Die Drei Männer Salahs - Timo Vega - E-Book

Die Drei Männer Salahs E-Book

Timo Vega

0,0

Beschreibung

Als Salah seinen ersten Ferienjob im Hotel Eden annimmt, ahnt der junge Spanier nicht, welche Geheimnisse der Sommer birgt. Nicht genug, dass er das erste Mal auf sich allein gestellt ist, stellen auch noch drei Männer sein Leben auf den Kopf. Verwirrende Gefühle und zwielichtige Abenteuer wecken bislang ungeahnte Begierden in Salah, bis ein einschneidendes Erlebnis ihn fast zerbricht. ´Die Drei Männer Salahs´ handeln von geheimen Leidenschaften und sexueller Grenzerfahrungen, von Traumabewältigung und Liebe. Und alles verpackt in der Leichtigkeit des Sommers. #Erotik #Sommerliebe #Coming Out #Traumabewältigung

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 194

Veröffentlichungsjahr: 2023

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Als Salah seinen ersten Ferienjob im Hotel Eden annimmt, ahnt der junge Spanier nicht, welche Geheimnisse der Sommer birgt. Nicht genug, dass er das erste Mal auf sich allein gestellt ist, stellen auch noch drei Männer sein Leben auf den Kopf.

Verwirrende Gefühle und zwielichtige Abenteuer wecken bislang ungeahnte Begierden in Salah, bis ein einschneidendes Erlebnis ihn fast zerbricht.

´Die Drei Männer Salahs´ handeln von geheimen Leidenschaften und sexueller Grenzerfahrungen, von Traumabewältigung und Liebe. Und alles verpackt in der Leichtigkeit des Sommers.

Was wirst du anfangen mit deinem einen wilden und kostbaren Leben?

Zitat Mary Oliver

Inhaltsverzeichnis

Salah

Anselmo

Der Magnat

Der Größte Schwanz

Fabian

*

Salah

Seit vier Wochen war er im Hotel Eden als Servicekraft tätig. Und vier Wochen war es her, dass der gerade mal einundzwanzig Jahre junge Salah seine Familie und seine Freundin Flor zurückgelassen hatte, um eine Arbeitsstelle auf den Balearen anzutreten. Die schlechte Arbeitssituation in seinem Heimatdorf im Süden Spaniens hatte ihn dazu gezwungen, den sicheren Kreis der Familie zu verlassen. Während des brütend-heißen andalusischen Sommers bot der Tourismus auf der klimatisch günstiger gelegenen Inselgruppe gute Arbeit und ein sicheres Einkommen. Allerdings war Salah zum ersten Mal auf sich allein gestellt und fühlte sich in dieser ungewohnten Situation ein wenig verloren. Zuhause in der Provinz Malaga, wo er mit mehreren Generationen im Haus seiner Großeltern lebte, gab es praktisch keine einsamen Momente. Dort teilte er sogar sein Zimmer mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Alonso, was ihn besonders störte, wenn er am Lernen war oder seine Freundin Flor ihn besuchte. Darüber hinaus war das kleine Haus der Großeltern Moreno-Sabeh Treffpunkt für die gesamte Familie. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht mehrere Generationen zusammen im Schatten des alten Walnussbaums Tee tranken und sich mit großen Gesten und rassiger Sprache geräuschvoll unterhielten. Am Tage versorgte Salahs Mama die Besucher mit selbstgemachten Schmalzkringeln, Nussgebäck oder frischem Obst. Und in den Abendstunden waren die Tische mit liebevoll angerichteten Tapas-Tellern voll eigens eingelegter Oliven, feuriger Chorizo und iberischem Manchego Käse eingedeckt. Dazu reichte man sich Couscous-Salat und Bohneneintöpfe mit Hammel und Brot. Die Familie Moreno-Sabeh lebte seit vielen Generationen im Süden Spaniens, ihre Wurzeln stammten jedoch aus Marokko. Beide Elternteile waren in Großfamilien mit zahlreichen Geschwistern aufgewachsen. Neben seinem kleinen Bruder Alonso, hatte Salah noch drei ältere Schwestern, die bereits ihre eigenen Familien gegründet hatten. Daher war sein Elternhaus nahezu täglich mit bis zu vier Generationen Kindern und Enkelkindern belebt. Jeder Tag glich einem kleinen Fest. Alle Kinder wuchsen mit zahlreichen Spielgefährten aus der eigenen Familie auf. Niemand war jemals allein. Während sie in der Mittagshitze in der kühl gefliesten Wohnstube oder im schattigen Patio spielten, der mit landestypisch bemalter Keramik, voller Geranien und üppigen Grünlilien geschmückt war, machten sie gegen Abend mit den anderen Kindern des Viertels die schmale Gasse vor dem Haus unsicher. Und so wurde jeder Tag von fröhlichem Kinderlachen und ausgelassener Toberei begleitet. Als Salah vor einigen Jahren schließlich Flor daheim vorgestellt hatte, wurde sie von seiner Familie sofort feste in ihr Geflecht integriert. Obwohl die beiden Teenager all diese neuen Gefühle der Verliebtheit selbst noch kaum begriffen, stand für die Moreno-Sabehs schnell fest, dass Flor eines Tages in ihren Klan einheiraten würde. Als Salah drei Jahre später seiner Freundin einen Ring zum zwanzigsten Geburtstag schenkte, hatte er nicht ahnen können, welche Freudenergüsse dies in ihrem Umfeld auslöste. Obwohl der Ring nicht als Verlobungsgeschenk gedacht war, organisierten die beiden Familien ein großes Fest in dem kleinen Patio. Die Frauen standen stundenlang gemeinsam in der Küche und bereiteten eine Zarzuela und noch viele andere kulinarische Köstlichkeiten nach uralten Rezepten zu, während im Garten der Sherry floss. Onkel Carlos spielte auf seiner Gitarre und es wurde bis tief in die laue Sommernacht getanzt und gesungen. Beide Familien arbeiteten nun eifrig Pläne für die bevorstehende Hochzeit aus und es wurden sogar schon Namen für zukünftige Enkelkinder vorgeschlagen. Flor und Salah ließen sich von dem ganzen Zauber richtig mitziehen und träumten nun selbst von einer ganzen Bande Kinder, die sie einmal haben würden. Gleich vier oder fünf sollten es werden. Sie waren glücklich. Es waren unschuldige, romantische Fantasien zweier Verliebter, die ihre erste Liebe miteinander erlebten. Flor hatte gerade erst ihre Ausbildung abgeschlossen und wollte nun gerne studieren, Salah war noch etwas orientierungsloser. Vielleicht würde er ihr einen richtigen Antrag machen, wenn er im Herbst aus Mallorca zurückgekehrt war und sie sich endlich wieder in die Arme nehmen konnten. Doch die nächsten Monate würde er lernen müssen, allein zurechtzukommen. Noch fühlte er sich fremd und einsam in dem riesigen Hotelkomplex, aber bald schon würde er sich an die neue Situation und bestimmt auch an die harte Arbeit im Eden gewöhnt haben, betete er insgeheim.

*

Anselmo

Das Eden war ein prachtvoller Hotelkomplex, der sich imposant entlang einer beliebten Badebucht, mit feinem Sandstrand und karibisch anmutendem Meer erstreckte. Auf den ersten Blick glich das Familienhotel einem Urlaubsparadies, mit atemberaubender Botanik in prächtig bunten Farben, eingerahmt vom zarten Grün uralter Olivenbäume und duftender Pinien. Das Herzstück war die ausladende Poollandschaft, die gleichermaßen von jungen Familien und Rentnern frequentiert wurde. Hier entspannte man sich beim Ruhen auf den Sonnenliegen, nahm ein paar kostenlose Drinks an der Poolbar oder trainierte das üppige Frühstücksbüfett bei der Wassergymnastik ab. Die Sonne schien bald dreihundert Tage im Jahr und mit jeder Woge des blauen Mittelmeers wehte der Duft der Ferne über die Anlage.

Bei genauerer Betrachtung erkannte man jedoch deutlich die vielen ausgebesserten Kerben in der Hotelfassade und die feinen Risse, die Salz und Wind in das marode Mauerwerk gefressen hatten. Das Inventar war nicht mehr besonders modern und wies hier und da sogar kleine Beschädigungen auf, die nur notdürftig behoben wurden. Die Einnahmen wurden im gleichen Atemzug von den Kosten des Tagesgeschäfts und der schwierigen Wasserversorgung aufgezehrt. Daneben erwarteten die Gäste aufwändige Shows und abwechslungsreiche Animationen zur Unterhaltung. Nicht zuletzt war das Eden mit einem unverschämt teuren Kredit für die Erneuerung der Klimabelüftung belastet. Hinter der sonnigen Fassade des Reiseidylls wurde ein strikter Sparplan eingehalten. Die Angestellten spürten dies besonders und waren in zehn bis vierzehn Stunden Schichten eingeteilt - so auch Salah. Mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne begann seine Schicht im Speisesaal, wo er mit flinker Hand die Tische einund abdeckte. Täglich bewegte er dabei mehrere hundert Kilo Geschirr vom Restaurant zur großen Spülmaschine in der Küche und wieder zurück. Dabei grüßte er jeden einzelnen Gast mit einem freundlichen Lächeln und bedankte sich mit einem schüchternen Gracias für ihren Besuch. Salah war für alle Einheiten vom Frühstück bis zum Abendessen eingeteilt, und mit Ausnahme seiner wenigen Pausen dazwischen, arbeitete er durch, bis der letzte Gast sein Abendessen beendet hatte und alle Tische für den nächsten Tag eingedeckt waren. Die ersten Wochen schmerzten seine Arme nach der Tortur bleiern schwer, doch sein junger Körper gewöhnte sich allmählich an die Strapazen.

Die Servicekräfte im Eden waren eine fröhliche Truppe. Das junge Team war frisch zusammengestellt, denn für die Sommermonate engagierte das Hotel viele neue Servicemitarbeiter. Hier im Speisesaal waren es hauptsächlich junge Männer, denen ausreichend Kraft für die schwere körperliche Arbeit zur Verfügung stand. Trotz der langen Arbeitszeiten und der harten Tätigkeit herrschte untereinander eine ausgelassene Stimmung. Manchmal bekam man den Eindruck, dass das junge Team den Aufenthalt im Eden mehr genoss als die Gäste selbst. Zu den Mahlzeiten glich der Speisesaal einem Schlachtfeld. Menschenströme schoben sich zäh und doch im wilden Durcheinander um das aufwendig angerichtete Büfett. Im Saal dominierten dann hitzige Aufregung und ein ohrenbetäubender Geräuschpegel. Kinder rannten ungestüm zwischen den Tischen herum und die Angestellten mussten achtgeben, nicht mit ihnen zu kollidieren. Schon nach wenigen Augenblicken landeten Servierten und Besteck auf dem Boden. Achtlos traten die Gäste auf Pommes Frites und Nudeln, die zuvor von viel zu überladenen Tellern heruntergefallen waren. Obwohl mehrere dutzend Köche und Hilfsarbeiter minutiös gefertigte Kunstwerke aus Gemüse und Obst geschnitzt hatten, glich jede Mahlzeit einer Abfütterung. Kein Wunder, dass manche Urlauber, trotz aller kulinarischer Genüsse, so grimmig dreinblickten, dachte Salah. Einige sahen sogar richtig unglücklich aus. Manchmal war Salah auch unglücklich. Obwohl er schon mehrere Wochen im Eden arbeitete, hatte er noch keinen rechten Anschluss finden können. Er fühlte sich noch immer fremd und seine hartnäckige Schüchternheit erschwerte die Eingewöhnung zusätzlich. Seine Kollegen hatten sich hingegen schnell untereinander angefreundet, tauschten Nummern aus, zeigten sich gegenseitig Bilder auf den Smartphones und verbrachten ihre Freizeit miteinander am Strand oder in den Nachtclubs der nahegelegenen Stadt. Salah spürte große Hemmungen, mit den anderen Jungs in Kontakt zu kommen. Wenn seine Kollegen sich bei der Arbeit gegenseitig Sprüche zuwarfen und sich jungenhaft neckten, lachte er höflich über die Späße. Das war seine einzige Beteiligung, ansonsten blieb er isoliert. Anfangs hatte er noch die ein oder andere Einladung zu einem gemeinsamen Ausflug in die Stadt bekommen, doch nachdem er ein paar Mal abgelehnt hatte, blieben die Anfragen aus. Er hatte nie lernen müssen, Freundschaften zu knüpfen. Im Kreise seiner Familie war er automatisch in Gesellschaft. Doch hier spürte er ihre Abwesenheit schmerzhaft. Jeden Abend vor dem Schlafen gehen telefonierte er mit Flor und seinen Verwandten, die er alle vermisste. Wenn er dann hörte, welchen Ärger Alonso wieder gemacht hatte, oder dass Opa und Oma Moreno-Sabeh ihm Küsse sendeten, fühlte er sich fast schon wieder daheim. Es tat gut ihren Stimmen und Alltagsgeschichten zu lauschen. Nachdem das Telefonat beendet war, fühlte er sich jedoch umso einsamer.

Am schlimmsten war allerdings sein nicht enden wollender freier Tag, der ihm einmal die Woche zustand. Ein paar Stunden am Strand oder eine Radtour allein durch die Berge, lenkten ihn kaum vom Heimweh ab. Daher arbeitete er schon bald auch an seinen freien Tagen und wurde dafür in die Hotelbar eingeteilt. Die Arbeit hier war nicht so hart wie im Restaurant und noch dazu gab es üppigere Trinkgelder. Das Team war unheimlich freundlich und auch die Gäste wirkten nicht mehr so gestresst. Seine Kundschaft war leutselig. Häufig berichteten ihm die Feriengäste von ihren Ausflügen oder machten Späße. Meist bestellten sie Kaffee oder Bier. Schon bei seinem zweiten Dienstantritt fühlte Salah sich vertraut und war kaum noch auf die Hilfe seiner Kollegen angewiesen.

„Einen Café Cortado, bitte.“

Die Bestellung ging im akzentfreien Spanisch ein. Als Salah aufblickte, leuchteten ihn tiefbraune Augen interessiert an.

„Sehr gerne.“

Während er den Kaffee vorbereitete und, so wie er es gelernt hatte, dazu ein Schokoladenstückchen auf den Unterteller platzierte, fühlte er sich von dem jungen Mann beobachtet. Er war nicht viel älter als Salah, wirkte auf den ersten Blick jedoch lange nicht so schüchtern. „Muchas gracias“, bedankte er sich mit einem smarten Lächeln, als Salah ihm den mallorquinischen Cortado brachte. Mit einer beiläufigen Handbewegung strich er dichte Locken aus der Stirn. Kleine Grübchen bildeten sich auf seinen Wangen als er Salah anlächelte.

„Ich habe dich hier noch nie gesehen…“ Seine Rehaugen ruhten auf dem Plastikkärtchen an Salahs Revers, auf dem sein Name abzulesen war. „…Salah?! Ich heiße Anselmo.“

Es folgte ein langes Schweigen. Anselmo betrachtete ihn eindringlich, fast so, als wolle er sich sein Gesicht ganz genau einprägen. Seine Augen lächelten charmant. In der Luft knisterte es seltsam vertraut, als ihre Blicke aufeinander ruhten. Die Spannung machte Salah merklich nervös. Die nächsten Bestellungen erlösten ihn jedoch rasch. Er kehrte zu seinen Aufgaben zurück und fühlte, wie er sich allmählich beruhigte. Konzentriert arbeitete er die Rezeptanleitung für eine Erdbeer-Colada ab, als ihn der smarte Spanier erneut zu sich rief.

„Salah?!“ Anselmo streckte ihm ein Smartphone entgegen. „Hier in der Nähe soll ein Kunsthandwerksmarkt sein. Ich kann auf der Karte jedoch keinen Eintrag finden.“ Er deutete auf einen Stadtplan auf seinem Display und blickte dabei hilfesuchend zu ihm hinüber. Salah kannte sich selbst noch nicht so gut aus. In den wenigen Wochen seit seiner Ankunft, hatte er kaum die Gegend erkunden können. Allerdings hatte er schon von dem besagten Markt gehört, der jeden Dienstag im Nachbarort stattfand.

„Mal sehen…“ Er legte das Messer beiseite, mit dem er zuvor noch Erdbeeren aufgeschnitten hatte und vergrößerte die Karte auf dem Smartphone mit der üblichen Fingerbewegung. Kaum hatte er es berührt, zersprang das Display mit einem krachenden Geräusch in tausend Teile. Salah wurde blass. Ihm lief es gleichzeitig heiß und kalt den Rücken hinab.

„Es… es tut mir leid!“ Er schnappte nach Luft und hielt sich am Tresen fest. Seine Knie begannen heftig zu zittern. Noch bevor er seinen ersten Gehalt verdient hatte, würde er bereits einen teuren Schaden abbezahlen müssen. Anselmo schien jedoch kein bisschen verärgert und grinste nun sogar noch frecher als zuvor.

„Keine Sorge. No pasa nada.“ Er lehnte sich zu Salah nach vorne, als wolle er ihm ein Geheimnis anvertrauen. „Das war nur ein Prank! Alles in Ordnung, siehst du?!“ Er wischte über das Display. Die Grafik veränderte sich und Salah erkannte, dass er reingelegt worden war.

„Das ist nur ´ne App. Meinem Handy geht es fantastisch.“

Er wuschelte Salah durch das Haar, der nun langsam wieder Farbe ins Gesicht bekam.

„ANSELMO…“, rief es plötzlich von hinter dem Tresen hervor. Es war Miguel, der Teamleiter. „Deine Schicht hat schon lange begonnen. Ab an die Arbeit, aber schnell!“ Er blickte Anselmo mahnend an. Der streifte sich seine Arbeitsweste über und zwinkerte Salah verstohlen zu. „Überraschung! Ich bin dein Kollege. Willkommen im Team!“

Ab da wurden die beiden Jungs dicke Freunde. Anselmo gehörte schon seit Jahren zur Crew und war ein richtiger Spaßvogel. Mit seiner lockeren Art kam er gleichermaßen gut bei den Gästen und seinen Kollegen an. Er war ein unheimlich warmherziger Mensch, dem es offenkundig gefiel, Salah aus der Reserve zu locken. Er nutzte jede sich bietende Gelegenheit, ihm kleine Streiche zu spielen. So versteckte er Salah beispielsweise den Shaker, wenn der gerade dabei war, einen Cocktail zu mixen. Oder er schuckte ihm plötzlich eine Handvoll crushed Ice in die Unterwäsche. Wenn Salah daraufhin mädchenhaft aufschrie, lachten sie beide. Je länger er mit Anselmo zusammenarbeitete, desto wohler fühlte er sich auf der Insel. Sobald die Bar gegen Mitternacht schloss und sich die Gäste in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, begann der richtige Spaß der jungen Crew. Dann kehrten sie gemeinsam bei Diegos BBQ Grill ein - einer Strandbar, die beim Personal sehr beliebt war, da sie die ganze Nacht geöffnet hatte und obendrein günstig war. Ausgedehnt aßen sie zusammen Grillfleisch und plauderten bei Cuba Libre bis zwei, manchmal auch drei Uhr in die Nacht hinein. Wer bis dahin noch nicht genug hatte, tauchte noch ins Nachtleben der Stadt ein und tanzte noch einige Stunden in den vibrierenden Clubs. Zunächst hatte sich Salah geziert, die Nächte so lange auszudehnen. Er war ein pflichtbewusster Mitarbeiter, daher vermied er es, übermüdet zu den Schichten zu erscheinen. Doch bald schon fiel es ihm schwieriger, sich frühzeitig von den ausgelassenen Abenden zu verabschieden und übernahm rasch den Rhythmus seines Teams. In ihrer Mitte fühlte er sich aufgehoben. Vergessen waren Heimweh und beinahe vergessen war auch die Sehnsucht nach Flor. Stattdessen orientierte er sich an Anselmo, der mit seiner unkonventionellen Art die Menschen verzauberte. Der fünfundzwanzigjährige Kollege mit dem Nasenring war bei allen beliebt. Sein Lächeln war ansteckend, sein entspannter Umgang mit den Mitmenschen entwaffnend. Man schätzte seine Meinung und seine Selbstsicherheit. Sein Blick auf das Leben war glückselig, als wäre es eine abwechslungsreiche Spielwiese voller Kunst, Emotionen und Abendteuer. Doch das faszinierendste an Anselmo war diese unbändige Freiheit, die er lebte. Vor ein paar Jahren hatte er sich noch als Straßenkünstler in Barcelona durchgeschlagen, bevor er einige Zeit darauf mit einem Wanderzirkus unterwegs gewesen war, wo er die Gesichter der Kinder mit Fingerfarbe bemalt und andere Hilfsarbeiten erledigt hatte. Seit zwei Jahren war er in den Sommermonaten Bartender im Eden und half während des Winters auf einem Ziegenhof in den Bergen aus. Seine Zukunft steckte voll endloser Möglichkeiten und war auf eine spannende Weise unvorhersehbar. Salahs Leben hingegen war das exakte Gegenteil davon. In seinem Dorf, in der Provinz Malaga, hatte er viel für die Schule gelernt, war höflich und hilfsbereit, unauffällig und gehorsam. In seiner Familie lebte man sehr traditionsbewusst, jede Generation exakt wie die vorangegangene. Alle Männer erlernten klassische Berufe des Handwerks, heirateten früh, zeugten einige Kinder, wurden gute, pflichtbewusste Väter. So war auch Salahs Weg geplant. Die Familie war allumfassende Lebensphilosophie, und ihr Fortbestand das große Ziel. Jede Hochzeit erweiterte der Klan. Darüber hinaus gab es wenig andere Kontakte. Bis auf einzelne Schulkameraden, mit denen sich Flor und er manchmal zum Lernen getroffen hatten oder einen Hamburguesa essen waren, bestand ihr gewöhnliches Umfeld aus der weitläufigen Verwandtschaft. Das Ansehen jeder Familie stieg gleichermaßen mit der Anzahl ihrer Kinder. Das Leben wurde so gelebt, wie es die Klanältesten mit ihrer Weisheit beschlossen. Entscheidungen wurden nicht infrage gestellt. Wer der Familie den Rücken kehrte, lief gegen eine Wand des Unverständnisses, selbst wenn der Grund dafür ein positiver, beispielsweise ein Studium im Ausland, gewesen wäre. Mit einem Wanderzirkus durchzubrennen, wie einst Anselmo, lag außerhalb des Denkbaren. Seine Eltern hätten dies unhöflich und undankbar empfunden. Wäre er selbst nicht bereits schon das dritte Jahr ohne Anstellung gewesen, hätten seine Eltern sich wohl kaum für seinen Aufenthalt im Eden eingesetzt. Es war schon lange überfällig, dass ihr Junge eine Arbeit fand, mit der er Frau und Kinder selbstständig ernähren konnte. Mit der Berufserfahrung, die er auf Mallorca sammeln würde, erhofften sie sich größere Chancen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt, im Süden Spaniens. Flors Studienpläne hingegen verunsicherten die Moreno-Sabehs. Häufig musste sie sich dafür rechtfertigen, weshalb sie danach strebe, wo sie doch lieber Mutter werden solle. Dass Flor an der Uni in Malaga bleiben wollte, beschwichtigte die Gemüter zunächst, aber der Druck auf das junge Paar wuchs, ob sie es wohl ernst genug mit ihren Familienplänen hielten. Doch hier in der Ferne, wenn Salah mit seinen Kollegen die späten Abendstunden am Strand verbrachte, fühlte er sich entlastet. Zum ersten Mal, seit er Malaga verlassen hatte, reichte es ganz einfach Salah zu sein. Die kleine Gruppe wurde ihm eine ganz neue Familie und Anselmo war das Herz darin. Er liebte die nächtlichen Unterhaltungen bei Diegos Grill, wo sie unter freiem Sternenhimmel und bunten Lichterketten ein paar Cervezas tranken. Er begnügte sich gerne mit einer Cola, während bei seinen Kollegen regelmäßig ein Grass-Joint in der Runde aufglühte. Mit dem wenigen Schlaf kam zunehmend besser zurecht und obwohl er seine Arbeit sehr ernst nahm, ließ er sich keine der langen Nächte mit Anselmo und der Crew entgehen. Oftmals waren sie mehr als zehn Personen, die zusammen loszogen, um Mallorcas Nachtleben unsicher zu machen, doch zum Monatsende, wenn das Geld knapper wurde, verdünnte sich das Team zusehends. Heute waren sie nur zu dritt. Marisol, eines der Laufmädchen von der Bar, und Anselmo hatten sich beide Ecstasy eingeworfen und waren besonders aufgedreht. Sie redeten von einer neuen Underground Partyreihe in einem kleinen Club und versuchten ihn zu überreden, sich anzuschließen. Anselmo hatte ihm sogar eine seiner Pillen angeboten, aber Salah hatte verneint. Drogen kamen für ihn nicht in Frage. Manchmal trank er ein Bier und noch seltener zwei. Obwohl er sich zunächst zögerlich verhielt, willigte Salah schließlich doch ein, mitzukommen. Anselmo bejubelte dies überglücklich und drückte ihm dafür einen Kuss auf die Wange. Salah überraschte der Kuss, schrieb ihn jedoch den Pillen zu, die sich sein compañero eingeworfen hatte. Er verhielt sich im Pillenrausch generell anhänglicher. Anselmo und Marisol kannten den Club bereits und liefen zügig voraus. Der Weg führte durch Gegenden, in denen Salah noch nie zuvor gewesen war. Im Dunkel der Nacht glitten sie durch enge Gassen. Zwielichtige Gestalten lungerten dort an jeder Ecke. Ein paar Prostituierte sprachen ihn unterwegs an und legten ihm lasziv ihren Arm um seine Schultern. Verunsichert blieb er stehen, ehe Anselmo ihn weiterzog. Auf dem Weg zum Club passierten sie viele runtergekommene Gebäude, aus deren verrammelten Fenstern dumpfe Discobässe wummerten. Am Rande des Viertels waren sie endlich da. Eine Treppe führte in einen Gewölbekeller hinunter, aus dem es nach Rauch und Marihuana roch. Vor der Tür standen zwei auffällig lasziv gekleidete Männer mit zurück gegelten, dunklen Locken; eine Hand in die Hüfte gestützt, die andere mit spitzen Fingern eine Zigarette haltend. Anselmo und Marisol begrüßten beide mit Küsschen links und Küsschen rechts und stellten ihnen Salah vor, der von ihnen mit verschmitzten Blicken taxiert wurde. Im Keller angekommen lief er gegen eine Wand aus schwül-heißer Luft und lauter Musik. Das Publikum feierte frenetisch und schrie zu den synthetischen Klängen der vibrierenden Musik. Salah erblickte beinahe ausschließlich Männer auf der Tanzfläche. Verstohlen sah er sich um, während er seinen beiden Kollegen mit gesenktem Kopf hinterhertrottete. An der Bar bestellte Anselmo ihm einen Cuba Libre.

„Amüsiere dich ein bisschen, Chiquillo…“ Und noch ehe Salah sich dafür bei ihm bedanken konnte, war Anselmo wippenden Schrittes zwischen den tanzenden Männern verschwunden. Rotes und grünes Licht flammte abwechselnd auf und reflektierte auf der nassen Haut der Männer. Viele waren nur spärlich bekleidet. Schweiß rann ihnen zwischen den gestählten Muskeln herab und tropfte auf den klebrigen Boden. Manche waren behaart, andere fast glattrasiert. Einige waren großflächig mit Tattoos überzogen und trugen eine Art Ledergurtgeschirr um die Brust. Es roch eigentümlich nach Parfüm, Chemie und Sex. Schlanke Jungs in engen Hosen und aufgeknöpften Hemden räkelten sich in der Menge oder tanzten auf aufgestellten Lautsprecherboxen. In den dunkleren Ecken streichelten sich erregte Typen gegenseitig und rieben ihre Körper aneinander. Salah erblickte Anselmo, der ausgelassen in der Mitte der Tanzfläche herumsprang, die Hände in die Lüfte hob und dabei jubelte. Immer wieder kamen Typen heran getanzt und rieben sich unverschämt an ihm. Anselmo genoss die Berührungen und erwiderte die ein oder andere Annäherung. Salah nuckelte an seinem Getränk. Ein fremder Mann lächelte ihm einladend zu. Er wendete rasch den Blick ab und hielt nach Anselmo Ausschau, doch der war schon wieder in dem wogenden Meer aus tanzenden Kerlen und glitzernden Tunten verschwunden. Salahs Herz pochte nun aufgeregt. Nervös knabberte er an seinem Strohhalm und verschlang seinen Drink viel zu schnell. Sein aufmerksamer Nachbar reagierte, indem er per Handzeichen Nachschub orderte. Salah prostete ihm mit dem frischen Getränk dankend zu. Sie unterhielten sich ein paar schüchterne, aber ungezwungene Sätze lang miteinander, bis sein Gesprächspartner von einem Bekannten unterbrochen wurde, der ihm kreischend um den Hals fiel. Die heikle Situation war abgewendet. In der Brust spürte er sein Herz rasen. Die schwere, dunstige Luft legte sich bleiern auf seine Atemwege. Schweiß rann ihm den Rücken hinab. Er bekam eine Hitzeattacke. Ich muss hier raus, dachte er. Etwas benommen schob er sich im Dickicht des Clubs nach dem Ausgang suchend durch die Menge. Schließlich entdeckte er Anselmo, der gerade einem sehr dünnen Jungen mit silberblond gefärbten Haaren ein kleines Tütchen in die Hand drückte und im Gegenzug ein paar Geldscheine und einen dicken Kuss erhielt. Sie verabschiedeten sich mit ein paar losen Floskeln und einer flapsigen Umarmung.

„Was ist los, Kleiner?! Willst du gehen?“, fragte er, als er ihn erblickte.

„Ich muss... raus“, antwortete Salah kurzatmig.

„Bist du verwirrt, weil hier so viele Männer sind?“ Anselmo grinste frech.

„Nein, das ist es nicht... Es ist nur so heiß und die Luft...“, stotterte er und wankte die ersten Stufen hinauf. Er hatte das Gefühl gleich ohnmächtig zu werden. Als er oben ankam, wehte ihm sogleich die klare Nachtluft um die Nase und erleichterte seine Sinne. Er hielt sich an einem Fenstersims fest und atmete tief ein.

„He Chiquillo