Die drei ??? Fluch der Pharaonen (drei Fragezeichen) - Ben Nevis - E-Book

Die drei ??? Fluch der Pharaonen (drei Fragezeichen) E-Book

Ben Nevis

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Beschreibung

Zwei verflucht spannende Fälle in einem Band: Flüsternde Mumie: Kann eine 3000 Jahre alte Mumie flüstern? Noch dazu in einem altägyptischen Dialekt, den niemand verstehen kann? Die drei ??? sind entschlossen, das Geheimnis zu lösen, auch wenn der Fluch der Mumie sie treffen sollte. SMS aus dem Grab: Als Rubbish-George, der schrullige Tramp aus Rocky Beach, von einem Tag auf den anderen verschwindet, ahnen Justus, Peter und Bob sofort, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Zwischen den wenigen Habseligkeiten des wunderlichen Mannes finden die drei Detektive einen rätselhaften Brief. Die Spur führt zu den Pyramiden in Ägypten! Welches Geheimnis aber will Rubbish George dort lüften? Die drei ??? begeben sich in das dunkle Reich der Sphinx – und geraten dabei in die Falle!

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Seitenzahl: 343

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Fluch der Pharaonen

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2020, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur

ISBN 978-3-440-50077-4

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

und die flüsternde Mumie

erzählt von Robert Arthur

Kosmos

Aufregung per Post

»Hilfe! Rettet mich!«, schrie eine gellende Stimme in äußerstem Entsetzen. »Zu Hilfe!«

Die drei Detektive – Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews – hörten es, kümmerten sich aber nicht darum und arbeiteten weiter. Der Schreihals war ihr Maskottchen, der abgerichtete Rabe Blacky. Er lernte mit erstaunlicher Leichtigkeit Wörter und ganze Sätze und probierte sie dann begeistert aus.

»Justus!« Mathilda Jonas, Justs Tante, warf einen flüchtigen Blick auf Blackys Käfig, der im Lagerhof an einem Balken hing. »Du hast den Vogel zu viel fernsehen lassen. Er redet ja wie im Krimi!«

»Ganz recht, Tante Mathilda«, sagte Justus. Keuchend vor Anstrengung hob er eine alte Haustür vom Boden auf. »Wo soll ich die hintun?«

»Zu den anderen Türen. Los, ihr Burschen, steht nicht herum! Wir haben viel zu tun und die Zeit wird knapp!«

Den drei Detektiven wurde die Zeit eher lang. Unter Tante Mathildas Leitung waren sie mit einer Untersuchung beschäftigt, auf die sie ganz gern verzichtet hätten: Sie fanden heraus, was drei Jungen an einem heißen Tag alles schaffen können. Mrs Jonas, eine wohlbeleibte Frau, war in Wahrheit der Chef. Justs Onkel Titus kümmerte sich nur um den Einkauf und war die meiste Zeit unterwegs. Heute hatte Tante Mathilda einen ihrer häufigen Anfälle von Ordnungswut. Wenn es dazu kam, wurden Justus und – soweit greifbar – auch seine Freunde unbarmherzig herangezogen.

Während die drei Jungen schufteten – sie stapelten Baumaterial und räumten überall auf –, zog es sie mit Macht zur Zentrale, dem versteckten Campinganhänger, und zur Aufklärung eines neuen Falles. Der letzte Erfolg hatte ihr Vertrauen in ihre detektivischen Fähigkeiten sehr gestärkt – vielleicht mehr, als gut war.

Aber die Erlösung nahte erst mit dem Postboten, der einen Packen Briefe in den altertümlichen eisernen Briefkasten an der Tür fallen ließ. »Lieber Himmel!«, rief Mathilda Jonas. »Da hab ich doch glatt den Einschreibebrief für Onkel Titus vergessen, der heute noch zur Post sollte!«

Aus ihrer geräumigen Tasche fischte sie einen leicht zerknitterten Umschlag, strich ihn glatt und gab ihn Justus. »Fahr jetzt gleich zur Post und gib ihn auf. Da hast du Geld. Sieh zu, dass er möglichst morgen früh zugestellt wird.«

»Wird gemacht, Tante Mathilda«, versprach der stämmige Junge. »Peter und Bob werden mich so lange vertreten. Sie haben sich schon darüber beklagt, dass sie nicht richtig zum Zuge kommen.«

Während Bob und Peter lauthals protestierten, schwang sich Justus auf sein Rad und flitzte durchs Tor auf die Straße stadteinwärts.

Mrs Jonas lachte. »Na gut, ihr beiden«, sagte sie. »Für heute seid ihr entlassen. Ihr könnt jetzt Kriegsrat halten oder basteln oder hinter dem Krempel da drüben sonst was treiben.« Sie wies auf die Stapel von Altmaterial und Gerümpel, die Justs Werkstatt und die Zentrale (von der sie nichts ahnte) den Blicken entzogen. Dann wandte sie sich zum Büro. »Ich werde mir mal die Post ansehen. Vielleicht ist etwas für Justus dabei. Er hat sich in letzter Zeit so merkwürdige Mustersendungen bestellt.«

Die Jungen folgten ihr, froh, die Schufterei hinter sich zu haben. Mrs Jonas nahm die Post aus dem Kasten und blätterte sie durch. »Eine Einladung zu einer Versteigerung. Eine Rechnung. Ein Scheck für den alten Dampfkessel. Hmmm.« Sie klemmte sich einen Brief unter den Arm und machte weiter. »Noch eine Rechnung. Eine Postkarte von meiner Schwester Susanne. Und eine Reklame – Grundbesitz in Florida!« Sie musste lachen. Dann sah sie sich den nächsten Brief an, sagte wieder »Hmm« und steckte ihn ebenfalls weg.

Es gab noch ein paar Briefe für Titus Jonas – wahrscheinlich Anfragen nach speziellen Artikeln. Die Firma »Gebrauchtwarenzentrum T. Jonas« war weithin bekannt als der Ort, an dem man alles mögliche Ungebräuchliche oder schwer Aufzutreibende finden konnte. Unter anderem hatte Titus eine alte Orgel am Lager. Abends ging er manchmal in den Hof und spielte Seemannslieder. Patrick und Kenneth, die muskelstarken Brüder aus Irland, die die Schwerarbeit machten und die beiden Lastwagen des Unternehmens fuhren, gesellten sich dann zu ihm und sangen ganz ergriffen mit.

Als Mrs Jonas mit der Post fertig war, schüttelte sie den Kopf. »Nein, nichts für Justus.« Doch sie zwinkerte dabei heftig mit den Augen. »Allerdings sind zwei Briefe an ›die drei Detektive‹ dabei. Das ist doch euer neuer Club, nicht?«

Vor einiger Zeit, als sie sich für Rätsel und Preisausschreiben interessierten, hatten die Jungen einen Knobel-Club gegründet. Dieses Hobby hatte Justus auch dazu gebracht, sich am Wettbewerb einer Mietwagenfirma zu beteiligen – und dabei hatte er den altertümlichen Rolls-Royce mit Chauffeur gewonnen.

Da sie nun motorisiert waren, hatten die drei sofort das Detektivbüro gegründet, um sich künftig auch den ungelösten Rätseln des praktischen Lebens zu widmen. Mrs Jonas, leicht vergesslich in Angelegenheiten, die nicht direkt das Geschäft betrafen, sah in diesem Unternehmen noch immer einen Club. Das hatte sie sich einmal in den Kopf gesetzt, und da half kein Erklären. Also ließen es die Jungen auf sich beruhen.

Jetzt nahm Peter mit mühsam unterdrückter Erregung die Briefe entgegen. Schnurstracks liefen die beiden Jungen zur Zentrale. »Den Absender sehen wir uns erst an, wenn wir in der Zentrale sind«, sagte Peter. »Das kann ein Auftraggeber sein.«

»Eben«, stimmte Bob zu. »Dann kann ich unseren Korrespondenz-Ordner einweihen. Er steht schon lang bereit, aber Post hatten wir ja bisher nie bekommen.«

Sie schlängelten sich zwischen Stapeln von Altmaterial hindurch, bis sie zu Justs Werkstatt kamen. Sie enthielt eine Schlagbohrmaschine, eine Drehbank, eine Bandsäge, eine kleine Abzugpresse und anderes nützliches Gerät. All diese Dinge waren schrottreif hier gelandet, und Justus hatte sie mit seinen Freunden wieder gebrauchsfähig gemacht. Ein hoher Bretterzaun umgab den Lagerhof, und ein zwei Meter breites Dach, das an der Innenseite entlanglief, schützte nicht nur die wertvolle Ware, sondern auch die Werkstatt. Während der kurzen Schlechtwetterperioden behalf man sich zusätzlich mit Plastikfolie zum Abdecken.

Ein mächtiges Rohr aus geripptem Blech – ein ehemaliger Abzugskanal – blockierte scheinbar den Zutritt zu dem Platz hinter der Werkstatt. Als die Jungen jedoch ein Stück altes Eisengitter, das hinter der Druckerpresse verborgen war, zur Seite schoben, lag die Rohröffnung frei. Sie krochen hinein. Dann rückten sie das Gitter wieder an seinen Platz und arbeiteten sich auf Händen und Knien etwa fünfzehn Meter vorwärts. Der Luftschacht führte teils unterirdisch, teils unter ein paar scheinbar absichtslos umherliegenden Eisenträgern versteckt bis unmittelbar unter den Campinganhänger, den die Jungen als ihr Hauptquartier ausgebaut hatten. Mr Jonas hatte den alten Wagen Justus und seinen Freunden überlassen, weil er ihn nicht mehr verkaufen konnte. Eine Falltür öffnete sich nach oben. Sie zwängten sich hindurch und waren in einem winzigen Büro, in dem sich ein Schreibtisch (der bei einem Brand beschädigt worden war), Stühle, Schreibmaschine, Aktenschrank und Telefon befanden. Auf dem Schreibtisch stand ein altmodisches Radiogerät. Justus hatte an den Lautsprecher ein Mikrofon angeschlossen, sodass die Jungen alle Telefongespräche gemeinsam verfolgen konnten. Der restliche Raum war in ein Dunkelkämmerchen, ein Miniatur-Labor und einen Waschraum verwandelt worden.

Weil es innen dunkel war – der Wagen war ja von lauter aufgestapeltem Schrott umgeben –, knipste Peter die Lampe über dem Schreibtisch an. Dann setzten sich die beiden und betrachteten die Briefe.

»Oi!«, rief Peter aufgeregt. »Der hier kommt von Albert Hitfields Büro! Den machen wir gleich auf!«

Bob war sehr gespannt. Albert Hitfield schrieb ihnen einen Brief? Dann musste es sich um einen neuen Fall handeln, denn Mr Hitfield hatte versprochen, sie zu benachrichtigen, wenn er auf etwas Entsprechendes stoßen sollte.

»Den heben wir uns bis zum Schluss auf«, sagte Bob. »Er ist wahrscheinlich der interessantere. Und überhaupt – wollen wir nicht auf Just warten, ehe wir die Briefe lesen?«

»Wo er gerade erst versucht hat, uns hereinzulegen«, protestierte Peter, »und Mrs Jonas dazu bringen wollte, uns noch mehr Arbeit aufzuhalsen? Außerdem bist du für Akten und Recherchen zuständig – und dazu gehört ja auch die Post. Klar?«

Das überzeugte Bob. Er begann den weniger wichtigen Brief aufzuschlitzen. Aber dabei fiel ihm am Umschlag einiges auf.

»Ehe wir diesen Brief lesen«, meinte er, »wollen wir sehen, ob wir daraus nicht irgendetwas folgern können. Just sagte doch, wir sollten so oft wie möglich üben, logische Schlüsse zu ziehen.«

»Wie kannst du aus einem Brief Schlüsse ziehen, den du nicht gelesen hast?«, fragte Peter skeptisch. Aber Bob studierte bereits den Briefumschlag von allen Seiten. Er war fliederfarben. Und er roch auch nach Flieder. Dann besah sich Bob den zusammengefalteten Bogen darin: ebenfalls Flieder. Den Briefkopf schmückte eine Vignette mit zwei spielenden Kätzchen.

»Hmmm«, machte Bob und legte die Hand an die Stirn, als denke er angestrengt nach. »Ja – jetzt sehe ich klar. Der Schreiber dieses Briefes ist eine Dame von – na, sagen wir fünfzig. Sie ist klein und dicklich und färbt sich die Haare, und wahrscheinlich redet sie viel. Ja, und sie ist eine Katzentante. Sie hat ein gutes Herz, nur ist sie manchmal ein wenig schlampig. Normalerweise ist sie ein fröhlicher Mensch, aber als sie diesen Brief schrieb, war sie aus irgendeinem Grund sehr bedrückt.«

Peter riss die Augen auf. »Toll!«, sagte er. »Das alles willst du aus dem Umschlag und dem Briefbogen schließen, ohne dass du den Brieftext kennst?«

»Klar.« Bob tat, als sei das überhaupt nichts Besonderes. »Eines habe ich noch vergessen: Sie hat einen Haufen Geld und spendet vermutlich eine ganze Menge für wohltätige Zwecke.«

Peter untersuchte Umschlag und Brief mit gefurchter Stirn. Doch bald hellte sich sein Gesicht auf.

»Die Kätzchen auf dem Briefkopf deuten darauf hin, dass sie Katzen mag«, sagte er. »Und dass sie die Briefmarke eingerissen und schief aufgeklebt hat, beweist, dass sie ein bisschen schlampig ist. Der Text beginnt mit Zeilen, die schräg nach oben ansteigen – das kennzeichnet oft eine heitere Natur. Am Schluss des Briefes fallen die Zeilen nach unten ab, und das zeigt, dass sie über irgendetwas erregt und unglücklich war.«

»Genau«, bestätigte Bob. »Es ist ganz leicht zu kombinieren, wenn man sich ernsthaft damit befasst.«

»Und wenn man bei Justus Nachhilfeunterricht kriegt«, fügte Peter hinzu. »Aber eines würde mich noch interessieren: Woher weißt du ihr Alter und ihre Figur, und dass sie viel redet und Geld hat und Gutes tut und sich die Haare färbt? Wer das alles herausfinden könnte, müsste ja Sherlock Holmes sein.«

»Na ja«, erklärte Bob grinsend, »die Absenderadresse liegt in einem sehr teuren Viertel von Santa Monica. Frauen, die dort wohnen, sind normalerweise reich, und sie widmen sich der Wohltätigkeitsarbeit, weil sie – das sagt meine Mutter – im Haushalt zu wenig zu tun haben und nicht ausgefüllt sind.«

»Schön.« Peter bohrte weiter. »Aber wie ist das nun mit ihrem Alter und der Figur und dem vielen Reden und dem Haarefärben?«

»Na, sie benutzt lila Briefpapier mit Fliederduft und dazu grüne Tinte. So was mögen fast nur ältere Damen. Aber ich will dir was verraten: Ich habe eine Tante Paula, die auf dem gleichen Papier schreibt. Sie ist fünfzig und ziemlich klein und redselig, und ihr Haar ist gefärbt, und da dachte ich mir, dass diese –«, er sah auf den Bogen, um die Unterschrift zu entziffern, »diese Mrs Selby wahrscheinlich auch so eine Person ist.«

Peter lachte. »Das hast du prima gemacht, auch wenn du zuletzt ins Spekulieren geraten bist«, sagte er. »Jetzt wollen wir aber sehen, was sie uns schreibt.« Er überflog den Brief.

»Sehr geehrte drei Detektive«, begann er vorzulesen. »Meine beste Freundin, Miss Waggoner aus Hollywood, machte mich darauf aufmerksam, dass Sie Dinge ergründen, die der übrigen Welt ein Rätsel bleiben, und dass Sie sehr geschickt darin sind.«

Bob entwand Peter sanft, aber bestimmt den Brief. Mrs Selby hatte offensichtlich von ihrem ersten Fall gehört, der Sache mit dem Gespensterschloss.

»Die Akten sind meine Sache«, erinnerte er Peter. Bob trug eine Gipsschiene an einem Bein, er war vor einiger Zeit beim Bergwandern abgestürzt. Da er deshalb bei den waghalsigeren Unternehmungen der drei etwas behindert war, hatte er es übernommen, die Akten zu führen, Recherchen vorzunehmen und zu allen Fällen ein Protokoll anzulegen. »Schriftwechsel«, ergänzte er, »fällt in mein Ressort, zumindest wenn Just nicht da ist. Ich lese vor.«

Peter gab murrend nach. Bob setzte sich bequem zurecht und las den handgeschriebenen Text zügig herunter. Die Sachlage war ganz einfach. Mrs Selby besaß eine abessinische Katze namens Sphinx, die ihr sehr ans Herz gewachsen war. Nun war Sphinx seit einer Woche verschwunden. Die Polizei konnte die Katze nicht finden und Mrs Selby hatte auch schon ohne Erfolg in der Lokalzeitung inseriert. Wären die drei Detektive wohl so freundlich, ihr bei der Suche nach dem lieben Hausgenossen behilflich zu sein? Sie wäre ihnen dafür zu großem Dank verpflichtet. Der Schluss lautete: »Mit verbindlichen Grüßen – Frau Margaret Selby.«

»Eine entlaufene Katze«, sagte Peter nachdenklich. »Na ja, es ist immerhin ein Auftrag. Sieht nach einem netten, problemlosen Fall aus. Ich rufe sie an und sage ihr, dass wir ihn übernehmen.« Peter wollte zum Telefonhörer greifen, aber Bob wehrte ab.

»Warte mal. Wir wollen erst sehen, was uns Mr Hitfield mitzuteilen hat.«

»Ja, richtig«, stimmte Peter zu. Bob schlitzte schon den langen Umschlag auf. Er zog einen Bogen teuer wirkendes Briefpapier mit dem eingedruckten Namen Albert Hitfield heraus und begann vorzulesen. Doch schon nach dem ersten Satz verstummte er und ließ den Blick begierig über den Text huschen. Als er fertig war, sah er mit großen Augen zu Peter hinüber. »Mensch! Lies selber. Du würdest mir’s nicht glauben, wenn ich es dir erzählte. Du würdest sagen, ich flunkere dir was vor.«

Neugierig nahm Peter den Brief und begann zu lesen. Als er fertig war, starrte er überwältigt vor sich hin.

»Unglaublich!«, flüsterte er. Und dann stellte er eine Frage, die jedermann, der den Inhalt des Briefes nicht kannte, als äußerst ungewöhnlich empfinden würde: »Wie kann eine dreitausend Jahre alte Mumie flüstern?«

Eine Mumie flüstert

Hinter den Tatsachen in Albert Hitfields Brief steckten Ereignisse, die seltsamer und unheimlicher waren als alles, womit sich die drei Detektive bisher befasst hatten.

Ungefähr zwanzig Kilometer von Rocky Beach und dem Betriebsgelände der Firma Jonas entfernt durchschnitt eine schmale Schlucht die Berge von Hollywood. An ihre steilen Wände schmiegten sich ein paar große, teure Wohnhäuser, umgeben von Bäumen und Gesträuch. Eine der Villen war ein altes Herrenhaus im spanischen Stil, dessen einer Flügel ein Privatmuseum enthielt. Der Besitzer, Professor Robert Yarborough, genoss als Ägyptologe einen guten Ruf.

Eine Front bis zum Boden reichender Fenster führte auf eine fliesenbelegte Terrasse. Diese Glastüren waren geschlossen, sodass es drinnen in der späten Nachmittagssonne unangenehm heiß und stickig war. Nahe der Fensterwand standen einige Statuen aus ägyptischen Gräbern. Eine Figur war aus Holz, sie stellte den altägyptischen Totengott Anubis dar. Auf einem Menschenkörper saß ein Schakalkopf. Der Schatten des Kopfes fiel auf den Fußboden – ein dunkler Umriss von beklemmender Wirkung.

Noch andere Schätze aus den Grabkammern des alten Ägypterreiches füllten den Raum. Metallmasken, die geheimnisvoll-wissend zu lächeln schienen, hingen an den Wänden. Tontafeln, Goldschmuck und Skarabäen-Abbilder der als heilig verehrten Käfer, von Künstlern vor langer Zeit in grüne Jade geschnitzt, ruhten in Glasvitrinen. Frei im Raum bei den Fenstern stand ein hölzerner Mumiensarkophag, in dessen Deckel die Figur der darin bestatteten Mumie geschnitzt war. Es war ein ganz schlichter Schrein, dem weder Blattgold noch leuchtende Farben ein kostbares und luxuriöses Äußeres verliehen. Aber er hütete ein Geheimnis. Er war der Stolz von Professor Yarborough, einem kleinen, etwas beleibten Mann mit Kinnbärtchen und goldgefasster Brille.

In jüngeren Jahren hatte der Professor viele Expeditionen nach Ägypten geleitet. Auf diesen Reisen hatte er verschollene Grabstätten entdeckt, die in die Felswände der Gebirge eingehauen waren und Mumien längst dahingegangener Pharaonen, ihrer Frauen und ihres Gesindes mit Juwelen und anderen Beigaben bargen. Er bewahrte diese Schätze in seinem Museum, wo er auch ein Buch über seine Funde schrieb.

Der Sarkophag mit der Mumie war gerade vor einer Woche eingetroffen. Professor Yarborough hatte diese Mumie schon vor fünfundzwanzig Jahren entdeckt. Aber da er zu jener Zeit anderweitig in Anspruch genommen war – er hatte sich für eine schwierige Aufgabe langfristig verpflichtet –, hatte er die Mumie einem Museum in Kairo geliehen. Als er sich dann zur Ruhe setzte, hatte er die ägyptische Regierung gebeten, ihm die Mumie für Studienzwecke zu übersenden. Jetzt, da er Zeit hatte, wollte er versuchen, ihr Geheimnis zu entschleiern.

An diesem Nachmittag, zwei Tage bevor die Jungen Albert Hitfields Brief erhalten hatten, stand Professor Yarborough in seinem Museumssaal. Nervös tippte er mit einem Bleistift gegen den Deckel des Schreins – einen Deckel, der sich wie bei einer Truhe heben ließ. Der Sarkophag war im Grunde nichts anderes als eine Holztruhe, in der die Mumie ruhte.

Auch Wilkins war da, der Butler, ein großer, schlanker Mann, der schon seit Jahren in den Diensten des Professors stand.

»Sind Sie sicher, dass Sie es tun wollen, Sir, nach dem Schock von gestern?«, fragte Wilkins.

»Ich muss wissen, ob es noch einmal passiert, Wilkins«, sagte Professor Yarborough. »Aber lassen Sie bitte erst Luft herein. Ich kann geschlossene Räume nicht ausstehen.«

»Jawohl, Sir.« Wilkins öffnete die nächsten Türflügel. Vor vielen Jahren war Professor Yarborough zwei Tage lang in einer Grabkammer eingeschlossen gewesen und seither mied er Räume mit geschlossenen Fenstern.

Als die Glastüren offen standen, hob Wilkins den Deckel vom Sarg. Beide Männer beugten sich vor und schauten hinein.

Mancher dürfte den Anblick einer Mumie nicht gerade als angenehm empfinden, doch ist er in keiner Weise abstoßend. Mit Bitumen und anderen Konservierungsmitteln einbalsamiert, darauf sorgfältig in Leinen gehüllt, blieben die Körper toter Könige und Edelleute des alten Ägyptens über Jahrtausende fast vollkommen erhalten. Aus religiösen Gründen mussten sie so für den würdigen Eintritt in die nächste Welt vorbereitet werden. Darum wurden auch viele Kleider, Geschmeide, Gerätschaften und Juwelen, die sie im Leben besessen hatten, mit ihnen bestattet – zum Gebrauch in der künftigen Welt. Die Mumie im Sarg trug den Namen Ra-Orkon. Die leinene Hülle war stellenweise aufgeschnitten worden, sodass der Professor Ra-Orkons Gesicht sehen konnte. Es war das Gesicht eines älteren Mannes mit fein geschnittenen Zügen, wie aus dunklem Holz geschnitzt. Die Lippen waren leicht geöffnet, als wollte er sprechen. Die Augen waren geschlossen.

»Ra-Orkon sieht sehr friedlich aus, Sir«, stellte Wilkins fest. »Ich glaube nicht, dass er heute zu Ihnen sprechen wird.«

»Das hoffe ich auch nicht.« Professor Yarborough kniff die Lippen zusammen. »Es ist nicht normal, Wilkins, dass eine vor dreitausend Jahren begrabene Mumie redet. Oder auch flüstert. Es ist vollkommen unnatürlich.«

»Wirklich unnatürlich, Sir«, bekräftigte der Butler.

»Aber gestern flüsterte er mir etwas zu«, sagte der Professor, »als ich mit ihm allein im Zimmer war. Er flüsterte in einer unbekannten Sprache, aber es hörte sich sehr eindringlich an, als wünsche er, dass ich etwas tun solle.«

Er beugte sich vor und sprach die Mumie an. »Ra-Orkon, wenn du zu mir sprechen willst: Ich höre. Ich werde versuchen zu verstehen.«

Eine Minute verstrich. Noch eine. Nichts war zu hören als das Summen einer Fliege.

»Vielleicht habe ich es mir doch nur eingebildet«, sagte der Professor. »Ja, so war es sicherlich. Holen Sie mir die kleine Säge aus dem Atelier, Wilkins. Ich will von dem Sarg eine Ecke abnehmen. Mein Freund Jennings von der Universität Los Angeles wird dann versuchen, mithilfe eines Radioaktivitätstests am Kohlenstoff des Holzes den Zeitpunkt zu bestimmen, zu welchem Ra-Orkon begraben wurde.«

»Sehr wohl, Sir.« Der Butler verließ das Zimmer.

Professor Yarborough ging um den Schrein herum und klopfte das Holz ab, um festzustellen, wo er das benötigte Stück absägen sollte. Einmal glaubte er einen etwas hohlen Klang zu vernehmen. An einer anderen Stelle erschien ihm das Holz so locker, als sei es hier schon vermodert.

Plötzlich kam ihm ein leises Murmeln zum Bewusstsein, das aus dem Sarg drang. Erschrocken richtete er sich auf, dann legte er sein Ohr dicht an den Mund der Mumie.

Die Mumie flüsterte ihm etwas zu! Über die leicht geöffneten Lippen kamen Worte – gesprochen von einem Ägypter, der seit dreitausend Jahren nicht mehr am Leben war.

Der Professor konnte die Worte nicht verstehen. Es waren Kehl- und Zischlaute, so leise, dass er sie kaum zu hören vermochte. Aber die Stimme hob und senkte sich, sie klang immer eindringlicher, als ob die Mumie ihm mit größter Anstrengung irgendetwas begreiflich machen wollte.

Den Professor packte eine ungeheure Erregung. Die Sprache war wahrscheinlich das Arabisch des Altertums – ab und zu glaubte er einem verständlichen Wort auf der Spur zu sein.

»Weiter, Ra-Orkon!«, drängte er. »Ich versuche zu verstehen.«

»Bitte sehr, Sir?«

Beim Klang der Stimme von hinten fuhr der Professor herum. Die Mumie war wieder stumm. Wilkins stand da, eine kleine, scharfe Säge in der Hand.

»Wilkins!«, rief Yarborough. »Ra-Orkon hat wieder geflüstert! Er fing an, sobald Sie draußen waren, und hörte auf, als Sie hereinkamen.«

Wilkins sah sehr ernst aus. Er runzelte die Stirn.

»Offenbar redet er nur, wenn Sie mit ihm allein sind«, sagte er. »Konnten Sie verstehen, was er sagte?«

»Nein«, sagte der Professor enttäuscht. »Fast, aber nicht ganz. Ich bin kein Sprachexperte. Er spricht möglicherweise Altarabisch oder auch einen Dialekt der Hethiter oder Chaldäer.«

Wilkins schaute zum Fenster hinaus. Sein Blick fiel auf ein Haus an der gegenüberliegenden Seite der Schlucht – ein neues, weiß verputztes Haus, das sich an den steilen Hang lehnte.

»Ihr Freund, Sir – Professor Freeman«, sagte er und wies auf das Haus. »Er ist unser Experte für den Sprachraum des Mittleren Ostens. Und wenn Ra-Orkon auch zu ihm spricht, könnte er Ihnen vielleicht sagen, was Ra-Orkon mitzuteilen hat.«

»Natürlich!«, rief Professor Yarborough. »Ich hätte ihn gleich rufen sollen. Schließlich war sein Vater dabei, als ich Ra-Orkon entdeckte. Der arme Kerl – eine Woche später wurde er im Basarviertel ermordet. Gehen Sie, Wilkins, rufen Sie Freeman an. Bitten Sie ihn, sofort herzukommen.«

»Jawohl, Sir.« Kaum hatte der Butler das Zimmer verlassen, als das unheimliche Flüstern wieder einsetzte.

Professor Yarborough bemühte sich erneut zu verstehen, was die Mumie sagte – vergeblich. Entmutigt gab er es auf. Durchs offene Fenster konnte er Freemans Haus sehen, es war am Steilhang erbaut und lag wesentlich tiefer als die Zufahrtsstraße. Yarborough beobachtete, wie sein junger Freund durch eine Seitentür das Haus verließ, ein paar Stufen zur Garage hinaufstieg und einen Augenblick später in die enge Straße einbog, die oben auf dem Grat die Schlucht umrundete. Während Yarboroughs Blicke dem Freund in nervöser Spannung folgten, lauschte er angestrengt dem Flüstern. Als die Mumie unvermittelt verstummte, packte den kleinen Mann die helle Verzweiflung. Musste Ra-Orkon ausgerechnet jetzt schweigen, wenn jemand seine Worte vielleicht dolmetschen könnte?

»Sprich weiter, Ra-Orkon!«, flehte der Professor. »Bitte sprich! Ich höre! Ich versuche zu verstehen!«

Einen Augenblick später war das Flüstern wieder zu vernehmen. Dann hörte der Professor draußen einen Wagen bremsen. Gleich darauf ging die Tür auf und jemand trat ins Zimmer.

»Sind Sie es, Freeman?«, fragte er.

»Ja, Yarborough. Was ist denn los?«, antwortete eine sanfte, wohllautende Stimme.

»Kommen Sie hierher – leise. Bitte hören Sie sich das hier an.« Er spürte, wie der andere neben ihn trat.

»Ra-Orkon!«, rief Professor Yarborough. »Sprich weiter! Nicht aufhören!« Aber die Mumie schwieg, wie sie wohl drei Jahrtausende lang geschwiegen hatte.

»Ich begreife nicht ganz«, sagte Professor Freeman, als der ältere Kollege sich umwandte. Freeman war schlank und mittelgroß, er hatte ein freundliches Gesicht und leicht ergrautes Haar. »Ich hatte eben den Eindruck, als hörten Sie der Mumie zu.«

»Das tat ich auch!«, rief Yarborough. »Er flüsterte etwas in einer unbekannten Sprache, und ich hoffte, Sie könnten es für mich übersetzen. Aber als er Sie bemerkte, war er wieder still. Oder –« Er verstummte selbst, als ihm bewusst wurde, wie seltsam ihn sein Freund ansah. »Sie glauben mir nicht?«, fragte er. »Sie glauben nicht, dass Ra-Orkon mir Worte zuflüstert?«

Professor Freeman rieb sich das Kinn. »Es ist kaum glaublich«, sagte er dann. »Wenn ich ihn allerdings selbst hören könnte –«

»Versuchen wir es«, meinte Yarborough. »Ra-Orkon, sprich noch einmal. Wir bemühen uns, deine Worte zu verstehen.«

Beide warteten. Die Mumie blieb stumm.

»Es hat keinen Zweck«, seufzte Professor Yarborough. »Er hat geflüstert, ich schwöre es Ihnen. Aber er spricht nur dann, wenn ich mit ihm allein bin. Ich hoffte allerdings, dass Sie ihn hören und seine Worte übersetzen könnten.«

Professor Freeman gab sich den Anschein, als schenke er seinem Freund Glauben, aber es war offensichtlich, dass er von der ganzen Geschichte nichts hielt.

»Ich würde Ihnen gern helfen, wenn ich nur könnte«, sagte er.

Dann fiel sein Blick auf die kleine Säge in Yarboroughs Hand. »Was wollen Sie denn damit?«, fragte er. »Doch nicht etwa Ra-Orkon zersägen?«

»Nein«, wehrte Professor Yarborough ab. »Ich wollte eine Ecke am Sarg absägen, damit durch einen Kohlenstofftest festgestellt werden kann, wie lange Ra-Orkon schon begraben ist.«

»Und deswegen wollen Sie eine solche Kostbarkeit beschädigen!«, rief der Jüngere. »Auf keinen Fall würde ich das tun!«

»Ich bin nicht sicher, ob Ra-Orkon und sein Sarkophag so kostbar sind«, sagte Yarborough. »Geheimnisvoll, gewiss. Jedenfalls ist der Labortest nötig. Aber ich werde ihn erst dann vornehmen lassen, wenn ich das Rätsel dieses seltsamen Flüsterns gelöst habe. Offen gesagt, Freeman – ich bin schon ganz verwirrt. Eine Mumie kann doch nicht flüstern! Aber diese hier tut es. Und nur ich kann es hören!«

»Hmm.« Professor Freeman runzelte die Stirn und bemühte sich, sein Mitleid mit dem älteren Mann nicht allzu offen zu zeigen. »Was meinen Sie dazu, wenn ich den guten Ra-Orkon ein paar Tage bei mir einquartiere? Wenn er mit mir allein ist, redet er möglicherweise auch. Dann kann ich ihn verstehen und Ihnen berichten, was er sagt.«

Professor Yarborough warf ihm einen raschen Blick zu.

»Besten Dank, Freeman«, sagte er würdevoll. »Ich merke schon, dass Sie sich über mich lustig machen. Sie glauben, ich hätte mir das alles ausgedacht. Ich werde Ra-Orkon hierbehalten, bis ich weiß, ob es nur Einbildung ist oder nicht.«

Professor Freeman nickte. »Wenn Sie den alten Herrn noch mal zum Sprechen bringen«, sagte er liebenswürdig, »so rufen Sie mich bitte gleich an. Ich lasse alles stehen und liegen und komme. Aber jetzt muss ich mich beeilen. Ich habe eine Vorlesung an der Universität.« Wieder allein, wartete Professor Yarborough. Ra-Orkon blieb still. Etwas später kam Wilkins.

»Soll ich das Abendessen auftragen, Sir?«

»Ja, bitte, Wilkins«, antwortete Professor Yarborough. »Und merken Sie sich: Sie dürfen niemandem etwas davon erzählen, was hier geschehen ist. Ich sehe aus Freemans Reaktion, was meine Fachkollegen dazu sagen würden, wenn ich behauptete, die Stimme einer Mumie zu hören. Sie würden sagen, dass ich langsam alt und kindisch werde. Und stellen Sie sich vor, die Geschichte käme in die Presse! Mein Ruf als Wissenschaftler wäre ruiniert.«

»Völlig, Sir«, pflichtete Wilkins bei.

»Aber ich muss über all das mit irgendeinem Menschen reden.« Yarborough presste die Lippen zusammen. »Mit jemandem, der kein Wissenschaftler ist, aber weiß, dass es auf dieser Welt allerlei Rätsel gibt. – Ich hab’s! Ich rufe noch heute Abend meinen alten Freund Albert Hitfield an und erzähle ihm alles. Er wird mich wenigstens nicht auslachen!«

Albert Hitfield war weit davon entfernt. Stattdessen – wir wissen es bereits – schrieb er den drei Detektiven einen Brief.

Justus übt Gedankenlesen

»Wie kann eine Mumie flüstern?«, wiederholte Peter. Bob konnte nur den Kopf schütteln. Beide hatten den Brief zweimal gelesen. Sie hätten ihn als Scherz aufgefasst, wäre er nicht von Albert Hitfield gekommen, der ihnen versicherte, dass das Rätsel der flüsternden Mumie seinen Freund, Professor Yarborough, fast zur Verzweiflung treibe. Ob die drei Detektive – so fragte Mr Hitfield – ihm wohl helfen könnten?

»Überhaupt«, fuhr Peter mit gerunzelter Stirn fort, »wie soll eine Mumie eigentlich sprechen können?« Er fuhr sich mit den Fingern durch das dunkelbraune Haar. »Ich meine, eine Mumie ist nun mal eine Mumie. Sie ist kein Mensch. Das heißt, sie war mal einer, aber jetzt –«

»Jetzt lebt sie nicht mehr«, warf Bob ein. »Und dir wird’s komisch bei der Vorstellung, dass Mumien zwar tot sind, hier aber eine sprechen kann.«

»Komisch? Mir ist’s unheimlich!«, stellte Peter mit Nachdruck fest. Er nahm den Brief wieder auf und las ihn nochmals gründlich. »Professor Robert Yarborough«, sagte er. »Ein berühmter Ägypto-, Ägyptol-«

»Ägyptologe.«

»Ägyptologe. Lebt am Hunter Canyon bei Hollywood. Hat eine Privatsammlung. Besitzt eine Mumie, die flüstert, kann aber nichts davon verstehen. Das macht ihn allmählich ganz nervös. Na, ich kann’s ihm nicht verdenken. Mich macht die Sache schon beim Anhören kribbelig! Ich will mit sprechenden Mumien nichts zu schaffen haben. Die Geister im Gespensterschloss haben mir gereicht. Wir sollten unseren Nerven mal eine Ruhepause gönnen. Fahren wir doch nach Santa Monica und helfen dieser Dame ihre abessinische Katze suchen!«

Bob Andrews griff nach dem anderen Brief, dem von Mrs Selby.

»Du weißt doch, welcher Fall Just interessieren wird?«.

»Natürlich«, maulte Peter. »Sowie er den Brief von Mr Hitfield gelesen hat, wird er auch schon die Autovermietung anrufen und Morton mit dem Wagen bestellen, damit wir zu Professor Yarborough fahren können. Aber wir sollten ihn überstimmen. Wir sind zwei gegen einen. Wir stimmen einfach dafür, dass wir zuerst das Rätsel um die verschwundene Katze lösen.«

»Just lässt sich nicht so leicht überstimmen«, sagte Bob. »Das haben wir doch schon mal probiert, als wir den Fall mit dem Gespensterschloss hatten, und du weißt ja, wo wir damals landeten.«

»Ich weiß«, bestätigte Peter trübsinnig.

»Wo ist er überhaupt? Er müsste doch jetzt zurück sein.«

»Sehen wir mal nach«, schlug Peter vor. »Hier, mit dem Periskop!«

Er ging in eine Ecke des kleinen Raumes. Eine Röhre, die aussah wie ein gewöhnliches Stück engen Ofenrohrs, war an der Wand hochgeführt und ragte durchs Dach über den Anhänger hinaus. Unten endete sie in einem Kniestück, an dem zwei kleinere Rohrabschnitte als Griffe festgemacht waren. Bei näherem Hinsehen entdeckte man Ähnlichkeit mit dem unteren Ende eines Fernrohrs für Unterseeboote – kein Wunder, denn dies war tatsächlich ein primitives, aber zweckdienliches Periskop, das Justus in der vorigen Woche gebastelt hatte.

Die versteckte Zentrale hatte sich nämlich in einer Hinsicht als nachteilig erwiesen: Zwar konnte niemand den verborgenen Anhänger sehen, aber wenn die Jungen einmal drinnen waren, konnten sie auch nicht mehr hinaussehen.

Mit dem Bau des Periskops hatte Justus Abhilfe geschaffen. Er nannte es den »Spion«. Es war aus Ofenrohr konstruiert und innen waren Spiegel in verschiedenen Winkelstellungen angebracht. Neben der Lüftungsklappe durchstieß es das Dach. Wer es entdecken sollte, würde darin nur ein gewöhnliches Ofenrohr sehen.

Peter schob den Spion langsam nach oben, bis sich das obere Ende draußen über dem höchsten Stapel erhob. Dann drehte er ihn, indem er selbst im Kreise herumging und dabei das gesamte Blickfeld von draußen einfing.

»Mrs Jonas verkauft gerade einem Klempner Röhren«, berichtete er. »Patrick schichtet Abbruchholz in die Ecke. Und da ist auch Just!« Peter hielt das Periskop ruhig. »Er schiebt sein Rad. Hat anscheinend Pech gehabt – ja, sein Vorderreifen ist platt.«

»Er ist wohl über einen Nagel gefahren«, meinte Bob. »Deshalb hat er so lange gebraucht. Hat er eine Wut im Gesicht?«

»Nein, er hat sein Transistorradio am Ohr und sieht quietschvergnügt aus«, stellte Peter fest. »Das ist komisch. Ich meine, Just kann es doch sonst nicht ertragen, wenn etwas schiefgeht. Er macht sich dann immer Selbstvorwürfe. Just plant am liebsten so voraus, dass alles wie am Schnürchen klappt.«

»Just ist im Planen ganz groß«, sagte Bob. »Nur wär’s mir lieber, wenn er nicht immer so hochgestochen daherreden wollte. Manchmal versteh ich ihn selber nicht ohne Weiteres.«

»Wem sagst du das?«, gab Peter zurück. Er drehte den Spion ein Stück weiter, um im Bild zu bleiben. »Jetzt schiebt Just das Rad durchs Tor. Er gibt Mrs Jonas etwas. Sie zeigt herüber und nickt. Sicher hat sie ihm gesagt, dass wir in der Werkstatt sind. – Jetzt geht er ins Büro. Ich möchte bloß wissen, was er so lang treibt«, setzte er ungeduldig hinzu. »Ah, da kommt er wieder raus.«

»Wir machen uns einen Spaß mit Just«, schlug Bob vor. »Ich behalte den Brief von Albert Hitfield in der Tasche. Wir zeigen ihm den Brief über die verschwundene Katze und machen ihn richtig scharf darauf. Und dann zeigen wir ihm den Brief von Mr Hitfield über Professor Yarborough und seine Flüstermumie.«

»Und dazu sagen wir natürlich, dass wir den Fall erst bearbeiten können, wenn wir die Katze haben!« Peter grinste. »Ich habe noch eine Idee. Mach du das Spiel bitte mit. Jetzt bin ich nämlich mal dran mit Logik und so weiter.«

Sie warteten und hörten Justus draußen das Eisengitter, das den Zugang zu Tunnel II verbarg, zur Seite schieben. Der Tunnel, ein weites galvanisiertes Rohr, war ihr Haupteingang zur Zentrale.

Flink holte Peter das Periskop ein und nahm am Pult Platz. Er und Bob hörten das gedämpfte Geräusch, das beim Durchkrabbeln des Tunnels entstand, und dann das vereinbarte Klopfzeichen an der Falltür. Gleich darauf hob sich die Klappe und Justus tauchte im Wagen auf.

Justus Jonas war ein stämmiger, untersetzter Junge mit schwarzem Haar und aufmerksamen dunklen Augen. Er hatte ein rundes, rotbackiges Bubengesicht, aber wenn er sich ganz gerade hielt und die Kinnpartie energisch anspannte, konnte er wesentlich älter erscheinen. Er konnte sich auch total entspannen, dann wirkte er schlaff, dicklich und richtig »doof« – ein Trick, der viele Leute dazu brachte, ihn zu unterschätzen.

»Puh!«, machte er. »Heiß heute!«

»Und ein Pechtag dazu – mit einem Platten«, sagte Peter.

Just sah ihn an. »Woher weißt du denn das mit dem Platten?«

»Logisch kombiniert«, behauptete Peter. »Bob und ich üben uns darin, wie du uns befohlen hast. Nicht wahr, Bob?«

Bob nickte. »Klar«, sagte er. »War ein schönes Stück Weg zum Schieben, was, Just?«

Justus beäugte die beiden kritisch. »Ja«, gab er zu, »das war’s. Aber jetzt interessiert es mich außerordentlich, die Ableitung eurer logischen Folgerungen kennenzulernen, damit ich euren Denkprozess nachvollziehen kann.«

»Was will er?«, fragte Peter.

»Wissen, wie wir’s rausgekriegt haben«, erklärte Bob.

»Na gut«, sagte Peter. »Zeig mal deine Hände, Just.«

Justus streckte die Hände aus. Sie waren schmutzig und in einer Handfläche war ein Profilabdruck wie von einem Fahrradreifen zu sehen.

»Und was weiter?«, fragte Just.

»Dein rechtes Knie«, fügte Peter hinzu. »Es ist staubig. Du bist hingekniet, um etwas zu untersuchen. Dann hast du dreckige Hände mit einem Abdruck vom Fahrradreifen. Logische Folgerung: Du hast dich hingekniet, weil du nach dem Reifen sehen wolltest. Das deutet darauf hin, dass du einen Platten hattest. Und deine Schuhe sind ganz schmutzig. Du musst lange marschiert sein. Ist doch kinderleicht.«

Es wäre wirklich ein Kabinettstückchen angewandter Kombinationsgabe gewesen, wenn sie das mit der Reifenpanne nicht schon vorher gewusst hätten. Justus schien beeindruckt.

»Sehr gut«, lobte er. »Solche Fähigkeiten sollten nicht mit der Suche nach einer entlaufenen Katze vergeudet werden.«

»Was?«, riefen Peter und Bob gleichzeitig.

»Ich sagte, solch hoch entwickelte Fähigkeiten in der Kunst logischer Schlussfolgerung sollten nicht damit vergeudet werden, den Spuren einer Abessinierkatze zu folgen, die aus ihrem Domizil entwichen ist«, sagte Justus. Absichtlich benutzte er eine Reihe ungebräuchlicher Ausdrücke, was Peter nicht ausstehen konnte.

»Hingegen sollten Detektive von eurer Begabung sich mit höheren Zielen befassen, wie zum Beispiel« – er machte eine Pause, als denke er angestrengt nach –, »zum Beispiel dem Rätsel einer dreitausend Jahre alten Mumie, die ihrem Besitzer in einer unbekannten Sprache geheimnisträchtige Botschaften zuflüstert.«

»Woher kennst denn du die flüsternde Mumie?« Peter schrie es fast.

»Während ihr euch in Logik übtet«, erklärte Justus, »trainierte ich Gedankenlesen. In deiner Tasche, Bob, steckt ein Brief, der Professor Yarboroughs Adresse angibt. Ich habe bereits nach Morton und dem Wagen telefoniert. In zehn Minuten werden sie hier sein. Dann wollen wir den Professor besuchen und ihm unsere Unterstützung bei der Lösung seines Problems antragen: der Mumie, die das Flüstern nicht lassen kann.«

Sprachlos starrten ihn Bob und Peter an. Sie waren völlig überwältigt.

Der Fluch des Ra-Orkon

»Wie konntest du das bloß alles wissen – über den Brief von Mr Hitfield und über Professor Yarborough mit seiner flüsternden Mumie?«, fragte Peter eine halbe Stunde später zum fünften Mal. Justus Jonas seufzte. »Wenn ihr mir nicht glaubt, dass ich Gedanken lesen kann, dann müsst ihr eben selbst dahinterkommen«, sagte er. »Gebraucht euren Verstand! Als ich in die Zentrale kam, habt ihr ja auch bemerkenswert logisch auf eine Reifenpanne geschlossen. Macht einfach so weiter.«

Diese Erwiderung ließ Peter hilflos verstummen. Bob Andrews grinste verstohlen. Just hatte sie wieder einmal drangekriegt. Wenn er irgendwann dazu aufgelegt war, würde er ihnen den Trick verraten. Vorerst freute sich Bob darauf, mit dabei zu sein, wenn es nun wieder losgehen würde – in ein abenteuerliches und verwickeltes Geschehen, so recht nach dem Herzen eines Detektivs. Nun, er sollte nicht umsonst hoffen.

Die drei Jungen saßen auf den Rücksitzen des großen, altmodischen Rolls-Royce, der ihnen als Transportmittel zur Verfügung stand. Gerade fuhren sie in gleichmäßigem Tempo durch das Hügelland zwischen Rocky Beach und dem nördlichen Teil Hollywoods.

»Bitte halten Sie hier an, Morton«, sagte Just.

Der Wagen hielt wenige Meter vor einer der Hügelkuppen. Von der Straße zweigte eine Einfahrt ab, die von großen Steinpfeilern flankiert war. Einer der Pfeiler trug ein Metallschild mit dem Namen »Yarborough«. Die Zufahrt führte hangabwärts zu einem weitläufigen Grundstück mit vielen Bäumen. Durch Bäume und Sträucher konnte man das rote Ziegeldach einer Villa im altspanischen Stil sehen. Hinter dem Haus fiel der Hang plötzlich sehr steil zur Talsohle der Schlucht ab, dann stieg er wieder zum gegenüberliegenden Bergrücken hin. Dort waren mehrere Häuser auf verschiedener Höhe erbaut.

»Das muss Professor Yarboroughs Haus sein«, erklärte Justus. »Ich habe ihn angerufen und er erwartet uns. Fahren Sie nur hinein, Morton. Auf diese Mumie bin ich sehr gespannt. Vielleicht spricht sie, solange wir dort sind!«

»Lieber nicht!«, murmelte Peter. »Mit einer Mumie, die spricht, halte ich es nicht lang im selben Zimmer aus. Wenn ihr mich fragt: Ich kann gut verstehen, dass der Professor ganz durcheinander ist.«

Das konnte man in diesem Augenblick wirklich von Professor Yarborough behaupten. Er saß in einem Liegestuhl auf der Terrasse und schlürfte eine heiße Bouillon, die ihm Wilkins soeben serviert hatte.

»Sagen Sie, Wilkins«, fragte der Professor besorgt, »haben Sie gestern Abend wirklich aufgepasst, wie ich es Ihnen aufgetragen hatte?«

»Jawohl, Sir«, antwortete der Butler. »Ich blieb bei Ra-Orkon im Zimmer, bis es ganz dunkel war. Einmal glaubte ich etwas zu hören –«

»Ja, und? Weiter!«

»Aber dann musste ich annehmen, dass es Einbildung war, Sir.«

Der Butler nahm die leere Tasse entgegen und reichte seinem Herrn eine Serviette. Professor Yarborough wischte sich den Mund ab.

»Irgendetwas ist nicht in Ordnung mit mir, Wilkins«, sagte er. »Nachts wache ich plötzlich mit rasendem Herzklopfen auf. Dieses Rätsel – es treibt mich noch zum Wahnsinn.«

»Ich finde es selbst beängstigend, Sir«, entgegnete Wilkins. »Meinen Sie nicht, Sie sollten –«

»Ich sollte was? Raus mit der Sprache, Wilkins!«

»Ich wollte nur sagen, Sir, dass ich mich schon gefragt habe, ob Sie nicht Ra-Orkon der ägyptischen Regierung zurückgeben wollen. Dann wären Sie befreit von diesem quälenden –«

»Nein!« Professor Yarborough presste die Lippen zu einer scharfen Linie zusammen. »Hier gibt es so vieles, was ich nicht begreife. Ich weigere mich aufzugeben. Ich glaube auch, dass ich bald Hilfe bekommen werde.«

»Ein Detektiv, Sir?«, rief Wilkins. »Aber ich dachte, Sie wünschten nicht, dass die Polizei von den Vorgängen erfährt?«

»Nicht die Polizei. Es sind Detektive, die mir mein Freund Albert Hitfield empfohlen hat.« Im Haus schlug ein melodisches Glockenspiel an. »Das sind sie sicher schon. Bitte, Wilkins, öffnen Sie und bringen Sie sie gleich hierher.«

»Jawohl, Sir.« Der Butler ging ins Haus und kehrte mit drei Jungen auf die Terrasse zurück. Einer war stämmig und dunkelhaarig, einer groß und muskulös, einer schlank und bebrillt, mit einer Gipsbinde am Bein, das er leicht nachzog. Der Professor runzelte die Stirn. Justus Jonas wusste, was das Stirnrunzeln zu bedeuten hatte. Professor Yarborough hatte sich die Detektive älter vorgestellt. Just richtete sich auf und verlieh sich jenen energischen Zug um den Mund, sogleich sah er älter aus. Dann zog er gewandt eine Karte aus der Tasche. Der Professor nahm sie automatisch entgegen. Der Aufdruck lautete:

Der Professor stellte die Frage, die jeder stellte: »Was bedeuten denn die Fragezeichen? Das sieht ja wie ein Zweifel an euren Fähigkeiten aus.« Bob und Peter grinsten einander zu. Die Fragezeichen waren Justs Idee. Ein Fragezeichen war ihr geheimes Symbol. Wenn einer von ihnen den beiden anderen mitteilen wollte, dass er an einem bestimmten Ort gewesen war, dann malte er dorthin einfach mit Kreide ein Fragezeichen. Justus verwendete immer weiße, Bob rote und Peter blaue Kreide, sodass jeder wusste, wer das Zeichen hinterlassen hatte.

»Das Fragezeichen«, sagte Justus jetzt in bester Erwachsenenmanier, »gilt neben seiner Bedeutung in der Interpunktion auch im allgemeinen Sprachgebrauch als universelles Symbol für eine unbeantwortete Frage, ein ungelöstes Rätsel, ein unerforschtes Geheimnis. Deshalb haben wir es als Firmenzeichen gewählt. Wir werden versuchen, jedes Rätsel zu lösen, das Sie uns aufgeben wollen. Den Erfolg können wir nicht garantieren, aber wir können versprechen, dass wir uns Mühe geben werden.«

»Hm.« Nachdenklich drehte der Mann im Liegestuhl die Karte zwischen den Fingern. »Wenn du den letzten Satz nicht gesagt hättest, so hätte ich euch von Wilkins wieder hinausbefördern lassen. Niemand kann den Erfolg einer Unternehmung im Voraus versprechen, wie ich sehr wohl weiß. Aber oft wird ernsthaftes Bemühen von Erfolg gekrönt.«