Die eigene Sicherheit schafft Raum für Geborgenheit - Marlis Furger - E-Book

Die eigene Sicherheit schafft Raum für Geborgenheit E-Book

Marlis Furger

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  • Herausgeber: TWENTYSIX
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Raum schaffen für Entwicklung Eltern wünschen sich für ihre Kinder ein Umfeld, in welchem sie sich angenommen, verstanden, sicher und geborgen fühlen. Kinder sollen sich voller Vertrauen entwickeln und entfalten. Die Beschäftigung mit der selbst erlebten Erziehung und den eigenen Werten ist hilfreich, um gemeinsam eine Haltung zu entwickeln, welche den Familienalltag prägt. Eltern sind gefordert, einen eigenen Weg zu finden, um für die Familie ein passendes Umfeld zu schaffen. So wird in diesem Buch kein Weg vorgegeben. Vielmehr enthält es wertvolle Anregungen für werdende Eltern wie auch für Eltern und Bezugspersonen, die Kinder bei ihrer Entwicklung begleiten. Jedes Kapitel schliesst mit passenden Denkanstössen ab, die dazu dienen, sich mit der Thematik aktiv zu beschäftigen. Durch die Auseinandersetzung und Reflexion erlangt man Klarheit und Sicherheit im Umgang mit Kindern. Dies ist die Voraussetzung, um einen vertrauensvollen Raum zu schaffen, in welchem sich alle geborgen fühlen und entfalten können.

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Seitenzahl: 179

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Für unsere Kinder

Fabian, Janina, Vera, Seraina

Wiederholt nicht meine Fehler, macht eure eigenen.

In Liebe

euer Mami

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Eltern bleiben Partner

1.1 Partnerschaft pflegen

1.2 Gemeinsame Grundlage der Erziehung

2 Zu sich selber Sorge tragen

2.1 Herausforderungen mit Gelassenheit und Stärke meistern

2.2 Neue Gewohnheiten schaffen

3 Kinder entfalten sich

3.1 Sichere Bindung

3.2 Eigene Stärken entdecken

3.3 Selbstbild

4 Beziehung zum Kind pflegen

4.1 Kommunikation

4.2 Aktiv zuhören

4.3 Sprache

4.4 Beziehung hält Spannungen stand

4.4.1 Trotzphase

4.4.2 Pubertät

5 Anregende Umgebung

5.1 Innerer Antrieb

5.2 Sinneseindrücke sammeln und verarbeiten

5.3 Bewegen

5.4 Spielen

5.5 Musik

5.6 Digitale Medien

5.7 Umgang mit schmerzhaften Gefühlen

6 Kinder in den Alltag miteinbeziehen

7 Erziehung gibt Sicherheit

7.1 Kinder zur Verantwortung führen

7.2 Unterstützendes Umfeld schaffen

7.3 Frühe Unabhängigkeit

7.4 Feinfühlige, sensible Kinder

7.5 Gemeinsame Mahlzeiten pflegen

8 Als Familie auf dem Weg

9 Probleme als Chancen nutzen

9.1 Respektvoller Umgang miteinander

9.2 Lösungsorientierter Umgang mit Problemen

10 Gestärkt fürs Leben

11 Herzlichen Dank

12 Literaturverzeichnis

Willkommen liebe Eltern, Bezugspersonen von Kindern und Interessierte

Sie werden mit Ihrem Kind, Ihren Kindern, auf den Weg gehen oder befinden sich bereits auf einem gemeinsamen Weg. Es freut mich, dass ich Sie durch meine Anregungen und Denkanstösse auf Ihrem Weg begleiten darf und ich bedanke mich für Ihr Vertrauen. Ich ermuntere Sie mit meinem Buch, offen nach Wegen, Möglichkeiten und Lösungen für eine gute Erziehung und ein bereicherndes Zusammenleben zu suchen.

Vier Kinder – einen Sohn und drei Töchter - begleiten mein Mann und ich auf ihrem Weg. Mit grosser Freude und Dankbarkeit dürfen wir auf eine bereichernde, aber auch anstrengende und herausfordernde Familienzeit zurückschauen und jetzt das Zusammensein mit unseren wundervollen, einfühlsamen, verantwortungsbewussten, engagierten und reflektierten erwachsenen Kindern geniessen.

Die Liebe zu unseren Kindern und die Freude über die Einzigartigkeit jedes Kindes half uns, in schwierigen Zeiten unsere Kräfte zu mobilisieren. Nicht alle herausfordernden Situationen haben wir erfolgreich gemeistert. Aber die gemachten Erfahrungen haben uns die Möglichkeit gegeben, uns zu entwickeln. Sie haben uns gezeigt, dass es in der Erziehung nicht nur einen richtigen Weg gibt.

Beim rückblickenden Nachdenken über gefällte Entscheidungen kamen mir oft Zweifel, ob ich wirklich richtig gehandelt habe, was mich verunsicherte. Meine eigene Suche nach einem guten Weg hat mich zum Lesen zahlreicher Sachbücher bewogen. Diese Fachbücher haben mir andere Sichtweisen eröffnet und neue Impulse gegeben.

In meiner Arbeit als Primarlehrerin und später als Schulische Heilpädagogin haben sich mir junge Menschen geöffnet und sich von mir begleiten lassen. Ich bin dabei auch mit Kindern in Kontakt gekommen, die bereits entmutigende Erfahrungen gemacht hatten. Viele Eltern suchten im herausfordernden Zusammenleben verlässliche Unterstützung, welche die Gemeinschaft immer weniger bietet. Zudem fehlen heute allgemein gültige Normen und Werte als Orientierungshilfe. Dies birgt die Chance, unsere eigenen Werte festzulegen.

Ich bin dankbar für das Vertrauen, das mir Kinder und Eltern geschenkt haben und die vielen Lernerfahrungen, die sie mir damit ermöglicht haben.

Im Buch habe ich nun mit grosser Freude meine eigenen Erfahrungen sowie die Anregungen aus der Fachliteratur zusammengeführt. Einbezogen habe ich vor allem die Denkweise der Positiven Psychologie, die enormen Fortschritte der Neurowissenschaft1 sowie die Forschungsergebnisse der Resilienzforschung2. Die Buchhinweise sollen die Suche nach einem geeigneten Buch zur Vertiefung eines Themas erleichtern.

Ich hoffe, dass meine Denkanstösse dazu beitragen, dass Sie für sich einen Weg in der Erziehung finden, auf dem Sie sich gut und sicher fühlen und Ihren Kindern so Sicherheit, Geborgenheit und Vertrauen schenken können. Dazu lade ich Sie herzlich ein.

Mögen Sie diese herausfordernde Aufgabe als Bereicherung erleben. Ich wünsche Ihnen dazu viel Liebe, Freude, Offenheit, Mut und Vertrauen in Ihre eigenen Fähigkeiten und die Ihrer Kinder.

November 2021, Marlis Furger

Liebe Leserinnen und Leser

„Bevor ich mit meinem Mann eine Familie gründe, muss er unbedingt dieses Buch lesen!“ Dies waren meine Worte an Marlis Furger, nachdem ich ihr Buch das erste Mal gelesen hatte. Die von ihr gewählten Worte fördern eine liebevolle und wertschätzende Erziehung und die Denkanstösse im Buch regen immer wieder dazu an, über sein eigenes Handeln nachzudenken.

Zu dieser Zeit war ich als Pädagogin tätig, mit Marlis als Mentorin und Heilpädagogin an meiner Seite. In meiner Klasse durfte ich bereits viel von ihr lernen und das Gelernte gleich mit ihrer Begleitung umsetzen. Ich bin dankbar, dass Marlis ihr Wissen nun in einem Buch festhält und für alle zugänglich macht.

Beim zweiten Durcharbeiten des Buches war ich bereits Mutter von zwei Kindern. Aus einem anderen Blickwinkel entdeckte ich Abschnitte, die zuvor nicht wichtig waren oder eine andere Bedeutung hatten. So bin ich überzeugt, dass ich dieses Buch nicht das letzte Mal zur Hand nehme. In verschiedensten Phasen und Lebensabschnitten werde ich mich an Marlis wenden, sei es persönlich oder indem ich ihr Buch lese.

Marlis Furger hat es geschafft, Fachliteratur der Pädagogik in Denkanstösse für die Erziehung umzuwandeln. Persönliche Beispiele und Erlebnisse stützen das Werk und lassen viel Einblick ins Leben der vierfachen Mutter und Pädagogin zu. Ihre positive und wertschätzende Persönlichkeit ist im Buch spürbar. So passend empfinde ich auch den gewählten Titel: Die eigene Sicherheit schafft Raum für Geborgenheit. Als Mentorin hat mich Marlis in meiner Arbeit als Primarlehrerin geprägt. Dank ihrem Buch kann ich auch als Mutter von ihrem grossen, umfangreichen Wissen profitieren.

Ich wünsche Marlis alles Liebe auf ihrem Weg und Ihnen allen viel Freude beim Lesen.

Januar 2021, Jasmin Hunziker

1 Hirnforschung

2 Widerstandskraft der Seele

Einleitung

Wir alle wünschen uns im Leben einen Platz, an dem wir uns geborgen und angenommen fühlen. Mitmenschen, die uns so annehmen, wie wir sind, schaffen für uns einen Raum, in dem wir uns sicher fühlen und Geborgenheit erleben. Dadurch entwickeln wir Vertrauen in uns selbst und in das Leben. Die Pflege der Beziehung zu uns selbst und zu unseren Mitmenschen bildet die Grundlage für unsere eigene Sicherheit und Geborgenheit und für den Aufbau von Vertrauen. Wir erlangen Sicherheit, indem wir unsere eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und beachten. Dadurch schaffen wir einen verlässlichen Rahmen für sichere Bindungen.

Die Unterstützung durch die Gemeinschaft und die Grossfamilie ist in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, der Individualismus hat zugenommen. Wir Eltern, egal in welcher Familienform wir leben, sind gefordert, in der Erziehungsarbeit aktiv nach einem eigenen Weg zu suchen. Unsere Aufgabe ist die Schaffung eines vertrauensvollen Raumes, in dem sich unsere Kinder sicher und geborgen fühlen und sich entwickeln und entfalten können.

Im Zentrum meiner Ausführungen steht immer die Schaffung dieses Raumes, in dem alle Beteiligten Vertrauen in das Leben entwickeln können. Die bewusste Vorbereitung auf diese wichtige Aufgabe erscheint mir sehr wertvoll und notwendig, auch wenn ich der Meinung bin, dass wir alle das Wissen in uns haben, was Kinder brauchen. Durch unsere aktive Auseinandersetzung mit uns selbst und die regelmässige Reflexion ermöglichen wir uns den Zugang zu diesem Wissen.

Unser Vertrauen in uns und unsere Kinder, unsere Einfühlsamkeit und Verlässlichkeit hilft unseren Kindern, Vertrauen in sich und die Welt zu entwickeln und später selber sichere Bindungen zu schaffen. Sie entwickeln durch die Sicherheit, den Halt und die Orientierung ein Grundvertrauen ins Leben. Im Familienalltag lenken wir unseren Blickwinkel auf die Stärken jedes Einzelnen und freuen uns daran. So bereichert uns das Zusammenleben. Alle entwickeln ein gutes Selbstwertgefühl, welches auch zulässt, zu Schwächen zu stehen und Probleme als Chancen zu nutzen.

Gestärkt entdecken unsere Kinder ihren eigenen Weg, entfalten ihr Potenzial und werden zu einem wichtigen, aktiven Teil unserer Gesellschaft.

Für Eltern, welche sich dieser Herausforderung alleine stellen, ist es besonders wichtig, dass sie gut für sich selbst sorgen und ein unterstützendes Umfeld aufbauen, um sich sicher und gut zu fühlen. Die Pflege der Beziehung zum Partner steht daher nicht an erster Stelle, die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten jedoch schon.

1 Eltern bleiben Partner

1.1 Partnerschaft pflegen

Als Eltern begeben wir uns gemeinsam auf einen neuen, unbekannten Weg. In unserem eigenen Reisegepäck befinden sich bereits vielfältige Erfahrungen, die uns prägen und beeinflussen. Für die weitere Reise ist es wichtig zu wissen, was sich im eigenen und im Gepäck unseres Partners befindet. Der gemeinsame Weg als Paar und die gemeinsame Erziehungsaufgabe bieten uns Möglichkeiten uns zu entwickeln. Die Richtung der Entwicklung legen wir zusammen fest, um gemeinsam auf dem Weg zu bleiben und uns gegenseitig zu unterstützen.

Eine wichtige Grundlage jeder Beziehung ist das Gefühl, richtig zu sein und angenommen zu werden, so wie man ist. Dies ermöglicht, dass jeder sich sicher und geborgen fühlt, es entsteht Vertrauen und ein respektvoller, wohlwollender und einfühlsamer Umgang miteinander. Möglicherweise haben uns an unserem Partner Eigenschaften angezogen, die wir selbst nicht haben, die uns jedoch irgendwann anfangen zu stören.

Aufbau von Vertrauen und Sicherheit in der Beziehung

Vielleicht ärgern sie uns mit der Zeit gerade deshalb, weil wir diese Eigenschaft nicht haben und wir sie auch gern hätten oder weil diese Eigenschaften in uns verborgen sind und wir sie nicht zulassen. Unser Partner hat sich also nicht verändert, vielmehr sind es unsere Gefühle und unsere eigenen Gedanken über den Partner. Beispielsweise haben wir zu Beginn der Beziehung seine standhaften Überzeugungen bewundert und empfinden diese nun als Sturheit.

Betrachten wir unseren Partner mit einer positiven, wohlwollenden Einstellung, vermeiden wir die Entwicklung negativer Gefühle. Wir beobachten und hinterfragen unsere Gedanken genau und ergründen, ob sie wirklich der Realität entsprechen oder unsere Sichtweise, unsere Interpretation zeigen. Spiegelt mein Partner mir meine eigenen Gedanken über mich, handelt es sich um eine Projektion? Dabei helfen uns die Fragen: „Was gehört zu mir? Was ist mein Anteil an diesen Gefühlen? Was gehört zu meinem Partner“ Dieses Vorgehen unterstützt uns beim Loslassen von negativen Gefühlen und Gedanken, damit wir nicht in ihnen stecken bleiben und zusammen gute Gefühle teilen. Es entsteht eine gute Stimmung und dadurch ein Gefühl der Verbundenheit; wir fühlen uns sicher, wohl, nahe und zufrieden. Diese Gefühle bilden die Grundlage für eine bereichernde, tragfähige Beziehung, in der jeder seine Stärken einsetzt und bei Schwächen Unterstützung bekommt, seinen eigenen Weg gehen und sich entwickeln kann.

„Wenn Untersciede mit Respeft betrachet werden, sechen Partner sich gegenseitig als Ergänzung. Werden die Unterschiede aus einem Gefühl der Unzufriedenheit heraus gesehen, lässt das die Partner inkompatibel3 erscheinen. Es ist das Gefühl, das den Unterschied macht. Respekt und Zuneigung sind die Gefühle, die Charakterunterschiede als Vorteile in einer Beziehung erkennen. Diese Gefühle erlauben einer Person, von der anderen zu lernen.“

(Pransky, 2017, S. 28)

Für den Aufbau und Erhalt dieser Grundlage brauchen wir Zeit, unsere Beziehung benötigt Pflege. Alles, was wir für unseren Partner aus dem Gefühl der Liebe heraus tun, leistet einen Beitrag für gute Gefühle, sei es etwas Kleines wie eine herzliche Umarmung oder das liebevolle Servieren eines Kaffees, nachdem der Partner uns bekochte.

Beziehung pflegen

Einige Bedürfnisse müssen erfüllt sein, damit wir unser Potenzial ausschöpfen können. Dabei handelt es sich nicht nur um biologische Bedürfnisse wie Nahrung und Erholung, sondern auch um das Bedürfnis nach Sicherheit, Bindung und Wertschätzung4. In der Beziehung ermöglichen wir uns gegenseitig, diese Bedürfnisse zu befriedigen.

„Liebe ist gekennzeichnet durch ein hohes Mass an Verantwortung für den Partner und durch ein hohes Mass an Authentizität5. Weitere unverzichtbare Merkmale einer glücklichen Beziehung sind Wertschätzung, Zärtlichkeit, Mitfreude, Einfühlungsvermögen und das Akzeptieren von Schwächen.“

(Stahl, 2017, S. 214)

Offene Gespräche, in denen wir einander wirklich zuhören und erfahren, was der andere denkt und fühlt, vertiefen die Beziehung und schaffen ebenfalls positive Gefühle. Ein interessiertes Fragen: „Wie geht es dir?", ermöglicht es, in Verbindung zu bleiben. Wir können für regelmässige, ungestörte Gespräche einen fixen Zeitpunkt, Ort und Ablauf festlegen und uns so eine Gesprächsinsel einrichten. Bewusst erinnern wir uns daran, was uns verbindet, was wir aneinander schätzen und was wir uns voneinander wünschen. Dabei lernen wir uns immer besser kennen und nehmen uns gegenseitig so an, wie wir sind. Damit schaffen wir eine gute Gewohnheit, die positiven Gedanken und Gefühle zu beachten, das Gute im Partner und in der Beziehung zu erkennen und nicht an Negativem hängen zu bleiben. Wir pflegen regelmässig unsere Psyche, wie wir das auch mit unserem Körper tun. Gute Gefühle zeigen uns, dass wir mit uns im Reinen sind und unsere Gedanken auf das Gute gerichtet haben. Andererseits weisen uns negative Gefühle darauf hin, unsere Gedanken genauer zu betrachten. Wir kennen sowohl die eigenen Vorstellungen, Bedürfnisse, Stärken, Schwächen und Ziele wie auch jene des Partners zunehmend besser und wir können uns beide entwickeln, entspannt und authentisch6 leben und uns entfalten.

Gesprächsinsel schaffen

Ein empathischer7, respektvoller Umgang miteinander, die gegenseitige Wertschätzung und das Akzeptieren der Schwächen des Partners bilden eine gute Grundlage für eine stabile Beziehung. Aus dieser Sicherheit heraus gelingt es uns, unsere wahren Gefühle zu zeigen und sie nicht mit Hilfe von Schutzstrategien zu verbergen.

Schutzstrategien sind beispielsweise das Anstreben von Perfektion oder übermässiger Kontrolle, das Verdrängen der Realität oder das Streben nach Harmonie, indem wir uns lieber anpassen als einbringen. Bewerten, beurteilen oder interpretieren wir das Gesagte oder das Verhalten unseres Partners auf unserem Erfahrungshintergrund, dann stören wir dadurch das Verständnis füreinander und das Gefühl nach Nähe und Sicherheit. Im reflektierenden Gespräch erkennen wir unsere Schutzstrategien und setzen uns bewusst mit ihnen auseinander.

Um uns, unser gemeinsames Leben und unseren Partner besser zu verstehen, ist es sehr hilfreich, sich gegenseitig die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Das Erzählen von negativen Erfahrungen hilft uns zudem, diese zu verarbeiten. Es kann schwierig sein, schmerzhafte Eindrücke und Empfindungen in Worte zu fassen, da die schmerzhaften Gefühle ebenfalls an die Oberfläche gelangen. Es ist jedoch wichtig, dass wir auch diese Gefühle zulassen, damit sie verarbeitet und geheilt werden können.

Letensgeschichte kennen und verarbeiten

Offen, unvoreingenommen, neugierig und einfühlsam hören wir die Geschichte unseres Partners ohne sie zu bewerten. Wir fördern mit unserer einfühlsamen Haltung das Entstehen von Sicherheit und Geborgenheit. Fühlt sich unser Partner sicher, wohl und angenommen, erleichtert ihm dies das Erzählen und das Zulassen von negativen Gefühlen, beispielsweise auch von Erlebnissen, für die er sich schämt.

„Wenn wir uns die Zeit nehmen, über unsere zwischenmenschlichen und unsere inneren Erfahrungen nachzudenken, können uns die bessere Selbstkenntnis und die grössere Aufmerksamkeit in die Lage versetzen, uns weiterzu-entwickeln.“

(Siegel & Hartzell, 2014, S. 66)

Der Prozess der Heilung negativer Erlebnisse ist schmerzhaft und braucht Zeit. Heilung erfolgt nicht nach einem ersten Aussprechen. Möglicherweise setzen wir uns regelmässig immer wieder mit dem Inhalt unseres „Gepäck s“ auseinander. Wir nehmen uns aber auch Zeit, wenden uns positiven Dingen zu und bekommen Abstand zu schmerzhaften Erinnerungen. Nicht alles, was wir bereits lange mit uns tragen, erfordert das sofortige Ausräumen. Stück für Stück packen wir aus, betrachten es, lassen es zu und dann wieder los, im eigenen Tempo. Wir geben uns die Zeit, die wir dazu benötigen.

Vielleicht hilft es uns beim Erzählen, wenn wir zuerst für uns allein unsere eigene Geschichte aufschreiben. Treten dabei heftige Gefühle auf, deuten sie uns an, dass diese Erfahrung noch nicht verarbeitet ist. Das Geschriebene dient bei Gesprächen als Gedankenstütze. Zudem leistet auch das Aufschreiben einen Beitrag zur Verarbeitung.

Denkanstösse:

Wie sorgen wir in unserer Beziehung für Wohlbefinden und innere Zufriedenheit?

Wann nehmen wir uns bewusst Zeit für einander?

Welche Vorstellungen, Gefühle, Bedürfnisse und Ziele haben mein Partner und ich?

Welche Grundwerte sind uns wichtig?

Wie setzen wir uns mit unseren negativen Erfahrungen, die uns be-einfíussen, auseinander?

Was tun wir, um Projektionen und Schutzstrategien zu erkennen?

1.2 Gemeinsame Grundlage der Erziehung

Die Erziehung von Kindern ist eine gemeinsame Aufgabe. Sie erfordert einen Austausch über die selbst erlebte Erziehung, Vorbilder, Werte, Rollen und gemachte Erfahrungen. Idealerweise findet dieser Austausch bereits vor der Geburt des ersten Kindes statt. Er kann auch gemeinsam schriftlich festgehalten werden, um sich später wieder daran zu orientieren. Kindern gibt es Sicherheit, wenn sie spüren, dass ihre Eltern für gleiche Werte einstehen. All die Erfahrungen, die wir in unserer Kindheit gemacht haben, sowie die Rollen, die wir in unserer Herkunftsfamilie hatten, beeinflussen unsere eigenen Werte.

Austausch über Erfahrungen, Rollen und Werte

Wir sind also herausgefordert, unsere Kindheitserinnerungen genauer zu betrachten. Wer mit Freude an seine eigene Kindheit zurückdenkt, kann auf gute Vorbilder zurückgreifen und intuitiv8 – ruhig und angepasst – reagieren. Lösen die eigenen Kindheitserfahrungen negative Gefühle aus, dann wollen oder können wir uns nicht von ihnen leiten lassen, weil wir diese Erfahrungen unseren Kindern ersparen wollen. Sie erschweren es uns, intuitiv zu reagieren, ohne in gleiche Verhaltensmuster zu verfallen, wie wir sie erlebt haben.

Zudem sind uns nicht alle Erfahrungen bewusst. Unbeabsichtigte Reaktionen gegenüber unserem Partner und unseren Kindern, bei spielsweise, wenn wir wegen einer Kleinigkeit unkontrolliert reagieren, lassen uns erkennen, dass negative oder unabgeschlossene Erfahrungen dahinter stehen könnten. Es handelt sich dabei um vergangene Situationen, in denen wir die Gefühle nicht zulassen und regulieren konnten, weil wir dazu Hilfe oder Nähe gebraucht hätten. Die Situationen bleiben unabgeschlossen und wir bewahren sie zusammen mit den nicht zugelassenen Gefühlen auf. Den Ort dieser Aufbewahrung nennt Vivian Ditt-mar den «emotionalen Rucksack» (Dittmar, 2018). Er schützt uns in Situationen, in denen wir mit unseren Gefühlen überfordert sind und keine oder zu wenig Unterstützung erhalten. Dieser Rucksack variiert je nach der Menge unverarbeiteter Situationen in seiner Grösse.

Unbeabsichtigte Reaktionen

Unverarbeitete Gefühle tauchen in einer völlig harmlosen Situation unerwartet wieder auf, beispielsweise bekommen wir ohne ersichtlichen Grund Angst und reagieren aus dieser Angst heraus mit einem Angriff auf unser Gegenüber. Sobald sie eine Möglichkeit erhalten, treten sie an die Oberfläche, um gefühlt und damit verarbeitet und abgeschlossen zu werden. Bereits eine Bemerkung, welche eine Erinnerung weckt, reicht für das Freisetzen eines Gefühlsausbruchs aus.

Unangemessene Reaktionen zu erkennen ist bereits der erste Schritt auf dem Weg, anders mit den unverarbeiteten Gefühlen umgehen zu können. Ein positiver Gedanke, eine bewusste, ruhige Atmung oder das Verändern unserer Körperhaltung unterstützt uns in einem zweiten Schritt, uns nicht von Gefühlen überrollen zu lassen, uns zu beruhigen und unsere Gefühle zu regulieren. Wir lassen uns Zeit, um nicht unkontrolliert oder zwanghaft zu reagieren. Sobald die starken Gefühle abflachen, bekommen wir die Möglichkeit, uns selbst zu beobachten und zu erkennen, was in uns vor sich geht. Die Beobachtungspause gibt uns Abstand zur Situation und Zeit, uns bewusst für eine Reaktion zu entscheiden. Zudem kommen wir in die Lage, zu fühlen, wie sich unser Verhalten auf uns und auf andere auswirkt. Gelingt es uns, die starken Gefühle schnell wieder zu beruhigen und loszulassen, können sie uns weniger beeinflussen.

Umgang mit unverarbeiteten Gefühlen

Es ist nicht nur wichtig zu erkennen, was wir erlebt haben und was uns prägt, sondern auch wie die Erfahrung in uns weiterlebt und wie weit wir diese Ereignisse verarbeitet haben. Unsere Wahrnehmung bestimmt in ähnlichen Situationen unser Denken über uns und unsere Mitmenschen. Wir reagieren nicht bloss auf die aktuelle Situation, sondern auf eine schmerzhafte Erfahrung aus der Vergangenheit.

Ich erläutere diesen Zusammenhang anhand eines Beispiels aus meiner Kindheit. Als kleines Mädchen entfernte ich mich im Wald beim Picknickplatz von meiner Familie und fand den Rückweg nicht mehr, was bei mir Angst auslöste. Glücklicherweise wurde ich in meiner Not von meinen Eltern gefunden, jedoch erhielt ich nicht den benötigten Trost, sondern Schimpfworte. Die Gefühle der Verlassenheit und Angst verknüpften sich dadurch mit meinem Gedanken, dass ich dafür verantwortlich sei, Angst zu haben, weil ich etwas falsch gemacht habe. Sobald ich später in einer Situation Angst verspürte, fühlte ich mich schuldig.

Die Verarbeitung von solchen Erlebnissen ist also wichtig und gehört zum Weg zu innerer Sicherheit.

„Es kommt nicht darauf an, was einem Menschen widerfahren ist, sondern darauf, wie die Person die Ereignisse verarbeitet hat. Eine unterstützende Verbindung zu einem anderen Menschen kann dabei helfen, schwierige Erfahrungen im Elternhaus besser zu verstehen.“

(Siegel & Hartzell, 2014, S. 173)

Alles, was nicht verarbeitet worden ist, wird im Umgang mit unserem Partner und unseren Kindern wieder aktiviert und beeinflusst unsere Wahrnehmung. Als sich unsere jüngste Tochter in den Ferien einmal von uns entfernte und den Weg zurück nicht fand, blockierten mich meine Schuldgefühle. Ich fühlte mich wie gelähmt. Glücklicherweise konnte ich sie bald wieder heil in meine Arme schliessen, was uns sicher beiden geholfen und gut getan hat.

„Was alle Aktivierungszustände gemein haben, ist, dass wir von etwas in Beschlag genommen werden, das unsere Handlungsfähigkeit, unsere Selbststeuerung, unsere emotionale Schwingungsfähigkeit und unser rationales Reflexi onsvermögen massiv beeinträchtigt.“

(Dittmar, 2018, S. 41)

Negative, unverarbeitete Erfahrungen nehmen uns die Flexibilität und die Wahl, in Beziehungen so zu handeln, wie wir es uns wünschen. Möglich-erweise rufen sie bei uns Angst oder Wut hervor. Diese starken, der Situation unan-gemessenen Gefühle lösen bei uns einen Schutzmechanismus aus, welcher uns unterstützt, diese Gefühle schnell zu verdrängen. Wir können handeln, ohne nachdenken zu müssen. Bei einer wirklichen Bedrohung ist dies ein hilfreicher Mechanismus, nicht jedoch in alltäglichen Situationen. Die innere Unruhe, Gedanken und Gefühle hindern uns daran, Impulse zu unterdrücken und Erregungszustände zu regulieren und somit bewusst und überlegt zu handeln. Wir brauchen unsere Selbstregulation, die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung. Sie verhilft uns dazu, unseren erregten Zustand zu beenden oder zu verändern, um uns nicht von ihm überwältigen zu lassen. Gelingt es uns, uns zu beherrschen, die aufkommende Erregung zu erkennen, zu beeinflussen und wieder loszulassen, handeln wir selbstwirksam9 und selbstbestimmt.

Selbstregulation