Die drei ???, Schatten über Hollywood (drei Fragezeichen) - Astrid Vollenbruch - E-Book

Die drei ???, Schatten über Hollywood (drei Fragezeichen) E-Book

Astrid Vollenbruch

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Beschreibung

Geister gibt es nicht - davon sind Justus, Peter und Bob überzeugt. Bis sich eines Nachts eine unheimliche weiße Gestalt vom berühmten Holly­wood-Schriftzug in den Hollywood Hills stürzt und spurlos verschwindet. Haben es die drei ??? mit dem Geist der verstorbenen Schauspielern Casey Wye zu tun? Fragmente eines seltsamen Briefs weisen darauf hin. Als dann auch noch verschiedene Menschen in hinterhältige Fallen geraten, ist klar: Justus, Peter und Bob müssen schwer auf der Hut sein, wenn sie dieses Geheimnis lüften und dabei mit heiler Haut davonkommen wollen...

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Schatten über Hollywood

erzählt von Astrid Vollenbruch

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

© 2006, 2008, 2011, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-12890-9

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Peters Wette

Es war Nacht in Kalifornien. Über dem Lichtermeer von Los Angeles lag ein samtig schwarzer Himmel voller Sterne. Die Luft war angenehm kühl nach der sengenden Hitze des Tages, und Justus Jonas fragte sich vergeblich, warum er nicht zu Hause in seinem gemütlichen Bett steckte, sondern in einem Dornenstrauch, dessen Zweige ihn unbarmherzig stachen und ihm das T-Shirt zerrissen, während die scharfkantigen Steine auf dem Boden in seine Knie schnitten.

»Peter?«, sagte er leise.

Neben ihm im Gebüsch rührte sich etwas. Das war Peter Shaw, sein bester Freund und Detektivkollege, der sich hoffentlich noch viel zerstochener und zerschnittener fühlte als er selbst. »Ja?«

»Tust du mir einen Gefallen?«

»Was denn?« Peters Stimme klang argwöhnisch.

»Solltest du noch einmal auf den Gedanken kommen, mit Jeffrey irgendeine dämliche Wette abzuschließen – beschränke dich doch bitte aufs Surfen. Da müssen Bob und ich wenigstens nicht mitkommen und auf unsere wohlverdiente Nachtruhe verzichten.«

Es blieb eine Weile still. Dann sagte Peter: »Na komm schon, Just, normalerweise bist du doch der Erste, der mitten in der Nacht komische Dinge tut.«

»Das sind keine komischen Dinge, sondern Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Fall. Deine Initialen mitten in der Nacht auf nationale Denkmäler zu kritzeln, gehört nicht dazu.«

»Aber wenn ich die Wette gewinne, spendiert Jeffrey uns drei Eintrittskarten für das Peter-Gabriel-Konzert. Lockt dich das gar nicht?«

»Doch, aber ich bin trotzdem sicher, dass es eine strafbare Handlung ist.«

»Du musst es ja wissen.«

Ein dritter Dornenstrauch wackelte. »He, die Frau mit dem Hund ist weg. Kommt, weiter!«

Ächzend kroch Justus aus seiner Deckung hervor auf den Weg. Peter, der Zweite Detektiv, und Bob, der Spezialist für Recherchen, folgten und zupften sich Dornen aus T-Shirts, Hosen und Haut.

Die drei Detektive befanden sich rund einen Kilometer von den berühmten Hollywood-Buchstaben entfernt, die jetzt in der Nacht von Dutzenden von Scheinwerfern angestrahlt wurden. HOLLYWOOD stand dort, über ganz Los Angeles hinweg zu sehen. Doch von hier unten sahen die Buchstaben gar nicht so groß aus.

Bisher war der Weg nicht besonders schwierig gewesen, aber nun verließen Justus, Peter und Bob den Park und schlugen sich den Berg hinauf wieder ins Gebüsch. Schon bald kamen sie gehörig ins Schwitzen. Sie hatten zwar ihre Taschenlampen dabei, stolperten aber trotzdem immer wieder. Auf einmal rutschte Justus aus und schlitterte ein ganzes Stück nach unten. Seine Taschenlampe ging aus.

Hastig kletterten Peter und Bob zu ihm hinab. »Alles in Ordnung?«

»Ja, natürlich«, knurrte Justus. Er suchte nach seiner Lampe, fand sie und betätigte den Schalter. Es blieb dunkel. »Na wunderbar. Das setze ich dir auf die Rechnung, Peter. Wie weit ist es noch?«

Peter hielt einen sarkastischen Kommentar über Justus’ Kletterkünste zurück. »Noch ein ganzes Stück den Berg hoch.«

Justus stöhnte. »Ich glaube, ich konnte Peter Gabriel noch nie leiden.«

Widerwillig kletterte er weiter. Es machte ihm gar nichts aus, sich anzustrengen, wenn es einen Fall aufzuklären gab, aber mitten in der Nacht einen Berg hinaufzuklettern, nur damit Peter sein ›P.S.‹ auf die Hollywood-Buchstaben malen konnte, war so sagenhaft idiotisch, dass er sich zum wiederholten Mal fragte, warum er sich eigentlich darauf eingelassen hatte.

Plötzlich hielt Peter an. »Hier ist ein Stacheldrahtzaun. Da müssen wir wohl durch.«

»Das hätten wir uns doch denken können«, sagte Bob. »Sie lassen natürlich nicht jeden Dahergelaufenen an die Buchstaben heran. Wir machen uns bestimmt strafbar, wenn wir da durchklettern.«

»Ach was, wir sind ja in fünf Minuten wieder draußen.« Schon schlüpfte Peter durch den Zaun. Bob folgte ihm und hielt die Drähte auseinander, damit auch Justus unbeschadet hindurchgelangte. Gleich hinter dem Zaun wurde der Berg richtig steil. Justus hatte längst die Orientierung verloren. Halbblind kämpfte er sich durch die Dunkelheit, hinter Peters und Bobs Taschenlampen her, deren Licht viel zu oft zwischen den Sträuchern verschwand.

An einem besonders steilen Abhang warteten sie auf ihn. Bob hielt ihm die Hand entgegen, um ihn hochzuziehen, aber Justus blieb keuchend stehen und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Ich gehe kein Stück weiter. Das ist Wahnsinn! Dafür hätten wir eine Bergsteigerausrüstung gebraucht!«

»Mensch, Justus!«, rief Peter. »Es ist nur noch ein ganz kurzes Stück! Guck doch mal, wie weit wir schon gekommen sind!«

Justus drehte sich um. Durch die Büsche und Bäume hindurch konnte er das Lichtermeer von Los Angeles sehen. Sie waren tatsächlich schon ziemlich weit oben. »Ist mir egal«, erklärte er trotzig. »Mir reicht es jedenfalls! Ich gehe zurück!«

»Ich habe auch kein gutes Gefühl bei der Sache«, sagte Bob. »Es gibt bestimmt noch mehr Zäune. Vielleicht sogar welche, die elektrisch geladen sind. Wir hätten wissen müssen, dass man nicht einfach so zu den Buchstaben hinmarschieren kann.«

»Na schön.« Peter war jetzt sauer. »Dann bleibt doch hier, ihr Schnecken. Ich gehe jedenfalls weiter. Bis später.« Er drehte sich um und kletterte weiter den Berg hinauf.

Justus ließ sich ächzend auf die Erde plumpsen. »Was ist denn mit dem los? Normalerweise lässt er sich doch nicht auf solche Aktionen ein. Was hast du ihm heute Nachmittag in den Milchshake gekippt, Dritter?«

»Ich? Gar nichts.« Bob hockte sich neben ihn, zuckte zusammen, stand wieder auf und klaubte einen stacheligen Zweig von seiner Jeanshose. Dann setzte er sich wieder hin. »Aber ich glaube, Jeffrey hat es diesmal etwas zu weit getrieben und ihn einen Angsthasen genannt. So etwas lässt Peter sich von einem Knaben, der nichts als Surfbretter und hohe Wellen im Kopf hat, eben nicht gefallen.«

»Und da fällt denen nichts Besseres ein, als zu wetten, ob Peter sich traut, mitten in der Nacht seine Initialen auf das Hollywood-H zu malen. Ich bin froh, dass wir bei unseren Fällen nicht auf Mr Shaws geniale Geistesblitze angewiesen sind, sondern auf meine.«

Bob rempelte ihn leicht an. »Gib nicht so an, du Meisterdetektiv. Peter hat dir schon oft genug den Hals gerettet, wenn du dich mit deinen genialen Geistesblitzen so richtig in den Mist manövriert hattest.«

»Schön, ich gebe zu, dass körperliche Leistungsfähigkeit nicht zu meinen höchstentwickelten Spezialgebieten gehört.«

»Stimmt auffallend. Aber um Peter von dieser Idee abzubringen, hättest du ihm eigentlich nur erzählen müssen, dass es hier spukt.«

Justus lachte. »Das hätte er mir doch nie geglaubt.«

»Vielleicht doch. Es stimmt nämlich.«

»Wirklich?« Mit neu erwachendem Interesse schaute Justus zu Bob hin, dessen Gesicht er in der Dunkelheit nur schemenhaft erkennen konnte. »Woher weißt du das?«

»Miss Bennett hat es mir erzählt.« Miss Bennett war die Leiterin der Bücherei, in der Bob in den Ferien gelegentlich aushalf. »Sie interessiert sich für solches Zeug – Spukgeschichten, moderne Legenden und so weiter. Angeblich hat sich hier in den 30er Jahren eine Schauspielerin umgebracht und spukt seither hier in der Gegend herum.«

»Ich fasse es nicht!«, sagte Justus. »Und das erzählst du erst jetzt? Wenn du es Peter rechtzeitig gesagt hättest, wäre er nie im Leben hier hochgeklettert! Und ich könnte jetzt gemütlich in meinem Bett liegen! Wie spät ist es überhaupt? Zwei? Drei?«

Bob knipste seine Taschenlampe wieder an und leuchtete auf seine Armbanduhr. »Nein, es ist gerade erst zwölf. Mitternacht. Genau die richtige Zeit für die Dame, um herumzuspuken und Peter zu Tode zu erschrecken.«

Justus fing an zu lachen – aber es blieb ihm im Hals stecken. Über ihnen in der Dunkelheit ertönte ein gellender, markerschütternder Schrei.

Geisterstunde

»Peter!« Bob schnappte sich die Taschenlampe, fuhr hoch und war schon unterwegs, bevor Justus auch nur mit dem Aufstehen angefangen hatte. Die Sträucher schlugen hinter ihm zusammen, und Justus folgte ihm, so schnell er konnte. Dornen zerkratzten ihm Hände und Gesicht. Das Licht der Taschenlampe hüpfte wie verrückt auf und ab, eine Miniaturausgabe der Lichtsäulen oben auf dem Berg. Irgendwo weit hinter ihnen heulte eine Polizeisirene in der Stadt, aber am Hang des Berges war alles still, wenn man von dem Krachen und Rascheln absah, mit dem die beiden Detektive sich durch die Sträucher schlugen. Der schreckliche Schrei wiederholte sich nicht.

»Peter!«, rief Bob. »Wo bist du? Antworte doch! Peter!«

»Bob!«, schrie Justus. »Nun bleib doch mal stehen! Warte!« Bob hielt tatsächlich an, leuchtete aber weiter wild durch die Gegend. Als Justus endlich japsend bei ihm ankam, wollte er sich gleich wieder auf den Weg machen, aber Justus packte ihn am Arm. »Warte! Wenn er bisher nicht geantwortet hat, kann oder will er nicht antworten. Los, kletter auf meine Schultern. Vielleicht kannst du das Licht seiner Taschenlampe über die Büsche hinweg sehen.«

»In Ordnung.« Bob gab ihm die Taschenlampe. Justus kniete sich hin und Bob setzte sich auf seine Schultern. Ächzend stemmte Justus sich hoch und schwankte auf dem abschüssigen Boden hin und her. »Du könntest auch mal ein bisschen abnehmen! Siehst du was?«

»Nein, nur die Buchstaben. Wir sind ja doch schon ziemlich nahe dran.«

»Und was ist mit Peter?«

Bob öffnete den Mund, um zu antworten. Doch in diesem Moment brach Peter durch die Büsche und stieß mit Justus zusammen. Justus verlor das Gleichgewicht, stolperte, und im nächsten Moment rollten alle drei den Hang hinunter und landeten in einem Gebüsch.

»Peter!«, schrie Justus wütend, als er wieder sprechen konnte. »Pass doch auf, wo du hinrennst! Wir hätten uns alle Knochen brechen können!«

Aber Peter hörte überhaupt nicht zu. »Los, weg hier! Schnell!« Er rappelte sich auf, aber Justus packte ihn am Hosenbein und hielt ihn fest. »Langsam! Warte! Was ist denn passiert? Warum hast du so geschrien?«

»Hast du vielleicht ein O kaputtgemacht und es fällt gleich um?« Unwillkürlich schaute Bob zu den riesigen Buchstaben hoch. Es war keine erfreuliche Vorstellung, dass einer von ihnen schwanken und umfallen könnte. Und noch viel schlimmer war der Gedanke an den Artikel ›Wie drei Jungdetektive das berühmteste nationale Denkmal von Kalifornien zerstörten‹, den ihr Erzfeind, der Journalist Wilbur Graham, in der ›Los Angeles Tribune‹ veröffentlichen würde.

Aber Peter riss sich los. »Lass mich doch mit den blöden Buchstaben in Ruhe! Und lasst uns endlich abhauen! Ich habe ein Gespenst gesehen!«

Einen Augenblick lang blieb alles still. Dann brachen Justus und Bob in Gelächter aus.

Peter schaute erst sprachlos vom einen zum anderen. Dann wurde er wütend. »Sagt mal, geht’s euch noch gut? Das ist nicht zum Lachen! Ich habe es gesehen! Das war echt!«

»Glaube ich dir aufs Wort«, japste Bob. »Lass mich raten – es war eine Frau in Weiß, die sich vom H gestürzt hat, stimmt’s?«

Peter starrte ihn entgeistert an. »Woher weißt du das?«

»Tja, ich habe mich eben im Vorfeld über die Buchstaben informiert. In den 30er Jahren ist eine Frau auf das H geklettert und hat sich hinuntergestürzt. Angeblich spukt sie seitdem hier herum. Ich hatte es Justus gerade eben erzählt.«

»Na toll, und mich schickst du dem Gespenst geradewegs in die Arme!«

»Nun mach mal einen Punkt. Von ›schicken‹ kann doch wirklich keine Rede sein – ich habe dich nicht gezwungen, mit Jeffrey zu wetten!«

»Kollegen«, sagte Justus, »wir haben Wichtigeres zu tun, als zu streiten. Kommt, ich will mir das aus der Nähe ansehen! Vielleicht finden wir ein paar Hinweise.«

Peter stöhnte. »Ich hätte mir denken können, dass ihr mich nicht ernst nehmt.«

»Im Gegenteil, ich nehme dich sehr ernst«, erklärte Justus. »Du weißt genau, dass ich schon immer daran interessiert war, ungewöhnliche Erscheinungen zu erforschen. Und ich finde es sehr interessant, dass du diese Frau in Weiß gesehen hast, ohne etwas über die Spukgeschichte zu wissen.«

Bob grinste. »Ach nee. Justus Jonas wittert einen Fall und hat plötzlich nicht mehr das geringste Problem damit, senkrecht einen Berg hinaufzurennen.«

»Ich habe nicht vor zu rennen«, gab Justus würdevoll zurück. »Und wie du ganz richtig sagst, ich wittere einen Fall für die drei ???. Kommt, Kollegen!«

»Wär ich doch bloß einfach weitergelaufen«, stöhnte Peter. Trotzdem führte er sie ein Stück den Berg hinauf, bis sie zu einer tief ausgewaschenen Rinne kamen. Hier gab es zwar keine stacheligen Büsche mehr, aber dafür jede Menge loses Geröll. Alle drei waren völlig durchgeschwitzt, als sie am oberen Ende der Rinne und am nächsten Stacheldrahtzaun ankamen. Sie robbten darunter hindurch und krabbelten dann auf Händen und Knien noch ein Stück weiter durchs Gestrüpp, bis Peter vor einer kleinen Böschung anhielt und sich platt auf den Bauch warf. »Runter!«

Sehr vorsichtig schoben sie sich die Böschung hinauf, spähten über den Rand – und kniffen geblendet die Augen zu.

Die Hollywood-Buchstaben waren nicht nur groß, sie waren riesig. Wie Wolkenkratzer ragten sie gegen den schwarzen Nachthimmel, angestrahlt von mindestens zwanzig Scheinwerfern. Nach der langen Zeit im Dunkeln dauerte es eine ganze Weile, bis die drei ??? sich an die Helligkeit gewöhnt hatten. Die Buchstaben standen nicht auf einem freien Feld, wie die Jungen gedacht hatten, sondern waren mitten in den Hang hinein auf Metallgerüste montiert. Nur ein schmaler Fußweg führte an ihnen vorbei.

Justus dachte daran, wie oft er den berühmten Schriftzug schon aus der Ferne gesehen hatte. Immer hatte darin etwas Großartiges gelegen: die Verheißung von Ruhm, die Erfüllung grandioser Träume. Aber jetzt aus der Nähe waren die Buchstaben plötzlich nur noch eine Sammlung großer Metallplatten, auf ein Gitter montiert, gesichert wie eine Kaserne und ungefähr so romantisch wie ein Busbahnhof.

»Und wo war nun dein Gespenst?«, fragte er Peter leise.

Mit einer Kopfbewegung wies Peter zu dem H hinüber. »Da drüben. Ich habe sie erst gesehen, als sie stürzte. Und dieser schreckliche Schrei …« Er erschauerte.

»Ich möchte da ganz sicher sein – du hast ganz genau gesehen, dass es eine weiß gekleidete Frau war?«

»Natürlich!«, rief Peter. Dann zögerte er. »Das heißt – nein. Ich habe etwas Weißes gesehen, das herunterfiel. Es blähte sich weit auf. So etwas tragen Männer normalerweise nicht. Also kann es ja nur eine Frau gewesen sein!«

»Es gibt nichts Täuschenderes als eine offensichtliche Tatsache«, sagte Justus. »Es ist durchaus möglich, dass sich der erste Schreck, der akustische Eindruck des Schreis und der optische Anschein des weißen Kleids in deinem Kopf zu einem in sich logischen, aber vielleicht trotzdem falschen Schluss verdichtet haben. Es könnte zum Beispiel auch ein Araber gewesen sein.«

»Aha«, sagte Bob, »du hast wieder Sherlock Holmes gelesen.«

»Das war sehr offensichtlich, mein lieber Watson«, sagte Justus. »Gehen wir mal hinüber.« Schon war er auf den Beinen und kletterte das letzte steile Stück zu den Buchstaben hinauf.

Peter stöhnte wieder. »Hätte ich doch bloß die Klappe gehalten.« Aber er folgte Bob, als dieser ebenfalls unter den Büschen hervorkroch und aufstand.

»Eins muss man unserem Ersten lassen«, sagte Bob. »Er hat vor nichts Angst.«

»Und genau das wird ihm eines Tages das Genick brechen«, prophezeite Peter düster.

»Dann retten wir ihn eben. Und überhaupt hast du noch eine Wette zu gewinnen. Komm!«

»Wahrscheinlich wusste Jeffrey, dass es hier von Geistern und Gespenstern nur so wimmelt. Das sähe ihm ähnlich.«

Bob antwortete nicht. Tatsächlich war er nicht ganz so selbstsicher, wie er sich gab. Die riesigen Buchstaben wirkten wie Monumente aus einer anderen Zeit – gigantisch und stumm sandten sie der Welt eine Botschaft, deren wahre Bedeutung verloren gegangen war. Wer erinnerte sich noch an die großen Glanzzeiten, die Träume und die Menschen der Filmgeschichte Amerikas? Bobs Oma schwärmte noch immer von Erroll Flynn oder James Stewart, und Bob wusste nicht einmal, wer diese Leute gewesen waren. Sein Hollywood war anders – schneller, lauter und vor allem bunt, und es verschickte seine Botschaften über das Internet, nicht in einem weißen Wort auf einem Berg.

Justus schien sich für solche Gedankengänge nicht zu interessieren. Er war bereits im Schatten des H verschwunden. Als Peter und Bob bei ihm ankamen, stand er hinter dem Gerüst aus Metallplatten und Stahlrahmen, das gar nicht mehr wie ein Buchstabe aussah, und spähte nach oben. »Sieh mal, Peter – ich glaube, da ist dein Gespenst.«

Peter zuckte zusammen und schaute hoch. Tatsächlich! Mindestens zehn Meter über ihm bewegte sich etwas Weißes! Es schwankte hin und her, schien springen zu wollen, konnte sich aber nicht recht entschließen – dann bauschte es sich in einer Windböe auf und Peter schlug sich vor die Stirn. »Ein Bettlaken! Der älteste Trick der Welt und ich bin darauf reingefallen!«

»Nicht nur du«, sagte Justus. Er zeigte auf eine Stelle ganz in der Nähe, wo das Gras platt gedrückt war und sich gerade erst wieder aufrichtete. »Du hast etwas fallen sehen – und jemand ist tatsächlich gefallen. Die Frage ist nur: wer? Und wo ist er jetzt?«

Nervös schauten Peter und Bob sich um. Plötzlich wurde ihnen bewusst, wie verlassen diese Stelle hoch auf dem Berg war. Der brausende Lärm von Los Angeles vertiefte nur das Gefühl, völlig allein zu sein … oder eben nicht ganz allein.

Sie selbst konnten nicht weit sehen, da die Scheinwerfer sie blendeten, aber vielleicht stand jemand dahinter im Dunkeln und beobachtete sie …

Peter wusste plötzlich, dass es eine unglaublich dumme Idee gewesen war, mitten in der Nacht hier heraufzukommen. »Wir sollten verschwinden«, sagte er mit belegter Stimme. Bob nickte.

Zu ihrer Überraschung nickte auch Justus. »Das tun wir auch – aber zuerst sehen wir nach, ob unser abgestürzter Kletterer vielleicht unterhalb der Böschung herumliegt.«

Sie suchten ein Stück des Hanges ab, fanden aber weder zerknickte Zweige noch abgerissene Stofffetzen und auch sonst keine Hinweise, dass jemand dort abgerutscht oder hinabgerollt war.

»Morgen kommen wir wieder und bringen unsere Ausrüstung mit«, entschied Justus. »Ich möchte mir das bei Tageslicht ansehen. Wer spielt hier nachts Gespenst, um Leute zu erschrecken? Und vor allem: wer klettert tatsächlich mitten in der Nacht auf das Gerüst, um sich erschrecken zu lassen, abzustürzen und zu verschwinden?«

Erste Ermittlungen