Die drei ??? Geisterbucht (drei Fragezeichen) - Astrid Vollenbruch - E-Book

Die drei ??? Geisterbucht (drei Fragezeichen) E-Book

Astrid Vollenbruch

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Beschreibung

Die drei erfolgreichen Detektive aus Rocky Beach übernehmen ihren 150. Fall! Die Jubiläumstrilogie in einem E-Book: Teil 1 Rashuras Schatz: Onkel Titus hat ein uraltes schrottreifes Flugzeug ersteigert. Kaum ist es zum Gebrauchtwarencenter transportiert, interessieren sich mehrere zwielichtige Gestalten dafür. Kein Wunder: Im Inneren der Maschine ist ein wichtiger Hinweis auf einen unermesslich wertvollen Gegenstand versteckt! Die Suche nach Rashuras Schatz beginnt und Justus, Peter und Bob stecken schneller als ihnen lieb ist mitten in einem sehr gefährlichen Abenteuer ... Teil 2 Flammendes Wasser: Die Spur führt zu einem Schiffswrack tief unten im Meer in der Geisterbucht. Justus, Peter und Bob müssen einen gefährlichen Tauchgang wagen, um weitere Hinweise zu sichern. Doch sie sind nicht die einzigen, die sich ins flammende Wasser begeben ... Teil 3 Der brennende Kistall: Der lebensgefährliche Einsatz in der Geisterbucht ist erfolgreich: Die drei Detektive bergen den Schatz. Aber wer ist der rechtmäßige Besitzer des brennenden Kristalls? Beim Show Down auf dem Flugzeugfriedhof enthüllt sich das erschreckende Geheimnis ...

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Seitenzahl: 458

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Geisterbucht

Trilogie

erzählt von Astrid Vollenbruch

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2020, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur

ISBN 978-3-440-50283-9

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Geisterbucht

Teil 1 Rashuras Schatz

erzählt von Astrid Vollenbruch

Kosmos

Eine rätselhafte Erbschaft

»Wisst ihr«, sagte Peter Shaw, »ich frage mich ja schon länger, ob es eigentlich ein Naturgesetz oder eine göttliche Strafe ist, dass man bei Testamentseröffnungen aussehen muss wie ein Pinguin. Sind lächerliche ein oder zwei Millionen Dollar das wirklich wert?«

»Vielleicht sind es ja drei Millionen«, sagte Bob Andrews, der seinen gelben VW Käfer über die staubige, kurvenreiche Glenview Canyon Road nach Norden lenkte. »Für jeden von uns eine. Dafür sehe ich ganz gerne mal eine Stunde lang wie ein Pinguin aus.«

»Das sind jetzt schon zwei Stunden.« Peter schob den Ärmel seines dunklen Jacketts hoch und warf einen Blick auf die Uhr. »Und sieben Minuten. Dafür verlange ich Schadensersatz.«

»Wie viele Millionäre kennt dein Opa denn?«, fragte Justus Jonas, der auf dem Rücksitz saß und sich wie Peter und Bob in seinen besten dunklen Anzug geworfen hatte. »Und wie viele davon würden ausgerechnet uns in ihrem Testament bedenken?«

»Ziemlich wenige«, gab Peter zu. »Tatsächlich schuldete Mr Shreber meinem Opa sogar noch fünfzig Dollar – he, wahrscheinlich sollen wir die einfach nur abholen. Und dafür zwänge ich mich in diese peinliche Kluft und lasse mich von halb Kalifornien auslachen …«

»Ach komm«, sagte Bob in seinem nettesten Tonfall. »Die Einzigen, die dich ausgelacht haben, sind wir.«

»Hast du ein Glück, dass du gerade fährst«, erwiderte Peter. »Erinnere mich nach dem Aussteigen daran, dass ich dir eine klebe.«

Bob grinste. »Klar, mach ich.«

»Die fünfzig Dollar hätte Mr Shreber deinem Opa doch direkt schicken können«, meinte Justus. »Die gehen uns schließlich überhaupt nichts an. Und auch die Millionen halte ich für eher zweifelhaft. Was weißt du über Mr Shreber?«

»Ich?«, sagte Peter. »Gar nichts. Nur, dass er ein Freund meines Opas war. Sie kannten sich seit vielen Jahren und haben sich jeden Mittwochabend zum Pokerspielen getroffen. Und er wohnte in Waterside. Das ist alles.«

»Und woher wusste er, dass es uns gibt?«

»Du kennst doch meinen Opa. Er hat sein halbes Wohnzimmer mit Zeitungsberichten über unsere Fälle tapeziert und erzählt jedem, der es hören will – und auch jedem, der es nicht hören will –, was für großartige Detektive wir sind. Damit wird er auch seine Pokerrunde genervt haben.«

»Das bestätigt meine Vermutung, dass wir hier eher einen neuen Fall vor uns haben.«

»Och«, meinte Bob, »die eine oder andere Million als Zugabe wäre auch nicht schlecht. Wir sind übrigens gleich da. Bitte anschnallen und das Rauchen einstellen, wir setzen zur Landung an.« Er bog auf den Parkplatz des Gerichtsgebäudes von Waterside ein und hielt den Käfer an. »Andrews Buglines dankt für Ihr Vertrauen. Wir würden uns freuen, Sie auch auf dem Rückflug bei uns begrüßen zu dürfen.«

Sie stiegen aus und sahen sich um. Besonders viele Schaulustige und Journalisten hatte die Ankündigung der Testamentseröffnung des verstorbenen Mitbürgers Harry Shreber nicht angelockt. Leer und verlassen lag der Parkplatz in der gleißenden Sonne, und außer Bobs Käfer parkten dort nur noch ein riesiger silberner Dodge, ein dunkelblauer Chevrolet und ein schickes weißes Cabrio, dessen Verdeck geschlossen war.

Justus ging zu den drei Wagen und warf einen Blick ins Innere. »Aha«, sagte er. »Ein rücksichtsloser Familienvater, ein armer, aber standesbewusster Mann und eine sportbegeisterte und sicherheitsbesessene Notarin.«

»Ich weiß, ich werde die Frage bereuen«, sagte Peter, »aber woher weißt du das?«

»Das ist ganz einfach. Der silberne Dodge hat einen überquellenden Aschenbecher, also ist sein Fahrer ein starker Raucher. Auf dem Rücksitz liegen ein Teddy und ein bunter Ball, folglich hat der Mann Kinder. Und auf seine Rücksichtslosigkeit schließe ich erstens aufgrund der Tatsache, dass er Kinder in dieser Räucherhöhle herumfährt, und zweitens wegen der Kaffeeflecken auf dem Armaturenbrett, die auf starkes Bremsen und plötzliche Kurven zurückzuführen sein dürften. Der blaue Chevrolet ist an verschiedenen Stellen verrostet, also kann sein Besitzer sich kein neues Auto leisten. Aber auf dem Beifahrersitz liegt ein Hochglanzmagazin über Markenuhren. Die sportliche Notarin reitet, spielt Tennis und betreibt Nordic Walking. Das beweisen die diversen Utensilien auf dem Rücksitz. Und da sie befürchtet, dass man ihr die Sachen klaut, hat sie das Verdeck trotz der Hitze geschlossen.«

»Ich bereue die Frage«, sagte Peter. »Lasst uns reingehen und unsere Millionen abholen.«

Im Inneren des Gebäudes empfing sie die angenehme Kühle klimatisierter Flure. Der Portier in seinem verglasten Raum musterte sie misstrauisch, aber als sie ihm ihre Namen nannten und ihre Ausweise vorzeigten, nickte er. »Geradeaus, erster Flur rechts. Büro Fenton & Walters, Zimmer 109. Bitte warten Sie, bis Mrs Fenton Sie hereinruft.«

Vor Zimmer 109 warteten zwei Männer. Beide trugen dunkle Anzüge, aber damit endete ihre Ähnlichkeit. Der eine war etwa fünfzig Jahre alt, groß und massig. Er hatte einen Stiernacken und sah aus wie ein ehemaliger Preisboxer. Schon auf fünf Schritte Entfernung roch er nach Zigarettenqualm. Der andere war Mitte sechzig, schlank und gepflegt, mit sauber geschnittenen grauen Haaren und der würdevollen Miene eines englischen Butlers. Beide sahen den drei ??? entgegen. Der ältere Mann nickte ihnen freundlich zu, aber das Gesicht des anderen verfinsterte sich, je näher sie kamen.

»Guten Tag«, sagte Justus höflich. »Warten Sie auf die Testamentseröffnung von Mr Shreber?«

»Ja«, sagte der ältere Herr. »Mein Name ist –«

»Und was geht euch das an?«, bellte der Preisboxer. »Wer seid ihr? Was habt ihr hier zu suchen?«

»Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews«, antwortete Justus unverändert höflich. »Wir sind von Mrs Fenton vorgeladen worden.«

»Wie?« Das vierschrötige Gesicht lief rot an. »Was habt ihr mit meinem Schwiegervater zu schaffen? Ich habe euch noch nie im Leben gesehen! Wahrscheinlich haben diese verdammten Bürokraten wieder irgendeinen Fehler gemacht. Verschwindet!«

»Nein, Sir«, sagte Justus. »Wir haben hier einen Termin und gedenken ihn wahrzunehmen. Es tut mir leid, wenn Ihnen das nicht gefällt, aber –«

In diesem Moment öffnete sich die Tür des Büros und eine Dame mittleren Alters im schicken grauen Kostüm trat auf den Flur. »Mr Andrews, Mr Dempster, Mr Jonas, Mr Mason und Mr Shaw? Mein Name ist Carla Fenton. Bitte kommen Sie doch herein.«

»Sie!«, blaffte der Mann. »Sie haben diese Jungen eingeladen? Warum? Wer sind die? Was für ein verdammtes Spiel wird hier gespielt?«

»Die Jungen wurden im Testament Ihres Schwiegervaters namentlich genannt, Mr Dempster«, antwortete die Notarin sachlich. »Bitte kommen Sie herein, es wird sich alles klären.«

Ohne ein weiteres Wort stapfte der Mann an ihr vorbei. Mr Mason zögerte, als sei er nicht sicher, ob er wirklich noch mehr Zeit in der Gegenwart dieses Menschen verbringen wollte, und kam dann näher. Die Herren Andrews, Jonas und Shaw folgten und lächelten Mrs Fenton liebenswürdig an. Sie lächelte kurz und berufsmäßig zurück und schloss die Tür hinter ihnen.

Im Büro standen fünf Stühle vor einem ausladenden, modernen Schreibtisch, auf dem ein einzelner großer Briefumschlag und ein Brieföffner lagen. Mr Dempster setzte sich in die Mitte und zwang damit die anderen, sich um ihn herum zu gruppieren.

Mrs Fenton trat hinter den Tisch und nahm den Briefumschlag auf. »Ich begrüße Sie zur Testamentseröffnung des verstorbenen Mr Harry Shreber. Sie alle wurden von Mr Shreber namentlich in seinem Testament aufgeführt. Ich verlese nun das Testament im genauen Wortlaut.« Sie öffnete den Umschlag und nahm ein Blatt Papier heraus. »Ich, Harry Shreber, verfüge im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte Folgendes:

Meinem Sekretär Frank Mason vererbe ich als Dank für seine treuen Dienste tausend Dollar, die ihm bei der Testamentseröffnung bar auszuzahlen sind und die ich diesem Umschlag beilege. Danke für die Hilfe, Frank.

Mein Haus und mein gesamtes restliches Barvermögen vererbe ich, weil es ja verdammt noch mal sein muss, meinem Schwiegersohn Miles Dempster, der das Geld bis zur Volljährigkeit meines Enkels gefälligst anständig zu verwalten hat. Besonders viel ist es nicht, aber es sollte reichen, um dem Jungen ein Studium zu ermöglichen. Außerdem bekommt Miles Dempster die gesamte Möblierung des Hauses und allen Plunder, den ich in den letzten Jahrzehnten zusammengetragen habe. Viel Spaß beim Entrümpeln, Miles. Vielleicht ist Frank Mason bereit, dir bei der Organisation zu helfen, er ist ein Genie in solchen Dingen.

Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews vom Detektivbüro ›Die drei ???‹ aus Rocky Beach vererbe ich den Inhalt des beiliegenden Briefumschlags. Ich habe viel Gutes über euch gehört und bin sicher, ihr werdet das Richtige tun.

Harry Shreber, Glenview.«

Sie blickte auf. Mr Dempster war puterrot vor Wut. »Detektivbüro? Was ist das für ein Blödsinn?«

»Das ist kein Blödsinn.« Verärgert verzichtete Justus jetzt auf das höfliche ›Sir‹. »Wir haben schon eine ganze Reihe Fälle aufgeklärt. Wenn Sie unsere Visitenkarte sehen möchten –«

»Quatsch!«, bellte der Mann. »Detektivbüro! Wenn mein Schwiegervater Detektive gebraucht hätte, was nicht der Fall war, hätte er sich einen Profi geholt und nicht ein paar dahergelaufene Schuljungen! Was soll, das, Mrs Fenton? Was ist das für ein Briefumschlag? Was hatte der alte Fuchs damit vor? Ich will sehen, was drin ist, bevor Sie ihn den Jungen da geben!«

»Ausgeschlossen«, sagte Mrs Fenton. »Sie haben kein Anrecht auf diesen Umschlag. Wenn die Jungen Ihnen den Inhalt zeigen wollen, ist das eine andere Sache, aber er gehört nicht zu den Dingen, über die Sie verfügen können.«

»Das werden wir ja sehen«, sagte Mr Dempster wütend. »Ich sage Ihnen eins, Mädchen: Ich bin daran gewöhnt, meinen Willen durchzusetzen! Ist das klar?«

»Mr Dempster, ich bin Notarin und nicht Ihr ›Mädchen‹, und Ihr Wille interessiert mich erst, wenn es der Letzte Wille ist. Nehmen Sie das Erbe an oder nicht?«

»Muss ich ja wohl, wenn’s für den Jungen ist!« Mr Dempster stand auf und stieß den Stuhl zurück. »Sie da – Mason! Sie kriegen den Auftrag, den gesamten Krempel aus dem Haus zu verkaufen. Haben Sie mich gehört?«

Aber offenbar hatte er den stillen älteren Herrn falsch eingeschätzt. Mr Mason blickte zu ihm hoch und sagte sehr kühl: »Das heißt Mr Mason für Sie, Mr Dempster. Ich war der Sekretär Ihres Schwiegervaters. Das macht mich nicht zu Ihrem Leibeigenen. Kommen Sie erst einmal in diesem Jahrtausend an – dann können wir über die Entrümpelung reden.«

Mr Dempsters Gesicht färbte sich noch dunkler und es sah aus, als würde er gleich explodieren. Stattdessen drehte er sich um und stampfte aus dem Raum. Wahrscheinlich hätte er die Tür auch gerne zugeknallt, aber sie war mit einer hydraulischen Bremsstange ausgestattet – vermutlich für genau so einen Fall – und schloss sich sanft, langsam und beinahe lautlos hinter ihm.

Als der unsympathische Kerl weg war, atmeten alle auf.

»Das war ja ein richtig erfreulicher Zeitgenosse«, sagte Bob sarkastisch.

»So etwas kommt leider immer wieder einmal vor«, sagte Mrs Fenton. »Hier ist euer Briefumschlag.«

»Vielen Dank.« Justus nahm den Umschlag, öffnete ihn und nahm einen Zettel heraus. »Kollegen, ich hatte recht. Mr Shreber hat uns keine Millionen vererbt, sondern ein Rätsel! Hört zu:

Liebe drei ???,

ihr fragt euch sicher, was das alles zu bedeuten hat. Wahrscheinlich werdet ihr trotz eurer unbestreitbaren Berühmtheit nicht oft zu Testamentseröffnungen wildfremder Leute eingeladen. Aber ich habe von meinem Freund Ben Peck und aus anderen Quellen viel Gutes über euch gehört und glaube, dass ihr die Richtigen seid, um einen Fehler wiedergutzumachen, der vor vielen Jahren begangen wurde. Es wird allerdings nicht leicht. Um meine Feinde zu verwirren, verberge ich meine Hinweise in diesem Rätsel:

John Fisher bekam zwar Geld dafür,

doch es gehört noch immer mir.

Maruthers gibt, zu meinem Kummer,

es euch zurück nicht ohne Nummer.

Die Nummer aber findet man

nur, wo man sie nicht suchen kann.

Zwar kennt sie das, was einst geflogen,

doch seine Antwort ist gelogen.

Habt ihr den Gegenstand entdeckt,

nehmt das, was ich in ihm versteckt.

Fragt Ismael nach Moby Dick

und geht den Weg, den er euch schickt.

Euch geb ich meine Schuld zum Erbe,

damit ich nicht ganz ehrlos sterbe.

Doch warn ich euch noch mit Bedacht:

Nehmt vor Rashura euch in Acht.

1: 987 774

Ich hoffe sehr, dass ihr es lösen könnt. Wenn ihr etwas nicht versteht, zögert nicht, euch an Frank Mason zu wenden, der mein vollstes Vertrauen besitzt.

Ich weiß, ihr werdet das Richtige tun. Ich danke euch.

Harry Shreber.«

»Großartig«, sagte Peter. »Da haben wir unseren Fall, und ich habe kein einziges Wort verstanden. Das sind doch mal wieder die besten Voraussetzungen!«

»Ihr seid wirklich Detektive?«, fragte Mr Mason, der mit verwunderter Miene zugehört hatte.

»Allerdings«, sagte Justus. »Hier ist unsere Karte.« Er zog die Visitenkarte der drei ??? aus der Tasche und reichte sie ihm.

Auch Mrs Fenton bekam eine Karte. »Interessant«, sagte sie. »Was bedeuten die drei Fragezeichen?«

»Das ist unser Markenzeichen«, antwortete Justus. »Das Fragezeichen ist das universelle Symbol des Unbekannten. Es steht für Rätsel, ungelöste Fragen und Geheimnisse, die wir untersuchen. Und wir haben schon eine ganze Menge Rätsel gelöst.«

»Und ihr meint, ihr könnt auch das Rätsel lösen, das euch Mr Shreber hinterlassen hat?«

»Wir werden es auf jeden Fall versuchen«, sagte Justus. »Fällt Ihnen vielleicht etwas ein, das uns weiterhelfen könnte?«

»Die Namen sind mir alle unbekannt. Ich kenne nur Moby Dick, das ist ein Roman von Herman Melville, in dem ein Mann namens Ahab einen weißen Wal jagt. Ismael ist der Name des Ich-Erzählers. Wenn ihr ihn befragen sollt, heißt das vielleicht, dass ihr das Buch lesen sollt, um einen Hinweis zu bekommen.«

»Vielen Dank«, sagte Justus. »Mr Mason, können Sie uns vielleicht auch helfen? Als Sekretär von Mr Shreber müssten Sie doch eine ganze Menge über ihn wissen.«

Mr Mason zögerte. »Nun«, sagte er endlich, »vielleicht weiß ich wirklich etwas.« Er sah die Jungen an und lächelte. »Und das lässt sich am besten bei einem Eis besprechen. Ich lade euch ein, wenn ihr wollt. Schließlich habe ich gerade eine Erbschaft gemacht.«

Die drei ??? nickten begeistert und Peter meinte mit einem breiten Grinsen: »Bevor wir uns schlagen lassen …«

Die Notarin händigte Mr Mason den Umschlag aus. Er warf einen kurzen Blick hinein, nickte und unterschrieb die Quittung, die sie ihm vorlegte. »Danke.«

»Gern geschehen«, sagte Mrs Fenton. »Mr Shreber muss Sie sehr geschätzt haben, Mr Mason. Ich wünsche Ihnen – und euch – noch einen schönen Tag. Und viel Erfolg bei der Lösung eures Rätsels!«

Sie verließen das Gerichtsgebäude durch den Haupteingang, überquerten die Straße, setzten sich in die Eisdiele und vertieften sich sofort in die Eiskarte. Justus, Bob und Mr Mason entschieden sich für je eine große Portion Eis mit Sahne, nur Peter schwankte zwischen dem Spaghetti-Eis und dem Bananen-Split. Erst ein paar wütende Blicke versetzten ihn in die Lage, das Spaghetti-Eis zu bestellen.

»So, Mr Mason«, sagte Justus dann und blickte den Sekretär erwartungsvoll an. »Was können Sie uns zu dem Rätsel sagen?«

»Vielleicht liege ich ganz falsch«, meinte Mr Mason. »Aber bei der Zeile ›Zwar kennt sie das, was einst geflogen‹ ist mir etwas eingefallen, das vielleicht passen könnte. Doch das möchte ich euch lieber direkt zeigen, sonst glaubt ihr es mir wahrscheinlich gar nicht. Wie wäre es, wenn ihr morgen früh zu Mr Shrebers Haus kommen würdet?«

Die drei ??? waren sofort einverstanden.

»Kennen Sie die Namen aus dem Rätsel?«, fragte Bob. »Fisher, Maruthers und Rashura?«

»Nein, ich glaube nicht. Fisher ist natürlich ein Allerweltsname, aber ich kenne keinen Bekannten von Mr Shreber, der so heißt. Und die anderen beiden Namen habe ich noch nie gehört.«

Eine junge Frau brachte die Eisbecher und die vier Erben begannen genüsslich zu essen. »Können Sie uns denn etwas über Mr Shreber erzählen?«, fragte Justus. »Da er uns nun posthum beauftragt hat –«

»Aha!«, unterbrach Peter. »Darauf habe ich doch die ganze Zeit gewartet. Augenblick …« Er zog ein kleines Buch aus der Hosentasche und fing an, darin zu blättern.

»– wäre es nützlich, mehr über ihn zu wissen«, beendete Justus seinen Satz und blickte Peter irritiert an. »Auf was hast du gewartet?«

»Darauf, dass du mal wieder Wörter verwendest, die kein normaler Mensch versteht. Moment, ich hab es gleich. Paternoster … Petrifikation … posthum, da ist es. ›Nach jmds. Tode erfolgt‹. Bestens.« Er klappte das Buch zu und steckte es wieder ein. »Ich bin es nämlich leid, andauernd nachzufragen und mir wie ein Trottel vorzukommen. Ab sofort gucke ich hier drin nach.«

»Klingt gut«, sagte Bob. »Peter, die Bildungsbestie.«

»Tja, es wird nämlich Zeit, dass ihr meine wahren Qualitäten mal zu würdigen lernt.«

Justus grinste. »Wirklich beeindruckt werde ich sein, wenn du ganz beiläufig im Gespräch damit um dich wirfst.«

»Nö«, sagte Peter, »das überlasse ich gerne dir. Mir reicht es dann, wissend zu lächeln. Zurück zu Mr Shreber?«

Mr Mason hatte ihnen schmunzelnd zugehört. Jetzt nickte er. »Ja, Harry Shreber. Was wollt ihr wissen?«

»Zum Beispiel, was für ein Mensch er war«, sagte Bob. »Bis jetzt wissen wir nur, dass er mit Peters Opa jeden Mittwoch Poker spielte, geheimnisvolle Feinde und ein Haus voller Zeug hat und seinen Schwiegersohn nicht leiden konnte.«

»Was man ihm wohl nicht verdenken kann.« Mr Mason schob seinen leeren Eisbecher zur Seite. »In seiner Jugend war er Kampfflieger bei der Navy. Er kam viel in Indien, Indonesien und Südostasien herum und war bei einigen harten Einsätzen dabei. Im Vietnamkrieg wurde er abgeschossen und lag wochenlang im Lazarett. Dort lernte er seine spätere Frau kennen, Jessica Tanner, eine englische Krankenschwester. Sie heirateten, ließen sich hier in Glenview nieder und bekamen eine Tochter, Veronica. Nach dem Krieg schlug er sich erst mit Gelegenheitsarbeiten durch und fand schließlich einen Job als Wachmann bei einer größeren Firma. Den behielt er bis zu seiner Pensionierung. Dann geschah ein Unglück, seine Frau und seine Tochter kamen bei einem Autounfall ums Leben. Das warf ihn aus der Bahn. Er war vorher recht gesellig gewesen, aber danach zog er sich völlig in sein Haus zurück und verließ es nur noch, um irgendwelchen Trödel zu kaufen. Das Haus war ihm wohl zu groß und zu leer und er stopfte es mit Dingen voll. Er warf nie etwas weg – vielleicht, weil er Verlust nicht mehr ertragen konnte, aber das ist nur meine private Überlegung.« Er seufzte. »Ich hatte eigentlich gehofft, ich müsste mich nach seinem Tod nicht mehr mit dem Haus befassen.«

»Sie können es doch ablehnen, Mr Dempster zu helfen«, sagte Peter. »Also ich täte das, nachdem er Sie vorhin so angeblafft hat.«

»Ja, aber ich bin der Einzige, der sich in dem Haus einigermaßen auskennt.«

»Ist es denn so groß?«, fragte Bob. »Gibt es Unmengen von Gängen und Zimmern, in denen man sich verlaufen kann?«

»Nein. Es ist eigentlich ein ganz normales … ach, ihr werdet es ja morgen sehen.«

»Und wer sind seine Feinde?«, fragte Justus und grub ein besonders großes Stück Schokolade aus seinem Stracciatella-Eis.

»Das weiß ich leider nicht. Er war zuletzt ein wenig, nun ja, wunderlich. Ich kenne niemanden, der ihm Böses gewollt haben könnte. Dieser Rashura scheint ja ein Feind zu sein, aber darüber weiß ich nichts.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und stand auf. »So, ich muss leider los, ich habe noch einen Termin. Esst in Ruhe euer Eis auf, ich bezahle es schon. Wir sehen uns dann morgen um elf vor Mr Shrebers Haus – hier ist die Adresse.« Er schrieb ein paar Worte auf eine Visitenkarte und legte sie auf den Tisch.

Justus nahm sie und steckte sie ein. »Vielen Dank, auch für die Einladung«, sagte er. »Und falls Sie sich entschließen sollten, Mr Dempster bei der Entrümpelung zu unterstützen, kenne ich da durch einen überraschenden Zufall einen ausgezeichneten und sehr zuverlässigen Trödelhändler, der Ihnen ein paar Sachen abnehmen könnte …«

»Das klingt gut«, sagte Mr Mason. »Vielleicht komme ich darauf zurück. Bis morgen!«

Er bezahlte das Eis, winkte den Jungen noch einmal zu und ging.

Justus lehnte sich zurück. »Das dürfte das erste Mal sein, dass wir von einem Toten beauftragt werden«, sagte er. »Er hat etwas versteckt, fürchtete sich vor jemandem namens Rashura und will einen Fehler wiedergutmachen. Ich bin gespannt, was wir herausfinden.«

Das Haus des Sammlers

Am nächsten Morgen fuhren sie in Bobs Käfer nach Waterside, kurvten eine Weile durch verschlafene Wohnstraßen und hielten schließlich vor dem Haus, in dem der verstorbene Mr Shreber gewohnt hatte. Von außen sah es tatsächlich völlig unspektakulär aus. Es war ein ganz normales zweigeschossiges, gelb gestrichenes Haus mit einem glatt rasierten Vorgarten und einer Garage. Von dem Garten sahen sie nur eine wuchernde Wildnis hinter einem komplett zugewachsenen Zaun.

Mr Mason stand schon an der Haustür und nickte ihnen kurz zu, als sie ausstiegen und zu ihm hingingen. »Seht euch das an«, sagte er verärgert und zeigte auf das Türschloss. Rings um das Schloss waren tiefe Kratzer zu sehen und die Türzarge war beschädigt, als hätte jemand sie mit einer Brechstange bearbeitet. »So sah sie aus, als ich ankam. Es gibt nur noch Verbrecher!«

»Wollen Sie die Polizei rufen?«, fragte Bob.

»Nein – sie haben es ja nicht geschafft, die Tür zu öffnen. Aber es ärgert mich doch.« Er steckte den Schlüssel ins Schloss und wollte ihn umdrehen, doch ohne Erfolg. Ärgerlich ruckelte er den Schlüssel hin und her, versetzte dann der Tür mit der Schulter einen Stoß und schob sie ein Stück weit auf. »Aber selbst wenn sie etwas gestohlen hätten, wäre es mir vielleicht gar nicht aufgefallen.«

Die drei ??? spähten an ihm vorbei in den dämmerigen Flur. »Wow«, staunte Peter. »Erzählten Sie nicht, das Haus sei Mr Shreber nach dem Tod seiner Frau zu leer gewesen?«

»Jetzt ist es das jedenfalls nicht mehr«, murmelte Bob, und damit hatte er recht.

Das Haus war ›nicht leer‹ ungefähr in dem Sinn, wie eine absolut finstere, tiefschwarze Höhle ›nicht hell‹ ist. Es war voll . Die begehbare Fläche des Hausflurs beschränkte sich auf einen etwa fünfzig Zentimeter breiten, schlauchartigen Gang zwischen Regalen, die bis zur Decke reichten und mit hunderten von Gegenständen vollgestopft waren. Viele davon waren Pappkartons mit beschrifteten Aufklebern wie ›Modellflieger‹, ›Uhren‹, ›Diktiergeräte‹ und dergleichen, aber irgendwann hatte Mr Shreber offenbar entweder die Geduld oder die Nerven verloren und alle neuen Errungenschaften einfach in die Regale gestopft. Die drei ??? sahen Plüschtiere, Stapel von Taschenrechnern, Elektrogeräte, Teller, Puppen, Kleidungsstücke, Puzzlespiele, Zylinder, Kitschfiguren aus jedem nur denkbaren Material, Bücher, Teile von Schaufensterpuppen und unzählige andere Dinge, die sie in solchen Zusammenstellungen sonst nur zu Hause im Gebrauchtwarencenter von Justus’ Onkel gesehen hatten. Der durchdringende Geruch von Staub, verdächtigen Chemikalien, altem Holz und mottenzerfressenen Stoffen verschlug ihnen den Atem.

Und das war erst der Flur.

Mr Mason trat ein und schob sich zwischen den gefährlich instabil aussehenden Regalen hindurch in die Richtung, in der man ein Wohnzimmer vermuten konnte. Die drei ??? folgten ihm vorsichtig und rechneten jeden Moment damit, dass ihnen ein schwerer Karton entgegenfiel. Das passierte nicht, aber sie kamen trotzdem nicht weiter als bis zur Wohnzimmertür, und dort blieben sie einfach stecken. Der Pfad ging zwar weiter, aber zwischen den Unmengen von Gerümpel war beim besten Willen kein Platz für vier Leute, und der Geruch, der sich bei geschlossenen Fenstern und kalifornischer Sommerhitze aufgestaut hatte, gehörte schon zur Kategorie gefährlicher biologischer Kampfstoffe. Peter, der das Schlusslicht bildete, drehte sich wortlos um und schob sich zurück zur Tür. Die anderen kapitulierten ebenfalls und traten den Rückweg an. Dass das Haus unter dem Gewicht der aufgetürmten Massen noch nicht zusammengebrochen war, grenzte an ein Wunder.

Draußen vor der Tür holten sie alle erst einmal tief Luft. Die war zwar auch hier heiß und brachte keine Erfrischung, aber dafür einen sauberen Geruch nach Sand und Bergen.

»Sieht das ganze Haus so aus?«, fragte Justus.

»Ja – leider.«

»Und das alles hat er seinem Schwiegersohn vererbt?« Bob schüttelte den Kopf. »Den muss er ja verabscheut haben!«

Mr Mason lachte. »Nun ja, besonders gern hatte er ihn wirklich nicht.«

»Werden Sie Mr Dempster denn bei der Entrümpelung helfen?«, fragte Peter.

Der Sekretär zögerte. »Ich denke schon. Allerdings freue ich mich nicht gerade darauf. Mr Dempster hat mich heute Morgen angerufen. Er will das Haus so schnell wie möglich verkaufen. Ich werde mich wohl tatsächlich an diesen Trödelhändler wenden, von dem du sprachst, Justus.«

Justus grinste. »Das ist mein Onkel. Und er wird Ihnen einen guten Preis anbieten. Was ist es denn nun, was Sie uns zeigen wollten?«

Mr Mason seufzte tief. »Es ist das – nun ja – das Flugzeug.«

»Das was?«, fragte Bob entgeistert.

»Flugzeug?«, sagte Peter. »Wollen Sie damit sagen, hier irgendwo im Haus steht ein Flugzeug? Was ist es – ein Airbus? Er ist mir zwar nicht direkt aufgefallen, aber wenn wir ein paar hundert Kisten im Wohnzimmer zur Seite räumen –«

Das entlockte Mr Mason ein kleines Lachen. »Nein, es ist kein Airbus, und es steht auch nicht im Wohnzimmer. Kommt mit, ich zeige es euch.« Er führte sie zu der ebenfalls mit Gerümpel vollgestopften Garage. Dort klaubte er einen rostigen Schlüssel aus der Hosentasche und öffnete die Tür.

Kalifornien zeichnet sich durch ein heißes, trockenes Klima aus, in dem Palmen, Orchideen und Kakteen hervorragend wachsen können. Zehn Prozent davon verteilen sich über eine Fläche von etwa 424.000 Quadratkilometern. Die restlichen neunzig Prozent wuchsen in Mr Shrebers Garten – zumindest kam es den drei ??? so vor, als Mr Mason eine bereitliegende Machete ergriff und sich eine Schneise durch den duftenden Dschungel zu schlagen begann. »Er war ein echter Pflanzenfreund«, rief der Sekretär über die Schulter zurück, aber das war wohl nur noch reine Verzweiflung.

Sie schlängelten sich hinter ihm durch die Wildnis, wichen riesigen Kakteen aus, bewunderten gigantische rosa und weiße Orchideen, die sich gegenseitig erstickten, und stießen mit Mr Mason zusammen, als er plötzlich stehen blieb.

»Dieses Flugzeug«, sagte er.

DiesesFlugzeug war ein früher einmal in Tarnfarben gestrichener, jetzt fast völlig verrosteter und von Efeu und Hibiskus überwucherter, etwa zwölf Meter langer Klumpen aus Metall. Das gewölbte Glasdach des Cockpits war stellenweise zerbrochen, die scharfen Glasscherben waren braun von Dreck und Pflanzenpollen. Ranken wickelten sich um die kurzen, nach oben abgewinkelten Flügel und die Propellerblätter. Es sah eher wie eine vergessene Skulptur aus als wie etwas, das früher einmal geflogen war. Aber es war zweifellos eine kleine Militärmaschine, deren braune Tarnfarbe in großen Flecken vom Rost weggefressen war.

»Wow«, sagte Peter ehrfürchtig.

»Das, was einst geflogen«, sagte Justus. »Ja, Sie könnten recht haben, Mr Mason. Dürfen wir es uns mal näher ansehen?«

»Natürlich.«

»Hebt mich mal hoch.«

Peter und Bob verkniffen sich jeden Kommentar über sein aktuelles Kampfgewicht, verschränkten die Hände zur Räuberleiter und hievten ihn nach oben, sodass er auf den linken Flügelansatz klettern konnte.

Das teils zerbrochene Glasdach ließ sich recht leicht hochklappen, wobei ein paar Scherben ins Innere des Cockpits fielen. Justus stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte hinein.

Das Flugzeug war nur für einen Piloten gebaut und hatte einen halb zerfressenen Ledersitz, der vorne, rechts und links in den Bordwänden von unzähligen verdreckten Schaltern und Instrumentenanzeigen umgeben war. Der Steuerknüppel war weg. Justus warf einen Blick in den Fußraum und sah eine Schicht aus fauligem Dreck und Scherben. Versuchsweise rüttelte er am Sitz, aber der saß bombenfest. Der Hebel an der Seite ließ sich nicht bewegen.

»Fall nicht rein«, sagte Bob von unten. »Und? Ist da zufällig ein Schatz?«

»Ja, gleich hier auf dem Sitz liegt ein großes Paket voller Diamanten, das jahrzehntelang niemandem aufgefallen ist. Der Fall ist gelöst, wir sind reich.«

»Was?«, rief Peter fassungslos. »Wirklich?«

»Nein.«

»Mensch, Justus!«

»Also, hier oben sehe ich nichts Besonderes.« Justus setzte sich auf den Flügel und rutschte nach unten. Er tauchte unter dem Flügel hindurch und versuchte, die Seitentür zu öffnen. Bob und Peter kamen ihm zu Hilfe, aber die Tür blieb zu. »Gibt es für diese Tür einen Schlüssel?«

»Bestimmt.« Mr Mason seufzte tief. »Irgendwo im Haus.«

Das klang nicht ermutigend.

»Hat Mr Dempster Ihnen bei seinem Anruf eigentlich gesagt, was er mit dem Flugzeug vorhat?«

»Er will es so schnell wie möglich verkaufen. Übrigens war er beinahe freundlich – er sagte, gestern seien wohl seine Nerven mit ihm durchgegangen. Das kam einer Entschuldigung so nahe, dass ich mich bereit erklärt habe, ihm zu helfen.« Er seufzte tief. »Das war natürlich ein Fehler, denn jetzt habe ich das Flugzeug am Hals. Wer um alles in der Welt kauft so einen Haufen Schrott?«

»Ich«, sagte Justus.

Es gab eine Pause.

»Er möchte nämlich gerne seine Tante in den Wahnsinn treiben«, erklärte Peter.

»Just, das ist nicht dein Ernst«, sagte Bob. »Du willst doch dieses Ding nicht auf den Schrottplatz bringen!«

»Wohin denn sonst?«

»Und was sagt dein Onkel dazu?«

»Onkel Titus hätte auch eine Dampflok auf den Platz gestellt, wenn meine Tante damit einverstanden gewesen wäre. So ein Flugzeug ist erstens ein guter Kundenfang und zweitens kann man es immer noch weiterverkaufen.«

»Justus, kein Mensch kauft ein kaputtes Flugzeug!«

»Doch«, sagte überraschend Mr Mason. »Es gibt für alles einen Käufer. Ich dachte zum Beispiel an ein Flugzeugmuseum …«

Justus nickte. »Ich auch. Aber erst, wenn wir es gründlich untersucht haben.«

»Und wie sollen wir es transportieren?«, fragte Peter skeptisch. »Auf den Pick-up passt das jedenfalls nicht!«

»Da kann ich euch helfen«, sagte Mr Mason. »Ich hatte mich früher schon einmal nach Transportmöglichkeiten erkundigt – nur für den Fall der Fälle. Ich werde jemanden anrufen, der das Ding aus dem Garten herausziehen kann. Es ist natürlich schade um den Dschungel, der dabei verwüstet wird, aber das kommt ja später sowieso alles weg. Und dann liefere ich es euch – äh – wohin?«

»Zu mir nach Hause«, sagte Justus. »Bei uns auf dem Hof ist genug Platz. Warum hat Mr Shreber das Flugzeug überhaupt in seinen Garten gestellt? Und woher hatte er es?«

»Nostalgie«, sagte Mr Mason. »Kurz nach seinem Abschied wurden viele der Flugzeuge, mit denen er und seine Kameraden unterwegs gewesen waren, außer Dienst gestellt. Er suchte seine alte Maschine, kaufte sie und stellte sie hier auf. In den ersten Jahren kamen dauernd Neugierige, um sich das Ding anzusehen. Kinder kletterten darauf herum und so weiter. Als der Dschungel darüberwuchs, ging das nicht mehr, aber natürlich wusste hier in Waterside jeder über den Verrückten Bescheid, der ein Flugzeug im Garten stehen hatte. Er war so etwas wie ein Original.«

»Hm«, sagte Justus. »Hat er im Zusammenhang mit dem Flugzeug jemals eine bestimmte Nummer erwähnt?«

»Nicht, dass ich wüsste.« Mr Mason kratzte sich am Hinterkopf. »Vielleicht ist es ja auch ganz falsch …«

»Nein, ich glaube, das Flugzeug ist unser erster richtiger Anhaltspunkt. Wir werden es untersuchen, irgendeine Nummer finden, das Richtige tun und den Fall lösen.«

»Deinen Optimismus hätte ich gern«, sagte Peter. »Wie soll man ›das Richtige‹ tun, wenn man nicht einmal weiß, was das Falsche ist?«

In diesem Moment gab es hinter ihnen einen lauten Krach und sie fuhren erschrocken herum. »Das kam aus dem Haus!«, rief Mr Mason. Sie drehten sich um und rannten durch die Schneise zurück.

Als sie aus der Garage kamen, sahen sie gerade noch, wie ein junger Mann einen Karton auf den Rücksitz eines silbergrauen Sportwagens warf, hinters Steuer rutschte, Gas gab und mit quietschenden Reifen davonfuhr.

Mr Mason hastete zum Haus. Die drei ??? folgten ihm. Der Sekretär stieß die Haustür auf und hielt abrupt an. Sie spähten an ihm vorbei. Das Regal auf der rechten Seite war zwar nicht zusammengebrochen, aber der Dieb hatte mit dem einen Karton eine ganze Menge weiterer Kartons und Gegenstände herausgerissen, die sich jetzt in dem schmalen Gang auftürmten und den Weg versperrten.

»Das ist doch zum Ko– äh – zum Mäusemelken!« Offenbar war Mr Mason der lobenswerten Auffassung, dass man den empfindsamen Ohren sechzehnjähriger Jugendlicher keine stärkeren Kraftausdrücke zumuten durfte. »Kann man denn hier nicht einmal fünf Minuten eine Tür offen stehen lassen?«

»Offenbar nicht«, sagte Justus. »Wenn Mr Shreber in der Nachbarschaft als, hm, leidenschaftlicher Sammler bekannt war, dürfte sein Haus Gegenstand allgemeiner Neugier sein.«

»Weißt du was? Wenn es nach mir ginge, würde ich ja sämtliche Bewohner von Waterside einladen, sich aus dem Plunder herauszuholen, was ihnen gefällt. Aber Mr Dempster will ja alles verkaufen.«

»Lassen Sie uns das aufräumen«, bot Justus an. »Wir haben Erfahrung mit so etwas.«

»Ja, danke.« Der Sekretär trat zur Seite. Justus schob sich an ihm vorbei, sah sich aufmerksam um und fing an, die heruntergefallenen Gegenstände sorgfältig wieder einzuräumen. Weil außer ihm nur noch einer Platz fand, half Bob ihm. Dabei mussten sie aufpassen, nicht selbst gegen das Regal zu stoßen und alles wieder herunterzureißen.

Als sie fertig waren, nickte Justus. »Der Dieb wusste genau, was er haben wollte.«

»Wie kommst du darauf?«, fragte Peter.

»Der Karton stand hier hinter diesem ganzen Gerümpel. Und obwohl zum Beispiel diese vier Briefmarkenalben da drüben sehr auffällig, leichter zugänglich und ganz sicher wertvoller sind, hat der Dieb nur den Karton herausgezogen und sich um nichts anderes gekümmert.«

»Weil er wusste, dass wir sofort zurückkommen würden.«

»Woher sollte er das wissen?«

»Weil er genug Krach gemacht hat, dass wir ihn gar nicht überhören konnten.«

»Er hätte still und leise die Briefmarkensammlung und noch einen Haufen anderer Sachen mitnehmen können, ohne dass wir es gemerkt hätten«, sagte Bob.

»Das stimmt wohl«, meinte Mr Mason. »Aber all diese Kartons enthalten nur Plunder, nichts Wertvolles. Warum sollte jemand etwas davon stehlen wollen?«

»Das sollten wir herausfinden«, antwortete Justus. »Ich habe mir die Kartons vorhin genau angeschaut und weiß, welcher fehlt. Der Dieb hat ausgerechnet einen Karton mit Modellflugzeugen gestohlen.«

»Das könnte doch ein Zufall sein«, sagte Peter.

»Ich glaube nicht an Zufälle. Aber bitte, sehen wir uns noch einmal gründlich um.«

Sie untersuchten den Flur und drangen noch einmal bis ins Wohnzimmer vor, aber Mr Mason konnte beim besten Willen nicht sagen, ob außer dem Karton mit den Modellflugzeugen noch etwas verschwunden war.

Die drei ??? verabschiedeten sich und Justus sagte: »Mr Mason, bitte sagen Sie uns Bescheid, wenn noch einmal etwas Ungewöhnliches passiert. Sie haben ja unsere Visitenkarte.«

»Das werde ich tun«, nickte der Sekretär.

Die drei kletterten in Bobs Käfer und machten sich auf den Weg nach Hause.

Ein neuer Helfer

Leider war Onkel Titus von der Entrümpelungsidee überhaupt nicht begeistert. Während Justus ihm den Zustand von Mr Shrebers Haus beschrieb, glänzten seine Augen, aber als er hörte, was er tun sollte, sträubte sich sein schwarzer Schnurrbart. »Justus!«, rief er. »Wie stellst du dir das vor? Patrick und Kenneth sind schließlich nicht mehr da! Wenn ihr drei mir helfen würdet, könnte ich es vielleicht schaffen, aber ihr müsst doch zur Schule! Soll ich das etwa allein machen? Und erst die Sache mit dem Flugzeug – wie soll ich das bitte deiner Tante erklären?«

»Du hast schon öfter gesagt, dass du neue Helfer einstellen möchtest«, sagte Justus. »Das wäre doch jetzt eine sehr gute Gelegenheit dazu. Und nach der Schule helfen wir dir auch.«

»So leicht findet man heutzutage keine guten Helfer«, brummte Onkel Titus. »Und dann noch unter Zeitdruck … ich versuche es, aber versprechen kann ich nichts.«

»Vielen Dank, Onkel! Wir können es ja mit einem Aushang versuchen, das ist schnell gemacht und kostet nichts.«

Onkel Titus grummelte noch eine Weile vor sich hin, aber ihm fiel kein wirkungsvolles Gegenargument mehr ein, und endlich gab er sich geschlagen. »Also gut. So lange müssen wir die Entrümpelung eben verschieben, falls dieser Mr Dempster sich darauf einlässt. Und über das Flugzeug werde ich deine Tante bei, hm, passender Gelegenheit schonend informieren. Sie regt sich sonst nur unnötig auf.«

»Alles klar«, grinste Justus. »Dann mache ich mich mal an die Arbeit.« Er verschwand in der Zentrale, bastelte am Computer einen Aufruf ›Helfer gesucht!‹ und druckte ihn aus. In den nächsten Tagen verteilten die drei ??? diesen Aushang überall, wo es ihnen passend erschien, und nach der Schule räumten Bob und Justus eine große Fläche auf dem Schrottplatz frei. Peter wollte eigentlich mithelfen, wurde aber von seiner Mutter gnadenlos gezwungen, Chemie und Mathe zu lernen, statt auf dem Schrottplatz ›herumzulungern‹ und auf ein Flugzeug zu warten.

Mehrere Tage vergingen, ohne dass etwas passierte. Ein paar junge Männer stellten sich bei Onkel Titus vor, waren aber weder mit den Anforderungen noch mit der Bezahlung zufrieden und verschwanden wieder.

Nach vier Tagen wurde es nachmittags laut in Rocky Beach. Ein großer Lastwagen mit einem verrosteten Flugzeugwrack rollte durch die verschlafenen Straßen und weckte ihre Bewohner auf. Als er vor dem Tor des Gebrauchtwarencenters hielt, zog er einen hupenden Autokonvoi und eine größere Gruppe johlender Kinder und Jugendlicher hinter sich her. Da das Flugzeug auf der Ladefläche so hoch war, dass es das Firmenschild über dem Tor heruntergerissen hätte, ließen die beiden Fahrer und ihre drei Helfer die Maschine langsam an einer Seilwinde die Rampe herunterrollen, und dann kletterte Onkel Titus in den Traktor eines Nachbarn und zog sie sehr langsam auf den frei geräumten Platz neben dem Schrottberg. Tante Mathilda stand vor dem Büro und sah sich das Schauspiel nur kopfschüttelnd an.

Einer der Männer las den Aushang ›Kompetentes Fachpersonal gesucht‹ und machte seine Kollegen darauf aufmerksam. Aber dann kletterten sie wieder in ihren Truck und fuhren davon, ohne Onkel Titus anzusprechen. Allmählich zerstreute sich auch die Menge der Schaulustigen und Justus, Peter und Bob hatten endlich Zeit, sich ihr Flugzeug genauer anzusehen.

Jetzt, da es von Enge und Pflanzen befreit auf dem Hof stand, wirkte es noch größer und massiger. Und schrottiger. Überall platzte die Farbe ab und gab riesige Rostflecken frei. Von der Heckflosse und den Querrudern hingen noch ein paar Ranken herab.

»Tja«, sagte Peter nach einer Weile. »Sieht doch prächtig aus. Wie steht’s, Bob – Lust auf einen kleinen Flug ins All?«

»Ja, klar, unbedingt.« Bob musterte das Wrack. »Was für ein Monstrum. Wie alt ist es wohl?«

»Mindestens fünfzig Jahre«, meinte Peter. »Und wonach sollen wir jetzt suchen?«

»Nach einem Hinweis«, sagte Justus, ging in den Lagerschuppen und kam mit einer Werkzeugkiste zurück. »Probieren wir, die Seitentür zu öffnen.«

Peter und Bob suchten sich ein paar Schraubenschlüssel, Hämmer und Ölfläschchen aus der Kiste und begannen an dem Türgriff herumzuhebeln. Nach einer Weile gelang es ihnen, ihn zu bewegen. Mit vereinten Kräften drückten sie ihn hinunter und die Tür schwang mit einem schauerlichen Knarren auf.

Dahinter lag Dunkelheit, die selbst nach so langer Zeit noch immer nach Öl roch. Bob holte eine Taschenlampe aus dem Werkzeugkasten und leuchtete in den Hohlraum. Ein paar Spinnen flüchteten vor dem Licht in ein Gewirr von Rohren und Stangen.

»Lass mich raten«, sagte Peter. »Noch so ein Paket voller Diamanten.«

»Genau«, sagte Bob. Aber im gleichen Moment glitt der Lichtstrahl über etwas Weißes, das hinter einem Rohr klemmte. »Nein, warte! Da ist etwas an der Wand – ein Briefumschlag! Moment, ich hole ihn!«

Rasch kletterte er in den aufgeheizten Metallrumpf. Unter seinen Schritten schwankte das ganze Flugzeug. Bob ignorierte die herumkrabbelnden Spinnen und löste den Umschlag von der Wand. »Er ist an uns adressiert! Kein Absender.« Er kletterte wieder nach draußen und gab den Umschlag an Justus weiter, der ihn vorsichtig öffnete.

Darin befand sich ein altes Schwarz-Weiß-Foto, auf dem drei Männer und eine Frau beim Kartenspielen zu sehen waren. Die drei Männer trugen amerikanische Fliegeruniformen, die Frau ein eng anliegendes, hochgeschlossenes schwarzes Kleid. Ihre schwarzen Haare waren zu einer eleganten Frisur hochgesteckt. Ihr Gesicht war im Profil zu sehen und zeigte die klassische Schönheit einer Filmschauspielerin, und an ihrem linken Handgelenk funkelte ein ganzes Sortiment brillantenbesetzter Armreifen. Auf der Rückseite des Fotos standen die Worte Cochin Big Blind 1972 und darunter ein paar Schriftzeichen aus einer Sprache, die die drei ??? noch nie gesehen hatten.

»Gehen wir in die Zentrale«, sagte Justus.

Die Zentrale war ein großer, uralter Campinganhänger, den die drei ??? im Lauf der Jahre zu einem funktionstüchtigen Detektivbüro ausgebaut hatten. Er war unter einem Haufen Schrott verborgen und nur durch die geheimen Zugänge der drei ??? erreichbar. Ein Zugang führte von außen durch den Bretterzaun, der das Gelände des Schrottplatzes umgab, ein weiterer durch das ›Kalte Tor‹, einen riesigen alten Kühlschrank mit verschiebbarer Rückwand und einem dahinterliegenden Gang. Justus, Peter und Bob schlüpften hindurch und versammelten sich in ihrem Hauptquartier. Hier waren sie vor Entdeckung und Lauschern sicher.

Justus warf sich auf den Schreibtischstuhl und schaltete den Computer an. »Mal sehen, ob ich Cochin Big Blind im Internet finde.« Er gab die Worte in der Suchmaschine ein. »Aha. Keine Ergebnisse für die Kombination, aber Cochin ist eine Hafenstadt in Südindien. Sie wurde jedoch umbenannt und heißt jetzt Kochi.«

»Wenn die Worte nicht zusammenhängen, dann weiß ich vielleicht, was Big Blind bedeuten soll«, sagte Peter. »Die vier Leute auf dem Foto spielen doch Karten. Es könnte Poker sein! Big Blind ist beim Pokern der höchstmögliche Einsatz, den man setzt, ohne die Karten zu kennen.«

»Poker!« Justus horchte auf. »Das wäre möglich. Seit wann spielst du Poker, Peter?«

»Gar nicht. Aber meine Mutter hat seit ein paar Monaten eine Pokerrunde. Sie treffen sich jeden Mittwochabend, und dabei setzt sie dann den einen oder anderen Kontinent als Big Blind. Nordamerika hat sie schon siebenmal verloren.«

»Also haben diese vier Leute 1972 in Cochin Poker gespielt«, kombinierte Bob. »Aber was bedeuten diese komischen Schriftzeichen? Und warum hat Mr Shreber das Foto nicht einfach mit ins Testament gepackt?«

»Vielleicht hat das Foto etwas mit dem Flugzeug zu tun.«

Sie untersuchten das Foto auf Fingerabdrücke, fanden aber nichts. »Als hätte jemand das Foto abgewischt«, murmelte Justus. »Seltsam. Rufen wir mal Mr Mason an. Vielleicht weiß er etwas über dieses Foto.«

Der ehemalige Sekretär meldete sich fast sofort. »Frank Mason am Apparat.«

»Hallo, Mr Mason«, sagte Justus. »Hier ist Justus Jonas von den drei Detektiven.«

»Justus!« Der Mann klang erfreut. »Habt ihr schon etwas herausgefunden?«

»Wir haben etwas gefunden, aber was es zu bedeuten hat, wissen wir noch nicht. Es ist ein Foto mit drei Männern und einer Frau und der Aufschrift Cochin Big Blind 1972. Wissen Sie vielleicht etwas darüber?«

»Das ist ja seltsam. Wo habt ihr es gefunden?«

»Es steckte in einem an uns adressierten Umschlag im Flugzeug. Mr Shreber muss es dort hineingelegt haben.«

»Hm«, sagte Mr Mason. »Ja … ja, ich kenne dieses Bild. Bilder, um genau zu sein. In den letzten zwei Jahren bekam Mr Shreber sie immer wieder mit der Post zugeschickt. Immer ohne Absender und immer das gleiche Bild.«

»Und was hat er dazu gesagt?«

»Zuerst nichts. Ich wusste gar nichts davon. Aber eines Tages fand ich eins davon auf dem Boden, es war wohl versehentlich heruntergefallen. Ich hob es auf und gab es ihm und er wurde fuchsteufelswild. Er brüllte mich an, ich hätte gefälligst nicht in seinen Privatangelegenheiten herumzuschnüffeln – dabei war genau das normalerweise mein Job, für den er mich bezahlte. Jedenfalls steckte er das Foto sofort weg. Danach war er sehr reizbar und nervös, vergaß alles Mögliche und warf mich schließlich hinaus.«

»Er hat Sie entlassen?«

»Nein, nein«, sagte Mr Mason rasch. »Er wollte mich nur für den Rest des Tages nicht mehr sehen. Am nächsten Tag war er wie immer. Über dieses Foto hat er nie wieder gesprochen, aber nach seinem Tod fand ich mindestens zehn davon in seiner Schreibtischschublade.«

»Haben Sie die Fotos noch? Und die Umschläge?«

»Nein, leider nicht. Ich habe sie weggeworfen.«

Justus unterdrückte ein Seufzen. »Erinnern Sie sich vielleicht an irgendetwas, das mit den Umschlägen zusammenhing? Waren sie frankiert? Sahen sie ungewöhnlich aus? Rochen sie seltsam? Stand etwas darauf?«

»Justus, ich bin kein Detektiv und wusste nicht, dass sich eines Tages Detektive dafür interessieren würden«, sagte Mr Mason mit leichtem Tadel in der Stimme. »Ich erinnere mich, dass sie frankiert waren. Mit indischen Briefmarken, glaube ich. Außer Mr Shrebers Namen und Adresse stand nichts darauf. Kein Absender.«

»Aha«, sagte Justus. »Schade, dass Sie sie nicht mehr haben. Trotzdem vielen Dank.«

»Gern geschehen. Ich hoffe, ihr könnt damit etwas anfangen.«

Verärgert legte Justus den Hörer auf. »Das ist doch typisch! Das ganze Haus ist voller Kram und Plunder, und Mr Mason entsorgt das Einzige, was für uns interessant gewesen wäre!«

»Er konnte es ja nicht wissen«, meinte Peter. »Aber unerfreulich ist es doch.«

»Justus!«, rief Tante Mathilda von draußen. »Peter! Bob! Wo seid ihr? Kommt mal bitte raus!«

»Wir sind schon unterwegs!«, rief Justus zurück.

Sie verließen die Zentrale durch den Geheimgang, der zum ›Kalten Tor‹ führte. Bevor Bob die Kühlschranktür öffnete, spähte er durch ein Guckloch nach draußen – es hatte wenig Sinn, einen Geheimgang anzulegen, wenn dutzende von Kunden zusehen konnten, wie die drei Detektive aus einem Kühlschrank kletterten. Aber der Hof war leer bis auf das Flugzeug. Sie hätten es gerne weiter untersucht, doch Tante Mathilda winkte sie ungeduldig zu sich herüber. Sie und Onkel Titus standen mit einem Mann vor dem Büro und flankierten ihn geschickt so, dass er dem Kühlschrank den Rücken zukehrte. Der Mann trug Arbeiterkleidung: einen Blaumann und dicke Schuhe mit Stahlkappen. Als die drei ??? näher kamen, drehte er sich um und sah ihnen stirnrunzelnd entgegen. Er war groß und breitschultrig und sah aus, als könnte er einen Stahlträger problemlos alleine tragen.

»So, das sind unsere Detektive«, sagte Onkel Titus. »Unser Neffe Justus und seine Freunde Peter und Bob. Jungs, das ist Jim Cooper. Er wird uns hier auf dem Platz helfen, Transporte fahren und so weiter. Erst einmal zur Probe, damit wir sehen, ob es klappt.«

Überrascht schauten die drei ??? den Fremden an. So schnell hatten sie nicht mit einer Reaktion auf die Aushänge gerechnet.

»Welche Bereiche er nicht anrühren soll, weiß er schon«, fuhr Onkel Titus fort und lachte ein wenig nervös. »Schrottberg, Freiluftwerkstatt und Flugzeug gehören euch. Aber das wird schon klappen, oder, Jim?«

»Sicher«, sagte Jim mit tiefer Stimme und musterte die drei Jungen so finster wie etwas, das er am liebsten kopfüber in die Schrottpresse gestopft hätte. »Solange sie sich aus meinen Bereichen heraushalten. Kinder stiften immer nur Chaos. Und Detektiv spielende Kinder sind die schlimmsten.«

Alle schnappten nach Luft, sogar Tante Mathilda, die ihm in früheren Jahren aus ganzem Herzen zugestimmt hätte. Justus erholte sich als Erster. »Der korrekte Ausdruck ist ›Jugendliche‹. Aber keine Sorge, Mr Cooper, wir werden Ihnen nicht in die Quere kommen. Kommt, Kollegen – wir haben zu tun!«

Im Weggehen hörten sie Onkel Titus noch sagen: »Wirklich, Jim, die Jungen sind uns hier eine große Hilfe –«

»Schon klar, Mr Jonas«, erwiderte Jim. »Sie sollen mir nur bei der Arbeit aus dem Weg bleiben, das ist alles.«

Außer Sicht, hinter dem Schrottberg, machte Peter seinem Ärger Luft. »Detektiv spielende Kinder? Hat der sie nicht mehr alle? Und so einen stellt dein Onkel ein?«

»Er braucht nun einmal Hilfe«, sagte Justus. »Oder wollt ihr wirklich Mr Shrebers Haus entrümpeln? Aber du hast recht, ich freue mich auch nicht gerade über diese Aussicht.«

»Warum können Patrick und Kenneth nicht einfach zurückkommen?«, sagte Bob. »Mit den beiden sind wir doch bestens ausgekommen – sogar zu der Zeit, als wir noch Detektiv spielende Kinder waren.«

»Sie haben inzwischen einen eigenen Gebrauchtwarenhandel«, antwortete Justus. »Sonst hätte Onkel Titus sie längst gebeten, zurückzukommen. Es hilft nichts, Kollegen, wir müssen uns damit abfinden. Kümmern wir uns lieber weiter um unseren Fall.«

Über einige geschickt angebrachte Bettgestelle kletterten sie über den Schrottberg in Justus’ Freiluftwerkstatt und kehrten in die Zentrale zurück. Dort nahmen sie sich wieder das Foto vor, konnten aber nichts Auffälliges mehr entdecken. Ein paarmal zuckten sie zusammen, wenn lautes Krachen, Kreischen und Scheppern auf dem Schrottplatz verriet, dass Jim seine Arbeit mit großem Einsatz aufgenommen hatte.

»Das sagt mir einfach gar nichts«, gestand Peter. »Drei Männer in Fliegeruniform, eine Frau und ein paar geheimnisvolle Worte. Was für eine Sprache ist das?«

»Vielleicht eine indische Sprache«, sagte Bob. »Ich werde mal versuchen, etwas darüber herauszufinden.«

»Such auch nach etwas über Mr Shreber. Vielleicht stand mal ein Bericht über ihn in der Zeitung – es hat ja nicht jeder ein Flugzeug im Garten stehen. Und über diesen Rashura.« Justus warf einen Blick auf die Uhr. »Gleich Zeit zum Abendessen, Kollegen. Wir machen morgen weiter.«

Nächtliche Störung

Mitten in der Nacht wachte Justus auf. Einen Moment lang war er noch im Durcheinander seines Traums gefangen: Menschen ohne Gesichter, die um eine Schachtel mit der Aufschrift ›Modellflugzeuge‹ saßen und offenbar Poker spielten, wobei jeder eine einzige riesige Spielkarte in der Hand hielt. Dazwischen lief Jim Cooper in seinem Blaumann herum, allerdings war er auf die Größe eines Schimpansen geschrumpft und schrie dauernd: »Detektiv spielende Kinder sind das Schlimmste!« Am irrwitzigsten war jedoch Tante Mathilda, die eine alte Fliegeruniform und eine Pilotenbrille trug und Onkel Titus erklärte, dass sie sich schon immer ein eigenes Flugzeug gewünscht hatte.

Justus schüttelte diesen Traum entschlossen ab. Warum war er aufgewacht? Der Vollmond schien ihm genau ins Gesicht und im Zimmer war es taghell. Aber das war es nicht, was ihn geweckt hatte.

Er lag still und lauschte. An das Rauschen des Pazifiks war er ebenso gewöhnt wie an das Geräusch vorbeifahrender Autos auf der Küstenstraße. Aber da war irgendein Geräusch gewesen, das um diese Zeit nicht da sein sollte.

Klong.

Da war es wieder. Nicht besonders laut, gerade deutlich genug, um aufzufallen.

War das etwa Jim, der gleich in der ersten Nacht eine Extraschicht einlegte?

Justus schwang sich aus dem Bett und tappte zum Fenster. Von hier aus konnte er den Schrottberg sehen … und eine Bewegung am Hoftor.

Dort war jemand.

Eine dunkle Gestalt machte sich am Vorhängeschloss zu schaffen.

»Das ist ja interessant«, murmelte Justus.

Rasch zog er sich an, griff nach der Taschenlampe, stieg die Treppe hinunter und verließ das Haus. Geduckt schlich er unter das Vordach, das rings um den ganzen Platz verlief und unter dem Onkel Titus Gegenstände aufbewahrte, die ein wenig wertvoller waren oder vor den seltenen Regengüssen geschützt werden mussten. Vorsichtig, um nirgends anzustoßen, schlich er durch den Schatten und hinter den Schrottberg. Von hier aus konnte er den Einbrecher nicht sehen und war deshalb selber vor Entdeckung sicher. Er schlüpfte durch das Kalte Tor und huschte in die Zentrale. Dort schnappte er sich die Digitalkamera, schlich durch den Gang zum Kalten Tor zurück, öffnete vorsichtig die Kühlschranktür und spähte hinaus.

Es klirrte noch ein paarmal, aber dann stellte der nächtliche Besucher offenbar fest, dass er dieses Vorhängeschloss, das Onkel Titus in weiser Voraussicht angebracht hatte, ohne Bolzenschneider nicht öffnen konnte, und gab den Versuch auf.

Ein paar Sekunden lang war es ganz still, nur das ferne Brausen der Brandung war zu hören.

Dann klirrte es erneut und die Gestalt kletterte rasch am Tor hinauf, schaute sich kurz um und sprang auf den Boden.

Justus hielt den Atem an.

Nach einer kurzen Pause schlich die Gestalt auf das Flugzeug zu. Justus schaltete die Digitalkamera ein. Das verräterische, viel zu laute Piepsen hatte er natürlich sofort nach dem Kauf der Kamera deaktiviert und das Summen wurde vom Rauschen des Pazifiks übertönt.

Am vergangenen Tag hatten die drei ??? sich nicht die Mühe gemacht, die Tür im Rumpf des Flugzeugs wieder zu schließen. Die dunkle Gestalt leuchtete mit einer Taschenlampe in die Finsternis und schwang sich dann gewandt durch die Öffnung. Der Lichtstrahl wanderte durch den Innenraum. Offenbar suchte der Eindringling etwas.

Auf Zehenspitzen schlich Justus vorwärts. Wenn er die Tür schließen und den Einbrecher im Flugzeug einsperren konnte …

Noch drei Schritte.

Noch zwei.

Justus streckte die Hand aus.

In diesem Augenblick ging die Tür des Wohnhauses auf, helles Licht ergoss sich auf den Hof und Tante Mathildas beeindruckende Gestalt erschien.

»Justus!«, rief sie laut. »Justus, bist du da draußen?«

Die Gestalt erstarrte. Justus warf sich gegen die Tür, aber der Einbrecher tat dasselbe von innen und stieß ihn weg. Justus stolperte rückwärts und der Einbrecher sprang aus dem Flugzeug auf den Boden. Blitzschnell riss der Erste Detektiv die Kamera hoch und drückte auf den Auslöser.

Ein gleißender Blitz. Der Einbrecher fuhr herum und stürzte zum Tor.

Justus rappelte sich auf und machte sich an die Verfolgung, aber der Eindringling war schneller. Mühelos schwang er sich über das hohe Tor. Unten kam er ungünstig auf, stolperte ein paar Schritte, dann fing er sich wieder und rannte die Straße hinunter.

Justus, der höchstens mithilfe eines Trampolins über das Tor gekommen wäre, rannte zum hinteren Bereich des Schrottplatzes. Dort zwängte er sich durch die beiden losen Bretter des ›Roten Tores‹, des zweiten geheimen Eingangs zum Platz. Er rannte auf die Straße und sah den Einbrecher gerade noch um die Ecke zur Küstenstraße rennen. Als Justus schnaufend dort ankam, war weit und breit niemand zu sehen.

Tante Mathilda stemmte die Hände in die Hüften, als sie ihren Neffen mit der Taschenlampe zurückkommen sah. »Was war denn jetzt schon wieder los, Justus? Weißt du, wie spät es ist?«

»Da war ein Einbrecher«, erklärte Justus knapp.

»Um Himmels willen! Wir rufen sofort die Polizei!«

»Er war nur an dem Flugzeug interessiert.« Justus schaltete die Kamera ein und sah nach, ob das Foto etwas geworden war. Auf dem Display erschien eine verwackelte Gestalt. »Ein weißer, hellhaariger Mann in schwarzer Kleidung. Nicht sehr hilfreich. Ich glaube nicht, dass die Polizei damit etwas anfangen kann.«

»Ich habe es gewusst«, sagte seine Tante. »Kaum nehmt ihr einen neuen Fall an, gibt es auch schon wieder Ärger. Ich hoffe, dass dieses Flugzeug bald wieder verschwindet! Was hat sich dein Onkel nur dabei gedacht, dir zu erlauben, es hierherzubringen? Und ich glaube, wir sollten uns wirklich einen Hund anschaffen. Ich kann gar nicht zählen, wie oft schon Leute auf dem Platz herumgeschlichen sind, die hier nichts zu suchen haben.«

»Ja, Tante Mathilda«, sagte Justus ein wenig gereizt. Natürlich hatte seine Tante jedes Recht, sich Sorgen zu machen, aber ihr Auftauchen hatte eine vielversprechende Situation ruiniert. »Ich gehe jetzt ins Bett. Gute Nacht.«

»Hat er etwas mitgenommen?«, fragte Peter, als sie sich am nächsten Tag in der Zentrale trafen.

»Höchstens ein paar Spinnen, und denen trauere ich nicht nach.«

»Das ist doch komisch«, sagte Bob. »Wer sollte sich denn für so eine rostige alte Kiste interessieren? Und warum jetzt, nachdem sie jahrzehntelang in Mr Shrebers Garten gestanden hat?« Er nahm drei Dosen Soda aus dem Kühlschrank, verteilte sie und warf sich in seinen abgewetzten Sessel.

»Vielleicht Zufall«, sagte Peter in zweifelndem Tonfall. »Er wollte einfach bei euch einbrechen, entdeckte das Flugzeug und sah nach, was es dort zu holen gab.«

Justus saß am Computer, hatte ihn aber ausgeschaltet und die Beine auf den Tisch gelegt. »Das ist natürlich möglich. Aber er ging zielstrebig genau auf das Flugzeug zu. Und er schien etwas zu suchen … aber vielleicht wusste er nicht, was.«

»Hast du Fingerabdrücke gefunden? An der Tür?«

»Nein, er trug Handschuhe. Ich denke schon den ganzen Morgen über diesen Einbruch nach, aber ich komme nicht weiter.« Brütend starrte Justus noch eine Weile vor sich hin und schüttelte dann den Kopf. »Vielleicht versucht er es noch einmal. Bis dahin arbeiten wir mit dem, was wir schon haben. Hast du etwas über Rashura herausfinden können?«

»Nein, gar nichts. Ich will noch Miss Bennett anrufen, vielleicht hat sie das Wort schon einmal gehört.«

Justus schob das Telefon zu ihm hin.

Aber auch Miss Bennett, die Leiterin der Stadtbibliothek von Rocky Beach, kannte Rashura nicht. »Wie kommt ihr denn auf die Idee, dass es ein Personenname sein müsste?«, fragte sie. »Vielleicht ist es etwas ganz anderes – ein Gegenstand oder eine Organisation …«