Die drei ???, Schwarze Madonna (drei Fragezeichen) - Astrid Vollenbruch - E-Book

Die drei ???, Schwarze Madonna (drei Fragezeichen) E-Book

Astrid Vollenbruch

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Beschreibung

Als Peter einen verletzten jungen Mann aus dem Meer rettet, ahnt er noch nicht, dass er damit auch einen neuen Fall für die drei ??? an Land zieht. Doch schon kurze Zeit später befinden sich die drei Detektive aus Rocky Beach mitten in einem spannenden Abenteuer, in dem eine verschwundene Marienstatue die Hauptrolle spielt. Wie viele Gegner gibt es bei dieser gefährlichen Jagd? Wie weit werden sie gehen, um die begehrte Schwarze Madonna zu bekommen? Justus, Peter und Bob stoßen an ihre Grenzen. Dieser Fall ist gefährlich, sehr gefährlich. Er bedroht sogar die Existenz ihres Detektivunternehmens...

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Schwarze Madonna

erzählt von Astrid Vollenbruch

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

© 2006, 2008, 2011, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-12889-3

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Glitter & Dust

»Schnell, Bob! Da vorne! Ach – nein, zu spät.«

»Aber da drüben! Nun mach doch!«

»Nein – da steht schon einer. Verflixt! Ich habe doch keine Lust, meilenweit durch diese Hitze zu laufen!«

»Ich fasse es nicht! Wie hat der sich denn hingestellt? Da wäre für drei Autos Platz gewesen!«

»Da! Bob, da hinten wird einer frei!«

»Wenn ich eins hasse«, erklärte Bob Andrews seinen beiden Freunden und Detektivkollegen Justus Jonas und Peter Shaw, »dann eine Parkplatzsuche mit euch beiden im Auto. Könnt ihr vielleicht endlich mal die Klappe halten?«

»Wir wollen doch nur helfen«, sagte Peter. »Da! Jetzt haben wir wieder einen verpasst! Allmählich habe ich das Gefühl, dass ganz Kalifornien heute nach Carino Beach will – und dabei fängt das Festival erst morgen an, und das hier sind bloß die Wagen der Händler.«

»Halb Kalifornien ist mir auch schon zu viel. Ist noch was zu trinken da, Just?«

Justus setzte die Wasserflasche ab und versuchte, nicht allzu schuldbewusst auszusehen. »Äh …«

»Na toll. Ich verdurste, und du –«

»Da!«, rief Peter, warf sich nach vorne und packte Bobs Schulter, so dass der fast das Steuer verriss. »Da vorne! Schnell!«

In gefährlicher Schräglage schaukelte der VW Käfer in die Parklücke, ganz knapp vor einem zerkratzten grünen Ford, dessen Fahrer wütend mit der Faust drohte und sich dann an der endlosen Schlange parkender Autos vorbei weiterquälte. Die drei Detektive stiegen aus, dehnten und reckten sich. Fast eine Stunde lang waren sie die Silver Canyon Road hinauf- und heruntergefahren. Das Carino Beach Glitter & Dust Festival lockte jedes Jahr eine Woche lang Tausende von Touristen und Einheimischen an, und schon Tage vorher kamen Trödler, Schausteller und Kleinkünstler in die kleine Küstenstadt im Süden von Los Angeles, um sich die besten Plätze zu reservieren. Auch Justus’ Onkel Titus Jonas, der weiter nördlich an der Küste in Rocky Beach einen gut gehenden Gebrauchtwarenhandel führte, ließ es sich nicht nehmen, hier für ein paar Tage seinen Stand aufzubauen, und die drei Detektive hatten versprochen, ihm am Wochenende beim Verkauf zu helfen. Sie schnappten sich ihre Taschen und marschierten los.

Sie hatten noch ein gutes Stück weit zu laufen, bis sie an die Abzweigung kamen, die von der Silver Canyon Road nach Carino Beach führte. In der kalifornischen Sommerhitze war die Wanderung auf dem heißen Asphalt kein Vergnügen, und alle drei waren völlig nass geschwitzt, als sie den Ort endlich erreichten.

Auf den Straßen war schon einiges los. Rechts und links waren Marktstände aufgereiht, deren Besitzer ihre Waren aus großen Kisten auspackten und dekorativ aufbauten. Da gab es Stände mit Kunsthandwerk, afrikanischem Spielzeug, mexikanischen Decken, es gab Gameboys, japanische Comics, Musik-CDs, Kleidung, alten Trödel, Möbel, Schreibmaschinen, Bücher, Surfbretter und Glaswaren, und überall dazwischen fanden sich Essensstände mit Angeboten aus jeder Kultur der Welt. Die Vielvölkerstadt Los Angeles war in allen Hautfarben, Altersstufen und Bevölkerungsschichten vertreten. Dazwischen gingen Polizisten Streife, um die üblichen Handgreiflichkeiten und Diebstähle einigermaßen im Zaum zu halten. Eine Gruppe mittelalterlich gewandeter Spielleute zog durch die Straßen, machte akrobatische Kunststücke und spielte auf Flöten und Trommeln. In der Ferne wurden die Gerüste für ein Riesenrad, eine Achterbahn und einen Jahrmarkt aufgebaut. Bob kam aus dem Fotografieren gar nicht mehr heraus und hatte den ersten Film schon voll geknipst, bevor die drei auch nur den Strand erreicht hatten.

Der Pier von Carino Beach sah aus wie eine Brücke, die auf unzähligen Holzpfeilern aufs Meer hinausragte und nach hundert Metern abrupt endete, als hätten die Brückenbauer plötzlich eingesehen, dass sie den Pazifik auf diese Weise nicht überqueren konnten. Natürlich war das nicht die Absicht der Erbauer des Piers gewesen. Er diente als Ausgangspunkt für Touristenfahrten, Angelplatz, Anlegestelle für die Boote der Küstenwache und während des Festivals auch als weitere Standfläche für die Händler. »Da hinten ist unser Stand!«, rief Justus. »Onkel Titus hat tatsächlich noch einen Platz auf dem Pier erwischt!«

»Bist du sicher?«, fragte Peter. »Auf diese Entfernung kannst du doch gar nicht erkennen, ob das wirklich unser Stand ist.«

»Doch, ich erkenne nämlich die Fahne, die darüber weht. Warte, bis der Wind umschlägt.«

»Tatsächlich!« Bob lachte. »›Gebrauchtwaren Titus Jonas‹. Dein Onkel ist schon ziemlich pfiffig.«

»Eigentlich war es ja meine Idee«, sagte Justus. »Allerdings hatte ich einen Fesselballon vorgeschlagen. Damit wäre unser Name über den ganzen Markt hinweg sichtbar gewesen – eine ausgezeichnete Werbung für unser Gebrauchtwaren-Center.«

»Bescheiden wie immer, unser Erster«, spottete Bob, aber er war doch beeindruckt. »He, seht euch mal den Strand an – das reinste Zeltlager!«

Ein Absperrband trennte einen etwa hundert Meter breiten Streifen vom Rest des Strandes mit seinen Sonnenschirmen, Strandkörben und Surfbrettern. In diesem Bereich waren Dutzende von Zelten aufgebaut. Dazwischen brannten trotz der Sommerhitze kleine Lagerfeuer.

»Die kriegen aber nasse Füße, wenn die Flut kommt«, sagte Bob.

»Ist doch angenehm bei dieser Hitze.« Sehnsüchtig schaute Peter zu den hohen Wellen hin, die sich schäumend am Strand brachen. »Verflixt, warum habe ich bloß mein Surfbrett nicht mitgebracht!«

Justus begann: »Weil wir versprochen haben –«

»– deinem Onkel zu helfen. Jaja, ich weiß schon. Los, Erster – da hinten ist ein Eisverkäufer. Da du das Wasser ausgetrunken hast, ist es nur recht und billig, wenn du deine verschmachtenden Kollegen mit einem Riesenbecher entschädigst.«

Justus, der sowieso an keinem Eisstand vorbeigehen konnte, versuchte gar nicht erst zu widersprechen. Während Peter und Bob sich auf dem Pier aus dem Gedränge zurückzogen und ans Geländer lehnten, machte er sich auf den Weg. Mit drei Eisbechern in der Hand kam er zurück und schob sich durch die Menge. Er hatte Peter und Bob fast erreicht, als ihn jemand anrempelte und heftig beiseite stieß. Justus stolperte, verlor das Gleichgewicht, ruderte mit den Armen und und ließ alle drei Eisbecher fallen. »Passen Sie doch auf!«, schrie er wütend.

Der Mann, der ihn angerempelt hatte, drehte sich kurz um und Justus schrak unwillkürlich zurück. Von hinten hatte der Kerl ganz normal ausgesehen – dunkle Haare, helles T-Shirt, Jeans, braun gebrannt und kräftig. Aber vor dem Gesicht trug er eine weiße Clownsmaske aus Plastik mit roter Nase. Das breite, erstarrte Grinsen hätte in einer Zirkusmanege lustig ausgesehen, aber hier wirkte es nur völlig fehl am Platz.

»Sie haben mich angerempelt!«, rief Justus. »Jetzt bezahlen Sie mir auch das Eis!«

Der Mann antwortete nicht. Er starrte Justus nur aus kalten, blassen Augen an; dann drehte er sich wortlos um und ging weiter. Drei andere Männer folgten ihm. Zwei waren ebenso groß und kräftig wie er, einer war etwas kleiner und schlanker. Alle drei trugen Clownsmasken zu völlig unauffälligen T-Shirts und Jeans.

»Warten Sie!«, schrie Justus ihnen nach, aber sie kümmerten sich nicht um ihn. Wie Eisbrecher schoben sie sich durch die Menge, und wer nicht schnell genug auswich, wurde ebenso unsanft weggestoßen wie Justus.

Peter und Bob waren jetzt bei dem Ersten Detektiv angelangt. Im heißen Sand zerfloss das Eis zu einer unappetitlichen, klebrigen Soße, und schon schwirrten die ersten Wespen heran. »So eine Schweinerei!«, schimpfte Peter. »Na schön, holen wir uns ein neues Eis.«

»Ich nicht«, sagte Justus. »Mein Geld ist alle.«

»Ich hab noch was«, sagte Bob. »Und es war ja nicht deine Schuld. Kommt, ich lade euch ein.«

Sie stellten sich wieder am Eiswagen an. »Was waren das bloß für Kerle?« Justus warf einen Blick in die Richtung, in der die vier Männer verschwunden waren. »Lustige Clowns waren das nicht, so viel steht fest.«

»Ist jetzt wieder unser kriminologischer Scharfsinn gefragt?«, spottete Peter. »Können wir nicht einmal einen Tag Urlaub vom Detektivdasein haben, Just – wie alle anderen auch?«

»Ich würde es eben gerne wissen.«

»Ach was! Die gehören bestimmt zu dem Jahrmarkt da hinten und hatten einfach ihre Kostüme noch nicht angezogen.«

»Das Festival hat ja noch nicht angefangen«, sagte Bob. »Für diese Leute ist es wahrscheinlich einfach nur Arbeit, kein Spaß. Und ich möchte bei dieser Hitze auch nicht unter einer Plastikmaske stecken!«

»Schon«, sagte Justus, »aber wenn ich hier arbeiten würde, würde ich zuerst das Kostüm anziehen und nicht so eine stickige Plastikmaske, unter der man sich totschwitzt.«

»Stimmt auch wieder.« Peter grinste. »Lauf ihnen doch nach und frag sie.«

»Ha, ha. Bei dieser Hitze kann ich nicht mal einatmen, ohne Schweißausbrüche zu bekommen. Da fange ich ganz sicher keine Verfolgungsjagd an.«

Sie bekamen ihr Eis, Bob bezahlte, und dann machten sie sich auf den Weg zu Onkel Titus’ Trödelstand auf dem Pier.

Es war seltsam, die vertrauten alten Kühlschränke, Schaufensterpuppen, Bücherkisten, Gemälde, Lampen und all den Kram aus dem Gebrauchtwaren-Center hier auf dem Pier von Carino Beach zu sehen. Titus Jonas, ein kleiner Mann mit einem großen schwarzen Schnurrbart, verschwand fast hinter seinen Gerätschaften. Er war nur mit einer ausgebeulten alten Jeanshose und Sandalen bekleidet – eine Nachlässigkeit, die ihm zu Hause einen gewaltigen Rüffel seiner Frau eingebracht hätte. Aber Tante Mathilda war fünfzig Meilen entfernt in Rocky Beach, und Onkel Titus befand sich in seinem Element. Im Augenblick drehte er gerade eine abscheuliche alte Stehlampe mit einem gelbgrün gestreiften Schirm in den Händen und pfiff dabei vergnügt vor sich hin.

»Titus Jonas!«, rief Justus im exakten Tonfall seiner Tante, und der kleine Mann fuhr schuldbewusst zusammen. »Du sollst doch Sachen verkaufen, nicht kaufen!«

»Ach, du bist das!«, sagte Onkel Titus. »Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken? Hallo, Peter und Bob! Guck dir doch mal diese herrliche Lampe an, Justus – das ist echter englischer Jugendstil. Ich verstehe nur nicht, warum man den Fuß lila angestrichen hat. Das müsst ihr euch demnächst unbedingt mal vornehmen, Jungs.« Zweifelnd betrachtete er seine Neuerwerbung. »Ich glaube, es ist eine besonders haltbare und klebrige Farbe.«

»Da hat dich doch einer übers Ohr gehauen, Onkel Titus.« Justus nahm ihm die Lampe ab, drehte sie um und untersuchte die drei Löwenfüße, die den langen Stiel trugen. »Made in Taiwan 1972. Echter englischer Jugendstil?«

»Ein echtes Jugendstil-Imitat«, sagte Onkel Titus und war nicht im Geringsten erschüttert. »Ich habe nur drei Dollar dafür bezahlt und weiß auch schon genau, an wen ich sie weiterverkaufe. So, Jungs, genug geredet. Gut, dass ihr hier seid! Ich brauche unbedingt etwas zu trinken und habe vorhin einen Freund gesehen, mit dem ich kurz etwas besprechen möchte. Baut hier schon mal die Sachen auf – ich kann beim besten Willen keine sechs Kühlschränke durch die Gegend schleppen.«

»Ich habe dir schon öfter gesagt, du könntest Patrick und Kenneth aus Irland zurückholen, Onkel. Sie würden bestimmt gerne kommen.«

Bei der Erwähnung seiner beiden früheren Gehilfen senkten sich die Spitzen von Onkel Titus’ Schnauzbart und er seufzte. »Die haben doch längst ihr eigenes Geschäft dort drüben, Justus. Aber ich lasse mir schon etwas einfallen und ihr drei seid ja nun auch alt genug, um sie würdig zu vertreten.« Die Bartspitzen hoben sich, als er sie anstrahlte. »Bis nachher, Jungs!«

Peter wartete, bis Justus’ Onkel außer Hörweite war, bevor er sagte: »Alt genug, um sie zu vertreten! Toll! Alt genug, um sich bei dieser Hitze totzuschuften, meint er wohl!«

»Nicht zu ändern«, seufzte Justus. »Fangen wir an.«

Mühsam reihten sie die Kühlschränke nebeneinander auf, stapelten den übrigen Trödel werbewirksam darum herum und waren bald völlig durchgeschwitzt. Einige Händler schlenderten vorbei, sahen drei halbwüchsige Jungen und witterten leichte Beute – aber gegen Justus’ schlagfertige und wortgewandte Verkaufsreden kamen sie nicht an. Noch bevor der Markt offiziell eröffnet war, hatte Justus schon vierzig Dollar eingenommen.

Langsam sank die Sonne dem Meer entgegen. Die Flut stieg und die Sonnenschirme und Strandkörbe wurden weggeräumt. Auf dem Pier gingen die ersten Lampen an und die Lagerfeuer unten in der kleinen Zeltstadt gaben dem Carino Beach eine ungewohnte, fast heimelige Atmosphäre. Die drei Detektive versorgten sich mit Tacos, Hamburgern, Donuts und Getränken und machten es sich mit ihren Schlafsäcken in ihrer Burg aus Kühlschränken und Trödel bequem. Sie unterhielten sich eine Weile, bis es in ihrer Nähe plötzlich laut wurde.

»He!«, sagte Bob. »Was ist denn da los?«

An einem der Stände kam es zu einer Rangelei. Vier Männer drangen auf den Händler ein, einen jungen Mexikaner, der bis zum Geländer zurückwich.

»Das sind die Clowns von vorhin!«, rief Peter. Die drei ??? sprangen auf. Auch andere Händler wurden aufmerksam. Aber bevor irgendjemand etwas unternehmen konnte, kippten zwei der als Clowns maskierten Männer den Tisch des Trödlers um. Bücher, Zinnfiguren, Inlineskaters, Puzzlespiele und bunte Porzellanteller gerieten ins Rutschen. Der Mexikaner stieß einen Schrei aus und versuchte seinen Tisch festzuhalten, aber die anderen beiden Männer hielten ihn zurück. Der Tisch fiel um, krachte gegen das Geländer des Piers, und der gesamte Trödel rutschte hinunter. Einige Stücke krachten auf den Pier und zerbrachen, aber der Rest stürzte fünf Meter tief ins Wasser. Die Maskierten bogen sich vor Lachen – und dann packte der Größte der Männer den Händler und hob ihn scheinbar mühelos hoch. »Du hängst an deinem Zeug, was? Dann geh und hol es dir!« Und er schleuderte ihn über das Geländer. Mit einem Aufschrei stürzte der junge Mann nach unten und verschwand mit einem lauten Klatschen im Meer.

Justus, Peter und Bob, die der kurzen Szene entsetzt zugesehen hatten, stürzten zum Geländer. Tief unten trieben ein paar Puzzlespiele und Figuren im dunklen Wasser. Die Wellen schlugen gegen die Holzpfeiler des Piers. Der junge Mann war verschwunden.

Und er tauchte auch nicht wieder auf.

Der Held von Carino Beach

Im nächsten Moment waren die vier Männer auf und davon und Peter kletterte auf das Geländer. Justus griff nach ihm, um ihn zurückzuhalten, aber er riss sich los und sprang. Mit einem Klatschen tauchte er ins Wasser ein, das ihm nach der Hitze auf dem Pier eiskalt vorkam. Der Schock nahm ihm kurz den Atem, dabei war das Meer hier höchstens fünf Meter tief und eigentlich recht warm. Er öffnete die Augen und schaute sich im dämmerigen Wasser um. Im Sand unter ihm lagen einige Gegenstände vom Stand des Trödlers, aber der junge Mann selber war nirgends zu sehen. Peter tauchte auf. Dicht neben ihm klatschte ein Rettungsring aufs Wasser und verfehlte seinen Kopf nur knapp. Er hielt sich daran fest und schaute sich um, während er kräftig gegen die Wellen anschwamm, um auf der Stelle zu bleiben. Hoch über ihm sah er die Köpfe seiner Zuschauer. Jemand rief nach der Polizei und der Küstenwache.

»Justus!«, schrie er nach oben. »Bob! Könnt ihr ihn sehen?«

»Nein!«, rief Justus zurück, und Peter tauchte wieder ab. Ein Schwarm silbriger Fische schoss davon und verschwand im dunklen Schatten zwischen den Holzpfeilern des Piers. Da! Da war doch eine Bewegung! Peter schaute genauer hin und sah gerade noch eine Gestalt in den Schatten verschwinden.

Er tauchte auf, griff nach dem Rettungsring und zog ihn hinter sich her, als er zu den Pfeilern hinschwamm. Die Wellen warfen ihn immer wieder zurück und erst im letzten Moment erkannte er einen riesigen, gezackten Splitter, der aus dem Holz herausragte. Peter suchte sich eine andere Stelle, wuchtete den Rettungsring hinauf und kletterte hinterher. Dann sah er den jungen Händler: triefend nass kauerte er zwischen den Pfählen. Sein T-Shirt und die blauen Shorts klebten ihm am Körper, er zitterte heftig und presste eine Hand auf die Brust. Das bunt gemusterte T-Shirt war zerfetzt und blutdurchdränkt.

Peter fluchte leise. Der Händler musste sich an dem Splitter verletzt haben, als er aus dem Wasser kletterte. Damit war der Rettungsring nutzlos geworden – mit einer solchen Verletzung durfte man nicht ins Wasser, wenn man keine Haie anlocken wollte.

Vorsichtig kletterte er zu dem Verletzten hinüber. Jetzt konnte er sehen, dass der Mexikaner nur ein paar Jahre älter war als er selbst. Peter warf einen Blick auf die Wunde.

»Sieht übel aus«, sagte er. »Komm! Ich helfe dir beim Klettern – ins Wasser kannst du damit nicht!«

Der Mexikaner hob den Kopf und schien ihn erst jetzt zu bemerken. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Hat Shef dich hinter mir hergeschickt?«, presste er hervor. »Hau bloß ab! Lass mich in Ruhe!«

»Wie bitte?«, fragte Peter verdutzt. »Was für ein Jeff? Nein, mich hat niemand geschickt! Und mit so einer Verletzung gehörst du ins Krankenhaus. Wie heißt du?«

»José Santanda. Aber ich –«

»Ich bin Peter Shaw. Gib mir mal deine Hand, ich helfe dir da raus.« Peter klang mutiger als er war, denn er hatte keine Ahnung, wie er José zum Strand bringen wollte. Der Mexikaner schüttelte den Kopf und wehrte Peters Hand wütend ab. Plötzlich jedoch wurde er ganz bleich, verdrehte die Augen und kippte zur Seite. Peter konnte ihn gerade noch auffangen, bevor er ins Wasser rutschte.

Verzweifelt blickte Peter sich um. Über seinem Kopf hörte er die aufgeregten Stimmen der Händler auf dem Pier. Das war doch zum Verrücktwerden – die Leute waren keine fünf Meter entfernt und konnten ihm trotzdem nicht helfen! »Hallo!«, schrie er, aber seine Stimme ging im Brausen einer Welle unter.

Es gab nur eine Möglichkeit – er musste José ins Wasser fallen lassen, hinterherspringen und ihn zum Strand ziehen.

»Und zwar schneller, als so ein Hai schwimmen kann«, murmelte er und schaute sich nach dem Rettungsring um – aber der steckte zehn Meter entfernt zwischen den Stämmen. »Super, Peter Shaw. Da hast du wieder richtig gut nachgedacht.«

Plötzlich stach ihm ein grelles Licht in die Augen. Geblendet kniff er sie zu und hörte das Brummen eines Motors. Ein Boot! Vor Erleichterung wurde ihm fast schlecht. Er winkte wild und schrie: »Hier! Hallo! Hier sind wir!«

Einen Moment später war das Boot da. Zwei Männer kletterten heraus, während ein dritter es mit laufendem Motor auf der Stelle hielt. José wachte nicht auf, als die Männer und Peter ihn in das Boot hievten, aber als er auf dem Holzboden lag und das Boot zum Strand jagte, griff er plötzlich nach Peters Hand und sagte etwas. Peter musste sich tief hinunterbeugen, um ihn trotz des Motorenlärms hindurch zu verstehen.