Die drei ???, Geister-Canyon (drei Fragezeichen) - Ben Nevis - E-Book

Die drei ???, Geister-Canyon (drei Fragezeichen) E-Book

Ben Nevis

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Beschreibung

"Komm raus!" Die Antwort war ein Lachen. Justus verlor die Nerven. Er zwängte sich zwischen den Felsen hindurch, stolperte über Steine. Doch plötzlich versperrte ihm eine flackernde Hitzewand den Weg: Feuer! Als die drei ??? versprechen, bei einer Lösegeldübergabe zu helfen, ahnen sie noch nicht, was auf sie zukommt. Unversehens finden sie sich in einer nervenaufreibenden Irrfahrt durch den Wilden Westen Amerikas. Welchen hinterhältigen Plan verfolgt der Erpresser, der sie von einem Treffpunkt zum nächsten hetzt? Wozu lockt er sie in die tiefsten und gefährlichsten Canyons? Und dann geschieht, was nie hätte geschehen dürfen...

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Seitenzahl: 154

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Geister-Canyon

erzählt von Ben Nevis

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

© 2005, 2008, 2011, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-12873-2

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Entführt!

Justus Jonas hatte soeben die Landkarte von Kalifornien vor sich aufgeklappt, als seine Tante Mathilda den auf dem Schrottplatz abgestellten Campingwagen betrat, der den drei Detektiven als Einsatzzentrale diente.

»Besuch für dich, Justus«, verkündete sie. »Im Hof steht ein Mann, der dich sprechen möchte.«

»In welcher Angelegenheit?«, fragte Justus knapp zurück. Eigentlich konnte er jetzt keine Störung brauchen. Kurzfristig hatte Dennis, ein Bekannter, den lang ersehnten Wochenendtrip abgesagt, und nun suchte Justus leicht verschnupft nach einem neuen Ausflugsziel für die drei ???.

»Er wollte mir nicht sagen, worum es geht«, entgegnete Tante Mathilda genervt. »Außerdem bin ich nicht deine Sekretärin, Justus! Da kommt ein merkwürdiger Kerl mit einem teuren Towncar angefahren, das so protzig ist, dass es noch nicht einmal auf unserem Schrottplatz wenden kann, und tut ganz geheimnisvoll. Er möchte dich sprechen und niemand anderen, sagt er. In was für einer Sache steckst du da bloß wieder drin?«

»In gar keiner, Tante Mathilda! Wirklich, ich habe nicht die geringste Ahnung!« Aber Justus’ Neugierde war plötzlich geweckt. Im Lauf der Jahre hatte er ein feines Gespür dafür entwickelt, wenn sich ein neuer Fall für die drei Detektive anbahnte. Und sie brauchten dringend einen neuen Fall. Schließlich lag das lange Memorial-Day-Wochenende vor ihnen, bei dem halb Amerika auf den Beinen war, und Justus hatte einfach keine zündende Idee, was sie mit den drei freien Tagen anfangen sollten. »Tante Mathilda, kannst du bitte Bob und Peter holen? Ich sage dem ominösen Besucher inzwischen guten Tag!«

»Aber Peter und Bob räumen gerade die Lagerhalle auf!« Tante Mathilda wich keinen Zentimeter von der Stelle. »Das war seit langem so abgemacht! Ich weiß doch, wie das wieder ausgeht: Am Ende seid ihr wie jedes Mal verschwunden, und das Durcheinander ist noch da!«

»Tante! Bitte! Vielleicht wartet draußen die Chance meines Lebens!«

»Da bin ich skeptisch, mein Junge. Je teurer das Auto, desto gefährlicher die Angelegenheit!« Aber sie trat zur Seite, um Justus vorbeizulassen. Wenn Justus sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, das wusste sie, war er nicht zu bremsen, zumindest nicht, ohne später tagelang mit seiner schlechten Laune konfrontiert zu werden.

Neugierig trat Justus auf den Schrottplatz. Tante Mathilda hatte nicht übertrieben. Das weiße Towncar reichte von den Türflügeln des Eingangstors bis in die Mitte des Vorplatzes. In solchen Wagen ließen sich die Hollywoodstars durch die Gegend kutschieren, oder solche, die sich dafür hielten. Schräg vor dem Auto wartete ein Mann. Trotz der Hitze trug er einen schwarzen Anzug mit Krawatte. Der Schweiß glänzte auf seiner hohen Stirn. Als er Justus bemerkte, trat er ein paar Schritte auf ihn zu.

»Paul Hendry«, sagte er und streckte die Hand aus. Seine Augen blickten kühl und der Sitz seines Kinns verlieh seinem Gesicht etwas Schiefes. »Du bist also …«

»… Justus Jonas, ja.« Justus wischte sich die feuchten Hände am T-Shirt ab und erwiderte den Gruß. »Und da hinten kommen noch Peter Shaw und Bob Andrews, meine Freunde.«

»Ah. Die zwei anderen Detektive«, sagte Mr Hendry, ohne eine Miene zu verziehen.

»Es geht also um eine kriminologische Frage.« Justus lächelte. »Habe ich es mir doch gedacht.«

»Ich kann dir dazu leider nichts sagen!« Der Mann machte eine abwehrende Bewegung, als dauere ihm das alles zu lange. »Ich bin der Butler von Mr O’Sullivan. Er hat mir aufgetragen, dich zu ihm zu bringen. Alles Weitere möchte er mit dir persönlich besprechen.«

Inzwischen waren Bob und Peter herangeeilt und zwei fragende Blicke trafen Justus.

»Ein Mr O’Sullivan wünscht uns zu sehen«, erklärte Justus seinen Freunden die Situation.

»Wünscht dich zu sehen«, korrigierte Mr Hendry knapp. »Von den beiden anderen war zwar die Rede, ich soll aber ausdrücklich allein dich zu ihm bringen.«

»Nur mich?« Justus zog die Stirn in Falten und wandte sich ab. »Dann wird aus dem Treffen wohl leider nichts werden. Man bekommt uns zu dritt oder gar nicht, nicht wahr, Kollegen?«

»Genauso ist es!«, bestätigte Bob. »Nicht umsonst nennen wir uns Die drei ???!«

Und Peter setzte hinzu: »Richten Sie Mr O’Sullivan freundliche Grüße aus. Es war uns eine Ehre, von ihm zu hören.«

»Gut. Dann wäre ja alles besprochen!« Justus machte Anstalten, zum Wohnwagen zurückzugehen. »Meine Tante wünscht, dass wir mit dem Aufräumen fortfahren!«

»Na dann: auf Wiedersehen, Mister!« Peter und Bob nickten Mr Hendry zum Abschied zu und folgten ihrem Freund.

»Wartet … – einen Moment, bitte!«

Die drei ??? blieben stehen. Weit waren sie noch nicht gekommen.

»Ihr … ihr könnt mich doch nicht …«, stotterte der Mann, während er ihnen langsam folgte. »Mr O’Sullivan hat nur … ich habe ihm ja gleich abraten wollen … es soll möglichst geheim bleiben! Er … er braucht Hilfe! Steigt doch ein, bitte! Alle drei! Es ist schon in Ordnung!«

Justus lächelte in sich hinein. Natürlich hatte er gehofft, dass Mr Hendry nachgeben würde. »Also gut, Mister! Zu dritt sind wir dabei! Doch nun teilen Sie uns freundlicherweise noch mit, wer dieser O’Sullivan ist, der uns so dringend zu sprechen wünscht.«

Der Mann war sichtlich überrascht. »Du hast noch nicht von ihm gehört? Ich arbeite für Frank O’Sullivan. Den bekannten Filmproduzenten!«

»Ach der O’Sullivan!« Justus nickte. Das hatte er vermutet, doch er fragte gerne genau nach. »Dann geht die Fahrt nach Beverly Hills?«

»Du sagst es«, bestätigte Hendry. Er trat auf die Limousine zu, öffnete eine Seitentür und wies ins Innere des luxuriös ausgestatteten Wagens, ohne verbergen zu können, dass ihm die drei ??? nicht recht sympathisch waren. Mit einem besorgten Blick auf die schmutzigen Jeans von Bob und Peter fügte er hinzu: »Achtet bitte auf das helle Leder der Autositze. Vielleicht sollte ich euch zum Unterlegen besser eine Decke geben?«

Die beiden Detektive klopften ein wenig auf ihren Hosen herum. Es staubte sichtbar. »Die drei ??? haben ihren Preis«, sagte Peter lässig. »Aber vielleicht sollte ich Sie erst einmal aus dem Hof hinauswinken? Ihr Wagen ist ziemlich lang und der Verkehr …«

Hendry schüttelte den Kopf. »Für solche Situationen sind im Heck Kameras angebracht.«

Die drei ??? warfen sich einen vielsagenden Blick zu und setzten sich in den Wagen. Der geräumige Luxus, in den sie plötzlich eintauchten, überraschte sogar die Detektive, die immerhin Mortons Rolls Royce gewohnt waren. Alles war vom Feinsten; die Blicke der Jungen schweiften über den neusten technischen Schnickschnack, der keinen Wunsch offen ließ. Am meisten beeindruckte Justus ein ausfahrbarer Bordcomputer. »Ihr könnt euch in der Bar bedienen«, ertönte Hendrys Stimme über Lautsprecher, »aber lasst den Alkohol bitte unberührt!«

»Als ob wir …«, murmelte Justus kopfschüttelnd und ließ per Knopfdruck die Getränke ausfahren. Sie wählten jeder ein Tonic. Als es der Straßenverkehr zuließ, setzte Hendry den Wagen zurück und stoppte kurz. Justus nahm noch den empörten Blick von Tante Mathilda wahr, die im Hauseingang stand und fassungslos ihre Putzhilfen davonfahren sah – ganz wie sie es vorausgesehen hatte. Dann gab Hendry Gas.

Die Fahrt ging ein paar Meilen auf dem Highway 1 an der Küste entlang. In Pacific Palisades wechselte der Fahrer auf den Sunset Boulevard, der direkt nach Beverly Hills führte. Nach einiger Zeit und unzähligen Kurven bog Hendry links in eine schmucke Seitenstraße ein, die beiderseits von hohen Palmen gesäumt war. Hier wohnten, zurückgezogen in parkähnlichen Grundstücken, die Reichen der Gegend: Regisseure, Filmschauspieler, Anwälte. Und unter ihnen auch Frank O’Sullivan, einer der großen Filmproduzenten Hollywoods.

Vor einem breiten, mit Schmiedearbeiten verzierten Gittertor stoppte Hendry. Die ganze Fahrt über hatte er sich mit keinem Wort bei den drei ??? gemeldet. »Wir sind da«, verkündete er nun. Das Tor glitt auf und der Wagen rollte bedächtig einen von grünen Büschen begrenzten Weg entlang, der zu einem großen Wendekreis führte, an dessen Seite sich eine stattliche Villa erhob. Auf den Eingangsstufen wartete ein Mann. Sein kurzes, buntes Hemd hing lässig über der locker sitzenden weißen Jeans. Die drei ??? kannten sein Gesicht aus den Zeitungen.

»Da bist du ja endlich, Paul«, sagte der Mann, als der Fahrer ausstieg und die Tür zum Fond des Wagens öffnete. »Oh, ihr seid zu dritt …«

»Anders wollten es die Herrschaften leider nicht, Mr O’Sullivan«, antwortete Hendry. »Ich dachte mir, ich bringe besser alle drei als gar keinen.«

»Ist schon gut, Paul. Danke. – Also, ihr Detektive, ich bin Frank O’Sullivan. Am besten, ihr kommt erst einmal herein! Folgt mir einfach!« Mit eiligen Schritten durchmaß der vielleicht fünfzigjährige Mann den großzügigen Empfangsraum und steuerte auf eine dem Eingang gegenüberliegende Tür zu. »Meine Bibliothek«, sagte er und winkte die drei Detektive hinein.

Neugierig betraten Justus, Peter und Bob das Zimmer. Sie hatten immer noch nicht den geringsten Hinweis bekommen, worum es eigentlich ging. Aber es war offensichtlich, dass Mr O’Sullivan gehörig unter Druck stand. Er verlor kein weiteres Wort über die Bibliothek, in die er bestimmt lange hätte einführen können: War sie doch voll von interessant aussehenden Büchern, Filmrollen, Videos und CDs. Vor allem aber fielen den drei Detektiven die vielen Musikinstrumente auf, die zwischen den eleganten Regalen an den Wänden angebracht waren. Der Produzent wies auf ein geschmackvolles Sitzarrangement. »Bitte! Und greift zu, wenn ihr etwas trinken wollt!«

Auf einem gläsernen Beistelltisch standen Wasser und Säfte. O’Sullivan wartete ab, bis seine Gäste saßen, dann rückte auch er sich einen Sessel heran.

»Schön, dass es so schnell geklappt hat!« Er holte tief Luft und lehnte sich zurück. Seine perfekt gezeichneten Gesichtszüge entspannten sich etwas, und es wirkte, als fiele eine Last von ihm ab. Justus überlegte, ob sich der Produzent wohl hatte liften lassen, so straff saß die Haut. Immerhin verlieh ihm eine kleine Narbe an seinem linken Mundwinkel eine persönliche Note.

»Ihr also seid die drei ???«, sagte O’Sullivan und blickte sie der Reihe nach an. »Hin und wieder habe ich von euren Erfolgen in der Zeitung gelesen!«

Justus nickte und zog wie aufs Stichwort eine ihrer Visitenkarten hervor.

O’Sullivan nahm sie entgegen und las:

»Gut. Ich glaube, ich muss mich bei euch entschuldigen. Dafür, dass ich nur Justus sprechen wollte, weil von meinem kleinen Geheimnis möglichst wenige Menschen wissen sollten. Aber ich sehe nun, dass ich euch nur im …« – er lächelte – »… im Dreierpack bekommen kann. Ich hoffe sehr, dass ihr auch schweigen könnt!«

»Das Schweigenkönnen gehört in unserem Geschäft zu den Grundvoraussetzungen, um Erfolg zu haben«, erklärte Justus. »Sie können uns absolut vertrauen, Mr O’Sullivan. Doch nun ist es langsam an der Zeit, dass Sie uns den Grund dieser spontanen Einladung mitteilen!«

»Natürlich.« Der Filmproduzent beugte sich vor. Einen Moment lang suchte er nach Worten. »Ich habe so auf euch gewartet«, sagte er dann. »Jetzt, wo ihr da seid, weiß ich plötzlich nicht mehr, wie ich beginnen soll … Ich brauche eure Hilfe. Denn mein wertvollstes Stück, meine geliebte Guarneri, ist entführt worden!«

Der Brief

»Ihre geliebte Guarneri – geht es um Ihre Tochter?«, fragte Peter nach, doch zu seiner Überraschung beantwortete nicht O’Sullivan, sondern Justus seine Frage.

»Es handelt sich vermutlich um eine spezielle Geige«, sagte der Erste Detektiv. »Ein äußerst seltenes Instrument, dessen Wert sich nur in einer sehr hohen Summe beziffern lässt.«

Mr O’Sullivan sah Justus beeindruckt an. »Ich wusste doch, warum ich dich hergebeten habe«, sagte er dann. »Du bist einfach …«

»Nein, nicht … genial«, wehrte Justus bescheiden ab. »Dieser Zusammenhang war nicht sonderlich schwer herzustellen. Zum einen sind mir die zahlreichen Instrumente aufgefallen, mit denen Sie Ihre Bibliothek geschmückt haben. Das gab mir den Hinweis, dass sich der Name Guarneri wirklich auf eine Geige bezieht und nicht einfach eine zufällige Namensgleichheit zu Grunde liegt. Ein Instrument von Giuseppe Guarneri hat mitunter noch mehr Wert als eine der bekannteren Stradivari-Geigen. In einem unserer früheren Fälle hatten wir einmal die große Ehre, eine Stradivari vor der Zerstörung zu retten.«

»Genauer gesagt war es Jelena, denn ohne ihren hilfreichen Einsatz wäre die Geige jetzt Kleinholz«, ergänzte Peter und spielte damit auf eine Freundin der drei ??? an, die im Rollstuhl saß und ihnen damals geholfen hatte.

Mr O’Sullivan nickte verständnisvoll, auch wenn er keine Ahnung hatte, worum es ging. »Ich freue mich, solchen Experten gegenüber zu sitzen«, sagte er. »Dann ahnt ihr ja, wie verletzlich solch eine Geige ist. Und ihr könnt nachvollziehen, wie mich der Gedanke schmerzt, sie in falschen Händen zu wissen. Aber immer der Reihe nach. Meine Guarneri stammt aus einer Auktion in New York. Es gab viele Mitbieter. Glaubt mir: Es war nicht einfach, sie zu bekommen! Doch das ist schon viele Jahre her. Seit dieser Zeit ist sie in meinem Besitz. Sie heißt Diener des Herrn.«

»Diener des Herrn?«, fragte Peter.

»Ja. Sie muss dem richtigen Herrn dienen, also dem richtigen Spieler. Nur wenn er wirklich gut ist, entfaltet sie ihre ganze Schönheit. Andernfalls ist ihr Klang gewöhnlich. Ihr müsst wissen: Ich bin nicht nur Sammler, sondern selbst ein begeisterter Musiker und spiele regelmäßig auf diesem wundervollen Instrument. Was nicht ganz einfach ist, als Linkshänder. Aber glaubt mir: Es ist ein Traum … allein wenn man sie anspielt …« Versonnen lehnte er sich zurück.

»Doch nun ist Ihr Instrument verschwunden«, unterbrach Peter O’Sullivans abschweifende Erinnerung. »Entführt, wie Sie sagen. Wie kann man einen Gegenstand entführen? Normalerweise würde man doch sagen: stehlen.«

Der Filmproduzent setzte sich wieder zurecht. »Du hast vollkommen Recht, Peter. Sie wurde gestohlen. Aber was soll der Dieb mit einer Guarneri anfangen? Auf dem Sammlermarkt verkaufen kann er sie nicht. Die Geige würde sofort als Diebesware erkannt werden. Es gibt nur sehr wenige Instrumente auf der Welt von Giuseppe Guarneri. Dieser Geigenbauer hat etwa zur Zeit Stradivaris gelebt. Ein begnadeter Künstler! Seine Instrumente sind vielleicht nicht ganz so präzise, aber letztlich noch genialer gebaut als die seines berühmten Kollegen. Doch genug der Schwärmerei! Wenn so ein Diebstahl nicht gerade im Auftrag eines speziellen Liebhabers begangen wird, kann der Dieb seine Beute kaum zu Geld machen. Also hat er sich etwas ganz besonders Gemeines einfallen lassen: Er bietet sie mir einfach wieder an. Ich soll sie zurückkaufen, gegen ein hohes Lösegeld!«

»Ach!«, sagte Peter.

Bob trank sein Glas aus und stellte es zurück auf den Tisch. »Und nun sollen wir die Geige wieder auftreiben?«

»In gewisser Weise, ja«, sagte O’Sullivan.

»Wie viel Geld fordert denn der Entführer?«, fragte Peter.

O’Sullivan räusperte sich. »Nun … eine Million Dollar.«

»Uff«, entfuhr es Peter.

»Das ist gar nicht mal so viel«, sagte O’Sullivan zerknirscht. »Eigentlich ist meine Guarneri noch mehr wert. Mir jedenfalls. Sie ist unersetzlich. Aber zum Glück weiß das der Dieb nicht. Er hat seine Million im Kopf, und die will er haben.«

»Es existiert also ein Schreiben des Entführers«, schloss Justus aus dem bisher Gesagten.

O’Sullivan nickte. »Ich zeige es euch gleich. Aber auch der Diebstahl ist mir ein Rätsel.« Er unterbrach sich und schaute nervös zur Seite. Vor der Fensterfront huschte ein Schatten vorbei.

»Ach, das ist nur Paul«, sagte er. »Seit dem Ereignis bin ich furchtbar überreizt.«

Auch Justus hatte bemerkt, dass sich der Diener auf der Terrasse zu schaffen gemacht hatte. Gerade schleppte er einen Schlauch herbei, wohl um die Pflanzen zu wässern. Immer noch trug er seinen Anzug.

»Wie lange arbeitet Paul Hendry bereits bei Ihnen?«, fragte der Erste Detektiv.

»Seit vielen Jahren«, antwortete O’Sullivan unbedarft. Dann stutzte er. »Ich ahne, worauf du hinaus willst, Justus. Aber wenn du Paul verdächtigst, liegst du falsch! Ich vertraue ihm vollkommen. Sicher, Paul hätte Zugang zu allem, aber nein! Für Paul würde ich meine Hand ins Feuer legen!«

Justus nickte und beließ es erst einmal dabei. »Wo wurde die Geige denn aufbewahrt?«

Der Produzent deutete auf eine Glasvitrine, die seitlich an der Wand stand. »Sie lag dort drinnen. Die Vitrine besteht aus Spezialglas und ihr Öffnungsmechanismus wird durch einen Code gesichert. Vor drei Tagen bemerkte ich den Diebstahl. Es muss in der Nacht zuvor geschehen sein.«

Die drei Detektive standen auf und besahen sich den Tatort. Das Glas war unversehrt. Der Dieb musste den Code geknackt haben.

»Wer außer Ihnen kannte den Code?«, fragte Justus.

»Den wusste nur ich«, antwortete O’Sullivan. »Natürlich habe ich oft Besuch, und ich habe vielleicht nicht immer darauf geachtet, ob man mir über die Schulter sah, wenn ich mein Schmuckstück gezeigt habe. Was aber viel schlimmer ist …« Er unterbrach sich und blickte aus dem Fenster, als würde er dort die Fortsetzung seines Satzes finden können. Draußen hatte der Diener die Rasensprenger angestellt. Eigentlich war es dafür noch zu früh am Tag, fand Justus.

»Ja?«, versuchte er O’Sullivan auf die Sprünge zu helfen.

»Äh, ich bin mir nicht sicher, ob ich den Code am Abend zuvor überhaupt aktiviert habe.« O’Sullivan zog scharf die Luft ein. »Wenn nie etwas passiert, wird man nachlässig …«

»Diese Möglichkeit dürfte der Versicherung nicht gefallen«, sagte Justus nachdenklich. »Die Diener des Herrn ist doch versichert?«

O’Sullivan nickte.

»Darum haben Sie also uns beauftragt und nicht die Polizei verständigt.«

»Ja … nein, eigentlich nicht. Ich schlage vor, dass wir uns erst einmal wieder setzen. Besprechen wir alles in Ruhe.«

»Ist es eigentlich leicht, auf Ihr Grundstück und in Ihr Haus zu gelangen?«, fragte Bob, nachdem sie wieder Platz genommen hatten und O’Sullivan Getränke nachgeschenkt hatte.

»Mein Sicherheitssystem ist sehr zuverlässig. Ihr könnt es euch nachher ansehen. Aber erst wollte ich euch das hier zeigen!« O’Sullivan zog eine grüne Mappe hervor, die bisher unbeachtet auf einem Beistelltisch gelegen hatte. Sie enthielt nur ein einziges Blatt, das zum Schutz in eine Plastikfolie gelegt worden war. Vorsichtig nahm er es heraus. »Das Schreiben des Entführers«, sagte er. »Paul fand es gestern früh im Briefkasten.«

Neugierig beugten sich die drei ??? über das Papier, das O’Sullivan vor sie auf den Glastisch gelegt hatte. Der Text war mit der Hand geschrieben, aber der Täter hatte einen dicken Filzstift benutzt und Druckbuchstaben gewählt, um die Auffälligkeiten seiner Schrift zu verbergen. Der Text war knapp und unmissverständlich:

1 MIO DOLLAR

UNREGISTRIERTE, SAUBERE SCHEINE

DANN GEIGE ZURÜCK

KEINE POLIZEI

NUR EIN BOTE:

EIN KIND

SAMSTAGNACHMITTAG

ORT RÜCKSEITE

SONST DIENER DES HERRN KAPUTT!

»Darf ich?«, fragte Justus und griff nach dem Papier.