Die dunkle Nacht des Mondes - Susan Krinard - E-Book

Die dunkle Nacht des Mondes E-Book

Susan Krinard

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Beschreibung

Diese Story wird mein Durchbruch, denkt Gwen Murphy, während sie am East River auf ihren Informanten wartet. Plötzlich wird sie jedoch gestoßen und stürzt in das eiskalte Wasser. Entsetzt merkt Gwen, dass sie immer tiefer sinkt. Da spürt sie, wie jemand sie packt und ans Ufer zieht. Während Gwen zu Atem kommt, blickt sie in die faszinierenden Augen eines Manns, der sich als Dorian Black vorstellt. Ihr schlägt das Herz bis zum Hals. Mit einem Mal fühlt sie sich so stark zu Dorian hingezogen, als gäbe es ein unsichtbares Band zwischen ihnen … Noch ahnt Gwen nicht, welche dunklen Geheimnisse Dorian in sich trägt und was bei Neumond mit ihm geschieht …

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Seitenzahl: 588

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IMPRESSUM

MYSTERY GESCHÖPFE DER NACHT erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag:

Brieffach 8500, 20350 Hamburg

Tel.: 040/347-25852

Fax: 040/347-25991

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Daniela Peter

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,

Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg

Telefon 040/347-29277

Anzeigen:

Christian Durbahn

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

© 2008 by Susan Krinard

Originaltitel: „Dark of the Moon“

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© 2009 für die deutsche Erstausgabe by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© 2010 für diese Ausgabe in der Reihe: MYSTERY GESCHÖPFE DER NACHT

Band 4 (1) 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Justine Kapeller

Fotos: dreamstime.com

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3-86349-704-0

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

MYSTERY GESCHÖPFE DER NACHT-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

MYSTERY, MYSTERY THRILLER, MYSTERY GRUSELBOX

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www.cora.de

Susan Krinard

Die dunkle Macht des Mondes

PROLOG

An seinen Händen klebte Blut.

Dorian rannte blind durch die Wälder. In seinem Kopf rauschte die Stille. Die Zweige rissen an seiner Kleidung und zerkratzten seine Haut. Blutige Wunden überzogen sein Fleisch und schlossen sich, noch ehe er weitere hundert Schritte gerannt war. Er spürte keinen Schmerz. Er spürte nur, dass sein Verstand sich auflöste.

Raoul ist tot.

Die Waffe war zu einem Teil seiner Hand geworden. Das Metall hatte sich wie ein Brandzeichen in seine Handfläche geätzt.

Raoul war tot, und nichts konnte das ungeschehen machen.

Er wusste nicht, wie weit er gerannt war, ehe er wieder zu sich kam. Er hielt am Rand einer kleinen, von Sterblichen bewohnten Stadt an, die schläfrig in der warmen Sommersonne lag. Die Menschen starrten ihm hinterher, als er mit schlammigen Schuhen und in zerlumpte Kleidung eingehüllt die Hauptstraße entlangging. Ein einziger guter Samariter, ein Mann mittleren Alters mit tiefen Lachfalten um seine Augen und von der Arbeit rauen Händen, rief nach Dorian, als er an ihm vorbeikam.

„Alles in Ordnung, Mister?“, fragte er. „Brauchen Sie Hilfe?“

Dorian drehte sich nach dem Sterblichen um. Er verstand das Angebot kaum. Niemand hatte ihm je so eine Frage gestellt. Aber als er dem Mann in die Augen sah, zuckte der Sterbliche zusammen, stolperte ein paar Schritte zurück und ließ Dorian schnell wieder in Ruhe.

So war es immer gewesen. Sie hatten immer Angst.

Mit diesem düsteren Wissen wurde auch Dorians Verstand wieder klar. Er fand einen Zwanzigdollarschein in seiner Brieftasche und ging zum Bus-Terminal der Stadt. Niemand im Bus erwiderte seinen Blick. Er saß ruhig auf seinem Platz, bis der Bus in Manhattan ankam. Er stieg aus und begann wieder zu gehen. Er ließ sich von seinen Füßen tragen, wo immer sie hinwollten.

Er konnte nicht nach Hause gehen. Es gab kein Zuhause mehr, jetzt, da Raoul tot und der Clan zerschlagen war.

Er konnte sich hinterher nicht mehr daran erinnern, wie er an den East River gelangt war.

Am Flussufer surrten die Sterblichen, und die Luft war angefüllt mit einem schweren Geruch nach Öl, Schweiß und abgestandenem Wasser. Dorian ging langsam am Ufer entlang und sah auf die schwarze, ölig schimmernde Oberfläche hinab.

Es war schwer, einen Vampir zu töten. Es war noch schwerer für einen Vampir, sich selbst umzubringen. Aber an Willenskraft hatte es Dorian nie gemangelt.

Er stand am Rand der Mole. Die Zehen seiner Schuhe ragten über den Rand hinaus. Ein Schritt noch, das war alles.

„Das würd ich lassen, wenn ich du wär.“

Der alte Mann kam, ein Bein hinter sich herziehend, von hinten auf Dorian zu und blinzelte ihn an. Er war sehnig wie ein alter Jagdhund und in wild zusammengewürfelte Lumpen gehüllt.

Und er hatte keine Angst.

„So schlimm kann das alles nicht sein“, sagte der Mann und bot Dorian ein Lächeln an, in dem mehrere Zähne fehlten. „Ist es nie.“ Er schob die Hände in seine löchrigen Taschen. „Jedem geht es irgendwann mal schlecht. Deshalb müssen Leute wie wir zusammenhalten.“

Dorian starrte den Mann an. Der starrte zurück.

„Walter heiß ich, Walter Brenner.“ Er streckte die Hand aus. Dorian zögerte. Auch das hatte noch kein Sterblicher getan.

„Ich hab keine ansteckenden Krankheiten, falls du davor Angst hast“, sagte Brenner, „aber ich hab ein bisschen was zu essen, falls du Hunger hast. Und ’ne Stelle zum Pennen, wenigstens für heute Nacht. Dann kannst du dich immer noch entscheiden, was du als Nächstes machst. Morgens sehen die Dinge immer besser aus.“

Langsam nahm Dorian die raue Hand. „Dorian“, sagte er, „Dorian Black.“

„Na, Dorian Black, du kommst lieber mal mit mir mit. Braver Junge. Der alte Walter wird sich schon um dich kümmern.“

Dorian ging mit. Was hätte er sonst tun sollen.

Er war frei, aber sein Leben war zu Ende.

1. KAPITEL

26. Oktober 1926, New York City

Das dumpf glucksende schwarze Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen. Sie schlug wild um sich, doch ihre Arme und Beine waren so schwer und unbeweglich wie Baumstämme. Hinter ihren Augenlidern zuckte aggressives rotes Licht, sie konnte nicht denken, konnte nichts tun, außer sich auf ihren Instinkt zu verlassen, der sie davon abhielt, den Mund zu öffnen und die widerliche Brühe zu schlucken, die um sie herum waberte.

So also fühlt sich Sterben an?

Der Gedanke kam und ging in einem kurzen lichten Moment, ehe sie ihn begreifen konnte. Sie sank tiefer. Ihre Muskeln gehorchten den schwachen Befehlen ihres Gehirns nicht länger. Ein Fisch driftete neben sie und sah sie erstaunt an. Dann verschwand er in den tintenschwarzen Tiefen. Ihre Lungen begannen zu brennen.

Atme. Atme. Atme …

Ein Strahl aus Luftblasen löste sich von ihren Lippen. Plötzlich kam die Erinnerung zurück. Sie sah hinauf auf den fernen, blassen Schimmer des Mondlichts, das sich auf der Oberfläche des Flusses spiegelte. Es schien Millionen Meilen entfernt zu sein.

Schwimm. Schwimm doch, verdammt.

Aber sie hatte keine Luft mehr. Erlösung schien nicht mehr erreichbar. Sie streckte die Arme aus und klammerte sich an eine Substanz, die ihr durch die Finger glitt. Ein dunkler Vorhang legte sich über ihre Augen. Sie strengte sich ein letztes Mal an und versuchte, ihren schmerzenden Körper ein kleines Stück näher an den Himmel zu schieben.

Etwas griff nach ihrer Hand und packte sie. Ihr Schrei leerte ihre Lungen völlig. Das Letzte, was sie sah, war ein Gesicht … ein Gesicht, das einem Engel gehören mochte … oder dem attraktivsten Teufel, den die Hölle je hervorgebracht hatte.

„Atmen Sie!“

Die Stimme war rau und doch schön, wie eine Musik aus einer anderen Welt. Sie kam von sehr weit weg, einem Ort außerhalb von Raum und Zeit, und doch zog sie sie aus der verführerischen Dunkelheit.

Grobe Hände drehten sie um. Flüssigkeit stieg in ihrem Rachen hoch und ergoss sich aus ihrem Mund. Sie hustete kräftig, und blitzende Funken schwirrten durch ihr Gehirn.

„Atmen!“

Sie keuchte. Gesegneter Sauerstoff strömte in ihre Lunge. Die Hände, die sie geschüttelt und bearbeitet hatten, wurden sanfter und hoben sie gegen eine warme, feste Oberfläche. Sie hörte einen Herzschlag, langsam und gleichmäßig, spürte Muskeln unter einem früher einmal eleganten schwarzen Hemd, roch einen leicht stechenden, aber nicht unangenehmen Duft, als trüge die Person, die sie festhielt, seit Wochen dieselbe Kleidung.

Immer noch benommen und zitternd im kalten Morgenwind, ließ sie sich einfach halten. Es war absurd, sich in den Armen eines vollkommen Fremden so sicher zu fühlen, auch wenn er ihr gerade das Leben gerettet hatte. Verrückt, dass es sich so anfühlte, als könnte sie für immer dort bleiben.

Sie wand sich in den Armen ihres Retters. Er ließ sie los und half ihr, nicht hinzufallen, als sie sich auf dem betagten Holz der Mole hinzusetzen versuchte.

Zum ersten Mal konnte sie sein Gesicht erkennen. Es war der teuflische Engel, den sie im Fluss gesehen hatte. Dort hatte das Brackwasser seine Züge verzerrt. Jetzt, da sie ihn deutlicher erkennen konnte, wusste sie immer noch nicht, ob er nun in den Himmel oder an den anderen Ort gehörte.

Seine Züge waren die eines jungen Mannes. Er war ansehnlich im wahrsten Sinne des Wortes, und das helle Mondlicht betonte noch seine vollkommenen Gesichtszüge. Seine Haut war glatt und frei von Bartstoppeln, auch wenn alles andere an seinem Aussehen darauf schließen ließ, dass er tagelang keinen Rasierer in der Hand gehalten hatte. Seine Wangenknochen waren hoch, das Kinn fest und kantig, sein Haar war dunkel und musste dringend geschnitten werden, die Augenbrauen gerade. Er hatte tief umschattete Augen.

Die Augen waren es, die ihre Aufmerksamkeit am stärksten auf sich zogen. Gwen konnte keine Farbe erkennen, aber das war auch nicht wichtig. Sie gehörten einfach nicht ins Gesicht eines guten Samariters, der wahrscheinlich sein Leben riskiert hatte, um eine ihm vollkommen Fremde zu retten. Sie gehörten nicht zu einem Mann Mitte zwanzig, der noch wenigstens vierzig gute Jahre vor sich hatte. Sie waren so gefährlich wie ein Sturm, kurz bevor er losbricht, grauenvoll. Wenn er je gelächelt hatte, dann lag das sicher so weit zurück, dass sie es sich kaum vorstellen konnte.

Die meisten Frauen – ja, sogar die meisten Männer – hätten sich unter diesem unbarmherzigen Blick gekrümmt. Nicht aber Gwen Murphy. Sie betrachtete ihn weiter, bemerkte die ausgefransten Manschetten seines Hemdes, die Jacke, die schon bessere Tage gesehen hatte, die geflickte Hose und die abgelaufenen Schuhe. Dieser Kerl hatte es nicht leicht im Leben, wahrscheinlich war er arbeitslos. Menschen wie ihn gab es in New York immer noch, auch wenn die Geschäfte blendend liefen und fast jeder am allgemeinen Wohlstand teilzuhaben schien.

Jeder, bis auf einige Unglückliche: Männer, die im Krieg gewesen waren, Witwen, die ihre Kinder ohne Vater aufziehen mussten, Immigranten, die sich noch nicht zurechtgefunden hatten, Alkoholiker, die ihr Geld nicht zusammenhalten konnten.

Ihr Retter sah gesund und unversehrt aus. Er schien nicht betrunken zu sein. Er konnte ein Ausländer sein, der nicht genug Englisch sprach, um einen vernünftigen Job zu bekommen.

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

„Sie haben mir das Leben gerettet“, sagte sie keuchend, „danke.“

Der Mann bewegte den Kopf und sah ihr immer noch direkt in die Augen.

Sie räusperte sich und zog sich den nassen Handschuh von der zitternden Hand. „Ich bin Gwen Murphy“, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen.

Er sah auf ihre zitternden Finger, als vermutete er, sie habe eine widerliche und ansteckende Krankheit. Gwen wollte die Hand gerade wieder fortziehen, als er sie mit dem gleichen starken Griff packte, mit dem er sie aus ihrem wässrigen Grab gezogen hatte.

„Dorian“, sagte er und erfüllte die Luft wieder mit dieser seltsamen Musik. „Dorian Black.“

Gwen musste fast lachen. Sie merkte, dass unter ihrer erzwungenen Ruhe die Hysterie lauerte, und schluckte das Lachen hinunter. Wenn sie erst einmal damit anfing, würde es ihr vielleicht schwerfallen, wieder aufzuhören. Und Mr. Black sah nicht so aus, als würde er so eine Reaktion gutheißen.

„Mr. Black“, sagte sie und erwiderte seinen Händedruck, so fest sie konnte, „ich weiß nicht, wie Sie es geschafft haben, genau dann aufzutauchen, als ich Sie am dringendsten brauchte, aber ich bin Ihnen sehr dankbar.“

Er ließ ihre Hand los. „Es war mir keine Mühe.“ Er betonte jedes Wort sehr genau, als wäre Englisch eine Fremdsprache. „Benötigen Sie einen Arzt?“

Sie unterdrückte ein Zittern. „Es geht mir gut. Ich bin nur etwas durchgefroren. Und voller Wasser.“

Immer noch erhellte kein Lächeln seine wie gemeißelten Züge, aber er runzelte die Stirn, sodass sein Gesicht fast sorgenvoll aussah. Er zog seine Jacke aus und legte sie Gwen um die Schultern. Sie war nicht ganz sauber, aber Gwen war dankbar für die Wärme und die Geste.

„Danke.“

Er hob eine Schulter und zeigte damit, wie unangenehm ihm diese Situation wirklich war. „Wie konnte das passieren?“

Die Frage überraschte Gwen. Black war so wortkarg. Vielleicht interessierte es ihn auch gar nicht, aber sie musste es ihm anrechnen, dass er es wenigstens versuchte.

„Ich bin Reporterin für den Sentinel“, sagte sie. „Ich war auf den Docks, weil ich einer Sache auf der Spur war. Und dann haben mich auf einmal ein paar Gangster angesprungen.“ Plötzlich war ihr das Ganze sehr peinlich. Sie befühlte die anschwellende Beule an ihrem Hinterkopf. „Aber so leicht habe ich es ihnen nicht gemacht. Als ich mich gewehrt habe, hat mir einer von denen eins übergezogen und mich in den Fluss geworfen.“

Black kniff die Augen zusammen. Er sah den Pier hinauf über die Uferpromenade, als könnte er dort noch die jungen Männer finden, die ihr das angetan hatten. Sogar wenn sie geblieben wären, um sicherzugehen, dass ihr Opfer ertrunken war, würde man sie nicht mehr sehen, die nächste Straßenlaterne war fast hundert Meter entfernt, und es gab eine Menge Verstecke. Die Sonne würde gleich aufgehen, die ersten Matrosen und Hafenarbeiter liefen bereits in den Docks. Wenn nicht gerade diese Mole einigermaßen verlassen gewesen wäre, wären die Gangster mit ihrem Angriff gar nicht erst so weit gekommen.

„Ist es eine Angewohnheit von Ihnen, sich mitten in der Nacht in Hell’s Kitchen aufzuhalten?“, fragte Black, der sich ihr mit einer gewissen Bedrohlichkeit wieder zuwandte.

Gwen setzte sich aufrechter hin. „Gewisse Aktivitäten fallen in der Dunkelheit weniger auf. Ich wollte nicht gesehen werden.“

„Jemand hat Sie gesehen.“

„Aber niemand von denen, die mich nicht sehen sollten.“

„Und wer wäre das genau, Miss Murphy?“

Plötzlich spürte Gwen, dass ihr übel wurde. „Das ist streng vertraulich“, sagte sie. Ihr waren die Knie weich, als sie versuchte aufzustehen. „Ich glaube, ich … sollte mir lieber ein Taxi rufen.“

Black sprang sicher wie ein Athlet auf und packte ihren Arm, als sie wankte und fast fiel. „Sie sind nicht in der Verfassung, um allein zu gehen, Miss Murphy. Ich werde Sie bis zum nächsten Telefon begleiten.“

„Wirklich, es geht mir gut.“

Ohne zu antworten, zog er sie näher an sich und führte sie einige Schritte vorwärts. Die Übelkeit nahm zu. Es musste das Zusammenspiel mehrerer Faktoren sein: das dreckige Wasser, das sie aus Versehen geschluckt hatte, die Kopfverletzung und der Schock. Gwen sollte darüber hinwegkommen können. Sie war Eamon Murphys Tochter, verdammt noch mal …

Black blieb stehen. „Sie werden es nicht schaffen“, sagte er offen.

„Doch, werde ich. Ich brauche nur noch etwas mehr Zeit.“

Ihr Retter warf einen Blick gen Osten, wo die Sonne über Queens aufzugehen begann. „Keine Zeit“, murmelte er, bevor er lauter hinzufügte: „Sie kommen mit mir mit.“

Gwen fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, um den dumpfen Kopfschmerz zu vertreiben. „Wohin?“

„An einen Ort, wo Sie sich ausruhen können.“

Sie verspürte ein seltsames Kribbeln. „Ich bin Ihnen dankbar, wirklich, Mr. Black. Ich werde Ihnen sicher …“ Die Übelkeit wurde unerträglich. „Ich würde mich Ihnen gern erkenntlich zeigen, aber ich muss zurück. Wenn Sie nur vielleicht …“

Plötzlich konnte sie nicht mehr dagegen ankämpfen. Sie riss sich von Black los und übergab sich. Die Peinlichkeit war schmerzhaft. Sie war keine verdammte Anfängerin, die bei der kleinsten Unwegsamkeit zusammenbricht.

Eine Hand berührte ihren Ellenbogen, um sie zu stützen. Sie schob sie von sich. „Es geht mir gut!“

„Sie kommen mit mir, Miss Murphy.“

Sie schüttelte den Kopf, und plötzlich sah sie nicht mehr klar. Sie konnte nicht atmen. Wieder die Dunkelheit, die sie in sich hinabzog wie die hinterlistigen Strömungen des Flusses. Das Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen, und dieses Mal gelangte sie nicht wieder an die Oberfläche.

Sie wurde von Stimmen geweckt. Das Erste, was Gwen merkte, war, dass sie auf einer einigermaßen weichen Unterlage lag. Sie horchte einen Augenblick, ehe sie die Augen öffnete, und erkannte die Stimme des rätselhaften Fremden, der sich Dorian Black nannte. Die andere Stimme war älter und nicht so fest, sie klang lallend und freundlich geschwätzig. Sie redeten zu leise, als dass Gwen etwas hätte verstehen können, und als sie die Augen öffnete, sah sie nur ihren dunkelhaarigen Retter, der im Licht einer altmodischen Gaslampe kauerte.

Seine Augen waren grau. In der Nacht waren sie ihr farblos erschienen, und doch hatte sie an Stahl denken müssen. Sie hatte richtig geraten. Sein granitharter Blick verschonte niemanden und verlangte auch nicht, geschont zu werden.

Gwen versuchte, sich aufzusetzen. Black drückte sie fest zurück, presste ihr die Hand auf die Brust. Seine Handfläche zu spüren, seine Haut, nur durch den dünnen Georgettestoff ihrer Bluse von ihr getrennt, das erschreckte Gwen.

Anscheinend hatte er beschlossen, dass sie es ohne ihre Jacke bequemer haben würde, aber wenigstens hatte er ihr sonst bis auf die Schuhe nichts ausgezogen. Ihr Rock, ihre Strümpfe und die Bluse waren fast trocken, was auf die Länge ihres Aufenthalts in Blacks Gewahrsam schließen ließ. Gwen hasste schon allein die Vorstellung, so hilflos gewesen zu sein.

„Wo bin ich?“, verlangte sie zu wissen.

Er erwiderte ihren Blick herausfordernd ruhig. „An einem sicheren Ort.“

Tolle Antwort, dachte Gwen, drehte den Kopf und versuchte, mehr von ihrer Umgebung zu erkennen. Zu ihrer Linken eine solide, fensterlose Holzwand. Rechts beugte sich Black über sie und nahm ihr die Sicht. Gwen hätte außerhalb des Bereichs, den die Lampe beleuchtete, sowieso nicht viel erkennen können, aber sie spürte dort einen offenen Bereich, der durch gestapelte Kisten abgetrennt war, die eine Art Zimmer schufen, gerade groß genug für ihr improvisiertes Bett, einen wackligen Schemel und eine kleinere Kiste. Von Nägeln, die in die gestapelten Kisten geschlagen waren, hingen ein paar fleckige, fadenscheinige Hemden, eine geflickte Jacke und ein zusammengefaltetes Paar zerrissener Hosen. Es war offensichtlich, dass Black sich hier, an diesem Ort, den die meisten Menschen Spinnen und Ratten überlassen hätten, sein Zuhause geschaffen hatte.

Sie hatte schon Männer getroffen, die unter schlechteren Bedingungen lebten, aber nicht sehr oft. „Sind wir noch bei den Docks?“, fragte sie.

Er nickte. Offenbar hielt er eine weitere Erklärung für unnötig.

Gwen stützte sich auf die Ellenbogen. „Ich bin wohl in Ohnmacht gefallen“, stellte sie, ihren Stolz hinunterschluckend, fest.

„Sie haben das Bewusstsein verloren“, erwiderte Black.

„Sie sind nicht für mich verantwortlich, nur weil Sie mir das Leben gerettet haben.“

Er hob eine Augenbraue auf ihren scharfen Ton hin, und für einen Moment glaubte sie, den Anflug eines Lächelns auf seinen Lippen zu erkennen. „Jetzt, wo ich Ihr Leben gerettet habe“, sagte er, „wäre es mir lieb, wenn meine Mühen nicht ganz umsonst gewesen wären.“

„Es muss bereits Tag sein. Irgendjemand hätte mich schon gefunden.“

Er verlagerte das Gewicht und ließ die Hände zwischen seine gespreizten Knie fallen. „Sie scheinen mir nicht die Art von Frau zu sein, die auf dem Gehsteig, noch dazu in einer Lache ihres eigenen Erbrochenen liegend, gefunden werden möchte.“

Seine Offenheit erstaunte sie, aber das konnte Gwen ihm nicht vorwerfen. Sie war genauso ein Freund der klaren Worte – auch wenn das ihre männlichen Mitarbeiter beim Sentinel immer wieder verblüffte.

„Na ja“, lenkte sie ein, „wenn Sie es so sehen …“ Sie befeuchtete sich die Lippen. „Sie hätten nicht zufällig etwas Wasser da?“

Er drehte sich um, nahm einen angeschlagenen Krug von der Kiste, die als Tisch diente, und schenkte etwas Wasser in den Becher. Gwen nahm ihn zögerlich, roch verstohlen daran und trank dann. Das Wasser war erstaunlich frisch.

„Danke“, sagte sie und gab ihm den Becher zurück. Sie öffnete den Mund, um ein weiteres Argument anzubringen, damit er sie gehen ließ, aber die Worte erstarben in ihrem Hals. Stattdessen starrte sie ihn an … starrte wie ein kleines Mädchen, das plötzlich ihrem Lieblingsfilmstar gegenübersteht. Es war die lächerlichste Sache der Welt. Und Gwen konnte einfach nicht anders.

„Wer sind Sie?“, fragte sie. „Ich meine, was ist das hier für ein Ort, und was tun Sie hier?“

Er sah sie einen Augenblick lang abschätzig an. Schließlich lehnte er sich gegen die Kisten und streckte die Beine aus. „Ich habe Ihnen meinen Namen bereits genannt. Ich und ein paar andere leben in diesem verlassenen Lagerhaus. Wir stören niemanden.“

Sie fragte sich, warum er den letzten Satz hinzugefügt hatte. Hatte er den Verdacht, dass sie etwas Gefährliches in seinen Augen entdeckt hatte? „Die meisten Menschen würden nicht so leben, wenn sie die Wahl haben“, meinte sie.

Sein Blick wirkte mit einem Mal leer, als würde er sich an etwas Tragisches aus seiner Vergangenheit erinnern. „Ich denke nicht, dass Sie das etwas angeht.“

Stolz. Sogar Männer ohne Obdach hatten ihn, manchmal mehr davon als diejenigen, die alles besaßen. Gwen wusste, dass sie die Sache auf sich beruhen lassen sollte. Schließlich würde sie Dorian Black wahrscheinlich nie wiedersehen, wenn sie diesen Ort erst einmal verlassen hatte. Aber sie hatte viel Zeit damit verbracht, mit Menschen auf der Straße zu sprechen, die nicht wussten, wie es ist, ein Vermögen an der Wall Street zu machen oder die neueste Limousine zu fahren – die nicht einmal wussten, woher ihre nächste Mahlzeit kommen sollte. Die Geschichten der vergessenen Männer und Frauen von New York zu erzählen war zu Gwens persönlichem Kreuzzug geworden. Jedenfalls bis ihr Vater gestorben war und ihr seine Besessenheit vermacht hatte.

Dorian Black hatte etwas an sich, das ihr einfach keine Ruhe ließ. Etwas, das ihr sagte, dass sie nicht nur einen Arbeitslosen mit den üblichen Empfindlichkeiten vor sich hatte. Sie hätte fast gewettet, dass er eine kriminelle Vergangenheit hatte.

Aber ein typischer Kleinkrimineller ließ sich normalerweise nicht in die Armut abgleiten. Er war entweder im Knast oder bereitete einen neuen Coup vor. Und vor allem würde er niemand anderen vor dem Ertrinken retten. Außerdem fanden sich Typen, die mit der Mafia zu tun hatten, nur selten auf der Straße wieder. Sie arbeiteten entweder für eine Gang, oder die Mafiabosse entledigten sich ihrer.

Also was, zum Henker, war er? Sie nahm sich zusammen und achtete darauf, in neutralem Ton zu sprechen. „Sie haben es zurzeit nicht leicht.“

Er zuckte die Schultern.

„Sie haben Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden“, bohrte sie weiter.

Etwas Großes raschelte zwischen den Kisten, und Gwen glaubte einen Blick auf einen langen, nackten Schwanz erhascht zu haben. Sie schauderte.

Black ignorierte das Geräusch. „Warum glauben Sie, dass ich eine Anstellung suche?“, fragte er.

Sie setzte sich auf. „Sie sind jung und gesund, offensichtlich intelligent. Gebildet“, sagte sie, um ihn zu prüfen.

„Und?“

Diese Frage hätte einen Zug in voller Fahrt aufhalten können. Gwen hielt seinem Blick stand. „Sagen wir einfach, ich wüsste gern mehr über einen Mann, der einer vollkommen Fremden das Leben rettet.“

„Zweifeln Sie an der angeborenen Galanterie des starken Geschlechts?“

Sie unterdrückte ein Seufzen. „Ich bin keine Romantikerin, Mr. Black.“

„Ich ebenfalls nicht.“

„Wie dem auch sei, ich wüsste wirklich gern, wie es kommt, dass Sie hier leben. Sind Sie allein in der Stadt?“

Seine Miene blieb ausdruckslos. „Kann es sein, dass Sie vorhaben, einen rührenden Artikel für Ihre Zeitung zu verfassen, Miss Murphy? Einen Essay über die Misere der arbeitslosen Männer bei den Docks?“

Überdrüssiger Zynismus tränkte seine Worte. Sie fühlte sich fast schuldig. „Wenn ich so einen Artikel schreiben sollte, Mr. Black, dann würde ich Ihren Namen nicht benutzen. Aber das habe ich nicht vor.“ Sie rutschte herum, bis sie sich gegen die Wand lehnen konnte, zog die Knie an und legte ihren Mantel darüber, um ihren Anstand zu wahren. „Waren Sie im Krieg, Mr. Black?“

„Nein.“

Wenn es etwas gab, worin Gwen wirklich gut war, dann darin, zu sagen, ob jemand log. Sie las die richtige Antwort in Blacks Augen, noch bevor er den Mund öffnete, um zu sprechen. Sie trübten sich und verloren ihre Schärfe. Als fürchtete er, dass ein weiteres Wort ihn in eine Welt zurückschicken könnte, die er nie ganz verlassen hatte.

Sie schluckte und vertrieb die eigenen Erinnerungen. Black hatte ihr das Leben gerettet, doch sie glaubte nicht, dass er erfreut gewesen wäre, wenn sie blieb und Erinnerungen über die Vergangenheit ausgrub. Gwen wollte noch ein Thema ansprechen, ehe er sie wieder auf die Straße setzte. „Sie müssten doch über so ziemlich alles Bescheid wissen, was hier so vor sich geht“, sagte sie.

Er runzelte die Stirn. „Vielleicht.“

„Haben Sie schon von den Morden gehört?“

Plötzlich stand er auf. Seine Bewegungen waren ruckartig. „Sind Sie deshalb hier, Miss Murphy? Um Nachforschungen wegen der Morde anzustellen?“

Nun war Gwen sicher, dass er nicht nur von den bizarren Toden wusste, sondern dass sie ihn auch persönlich interessierten. Vielleicht hatte er etwas gesehen. Vielleicht war er Zeuge bei einem der Angriffe gewesen, oder er hatte einen Verdacht, wer diese Verbrechen verübt hatte. Vielleicht … Halt, dachte Gwen. Auch wenn ihr Instinkt sie normalerweise nicht täuschte, war jetzt nicht der Moment dafür. „Laut Aussage des Leichenbeschauers“, sagte sie vorsichtig, „müssen die Leichen schon mehrere Stunden auf dem Steg gelegen haben, ehe die Polizei verständigt worden ist.“

Black drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, als würde er nach einem Fluchtweg Ausschau halten. „Sie sollten die Sache auf sich beruhen lassen, Miss Murphy.“

„Das kann ich nicht. Sie hatten recht, Mr. Black. Es ist mein Job, herauszufinden, wie solche schrecklichen Dinge passieren konnten und wer sie verbrochen haben könnte.“

„So eine Aufgabe überlassen die einer Frau?“

„Es dürfte Sie überraschen, wie gut wir darin sind, Blickwinkel zu finden, die Männer nicht einmal in Betracht ziehen.“

„Zum Beispiel, indem sie allein und unbewaffnet zu den Docks gehen?“

„Der voraussichtliche Zeuge, den ich dort treffen wollte, ist nicht gekommen.“ Sie betrachtete aufmerksam sein Gesicht. „Sie kennen nicht zufällig einen Mann, der sich Flat Nose Jones nennt, oder?“

„Nein.“

Wieder gelogen, auch wenn er sehr gut darin war. „Ich nehme an, er hat entweder die Nerven verloren oder einen Unfall gehabt, ehe er seine Geschichte erzählen konnte, wie auch immer sie gelautet haben mag.“

„Vielleicht hätte er diskreter vorgehen sollen.“

„Ich kann niemandem einen Vorwurf machen, der unter diesen Umständen lieber schweigt. Die Leichen wurden offensichtlich als eine Art Nachricht liegen gelassen. Von jemandem, der einen sehr tiefen Groll hegt.“

„Sie scheinen bereits jemanden zu verdächtigen, Miss Murphy.“

„Ich habe einige Einfälle. Wer auch immer diese Männer umgebracht hat, war offensichtlich geistig verwirrt.“

Black sagte nichts. Er ging in dem kleinen Raum auf und ab und hatte die Hände zu Fäusten geballt. „Sind Sie sicher, dass die Schurken, die Sie angegriffen haben, nicht versucht haben, Ihren Nachforschungen ein Ende zu bereiten?“

„Diese Kinder? Das waren Amateure. Die werfen vielleicht jemanden, der ihnen Ärger machen könnte, in den Fluss, aber sie würden ihre Opfer nicht bis auf den letzten Tropfen zur Ader lassen. Die Leichen waren vollkommen …“

Sie verstummte, als er sich plötzlich versteifte. Er wurde erst rot, dann blass. Seine Pupillen zogen sich zu Stecknadelköpfen zusammen, obwohl sein improvisiertes Zimmer dunkel blieb. Er öffnete und schloss die Faust, in einem scharfen, unheimlichen Rhythmus.

„Mr. Black?“

Das Atmen schien ihm schwerer zu fallen. „Nein“, presste er aus zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich war nicht …“

Gwen begann aufzustehen. „Dorian, geht es Ihnen …“

Er wirbelte mit gebleckten Zähnen zu ihr herum. Grausamkeit und Wut ersetzten Schmerz und Verwirrung. Die Sehnen seines Halses standen hervor, sein Puls schlug sichtbar an seiner Kehle. Seine Muskeln waren angespannt. Seine Finger krümmten sich wie Klauen. In seinem Gesicht war nichts Menschliches mehr. Nichts, das sie als irgendetwas anderes als einen Feind betrachtete.

Oder Beute.

2. KAPITEL

Gwen schob sich an der Wand hoch und ließ ihren Mantel auf den Boden fallen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich ruhig zu verhalten, aber sie hatte vor, bereit zu sein. Auch wenn sie gegen ihn keine Chance haben konnte.

„Mr. Black“, sagte sie. „Dorian, ich bin es, Gwen.“

Er fletschte die Zähne. Ihr fiel auf, dass seine Schneidezähne ungewöhnlich spitz waren. Wie bei einem Wolf, dachte sie. Oder einem Tiger auf der Lauer, kurz bevor er ein unglückliches Wildtier in einem fernöstlichen Dschungel aufreißt. Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie nicht an den falschen Stellen nach den Mördern gesucht hatte. Vielleicht waren sie keine Gruppe Wahnsinniger. Vielleicht war ein einziger Mann – ein ausreichend starker, kluger und wahnsinniger Mann – für das Blutbad verantwortlich.

Dann erinnerte sie sich jedoch daran, wie sanft er sie gehalten hatte, an seine Miene, verzerrt von der Erinnerung an vergangenen Schmerz, und ihr wurde klar, dass ihr Verdacht schlimmer als wahnsinnig war. Dorian Black hatte etwas Schlimmes erlebt. Er war verstört und krank, aber er war kein Mörder.

„Sie wollen mir nicht wehtun, Dorian“, sagte sie und berührte das Kreuz an ihrem Hals. „Sie sind ein guter Mann. Ich will Ihnen helfen.“

Er stieß einen wütenden und verzweifelten Laut aus, wirbelte herum und schlug gegen die Holzkisten. Sie fielen um wie die Holzbausteine. Als er sich umdrehte, war sein Gesicht so entspannt wie das eines Mannes kurz vor dem Einschlafen. „Gehen Sie“, sagte er heiser, „machen Sie, dass Sie verschwinden.“

„Ich lasse Sie so hier nicht allein.“

Langsam hob er den Blick, doch er hätte genauso gut blind sein können. „Bitte.“

Wieder sein Stolz. Stolz und Furcht und Angst. Hier stand ein Mann, der gelitten hatte, der die Kontrolle verloren hatte, der sich für seine Schwäche hasste. Gwen hatte das alles schon einmal erlebt. Barry hatte dem Krieg alles geopfert. Er war mit einer so heftigen Kriegsneurose zurückgekehrt, dass eine Hochzeit auf keinen Fall mehr infrage gekommen war. Sogar seine Familie hatte sich nicht mehr um ihn kümmern können. Er hatte noch zwei Jahre in einer Klinik verbracht, ehe er sich erschossen hatte. Männer, die ohne sichtbare Verletzungen aus dem Krieg zurückkamen, hatten manchmal tiefere Wunden als alle anderen.

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