivationsschub und zu mehr Selbstvertrauen bei den professionell Pflegenden führen. Letztlich wird sie wesentlich zum Schutz des Ansehens der Berufsgruppe in der Öffentlichkeit beitragen.

Der Deutsche Pflegerat ist stolz darauf, dass in Rheinland-Pfalz die erste deutsche Landespflegekammer mit einer solch hohen Professionalität an den Start gegangen ist. Das ist ein Spiegelbild dessen, wie wir der Autonomie und dem Selbstverständnis unserer Berufsgruppe gegenüber stehen.

Einige Bundesländer wie etwa Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben die notwendigen Schritte zur Selbstverwaltung eingeleitet. An alle anderen Bundesländer richtet der Deutsche Pflegerat den Appell: Folgen Sie konsequent dem positiven Beispiel aus Rheinland-Pfalz und geben Sie den Weg für weitere Gründungen von Pflegekammern frei. Selbstbestimmung steht am Anfang, um eine qualitätsgesicherte Weiterentwicklung der Profession Pflege zu ermöglichen.

Denn es geht um die Menschen in dieser Gesellschaft und ihre Versorgungssicherheit – deswegen ist Aufbruch und Handeln jetzt gefragt.

Andreas Westerfellhaus

KURZFASSUNG

Das Gesundheitssystem in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Die Anzahl älterer und zugleich multimorbider Bürgerinnen und Bürger steigt rasant. Gleichzeitig wächst der ökonomische Druck in allen Bereichen des Gesundheitswesens. Komplexe Versorgungssituationen erfordern eine umfassende, fachliche und qualitativ hochwertige, pflegerische Patientenversorgung. Der zunehmende Fachkräftemangel, hohe physische und psychische Belastungsfaktoren und ein steigendes Arbeitspensum stellen enorme Anforderungen an die Berufsangehörigen der Pflege. Da die bestehende Infrastruktur der Pflegebranche bereits heute an ihre Grenzen stößt und die bedarfsgerechte Patientenversorgung gefährdet ist, sind weitreichende Reformen erforderlich.

Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, ist die Weiterentwicklung des Pflegeberufes hin zu einer Profession elementare Voraussetzung. Professionelles Handeln ist unabdingbar, wenn man der zunehmenden Komplexität und Dynamik im Gesundheitswesen gerecht werden will. Professionsangehörige zeichnen sich durch ihre Qualifikation aus, besonders durch die Ausübung situationsintelligenter und kreativer Handlungen, fern von schematischen Handlungsabläufen. Anerkennung, Prestige, Autonomie und Selbstverwaltung kennzeichnen eine Profession.

Obgleich die Berufsangehörigen der Pflege die mit Abstand größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen darstellen und maßgeblich zum Genesungsund Versorgungsprozess der Patienten beitragen, wird ihnen bisher nur ein verhältnismäßig geringes Mitspracherecht in der Gestaltung des Gesundheits- und Pflegewesens eingeräumt. Im Zuge der Professionalisierung und einer gleichberechtigten Beteiligung der Heilberufe in Deutschland fordern Pflegefachpersonen seit Jahrzehnten die Errichtung von Pflegekammern auf Landes- und Bundesebene.

Pflegekammern übernehmen als berufsständische Selbstverwaltungsorgane, im Sinne des Partizipationsprinzips, hoheitliche Aufgaben vom Staat und sind charakteristisch für den Korporatismus im Gesundheitswesen. Mit der Errichtung der Landespflegekammer in Rheinland-Pfalz wurde in Deutschland Pflegegeschichte geschrieben. Erstmals erhält die Pflege eine Stimme, kann ihre beruflichen Belange autonom regeln und bekommt die Möglichkeit auf Augenhöhe mit den anderen Heilberufen zu agieren. Kammern nehmen dabei die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange ihrer Mitglieder wahr. Die Bundespflegekammer wird, als Spitzenorganisation der pflegerischen Selbstverwaltung auf Bundesebene, das berufliche Zusammengehörigkeitsgefühl der professionell Pflegenden stärken, fachliche und berufspolitische Aktivitäten länderübergreifend strategisch ausrichten und die pflegerische Versorgung der Gesellschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene gestalten. Pflegekammern fördern mit der Vielzahl ihrer Aufgaben den Professionalisierungsprozess der Pflege in Deutschland und sichern die bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige pflegerische Versorgung der Gesellschaft.

Schlüsselwörter: Herausforderungen der Pflegebranche, Professionalisierungsprozess, Selbstverwaltung, Berufsständische Kammern, Pflegekammern auf Landes- und Bundesebene

1EINFÜHRUNG

Zusammenfassung

Pflegende schreiben Geschichte: Im Anschluss an die erstmalige Gründung einer deutschen Pflegekammer wird der Wunsch laut nach einer Spitzenorganisation der pflegerischen Selbstverwaltung auf der Bundesebene.

Der Pflegesektor zählt zu den wichtigsten und wachstumsstärksten Dienstleistungsbranchen Deutschlands. Er ist eine bedeutende Zukunftsbranche und nimmt als solche eine tragende Rolle in der gesamtwirtschaftlichen Situation des Landes ein.1 So kommt eine innovative und verbesserte Gesundheitsversorgung den Bürgerinnen und Bürgern zu Gute und fördert Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung. Darüber hinaus tragen deutsche Gesundheitsunternehmen zum Wohlstand und Wachstum der Volkswirtschaft bei.2

Die zunehmende Anzahl älterer und zugleich pflegebedürftiger Bürgerinnen und Bürger, steigende Gesundheitsausgaben und der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal stellen die Einrichtungen des Gesundheitswesens vor enorme Herausforderungen. Chronische, demenzielle und multimorbide Krankheitsbilder führen zudem zu komplexen Versorgungssituationen in der Pflege.3 Diese aktuellen Anforderungen bringen die bestehende Infrastruktur der Pflegebranche bereits heute an ihre Grenzen.4

In der Problembewältigung dieser Situation, die grundlegend auf den demographischen Wandel zurückzuführen ist, nehmen qualifizierte Pflegefachpersonen eine Schlüsselposition ein.5 Mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten zählen sie zur größten Berufsgruppe des deutschen Gesundheitswesens.6 Allerdings tragen sie selbst nur unverhältnismäßig wenig zur konzeptionellen Gestaltung des Gesundheitswesens und der Gesundheitsversorgung der Patienten bei.7 Um die pflegerische Versorgung der Gesellschaft in Zukunft sicherstellen zu können, müssen strukturorganisatorische und inhaltliche Veränderungsprozesse angestoßen werden. Die professionell Pflegenden in Deutschland streben zunehmend nach Autonomie, Mitbestimmung und gleichwertiger Anerkennung.8 Die effektivste Steuerungsmöglichkeit zum Erhalt des gesundheitlichen Wohls der Bevölkerung besteht in der Übertragung der Regulierungsverantwortung des Berufsstandes in die Hände der Berufsangehörigen.9 Das Grundgesetz lässt die Übertragung von öffentlichen Aufgaben, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, auf Selbstverwaltungskörperschaften, z. B. Berufskammern zu.10

Mit der Errichtung der ersten Pflegekammer in Rheinland-Pfalz wurde in Deutschland Pflegegeschichte geschrieben.11 Während andere Heilberufe im Gesundheitswesen bereits seit Jahrzehnten die Möglichkeit haben, ein Selbstverwaltungsorgan in Form einer Berufskammer errichten zu können, blieb diese Möglichkeit der Pflege lange Zeit verwehrt. Berufskammern auf Landes- und Bundesebene ermöglichen es den Pflegefachpersonen mit einer Stimme zu sprechen, die Interessen aller Berufsangehörigen zu vertreten und berufsspezifische Belange selbst zu regeln.12

Doch wie werden sich Pflegekammern auf den Berufsstand der Pflegenden und auf die pflegerische Versorgung der Gesellschaft auswirken?

Dieses Buch zeigt auf, wie Pflegekammern auf Landes- und Bundesebene zur Professionalisierung des Pflegeberufes beitragen und somit ein Garant für die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung in Deutschland sind. Es werden die Ziele, Aufgaben sowie die Ausgestaltung der Kammerarbeit auf Landes- und Bundesebene im Fokus der Professionalisierungskriterien des Berufsstandes der Pflege beschrieben.

Zu Beginn dieses Buches werden die vielfältigen Anforderungen, die aktuell an das deutsche Gesundheits- und Pflegewesen gestellt werden, näher erläutert. Diese bestimmen den Arbeitsalltag der Pflegenden und stellen zunehmend Herausforderungen an die Pflegebranche.

Kapitel 2 beschreibt die theoretischen Grundlagen des Professionalisierungsprozesses der Pflegeberufe. Der Fokus liegt dabei auf den Kriterien, die auf dem Weg zu einer Profession erfüllt werden müssen und somit den Erhalt des vollständigen Professionsstatus ermöglichen. Diese dienen der anschließenden Bewertung der Ziele, Aufgaben und Ausgestaltung der Kammerarbeit auf Landes- und Bundesebene im zweiten Teil des Buches.

In Kapitel 3 werden daraufhin die Begriffe Staatsgewalt und Gesellschaftliche Selbstregulierung voneinander abgegrenzt und im Kontext der europäischen und nationalen Rechtsnormen beschrieben. Grundlegende Erläuterungen zu Berufskammern als Organe der beruflichen Selbstverwaltung werden im allgemeinen und speziellem aufgezeigt. Der Bedarf einer beruflichen Selbstverwaltung der Pflege in Deutschland wird anhand der Professionalisierungskriterien herausgearbeitet. Die rechtlichen Grundlagen, Ziele, Aufgaben und der strukturelle Aufbau der Landespflegekammern werden aufgezeigt und geben einen Überblick über die aktuellen Gründungsbestrebungen auf Landesebene.

Zur Orientierung und Abgrenzung der Arbeit einer Bundespflegekammer werden in Kapitel 4 die Gegebenheiten der Bundeskammern der Heilberufe beschrieben. Anschließend werden die Ziele, Aufgaben und der strukturelle Aufbau einer Bundespflegekammer aufgezeigt (siehe Kapitel 5). Die gewonnenen Erkenntnisse spiegeln sich in einem Satzungsentwurf (siehe Kapitel 6) einer Bundespflegekammer wider. Im siebten Kapitel findet eine zusammenfassende Darstellung der Inhalte statt. Die zugrunde gelegten These, dass Pflegekammern auf Landes- und Bundesebene zur Professionalisierung des Pflegeberufes beitragen und somit ein Garant für die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung in Deutschland sind, wird kritisch geprüft und bewertet. Abschließend werden die Ausblicke und Chancen für die Zukunft der Pflege aufgezeigt. Dies mit spezifischem Blick auf die Leistungserbringer, die Pflegeempfänger und die Gesellschaft. Abschließend wird ein Ausblick gegeben und die Chancen für die Zukunft der Pflege, im Blick auf die Leistungserbringer, die Pflegeempfänger und die Gesellschaft, aufgezeigt.

1 Isfort, Klostermann, Gehlen, Siegling, Pflege-Thermometer 2014, 2014, S. 9.

2 Bundesverband deutscher Industrie e.V., Die Gesundheitswirtschaft – ein stabiler Wachstumsfaktor für Deutschlands Zukunft, 2013, S. 6.

3 Behr, Aufbruch Pflege, 2015, S. 17.

4 Albrecht, 2007, S. 4 in: Igl, Weitere öffenlich-rechtliche Regulierung der Pflegeberufe und ihrer Tätigkeit, 2008, S. 7.

5 Gohde in: Behr (Fn. 4) S. 56.

6 Statistisches Bundesamt, Fachserie 12 Reihe 7.3.1, 2013, S. 10 f.

7 Weltgesundheitsorganisation (WHO), Europa, Pflege im Aufbruch und Wandel, Stärkung des Pflege- und Hebammenwesens zur Unterstützung der »Gesundheit für Alle«, 1995, S. 17.

8 Heidecker, »Ich bin nur eine Krankenschwester«, 2004, S. 98; Kellnhauser, Krankenpflegekammern und Professionalisierung der Pflege 2012, S. 56; Mai in: Jendrsczok, 2016.

9 Hanika, Ihre erfolgreichen Pflegekammern in Deutschland und Europas, 2015, S. 75.

10 BVerGE 38, 281 und BVerfGE, Beschluss vom 07.12.2001 – 1 BvR 1806/98.

11 Gründungskonferenz zur Errichtung der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 17.12.2014, S. 1.

12 Hanika, (Fn. 9), S. XI.

2PROZESS DER PROFESSIONALISIERUNG DES PFLEGEBERUFS

2.1Pflegen zwischen Zeitnot und fachlicher Komplexität – Eine Beschreibung der Ist-Situation

Zusammenfassung

Die pflegerische Versorgung einer hochentwickelten Gesellschaft stellt umfassende Herausforderungen an die gesamte Pflegebranche. Eine immer älter werdende Gesellschaft und die damit steigende Anzahl an pflegebedürftigen, multimorbiden Patienten stehen einem zunehmenden ökonomischen Druck durch steigende Gesundheitsausgaben gegenüber. Der bestehende Fachkräftemangel, hohe physische und psychische Belastungsfaktoren und das steigende Arbeitspensum stellen dabei hohe Anforderungen an die Berufsangehörigen der Pflege.