Die drei ???, und der Geisterzug (drei Fragezeichen) - Astrid Vollenbruch - E-Book

Die drei ???, und der Geisterzug (drei Fragezeichen) E-Book

Astrid Vollenbruch

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Beschreibung

Die Fahrt mit dem Museumszug hatten sich die drei Detektive aus Rocky Beach eigentlich gemütlicher vorgestellt. Doch spätestens im Eisenbahntunnel durch den Black Mountain vergeht den Freunden die Ausflugslaune. Die Durchfahrt wird aufs gruseligste boykottiert. Natürlich glauben die drei ??? kein Wort von der Spukgeschichte, nach der beim Tunnelbau verunglückte Arbeiter ihr geisterhaftes Unwesen treiben sollen. Doch um herauszufinden, wer tatsächlich hinter den üblen Machenschaften steckt, bleiben Justus, Peter und Bob nur 24 Stunden.

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und der Geisterzug

erzählt von Astrid Vollenbruch

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

© 2005, 2008, 2011, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-12884-8

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Fahrt in die Vergangenheit

Das Erste, was Justus, Peter und Bob von der alten Dampflok zu sehen bekamen, war die weiße Wolke, die hinter den alten Häusern auftauchte und sich den Schienen folgend in einer weiten Kurve auf den Bahnhof zuschob. Dann hörten sie das Rattern der Räder auf den Schienen und schließlich den heulenden Pfiff der Lokomotive. Das riesige Ungeheuer aus schwarzem Eisen kam in Sicht und donnerte auf die drei Jungen zu.

Bremsen kreischten. Wieder zog der Lokführer an der Signalpfeife, und das Heulen klang, als hätte die Lok selbst eine Stimme. Als sie dröhnend an Justus vorbeizog, sah er die hart arbeitenden Pleuelstangen an den blankpolierten Triebrädern und ein grünes Metallschild auf dem schwarzen Rumpf. In großen goldenen Buchstaben stand dort der Name der Lok: Sequoia.

Gleich darauf rollte auch der Tender mit den Kohlen- und Wasservorräten an ihnen vorbei, und dann kam der Rest des Zuges: sechs altertümliche Abteilwagen, die Justus an hochrädrige grüne Kutschen erinnerten. Die goldene Aufschrift Harrowville Railroad Museum Company zog sich über alle sechs Wagen.

Die Bremsen kreischten erneut. Schnaubend, zischend, stampfend wie ein ungeduldiges Schlachtross kam die Lok zum Stehen, und endlich konnte Justus auch wieder hören, was Peter ihm begeistert ins Ohr schrie. »Mensch, Just! Das ist einfach irre! Hast du den Heizer gesehen, der uns zugewinkt hat? Klasse!«

»Und alles nur für uns«, ergänzte Bob und sah sich auf dem beinahe menschenleeren Bahnsteig um. »Oder wenigstens fast.« Er zeigte auf eine Frau und drei Männer, die in den vordersten Wagen einstiegen. Niemand war ausgestiegen, und als Justus sich auf die Zehenspitzen stellte, sah er, dass der Waggon vor ihm völlig leer war.

»Umso besser für uns«, sagte er. »Wir setzen uns nach ganz hinten, da haben wir in den Kurven den besten Blick!«

Die drei Jungen packten ihre Rucksäcke und schleppten sie zur Waggontür. Als Bob eben die Hand nach der Klinke ausstreckte, wurde die Tür von innen aufgestoßen. Ein etwa vierzehnjähriger sommersprossiger Junge in einer prächtigen grüngoldenen Uniform mit der Aufschrift Harrowville Railroad Museum Company sprang heraus. In der Hand hielt er eine altmodische Schaffnerkelle. Er musterte die Jungen und ihre Rucksäcke, machte ein finsteres Gesicht und fragte: »Seid ihr die Trödeltypen aus Rocky Beach?«

»Trödeltypen?« Peter und Bob blieb die Luft weg. Justus musterte den Jungen kühl. »Wenn du mit dieser Frage meinst, ob wir vom Gebrauchtwarencenter Titus Jonas kommen, dann ja.«

»Ist mir doch schnuppe, wie der Laden heißt«, sagte der Junge. »Der Zug ist jedenfalls voll. Kein einziger freier Platz mehr da.«

»Wie bitte?«, rief Bob. »Vier Leute sind eingestiegen, alle Wagen sind leer, und außer uns ist hier kein Mensch auf dem Bahnsteig! Was soll denn das?«

»Alles reserviert. Fahrt nach Hause und geht surfen – oder was man sonst da bei euch am Meer macht.« Der Junge drehte sich weg, aber Justus hielt ihn an der Schulter fest.

»Augenblick mal. So geht das nicht. Wir haben vor, nach Harrowville zu fahren und das Eisenbahnmuseum zu besichtigen, und das werden wir auch tun. Mr Kingsley, der Direktor, hat uns selber die Karten geschickt. Er erwartet uns – und du ja offenbar auch, da du weißt, wer wir sind. Also steigen wir jetzt ein.«

Ohne ein Wort riss der Junge sich los und marschierte am Zug entlang nach vorne.

Justus, Peter und Bob sahen ihm nach.

»Trödeltypen!«, sagte Peter wütend. »Dem geb ich Trödeltypen! Der hat sie ja nicht alle!«

»Muss dein Deo sein, Peter«, sagte Bob. »Die Marke ›Strandschweiß‹ kennen sie hier im Gebirge nicht.«

»Man nennt das Übertragung«, ließ Justus sich vernehmen.

»Was? Nein, ich bin ganz sicher, dass es ›Strandschweiß‹ heißt. Ein unverkennbares Aroma.«

»Ich meine doch nicht Peters Deo. Ich meine den Grund, warum der Junge wütend auf uns ist.«

»Ach nein«, sagte Bob. »Dann erleuchte uns mal. Was haben wir dem Knirps denn getan? Ich meine, außer zu existieren?«

»Wir kommen vom Gebrauchtwarencenter Titus Jonas.«

»Aha«, sagte Peter. »Na klar. Das ist natürlich ein schweres Verbrechen. Da hätte ich aber auch selber drauf kommen können!« Er machte eine kurze Pause. »Also was haben wir ihm getan?«

»Wir sind hier«, sagte Justus, und als Peters Gesicht sich verfinsterte, fügte er eilig hinzu: »Wir sind hier, weil das Eisenbahnmuseum geschlossen und die Bahnlinie stillgelegt wird, und weil wir uns in Onkel Titus’ Auftrag den Bestand ansehen. Glaubst du, ein Junge, der hier als Schaffner arbeitet und in Kürze seinen Job verliert, freut sich darüber, dass wir kommen?«

»Na, wir sind doch nicht daran schuld, dass sein blödes Museum schließen muss.«

»Aber wir sind gerade greifbar.«

»Danke, Dr. Justus«, sagte Bob. »Und wenn wir jetzt nicht einsteigen, fährt der Zug am Ende wirklich noch ohne uns ab.« Er hievte seinen Rucksack in den Waggon und kletterte hinterher. Justus und Peter folgten ihm.

Im Inneren des altertümlichen Waggons fühlten sie sich sofort in die Vergangenheit versetzt. Es gab nur ein Abteil mit zwölf Einzelsitzen, von denen je vier einander gegenüberstanden. Jeder Sitz war mit grünem Samt bespannt und hatte geschnitzte Armlehnen. Zwischen den Sitzen waren kleine Tische aus dunklem Holz festgeschraubt. Über den Köpfen der Jungen spannten sich Gepäcknetze.

Sie suchten sich drei Plätze aus und ließen ihre Rucksäcke auf dem Boden stehen. Peter warf sich schwungvoll auf einen der einladenden Sitze. Uralte Sprungfedern krachten und quietschten unter seinem Gewicht, und er lachte und ließ es gleich nochmal quietschen. »Die müssen noch aus der Zeit des Goldrauschs stammen, so alt sind die!«

»Das kann nicht sein«, sagte Justus. Wesentlich vorsichtiger als Peter ließ er sich nieder. »Die Eisenbahnlinie nach Harrowville wurde erst um 1902 gebaut, als Telefone und Glühbirnen erfunden wurden und der Bedarf an Kupferdraht schlagartig stieg. Das Kupfererz wurde in Nevada abgebaut und mit der Eisenbahn zur Verhüttung in wasserreichere Gebiete gebracht. Aber die Bahn transportierte auch anderes, zum Beispiel Passagiere, Vieh oder Fracht. Man konnte damals –«

»Danke, Justus«, unterbrach ihn Bob in genau dem Tonfall, den ihr Lehrer Mr Sanford annahm, wenn er von Justus’ weitschweifigen, präzisen und meist unwiderlegbaren Ausführungen in seinem Unterricht bis auf Weiteres nichts mehr hören wollte. Justus grinste, lehnte sich zurück und schaute auf den Bahnsteig hinaus. »Wir sind also doch nicht die einzigen, die noch mitfahren«, sagte er. »Die Zahl der Fahrgäste hat sich soeben um rund vierzehn Prozent erhöht.«

»Ich bin so froh, das zu hören«, sagte Peter. „Und ich denke nicht daran, es nachzurechnen. Bei mir ist jetzt Wochenende, merk dir das!«

»Ein Grund mehr, dein Gehirn zu größtmöglicher Aktivität anzutreiben. Ein gesunder Körper ist eben nicht alles. Ein gesunder Geist gehört schon auch dazu.«

»Genau. Und wenn der gesunde Geist nicht aufpasst, hebelt ihn gleich einer der anwesenden gesunden Körper aus dem Fenster.«

»Da ist unser neuer Freund wieder.« Bob wies auf den jungen Schaffner, der von der Lok auf den Bahnsteig sprang und wieder an jedem Waggon vorbeilief. An der Tür zum hintersten Waggon, in dem die drei ??? saßen, schwenkte er die Kelle. Zur Antwort stieß die Lok erneut ein durchdringendes Pfeifen aus. Der Junge stieg ein und zog die Tür hinter sich zu, und mit einem Ruck setzte sich der Zug in Bewegung.

Gleich darauf betrat der Junge das Abteil. »Karten bitte.«

Justus zog die Karten aus der Tasche. Der Junge knipste sie mit einer uralten Zange ab und gab sie wortlos zurück. Als er gehen wollte, sagte Justus: »Warte mal. Wir würden uns gerne mit dir unterhalten.«

»Ich will mich aber nicht mit euch unterhalten«, gab der Junge zurück.

»Doch, willst du wohl. Du würdest uns am liebsten anbrüllen und aus dem Zug schmeißen, stimmt’s?«

»Stimmt«, sagte der Junge patzig. »Wir haben nämlich schon genug Plünderer und Leichenfledderer in Harrowville. Wir brauchen nicht auch noch welche von der Küste.«

»Jetzt reicht’s!«, platzte Peter los. »Du hast sie ja nicht mehr alle! Noch so ein Spruch –«

»Peter!«, rief Justus. »Mach mal Pause! Hör zu«, wandte er sich wieder an den Jungen, der ihn finster anstarrte. »Mr Kingsley hat meinen Onkel Titus gebeten, ihm ein paar alte Sachen abzukaufen. Sie kennen sich seit dreißig Jahren, und Mr Kingsley auszuplündern, ist das Letzte, was wir wollen. Übrigens, wie heißt du eigentlich?«

»Geht dich gar nichts …« Der Junge zögerte und sagte dann widerwillig: »Fred Jenkins.«

»Schön. Ich bin Justus Jonas. Das hier sind Peter Shaw und Bob Andrews. Und das hier …«, er griff in die Tasche, » … ist unsere Visitenkarte.« Fred nahm die Karte und warf einen abschätzigen Blick darauf, aber gleich darauf wurden seine Augen ganz groß.

»Detektive?«, fragte er verblüfft. »Ich dachte, ihr arbeitet auf dem Trödelplatz!«

»Wir vertreten nur meinen Onkel«, erklärte Justus. »Aber wir haben als Detektive schon eine ganze Reihe ungewöhnlicher Ereignisse aufgeklärt.«

»Im Ernst? Du willst mich nicht verarschen?«

»Durchaus nicht. Wir sind freie Mitarbeiter der Polizei von Rocky Beach.«

»Cool!« Freds Feindseligkeit war plötzlich wie weggeblasen. »Was bedeuten denn die Fragezeichen?«

Peter und Bob grinsten. Sie versuchten gar nicht erst, die Frage zu beantworten und Justus die Show zu stehlen. Der Erste Detektiv warf sich in die Brust. »Die Fragezeichen sind unser Firmenlogo. Bekanntlich ist das Fragezeichen das Symbol für alles Unbekannte. Wir erforschen seltsame Phänomene und rätselhafte Ereignisse, und unser größter Vorteil ist, dass wir ohne Vorurteile an unsere Fälle herangehen. Wir halten einfach alles für möglich. Auf diese Weise konnten wir auch der Polizei schon viele wertvolle Hinweise liefern.«

»Klingt toll«, sagte Fred und steckte die Karte ein. Dann zögerte er, als wollte er noch etwas sagen.

»Was ist denn?« fragte Bob.

»Na ja.« Fred zögerte wieder. »Es klingt vielleicht blöd, aber … was macht ihr, wenn es zum Beispiel irgendwo spukt?«

Justus sah ihn scharf an. »Das interessiert uns auch. Wo spukt es denn?«

»Hier auf der Strecke. Im Tunnel durch den Black Mountain.«

Bob lachte. »Das ist doch sicher bloß ein Werbegag.«

»Überhaupt nicht!«, rief Fred beleidigt. »Man hört Geräusche und ein grässliches Stöhnen, und nachts quillt Dampf aus der Tunnelöffnung! Da drin ist mal ein schreckliches Unglück passiert. Und jetzt gehen die Toten dort um!«

Peter schluckte. »Das ist nicht dein Ernst.«

»O doch«, sagte Fred. »Ihr braucht mir nicht zu glauben, aber es ist wahr. Ist ganz schön gruselig, da mittendurch zu fahren, aber wir können ja nicht jedesmal den Umweg über Owens Peak nehmen, und Carl sagt, es ist sowieso alles Quatsch.«

»Interessant«, murmelte Justus. »Wer ist Carl?«

»Carl Sheehan, der Lokführer. Und der Heizer heißt Sam Reilly und ist mein Onkel. Und jetzt muss ich noch ein paar Karten abknipsen. Nachher komme ich mit Getränken – Cola, Saft, Limo, was immer ihr wollt.« Dann setzte er ein schräges Grinsen auf. »Eis gibt’s auch – wenn ich ungesehen an den Kühlschrank komme. Eigentlich hat Carl mir nämlich bei Todesstrafe verboten, heute auch nur an den Kühlschrank zu denken.«

»Wieso?«, fragte Bob.

»Weil ich heute eigentlich gar nicht mitfahren sollte, aber ich habe mich heimlich reingeschlichen. Ist schließlich mein Job! Carl hat mich erst kurz vor Owens Peak entdeckt. Mann, war der sauer! Jedenfalls hat er mir bis auf Weiteres das Eis gestrichen.« Er grinste breit. »Aber er ist vorne in der Lok, und der Kühlschrank und ich sind hier. Und ihr seid schließlich zahlende Fahrgäste. Bis nachher!« Er drehte sich um und verschwand.

Die drei Jungen sahen einander an. »Na los, Just«, sagte Bob. »Sag’s schon.«

»Es lag mir auf der Zunge«, sagte Justus. Er setzte sich aufrecht hin und verkündete: »Die drei Detektive haben einen neuen Fall!«

Der zerstörte Traum

›Die Fahrt zu Harrowvilles Railroad Museum bietet Ihnen Eisenbahnromantik erster Klasse‹, hatte die Broschüre am Bahnhofsständer versprochen. ›Von dem Originalbahnhof in Sterling (erbaut 1900) fahren Sie durch das liebliche Tal des Kern River am Isabella-See vorbei in die majestätische Kulisse der Sierra Nevada. Durch enge Täler, über hohe Pässe und atemberaubende Schluchten hinweg zieht sich die Bahnlinie Sterling – Harrowville – Owens Peak, die in den Jahren 1902 bis 1904 von den mutigen Pionieren der Harrowville Railroad Corporation in die menschenfeindliche Wildnis gelegt wurde. Unter schwersten Bedingungen arbeiteten und lebten diese furchtlosen Männer im ständigen Kampf gegen tobende Schneestürme, wilde Indianerstämme und revoltierende Chinesen. Jene unerschrockenen Helden –‹

Weiter hatten die drei ??? die Broschüre nicht gelesen. »Werbung ist ja sicher notwendig«, hatte Justus gesagt, »aber ab einer bestimmten Häufung von Adjektiven in einem einzigen Satz revoltiert mein Sprachgefühl.« Peter und Bob gaben ihm Recht, die Broschüre flog in den nächsten Papierkorb, dann fuhr die Lok ein, und sie bekamen Eisenbahnromantik pur.

Aber jetzt zog ›das liebliche Tal des Kern River‹ unbeachtet an den Fenstern vorbei, und auch die ›majestätische Kulisse der Sierra Nevada‹ verschwendete ihre Pracht. Justus hatte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Hosentasche gezogen und las es laut vor, um das Rattern der Eisenräder zu übertönen.

Lieber Titus,

es ist soweit. Ich gebe auf. Die alte Geschichte ist wieder losgegangen, schlimmer als je zuvor, und jetzt ziehen sie sogar Sarah und Sue mit hinein. Ich bin fertig, und du weißt, was es mich kostet, das zuzugeben. Aber meine Familie ist mir wichtiger als ein paar ausrangierte Lokomotiven und der ganze schäbige Plunder, den ich so lange für meinen größten Schatz gehalten habe.

Das Museum ist geschlossen, und nächsten Dienstag wird hier alles verkauft. Hast du nicht Lust, am Wochenende herzukommen und dir ein paar Sachen für dein Gebrauchtwarencenter zu sichern? Ich wüsste niemanden, dem ich meine Sammlung lieber überlassen würde als dir. Der Trödelmarkt ist dein Traum – ich hoffe, dass er nicht so endet wie meiner.

Bring auch deinen Neffen mit – für einen Jungen in seinem Alter ist der Blick hinter die Kulissen eines Museums immer interessant, und vielleicht kann er ja das eine oder andere für sein Detektivbüro gebrauchen.

Ruf mich bitte an. Übernachten könnt ihr natürlich bei uns. Sarah und Sue werden sich freuen, dich wiederzusehen und Justus kennenzulernen.

In alter Freundschaft

William Kingsley

Harrowville

»Als Onkel Titus diesen Brief bekam, rief er Mr Kingsley sofort an«, sagte Justus. »Sie kennen sich noch aus der Schule. William Kingsley war ein komischer Kauz – nur an Eisenbahnen interessiert. Nach der Schule hat er jahrelang als Mechaniker, Rangierer und Lokführer gearbeitet, bis er sich schließlich seinen Traum erfüllen konnte und das Museum in Harrowville aufbaute. Aber dann ging alles schief. Ein Unglück folgte dem anderen, das Museum musste immer wieder wochenlang geschlossen bleiben, und die Besucher blieben weg. Onkel Titus sagte aber etwas über Brände, Einbrüche und Unfälle, von denen ihm Mr Kingsley erzählt hat. Einen Spuk hat er nicht erwähnt.«

»Aber vielleicht ist der Spuk diese alte Geschichte!«, sagte Peter.

Justus schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. In diesem Brief gibt es keinen Hinweis auf den Spuk. Mr Kingsley hat geschrieben: sie ziehen jetzt auch Sarah und Sue hinein – Sarah ist seine Frau und Sue seine Tochter. So hätte er es nicht formuliert, wenn es nicht um lebende Personen ginge. Das Museum ist ganz planmäßig sabotiert worden.«

»Aber wozu?«, fragte Peter. »Was gibt es denn an einem alten Museum in einer heruntergekommenen Stadt zu sabotieren?«

»Vielleicht wollte Mr Kingsley, dass du die Sache aufklärst«, sagte Bob. »Und durch einen glücklichen Zufall sind wir nun eben alle drei hier.«

»Ich würde es nicht als glücklichen Zufall bezeichnen, dass mein Onkel sich den Fuß gebrochen hat«, sagte Justus streng. »Und er hat uns lediglich beauftragt, den Museumsbestand zu prüfen und Mr Kingsley einen guten Preis anzubieten, damit er keinen Verlust macht.«

Als Titus Jonas erfahren hatte, dass das Eisenbahnmuseum schließen und den gesamten Bestand verkaufen würde, hatte er sofort eine große Stelle am Zaun freigeräumt, wo er die Sachen lagern wollte. Aber dann war er über ein umgestürztes Eisentor gestolpert, das auf dem Hof lag, und musste alle Pläne ändern. Peter und Bob hatten sofort begeistert zugestimmt, als Onkel Titus sie fragte, ob sie Justus an seiner Stelle begleiten wollten.

»Seht euch mal um, was wir gebrauchen könnten«, hatte Onkel Titus gesagt. »Und fallt nicht wie die Geier über die alten Schätze her. Mein Freund William muss seinen Lebenstraum begraben. Ich verlasse mich darauf, dass ihr euch anständig benehmt und ihm helft, statt ihn auszurauben.«

»Dann klären wir den Spuk eben als Dreingabe auf«, sagte Bob übermütig. Peter sah weniger glücklich aus. Trotz der vielen merkwürdigen Fälle, die sie bisher aufgeklärt hatten, machte er noch immer einen weiten Bogen um alles, was nach Übersinnlichem roch.

In der nächsten halben Stunde durchstöberten sie den Zug. Sie marschierten durch die Waggons und sahen sich jeden Winkel genau an. Der vierte Waggon enthielt ein kleines Restaurant und die Zugtoilette. Das Restaurant war im alten Westernstil eingerichtet und die Bar mit dunklem Holz getäfelt. Aber sie war geschlossen. Alle Lichter waren aus, und niemand war zu sehen. Offenbar lohnte es sich bei so wenig Passagieren nicht, Essen oder Getränke anzubieten.

»Seht euch das an!« Peter wies auf ein kleines Loch in einem der Stützbalken an der Schwingtür zur Küche. »Das sieht aus wie ein Einschussloch!«

»Und hier!«, rief Bob. »Vergoldete Armaturen, die wie kleine Pistolen aussehen! Will dein Onkel eigentlich auch den Zug kaufen, Just?«

Justus lachte. »Zumindest hat er Tante Mathilda fast zum Herzinfarkt getrieben, als er sagte, wir hätten da am Zaun den perfekten Platz für eine alte ausrangierte Dampflok. Aber wahrscheinlich müssen wir uns mit alten Schildern, Fahrplänen und quietschenden Sitzbänken begnügen.«

Auch der dritte und der zweite Waggon waren menschenleer. An der Tür zum vordersten Abteil blieben die drei Jungen stehen. Dort hing ein Schild: ›Geschäftliche Besprechung. Bitte nicht stören.‹ Justus spähte durch das Glasfenster. Die vier Mitreisenden saßen einander gegenüber. Auf dem Tisch in der Mitte stand ein aufgeklappter Aktenkoffer. Er stand wie eine Wand zwischen ihnen, und der Mann und die Frau dahinter hatten sich in die Polster zurückgelehnt, als fühlten sie sich von ihm bedroht. Beide waren ungefähr vierzig Jahre alt, hatten aber schon graue Haare und sahen aus, als hätten sie ihr Leben lang nur Niederlagen eingesteckt. Von dem Mann, der die offene Seite des Koffers vor sich hatte, konnte Justus nur einen braunen Anzug und eine breite Schulter erkennen. Seine Stimme drang als undeutliches Gemurmel durch die Scheibe, und er schlug mit der geballten Faust mehrmals auf sein Knie, während er sprach. Den dritten Mann neben ihm auf dem Fenstersitz konnte Justus von seinem Platz aus nicht sehen.

Justus drehte sich zu Peter und Bob um. »Gehen wir zurück.«