Die drei ???, Pfad der Angst (drei Fragezeichen) - Astrid Vollenbruch - E-Book

Die drei ???, Pfad der Angst (drei Fragezeichen) E-Book

Astrid Vollenbruch

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Beschreibung

Ein neuer Fall bahnt sich an, der ganz nach dem Geschmack der drei erfolgreichen Detektive aus Rocky Beach ist: Ein verschrobener Wissenschaftler bittet die drei ??? um Hilfe bei der Wiederbeschaffung einer Erfindung, die ihm gestohlen wurde. Doch dann häufen sich merkwürdige Geschehnisse, die die Recherchen behindern. Natürlich lassen sich Justus, Peter und Bob zunächst nicht beeindrucken - bis sie um ihr Leben bangen müssen...

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Seitenzahl: 152

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Pfad der Angst

erzählt von Astrid Vollenbruch

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 - 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

© 2007, 2008, 2011 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on Characters by Rober Arthur.

ISBN 978-3-440-12896-1

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Ein verdächtiges Subjekt

»Uuuuuuh-huuuuuh babe you set my heart on fire ... «

Schwungvoll schob Peter Shaw den Rasenmäher durch den Garten und sang dabei aus voller Kehle zu der Musik in seinen Kopfhörern. Es war brütend heiß, er schwitzte und musste sich ordentlich anstrengen, um vorwärts zu kommen.

»... and I can´t stand the heat, can´t just stand by ...«

Das Rasenmähen war eine seiner häuslichen Pflichten und wurde sogar bezahlt. Aber in den letzten drei Wochen war er viel lieber zum Surfen gegangen, als sein Taschengeld aufzubessern, und so war das Gras mittlerweile fast kniehoch gewachsen.

»... uuuuuuh, I can´t stand this burning desire ...«

Aber dafür hinterließ der Mäher jetzt auch eine schöne kurz geschorene Spur, der man richtig ansah, dass hier gearbeitet worden war.

»... so gimme gimme gimme muuuuuuushroom piiiiiiie – huaah!«

Etwas Eiskaltes war ihm gegen den Rücken geklatscht. Peter riss sich die Kopfhörer herunter, griff nach der getroffenen Stelle und fühlte kalte Nässe. Wütend drehte er sich um, und sein Blick fiel zuerst auf einen nassen Waschlappen neben ihm im Gras und dann auf seine Mutter, die am Küchenfenster stand. »Ma! Was zum – was soll das denn? Warst du das?«

»Wer sonst?«, sagte seine Mutter. »Ich habe dich in den letzten zehn Minuten fünfmal gerufen. Da du mich jetzt endlich hören kannst, habe ich eine Nachricht für dich. Von Justus.«

Peter horchte auf. »Justus? Hat er angerufen?«

»Nein, ich habe nur diesen Zettel im Briefkasten gefunden. Du warst wohl so beschäftigt, dass er dich nicht stören wollte.« Mrs Shaw drückte ihrem Sohn einen Zettel in die Hand, und Peter las:

Hallo, Kollege,

seit gestern hält sich ein verdächtiges Subjekt in der Nähe des Schrottplatzes auf. Aufgrund seines Aussehens, seines Auftretens und seiner allgemeinen Unaustehlichkeit halte ich es nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass er ein Verwandter von Skinny Norris sein könnte – vielleicht ein Vetter.

Tante Mathilda hat mich mit einem Auftrag weggeschickt. Bitte komm zum Schrottplatz und achte darauf, was der Verdächtige unternimmt. Sollte er den Schrottplatz betreten, weißt du, was du zu tun hast.

Bis später

Justus

Peter stöhnte. »Das hat uns gerade noch gefehlt – ein Vetter von Skinny Norris! Kann ich rüber zu Justus?«

»Und der Rasen?«

»Den mache ich heute Abend fertig, versprochen! Ich muss da unbedingt hin! Wer weiß, was dieser Kerl anstellt, während Justus nicht da ist!«

Mrs Shaw überlegte und nickte dann. »Also gut. Wenigstens muss dir dann nicht mehr die gesamte Nachbarschaft beim Singen zuhören.«

»Danke, Ma!« Peter lief zum Schuppen, holte sein Fahrrad heraus und schwang sich in den Sattel.

Das ›Gebrauchtwarencenter T. Jonas‹ lag nur wenige Straßen von Peters Zuhause entfernt. Als Peter um die Ecke bog, sah er schon von Weitem eine dickliche Gestalt mit blonden Haaren, die mit einem seltsamen Gitter in den Händen vor dem offenen Eingangstor stand. Gerade machte sie einen Schritt vorwärts.

»He!«, brüllte Peter. »Halt! Bleib stehen!«

Der Fremde drehte sich um, und Peter erkannte, dass es ein Junge etwa in seinem Alter war. Er sah ein verschwitztes, pausbäckiges Gesicht unter strähnigen blonden Haaren, die schon lange nicht mehr geschnitten oder gewaschen worden waren. Auf der klumpigen Nase saß eine riesige dunkelbraune Hornbrille, die schon vor zwanzig Jahren nicht mehr modern gewesen war. Der Junge trug ein kariertes Holzfällerhemd, das nachlässig in eine uralte braune Kordhose gestopft war und über dem dicken Bauch spannte, und ausgelatschte alte Schuhe. Das Gerät in seinen Händen sah aus wie eine alte Fernsehantenne.

Peter brachte sein Rad neben dem Fremden zum Stehen – und wurde fast umgeworfen von dem Geruch, den der andere ausströmte. Er roch, als hätte man ihn mitsamt seiner Kleidung zehn Jahre lang in einem Koffer auf einem modrigen Speicher aufbewahrt, und der stechende Schweißgestank gab noch eine besondere Duftnote dazu.

Peter bemühte sich gar nicht erst, seinen Ekel zu verbergen. »Willst du hier was?«

Der Junge musterte ihn aus wässrig blauen Augen, zog geräuschvoll die Nase hoch und spuckte aus. »Nee. Und du?« Er hatte eine seltsam künstliche, näselnde Stimme und zog jedes Wort unverantwortlich in die Länge.

»Allerdings – ich arbeite nämlich hier.« Das stimmte sogar mehr oder weniger: Mathilda Jonas, Justus’ Tante, zog die Freunde ihres Neffen gerne und oft für Hilfsarbeiten heran. »Willst du das Ding da verkaufen? Sonst hast du hier nämlich nichts verloren.«

»Jetzt mach mal halblang«, beschwerte sich der Fremde. Seine Stimme klang tatsächlich fast so unangenehm wie die von Skinny Norris, den Peter von ganzem Herzen verabscheute. »Besonders kundenfreundlich bist du ja nicht!«

Peter zögerte. Er wollte sicher nicht daran schuld sein, dass dem Gebrauchtwarencenter ein Kunde verloren ging – nicht einmal, wenn er so unangenehm war wie dieser hier.

»Also schön. Kann ich dir irgendwie helfen?«

»Nee«, sagte der Junge, spuckte wieder aus und drehte sich von ihm weg. Dabei hielt er das antennenartige Gerät von sich ab, als hätte er Angst, dass es ihn beißen könnte. Breitbeinig stand er vor dem Tor, als wollte er dort festwachsen.

Allmählich wurde Peter wütend. »Hör mal, du kannst hier nicht einfach so rumstehen!«

»Kann ich doch.«

»Kannst du nicht!«

»Kann ich doch.«

»Willst du jetzt irgendwas kaufen oder nicht?«

»Nee.«

»Dann hau gefälligst ab, oder ...«

Der Junge grinste und zeigte eine Reihe vorstehender Zähne. »Oder was?«

In diesem günstigen Moment bog jemand mit dem Fahrrad um die Ecke. Es war Bob Andrews, Peters bester Freund und Kollege in ihrem gemeinsamen Detektivunternehmen ›Die drei ???‹, ebenso wie Justus Jonas. Peter atmete heimlich auf. Er hatte nun wirklich keine Angst vor diesem komischen Typen, aber er mochte Gespräche nicht, die so schnurstracks auf eine Prügelei hinausliefen. Erleichtert winkte er Bob zu. »Bob! Hallo!«

Bob stieg vom Fahrrad und lehnte es gegen den Zaun. »Hallo, Peter. Hallo, Justus. Puh – du stinkst! Wo hast du denn diese Klamotten aufgetrieben?«

Peter blieb die Spucke weg. »J-justus?« Ungläubig starrte er von Bob zu dem Fremden hin.

Aber der runzelte nur die Stirn. »Was? Ich heiße nicht Justus. Und meine Klamotten gehen dich überhaupt nichts an!«

»Wie bitte?«, rief Bob. »Natürlich bist du Justus! Hör mal, die Verkleidung ist klasse, aber eklig. Kannst du dich bitte wieder umziehen?«

Wütend starrte der Junge ihn an. »Hör du mal zu. Ich heiße nicht Justus, und ich weiß nicht, was ihr beiden Komiker von mir wollt. Der Junge, der hier arbeitet, hat mir gesagt, ich soll das Ding hier halten und auf ihn warten. Es wäre ein Experiment, hat er gesagt. Und allmählich reicht es mir!«

Verblüfft starrten Peter und Bob ihn an. »Moment mal«, sagte Bob. »Du bist nicht Justus?«

»Welchen Teil von ›Nein‹ hast du nicht verstanden? Soll ich es noch buchstabieren?«

»Nein, lass mal.« Bob war ziemlich rot geworden. »Tut mir leid. Also hat Justus dir gesagt, du sollst hier auf ihn warten?«

»Was weiß ich, wie der heißt. So ein schwarzhaariger Dicker.«

»Ist ja nicht so, als hättest du nicht auch ganz schön Speck auf den Rippen«, knurrte Peter.

»Wisst ihr was?«, sagte der Junge. »So was muss ich mir nicht anhören. Ihr könnt mich mal, und euer komischer Justus auch. Ich steh doch nicht den ganzen Tag hier blöd rum.« Unvermittelt drückte er Bob die Antenne in die Hand. »Macht doch mit dem Ding, was ihr wollt.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte am Bretterzaun entlang davon.

Sprachlos schauten die beiden Detektive ihm nach, bis der Junge um die Ecke des Zauns verschwand.

»Gut, dass der weg ist«, sagte Peter endlich. »Wie bist du bloß auf die Idee gekommen, dieser Typ sei Justus? Was für ein Glück, dass unser Erster dich nicht gehört hat!«

»Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass der wirklich echt ist«, sagte Bob. Stirnrunzelnd betrachtete er das Metallgestell in seiner Hand. »Und was ist das hier? Was sollen wir damit anfangen?«

»Eine Antenne, würde ich sagen. Was ist das für ein Kästchen in der Mitte?«

»Keine Ahnung.«

In diesem Augenblick gab das Kästchen plötzlich ein schrilles Piepsen von sich, und sie zuckten beide zusammen. Bob ließ die Antenne fallen, und Peter fing sie gerade noch rechtzeitig auf, bevor sie auf den Boden fallen konnte. Das Piepsen verstummte.

»Ein Empfänger!«, rief Bob. »Das ist ja komisch. Wieso gibt Justus irgendwelchen wildfremden Leuten den Auftrag, mit einem Empfänger vor dem Schrottplatz herumzustehen, während er einkaufen geht?«

»Der Typ sagte doch, es sei ein Experiment. Das sieht Justus wieder ähnlich. Hat er dir auch geschrieben, dass er ihn für einen Vetter von Skinny Norris hält?«

»Wie bitte? Nein. Mir hat er nur geschrieben, dass ich herkommen sollte.« Bob schwenkte die Antenne. Als er sie auf das Tor richtete, ertönte wieder das Piepsen. Es verstummte, als Bob die Antenne in eine andere Richtung drehte. »Hm. Das ist doch eindeutig ein Funksignal, oder?«

»Und der Sender ist vermutlich irgendwo auf dem Schrottplatz.« Peter drehte sich zum Tor um. »Komm, das sehen wir uns mal genauer an!«

»Hm, wenn Justus aber wollte, dass der Junge hier auf ihn wartet ...«

»Wir müssen aber nicht auf ihn warten, oder? Komm schon!«

Sie folgten dem Piepston über den Schrottplatz, vorbei an dem Berg aus Gerümpel und Alteisen, in dem die ›Zentrale‹, ihr Detektivbüro, versteckt war. Es war nicht einfach, dem Signal zu folgen, weil es von dem vielen Metall reflektiert wurde und aus verschiedenen Richtungen zu kommen schien. Aber sie folgten einfach den begehbaren Pfaden und verließen sich darauf, dass Justus den Sender nicht einfach in einen riesigen Haufen Altmetall geworfen hatte. Das Geräusch lockte sie zwischen einigen hohen Regalen hindurch, auf denen aller möglicher Trödel gestapelt war, bis unter das Wellblechdach, unter dem Titus Jonas wertvollere Dinge aufbewahrte. Bob drehte sich mit der Antenne in der Hand. »Da, hinter den Bildern, da muss es sein!«

Peter klappte die alten Bilder nach vorne. »Ja, da ist es!« Er bückte sich und hob ein graues Kästchen auf.

Die beiden Detektive schauten sich um. »Und was jetzt –«, begann Bob, aber ein schrilles Piepsen aus dem Empfänger unterbrach ihn. »Noch einer! Ich glaube, Justus hat den ganzen Schrottplatz mit Sendern gespickt!«

Diesmal führte sie das Piepsen am Zaun entlang. Sie kletterten über alte Maschinen, entdeckten ein Ruderboot, ein uraltes Karussell und die noch ältere Drehorgel, mit der Titus Jonas, Justus´ Onkel, in seiner Jugend beim Wanderzirkus aufgetreten war. Endlich kamen sie wieder bei den Regalen heraus – und dort saß der dicke Junge auf drei alten Koffern und drückte auf den Knopf einer Stoppuhr. »Gratuliere«, sagte er grinsend. »Ihr habt eure von mir geschätzte Zeit wahrhaftig um neunzehn Sekunden unterboten.« Dann nahm er sich das falsche Gebiss aus dem Mund, setzte die Brille samt Nase ab und zog die schmierige blonde Perücke vom Kopf.

Ein Päckchen im Park

Peter und Bob blieb die Spucke weg. »Justus!‹, rief Peter. »Also warst du es doch!«

»Natürlich«, sagte Justus selbstzufrieden. »Ich glaube, ich kann sagen, dass dies eine meiner erfolgreicheren Verkleidungen war. Bob habe ich ja nur durch hartnäckiges Leugnen täuschen können, aber du, Peter, bist darauf hereingefallen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich bei dir zu einer suggestiven Manipulation gegriffen habe.«

»Zu einer was?«

»Ich habe dir eine Nachricht geschickt, in der ich behauptet habe, ich hätte eine unerfreuliche Gestalt um den Schrottplatz schleichen sehen, die ich für einen Verwandten von Skinny Norris hielte. Da du nicht auf eine Täuschung von meiner Seite gefasst warst, hast du diese Aussage für wahr gehalten und bist in der Erwartung hergekommen, diese zwielichtige Gestalt auch wirklich anzutreffen. Bob hingegen, den ich lediglich gebeten hatte, herzukommen, erwartete mich zu sehen. Ich vermute, dass du mich an der Haltung oder einer bestimmten Bewegung erkannt hat.«

»Na ja«, sagte Bob. »Ich dachte, dass du es sein müsstetst, weil du dich gerne verkleidest und weil du eben immer hier bist. Du hast mir nicht gesagt, dass du weggehen wolltest, also war mir klar, dass du bloß einen Verkleidungstrick ausprobierst.«

»Und Peter steht mal wieder als Trottel da«, sagte Peter. »Vielen Dank auch. Ich hole mir jetzt eine Limo aus der Zentrale, von der ich erwarte, dass sie da ist, wo sie immer ist, nämlich unter einem riesigen Haufen Schrott. Natürlich wird es mich nicht überraschen, wenn da jetzt tatsächlich ein echter Fatty Norris drin sitzt.«

Bob lachte. »Fatty Norris?«

»Sei doch nicht eingeschnappt, Peter!«, sagte Justus. »An irgendjemandem musste ich diese Verkleidung doch ausprobieren!«

»Zum ersten und letzten Mal, hoffe ich«, sagte Bob und musterte ihn angewidert, während sie sich alle drei auf den Weg zum ›Kalten Tor‹ machten. »Aus welchem Mülleimer hast du diese Klamotten gezogen?«

»Aus einem Koffer, den mein Onkel Titus vorgestern von einem Kunden für zwei Dollar gekauft hat«, sagte Justus. »Diese Antenne steckte übrigens auch darin, und ich habe die letzten zwei Tage damit zugebracht, daraus einen funktionierenden Empfänger für unsere Peilsender zu bauen.«

»Wozu das denn? Wir haben doch schon einen Empfänger.« Bob öffnete die Tür des riesigen alten Kühlschranks, der als ›Kaltes Tor‹ den Durchgang zur Zentrale verbarg, und sie kletterten hinein, wobei Justus einige Probleme mit der sperrigen Antenne bekam.

»Und jetzt haben wir eben einen zweiten als Ersatz. Falls uns zum Beispiel mal wieder einer bei einer Verfolgungsjagd kaputtgeht und das Handy nicht funktioniert.«

Durch einen Gang unter dem kunstvoll abgestützten Holz- und Metallschrott marschierten sie zur Zentrale. Das war früher einmal ein ausrangierter alter Wohnwagen gewesen. Jetzt war es ein zerbeultes, zerkratztes altes Wrack, das nur noch sehr entfernt an einen Wohnwagen erinnerte. Da die Tür seit einem spektakulären Unfall völlig verbogen war, hatten Justus und Peter sie ausgebaut und zur Reparatur in die Freiluftwerkstatt gebracht.

Im Inneren der Zentrale herrschte Chaos. In einer Ecke lag ein Müllsack voller Papiere und Aktenordner. Das dazugehörige Regal stand vor der Tür zur Dunkelkammer. Der Inhalt der Dunkelkammer – ein Vergrößerer, drei Wannen, Papierpakete und mehrere Kanister voller Chemie – lagerte auf dem Schreibtisch. Der Computer, der eigentlich unter dem Schreibtisch stehen sollte, lag auf dem einzigen Sessel, zusammen mit dem Bildschirm, dem Drucker, einem Haufen Schmierpapier und ungefähr hundert Kugelschreibern, Bleistiften, Filzstiften, Radiergummis und Linealen. Der Kühlschrank stand dort, wo er hingehörte, wurde aber durch drei Kartons voller Detektivausrüstung und zwei zerschlissene schwarze Bürodrehstühle blockiert. Das Einzige, was sich an seinem angestammten Platz befand und auch erreichbar war, war der Anrufbeantworter, und er war nicht nur ordnungsgemäß installiert und mit Kabeln versehen, sondern zeigte auch durch regelmäßiges Blinken einer roten Lampe an, dass jemand angerufen hatte.

Justus pflügte sich einen Weg durch die Zentrale, schaltete den Verstärker ein und drückte die Wiedergabetaste.

»Hallo?«, sagte eine gehetzt klingende Männerstimme. »Warum erreicht man hier niemanden? Was ist da los? Ich heiße – äh – sagen wir – Professor Leon Battista Alberti. Es geht um folgenden Fall, ich buchstabiere: V-S-L-R-Q-D-J-H. Fragt Cäsar. Ich erwarte euch um drei Uhr nicht bei mir zu Hause, sondern im Park. Es ist leicht. Auf Wiederhören.«

Justus hielt das Band an und spulte es zurück.

»Was war das denn?«, fragte Bob irritiert. »Ich habe kein Wort verstanden.«

»Es klang wie eine codierte Nachricht«, erwiderte Justus und spielte den Anruf noch einmal ab. »Das ist ja sehr interessant.«

»O nein«, stöhnte Peter. »Dieses Funkeln in deinen Augen kenne ich, Just. Bitte sag ein einziges Mal das, was ich hören will. ›Das ist alles Quatsch, der Typ spinnt, und wir sollten lieber zum Surfen fahren!‹«

Justus grinste. »Ganz im Gegenteil, Peter! Jeder, der sich schon einmal mit Kryptologie beschäftigt hat, weiß sofort, um was es geht. Es ist tatsächlich ganz einfach – zumindest der Anfang.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Beim zweiten Teil bin ich mir noch nicht so sicher, aber wir sollten uns beeilen.«

»Kryptologie?«, wiederholte Bob. »Du meinst Verschlüsselung?«

»Genau. Die Buchstabenfolge ist natürlich verschlüsselt, und den Schlüssel hat uns unser unbekannter Anrufer gleich mitgeliefert. Cäsar!«

»Cäsar?«, sagte Peter. »Schön, wenn wir jetzt mit Geschichtsunterricht anfangen, will ich erst mal meine Limo. Bob, hilf mir mal!« Er schob die beiden Drehstühle weg und begann, die Kartons vor dem Kühlschrank zur Seite zu wuchten. Bob packte mit an, während Justus einen Chemiekanister vom Tisch auf den Boden stellte und sich auf die frei gewordene Ecke setzte.

»Das hat nichts mit Julius Cäear zu tun, Peter«, sagte er. »Leon Battista Alberti war ein italienischer Schriftsteller, Architekt und Mathematiker. Er lebte im fünfzehnten Jahrhundert in Florenz und verbesserte eine von Julius Cäsar erfundene Verschlüsselungsmethode. Bei dieser Methode wird jeder Buchstabe des Alphabets durch einen anderen Buchstaben ersetzt, der einige Plätze hinter ihm steht – bei Cäsar waren es vier, es können aber auch mehr oder weniger sein. Diese Methode galt jahrhundertelang als absolut sicher, wurde aber später durch viel kompliziertere Verschlüsselungen ersetzt. Heutzutage kann jedes Kind nach der Cäsar-Methode Geheimtexte verfassen und vor allem entschlüsseln.«

»Der Name unseres Anrufers ist also natürlich nicht Leon Battista Alberti«, meinte Bob.

»Es ist zumindest höchst unwahrscheinlich.«

»Na schön.« Peter öffnete die Kühlschranktür und holte drei Flaschen Limonade heraus, die er verteilte. »Also benutzt er den Namen nur als Decknamen und als Hinweis auf die Verschlüsselung. Und nach dieser Methode wäre der erste Buchstabe kein V, sondern ein S?«

»Und der zweite kein S, sondern ein P«, überlegte Bob. »Und der Rest –«

»Ich habe es schon entschlüsselt«, sagte Justus.

»Du hast ja auch nichts anderes getan, seit du kein Kinderstar mehr bist.« Das bezog sich auf Justus´ ruhmreiche Vergangenheit als jüngstes Mitglied einer lustigen Kinderserie, die er mittlerweile aus ganzem Herzen verabscheute. »Jetzt lass uns mal ran!«

Sie hockten sich auf die Drehstühle, drehten sich, tranken Limo und rechneten mit Buchstaben herum, bis sie nach kurzer Zeit das Ergebnis hatten.

»S-P-I-O-N-A-G-E«, sagte Peter. »Justus, das ist doch wohl nicht dein Ernst? Der Typ spinnt! Wir sind doch nicht mehr im Kalten Krieg!«