Die Durchquerung des Unmöglichen - Corine Pelluchon - E-Book

Die Durchquerung des Unmöglichen E-Book

Corine Pelluchon

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Beschreibung

Die ökologischen und politischen Katastrophen unserer Gegenwart erklären das Klima der Angst, in dem wir leben. Wie können wir es schaffen, angesichts dieser zunehmenden Beklemmung nicht zu verzweifeln oder tatenlos zu resignieren? Die französische Philosophin Corine Pelluchon entwickelt in ihrem neuen Buch eine kleine Philosophie der Hoffnung, die besonderen Wert auf die erstaunliche Kraft unserer Verletzlichkeit legt. Sie zeigt, dass die Möglichkeit eines Zusammenbruchs unserer Zivilisation die Chance für einen Wandel bietet, der einen gemeinsamen Horizont der Hoffnung eröffnet. Hoffnung entsteht, ohne dass man nach ihr gesucht hat, wenn man alle Illusionen und Überlegenheitsfantasien ablegt und lernt, unsere Wirklichkeit mit einem neuen Blick zu betrachten. In ihrem philosophischen Essay argumentiert Corine Pelluchon, dass der noch fehlende gesellschaftliche Wille zu einer Änderung unserer Lebensweise nicht auf einen Mangel an geteilten Überzeugungen zurückzuführen ist, sondern auf einen Mangel an Hoffnung. Dabei dürfen wir Hoffnung nicht mit Optimismus verwechseln, der den Ernst der Lage verschleiert. Auch unter sehr düsteren Aussichten die Möglichkeit einer anderen Zukunft sehen zu können – darin besteht das Geheimnis der Hoffnung, deren sanfte Macht Pelluchon in sechs kurzen Kapiteln erkundet. Zu Hoffen bedeutet, beklemmende Tatsachen nicht verdrängen zu müssen, sondern anerkennen zu können. Und den Mut zu finden, sich dem Unerwarteten zu öffnen.

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Corine Pelluchon

Die Durchquerung des Unmöglichen

Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe

Aus dem Französischen von Grit Fröhlich

C.H.Beck

Über das Buch

Die ökologischen und politischen Katastrophen unserer Gegenwart erklären das Klima der Angst, in dem wir leben. Wie können wir es schaffen, angesichts dieser zunehmenden Beklemmung nicht zu verzweifeln oder tatenlos zu resignieren? Die französische Philosophin Corine Pelluchon entwickelt in ihrem neuen Buch eine kleine Philosophie der Hoffnung, die besonderen Wert auf die erstaunliche Kraft unserer Verletzlichkeit legt. Sie zeigt, dass die Möglichkeit eines Zusammenbruchs unserer Zivilisation die Chance für einen Wandel bietet, der einen gemeinsamen Horizont der Hoffnung eröffnet. Hoffnung entsteht, ohne dass man nach ihr gesucht hat, wenn man alle Illusionen und Überlegenheitsfantasien ablegt und lernt, unsere Wirklichkeit mit einem neuen Blick zu betrachten.

Worin besteht dieser neue Blick? In ihrem philosophischen Essay argumentiert Corine Pelluchon, dass der noch fehlende gesellschaftliche Wille zu einer Änderung unserer Lebensweise nicht auf einen Mangel an geteilten Überzeugungen zurückzuführen ist, sondern auf einen Mangel an Hoffnung. Dabei dürfen wir Hoffnung nicht mit Optimismus verwechseln, der den Ernst der Lage verschleiert. Auch unter sehr düsteren Aussichten die Möglichkeit einer anderen Zukunft sehen zu können – darin besteht das Geheimnis der Hoffnung, deren sanfte Macht Pelluchon in sechs kurzen Kapiteln erkundet. Zu Hoffen bedeutet, beklemmende Tatsachen nicht verdrängen zu müssen, sondern anerkennen zu können. Und den Mut zu finden, sich dem Unerwarteten zu öffnen.

Über die Autorin

Corine Pelluchon ist Professorin für Philosophie an der Universität Gustave Eiffel und eine der faszinierendsten intellektuellen Stimmen zu den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Sie beschäftigt sich vor allem mit Moralphilosophie, politischer Philosophie und Fragen der angewandten Tier-, Umwelt- und Medizinethik. 2020 erhielt sie für ihre philosophische Gegenwartsdiagnostik den Günther Anders-Preis für kritisches Denken. Bei C.H.Beck ist von ihr das «Manifest für die Tiere» (2020) erschienen.

Inhalt

Vorwort

1: Verzweiflung – gefangen in der eigenen Hölle

2: Ein Sprung kraft des Absurden

3: Was ein Volk erwartet, das keine Hoffnung mehr hat

4: Der Klimawandel – die Möglichkeit einer Unmöglichkeit

5: Hinter den Spiegeln mit den Tieren

6: Das Weibliche oder die Kunst der Metamorphosen

Anmerkungen

Vorwort

1. Verzweiflung – gefangen in der eigenen Hölle

2. Ein Sprung kraft des Absurden

3. Was ein Volk erwartet, das keine Hoffnung mehr hat

4. Der Klimawandel – die Möglichkeit einer Unmöglichkeit

5. Hinter den Spiegeln mit den Tieren

6. Das Weibliche oder die Kunst der Metamorphosen

Der Optimismus ist ein Ersatz für die Hoffnung […]. Die Hoffnung aber will erkämpft sein. Zu ihr gelangt man nur auf einem Weg, der durch die Wahrheit hindurchführt und den zu beschreiten große Mühe und viel Geduld kostet. […] Die Hoffnung ist eine Tugend […]. Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung.

Georges Bernanos, Freiheit wozu?

da schreitet die kleine Hoffnung.

Voran.

Zwischen ihren zwei großen Schwestern.

Jener, die Gattin ist.

Und jener die Mutter ist. […]

Sie ist es, die Kleine, die alles mit fortzieht.

Denn Glaube sieht nur, was ist.

Sie aber sieht, was sein wird.

Liebe liebt nur, was ist.

Sie aber liebt, was sein wird. […]

Die Hoffnung sieht das, was noch nicht ist und sein wird.

Sie liebt das, was noch nicht ist und sein wird.

In der Zukunft der Zeit und der Ewigkeit.

Charles Péguy, Das Mysterium der Hoffnung.

Vorwort

Es mangelt uns nicht an Ideologie, sondern an Hoffnung – gerade in diesen Zeiten, in denen die Erderwärmung sowie wirtschaftliche und geopolitische Krisen große Risiken bergen. Um zu verstehen, was Hoffnung ist und welche Rolle sie im individuellen und kollektiven Leben spielt, darf man sie jedoch nicht auf ein psychologisches Moment reduzieren und nicht mit Optimismus verwechseln.

Hoffnung ist das Gegenteil von Optimismus. Letzterer resultiert oft aus mangelnder Ehrlichkeit und fehlendem Mut – er ist eine Form der Verleugnung, die den Ernst der Lage verschleiert oder glauben macht, man habe die Lösung für alle Probleme. Es gibt keine Hoffnung ohne die vorherige Erfahrung eines kompletten Horizontverlusts. Dieser Verlust ist, als würde am helllichten Tag die Nacht hereinbrechen, und er zwingt sowohl Individuen als auch Völker dazu, sich von ihren Illusionen zu verabschieden.

Hoffnung setzt die Auseinandersetzung mit Leid und Verzweiflung voraus. Im Übermaß der Verzweiflung offenbart sich auch deren Falschheit: Sie bedeutet Gefangensein – gefangen in einer Hölle, die uns einschließt und täuscht.[1] Es ist eine Falle, in die wir fast alle geraten, wenn wir uns in uns selbst zurückziehen – eine Verfehlung, die von unserer Wankelmütigkeit und unserer Undankbarkeit gegenüber dem Leben zeugt. Hoffnung bedeutet, das Unmögliche zu durchqueren. Sie erscheint, wenn man sie nicht mehr erwartet, und entsteht nach der Erfahrung des Nichts. Keinesfalls darf man Hoffnung (espérance) mit einer persönlichen, positiven Erwartungshaltung (espoir) verwechseln,[2] welche sich auf eine bestimmte Realität bezieht und das Verlangen beinhaltet, dass individuelle Wünsche in absehbarer Zeit erfüllt werden. Im Fall der Hoffnung hingegen ist das Verhältnis zum Selbst, zur Welt und zur Zeit ein ganz anderes.

Dieses Buch wurde mit dem Ziel geschrieben, Menschen, die die Verzweiflung und das Unmögliche durchqueren, einige Antworten an die Hand zu geben. Dabei denke ich an all jene, die ihr Leben als bedeutungslos empfinden oder das Gefühl haben, die Zukunft sei verschlossen, weil sich Ungerechtigkeit und Zynismus durchsetzen, weil die Veränderungen, die nötig sind, um die Zerstörung des Planeten aufzuhalten, die Situation der Tiere zu verbessern und den Wohlstand gerechter umzuverteilen, auf sich warten lassen oder blockiert werden. Ich weiß, dass das Gefühl der Ohnmacht jeglichen Lebensmut erstickt und dass ein solches Leben Leiden bedeutet. Vor allem schreibe ich für die Jüngeren. Wenn Hoffnung voraussetzt, dass man sich wieder mit seiner Kindheit verbindet und die Klarheit des Herzens wiedergewinnt – was wie eine zweite Morgenröte in der Lebensmitte oder am Lebensabend ist –, so gestehe ich, dass sie mir in der Vergangenheit gefehlt hat. Heute scheint die Hoffnung all jenen unerreichbar, denen die Möglichkeit des Zusammenbruchs unserer Zivilisation Sorge bereitet.

Im Laufe meines Lebens bin ich mehrmals an Depressionen erkrankt. Zuerst zwischen meinem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr, nachdem mein Bruder bei einem Unfall ums Leben gekommen war, wodurch wahrscheinlich ein Unbehagen verstärkt wurde, das bereits vorher bestand. Da ich keine gute psychologische Betreuung erhielt, war ich am Boden zerstört und es gelang mir nicht, die Probleme zu erkennen, die mich bedrängten und mir das Leben unmöglich machten. Nach Enttäuschungen in der Liebe und im Beruf erlebte ich, wie meine Kräfte schwanden, mein Lebenswille sank und ich nicht mehr in der Lage war, mich zu schützen. Meine Leidenschaft für das Philosophieren kompensierte jedoch das Leid, den Verrat und sogar die erlittene Ungerechtigkeit. Die Niedergeschlagenheit, die ich manchmal im Alter von 30 bis 50 Jahren verspürte, wurde vor allem durch konkrete Ereignisse ausgelöst. Meine bisweilen übersteigerten Reaktionen waren dabei nur ein fernes Echo der ersten Depression. Das Unbehagen war tief in mir vergraben. Doch mit 52 Jahren, als mich keine Ereignisse mehr belasteten, ich in meinem Fachgebiet relativ etabliert war und mich darüber freuen konnte, dass der Tierschutz endlich zu einem gesellschaftlich und politisch relevanten Thema geworden war, erlebte ich erneut einen psychischen Zusammenbruch. Die Tage hatten keine Farbe mehr, die Straßen meiner Heimatstadt Paris erschienen mir hässlich und feindselig. Zwar konnte ich schreiben, arbeiten, im Radio sprechen, reisen und hatte viele Menschen um mich herum. Aber sobald ich allein war, fühlte ich mich psychisch leer und wie abgestorben. Ich erfuhr erneut die Dunkelheit der Depression. Um aus diesem Zustand herauszukommen, mussten wohl einige Fäden meiner Geschichte neu verknüpft werden. So kam ich für einige Zeit nach Deutschland, um Abstand zu gewinnen und mich selbst besser zu ergründen, denn innere Freiheit brauchte es nicht nur für ein gutes Leben, sondern auch für die beiden Aufgaben, die ich mir gestellt habe: meine umfassende philosophische Arbeit fortzusetzen und mich für die Stärkung des Tierschutzes einzusetzen.

Von dieser Erfahrung möchte ich vor allem das weitergeben, was anderen Menschen Denkanstöße bieten kann, denn ich schreibe dieses Buch mit der Ambition, hilfreich zu sein. Während Religion und Literatur die Komplexität des Innersten, die sich jedem Begriff widersetzt, zu enthüllen versuchen, ist das Philosophieren ein Versuch, das Erlebte zu sublimieren, um zu einigen allgemeingültigen Wahrheiten zu gelangen. Die Herausforderung besteht darin, sich bis zur Klarheit vorzuarbeiten, ohne sich allzu lange mit den Anstrengungen aufzuhalten, die nötig waren, um sich aus der Dunkelheit herauszuquälen, aber dabei auch die Vernunft nicht zu einem Instrument zu machen, das die Kontingenz auslöscht oder das Ungerechtfertigte rechtfertigt.

Obwohl dieses Buch dem Begriff Hoffnung eine säkulare Bedeutung zuschreibt, knüpft es auf dem Weg, diese zu finden oder wiederzufinden, zunächst an biblische Weisheiten an. Es geht weder darum, die Hoffnung dem Glauben an Gott unterzuordnen noch den Glauben durch eine Religion des Fortschritts oder des Positivismus zu ersetzen, die an die totalitären Doktrinen der Vergangenheit erinnert. Doch liefern die Klagelieder Jeremias und das Buch Hiob unersetzliche Erkenntnisse über die theologische Tugend der Hoffnung. Dasselbe gilt für Psalm 22, in dem die Klage Davids, der sich von Gott verlassen fühlt, in Lobpreis umschlägt und ihn von jedem Rachegedanken abhält, ebenso wie für Hesekiels Prophezeiung, in der die verdorrten Gebeine der Toten wieder zum Leben erweckt werden.

Die biblischen Texte zeigen, dass die Hoffnung nicht zu trennen ist von der Konfrontation mit Schmerz und Leid und dass sie sich auf eine Zukunft richtet, die nicht vollständig vorhersehbar ist, für die es aber Vorboten gibt. In gewisser Weise ist sie also schon da, als etwas unmittelbar Bevorstehendes. Hoffnung setzt voraus, dass man sich der gegenwärtigen Gefahren bewusst ist, aber sie lehrt auch, in der Gegenwart zu leben und an die Zukunft zu glauben, jeglichen Groll aufzugeben und die Vergangenheit nicht immer wieder zu wiederholen. Letztlich ist sie das, wonach unsere Seele hungert und dessen Mangel uns verbittert oder gewalttätig werden lässt. Ähnlich wie die Liebe im Hohelied Salomos, so belebt die Hoffnung unseren Körper, der kein Verlangen mehr kannte.