Die Energiewende ist eine Menschenwende. - Dr. Claus Hartmann - E-Book

Die Energiewende ist eine Menschenwende. E-Book

Dr. Claus Hartmann

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Beschreibung

Die Energiewende darf nicht daran scheitern, dass wir Menschen uns nicht verändern wollen. Besonders die Energiepreissteigerungen seit Herbst 2021 und der Ukraine-Konflikt seit Februar 2022 haben gezeigt, dass es allerhöchste Zeit wird, nicht länger über die Energiewende zu sprechen, sondern sie tatsächlich umzusetzen. Dieses Buch gibt wertvolle Impulse, wie der nachhaltige Wandel in der Energiewirtschaft gelingen kann. Es gibt aus der Praxis hilfreiche Tipps und Hinweise, die durch hochkarätige Interviewgäste noch ergänzt werden. Und das alles mit dem Ziel, dass wir mit dieser Transformation die natürlichen Lebensgrundlagen für unsere Kinder und Enkel erhalten. »Alles, was wir an Problemen haben, ist schon deshalb lösbar, weil sie von Menschen geschaffen worden sind.« Dr. Franz Alt, Autor und Fernsehjournalist »Wir brauchen eine echte Energierevolution anstelle einer lauen Energiewende.« Prof. Dr. Volker Quaschning, Wissenschaftler und Autor »Der Zubau der erneuerbaren Energien ist viel zu schwach und hat in den letzten Jahren sogar abgenommen. Diesen Trend gilt es zu stoppen.« Dr. Ingrid Nestle, Mitglied des Deutschen Bundestages

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Die Energiewende ist eine Menschenwende.

1. Auflage, erschienen 9-2022

Umschlaggestaltung: Dr. Claus Hartmann

Text: Dr. Claus Hartmann

Layout: Romeon Verlag

ISBN: 978-3-96229-681-0

www.romeon-verlag.de

Copyright © Romeon Verlag, Jüchen

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadenersatz.

Alle im Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse usw. wurden vom Autor nach bestem Gewissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Verlages. Er übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

DIE

ENERGIEWENDE

IST EINE

MENSCHENWENDE.

Dr. Claus Hartmann

Inhalt

Vorwort

Hinweise zum Lesen

1Warum brauchen wir die Energiewende?

1.1Persönliche Hinführung

1.2Der Mensch hat Einfluss auf den Klimawandel

1.3Folgen des Klimawandels

1.4Ursachen des Klimawandels

1.5Interview Prof. Dr. Manfred Fischedick

1.6Was können wir gegen den Klimawandel tun?

1.6.1Exkurs: Negative CO2-Emissionen

1.7Interview Dr. Franz Alt

1.8Die Energiewende ist unverzichtbar

1.9Zur Nachhaltigkeit der Energiewende

2Was alles ist die Energiewende?

2.1Stromwende

2.1.1Unterschied zwischen Leistung und Arbeit

2.1.2Welche Techniken?

2.1.3Strom muss teurer und billiger werden

2.2Wärmewende

2.2.1Fernwärme

2.2.2Wärmepumpe

2.3Verkehrswende

2.4Weitere Wenden: Industrie, Landwirtschaft etc.

2.5Sektorenkopplung

2.6Stand und Herausforderungen der Energiewende

2.6.1Stand der Energiewende

2.6.2Die Stromlücke muss geschlossen werden

2.6.3Der passende rechtliche Rahmen

2.6.4Einfach machen

2.7Interview Prof. Dr. Volker Quaschning

2.8Digitalisierung der Energiewende

2.9Stadtwerke als wichtiger Akteur der Energiewende

2.10Interview Dr. Thorsten Radensleben

3Wie gelingt die Energiewende?

3.1Die Energiewende ist eine Menschenwende

3.2Mut zur Veränderung

3.2.1Intuition statt Verstand

3.2.2Mein Weg zur schlechtesten Führungskraft

3.2.3Veränderung fällt schwer

3.2.4Warum wollen wir uns nicht verändern?

3.2.5Wie gelingt Veränderung?

3.3Unser Lebensglück hängt nicht am Energieverbrauch

3.3.1Entwicklung des Energieverbrauchs

3.3.2Selbstbewusstsein löst den Zusammenhang aus Energieverbrauch und Zufriedenheit auf

3.4Stadtwerke als Treiber der Energiewende

3.4.1Kundenzentrierte Digitalisierung

3.4.2Kreative Sektorenkopplung als Chance der Energiewende

3.4.3Stadtwerke-Allianz oder Internetriesen?

3.4.4Wo steht mein Unternehmen?

3.5Interview Maik Render

3.6Kreative Lösungen entstehen lassen

3.7Interview Dr. Ingrid Nestle

3.8Es braucht ein neues Energiebewusstsein

3.8.1Unser Fokus entscheidet über unsere Welt

3.8.2Berufung macht glücklich und suffizient

3.8.3Obsoleszenz schadet der Energieeffizienz

3.9Erfolgsroutinen auf dem Weg zur Energiewende

4Wofür machen wir die Energiewende?

4.1Interview Sven Gábor Jánszky

5Was kannst du konkret tun?

Extras

Quellenverzeichnis

Danksagung

Über den Autor

Vorwort

Bereits seit Jahrzehnten ist der menschliche Einfluss auf den Klimawandel sowohl in der Wissenschaft als auch in der breiten Bevölkerung bekannt. Trotz dieses Wissens haben die allermeisten Länder noch keine nachhaltige Trendumkehr bei Ausstoß von Treibhausgasen realisiert. Schnell rückt der Zeitpunkt näher, ab dem eine Begrenzung des Klimawandels auf die in Paris vereinbarten 1,5 °C nicht mehr möglich sein wird, so dass katastrophale Auswirkungen nicht mehr vermieden werden können. Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC aus dem Jahr 2022 warnt, dass eine drastische Reduktion der Treibhausgasemissionen notwendig ist, um eine globale Erwärmung von 3 °C und mehr in diesem Jahrhundert zu verhindern. Ohne einschneidende Klimaschutzmaßnahmen kann die globale Mitteltemperatur langfristig um 8 °C zunehmen. Der Planet wird damit für Menschen zunehmend unbewohnbar.

Dabei ist schon seit Jahren klar, wie ein erneuerbares Energiesystem, der Kern aller entschiedenen Klimaschutzmaßnahmen, aussehen kann, das zu 100% auf erneuerbaren Energieträgern basiert und ohne fossile oder atomare Energieträger auskommt. Dies hat beispielsweise der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) bereits im Jahr 2011 im Sondergutachten »Wege zur 100 % erneuerbaren Stromversorgung« belegt.

Dennoch gelingt der Umstieg auf erneuerbare Energieträger noch nicht in dem notwendigen Tempo. Aus meiner Lehr- und Beratungstätigkeit aus Barbados oder den Seychellen weiß ich, wie viel schneller dieser Umstieg möglich ist – wenn er denn politisch gewollt ist. So wird Barbados sein Energiesystem und den Verkehr bis 2030 vollständig auf erneuerbare Energie umstellen. Doch auch in Deutschland stehen wir in der Verantwortung, die Energiewende schnell umzusetzen: Zum einen, weil wir mit unseren historischen Treibhausgasemissionen erheblich zur heutigen CO2-Konzentration beigetragen haben. Zum anderen, weil das hoch entwickelte Industrieland Deutschland immer noch als Vorbild für andere Länder dient und wir keine falschen Entwicklungsimpulse geben dürfen.

Nicht zuletzt haben die stark gestiegenen Energiepreise seit Herbst 2021 in Verbindung mit dem Krieg in der Ukraine dazu geführt, dass das Thema Energiewende wieder ganz oben auf der Agenda steht. Durch die hohen Energiepreise lohnen sich mittlerweile viele Maßnahmen, die vor einigen Jahren noch unwirtschaftlich waren.

In dem vorliegenden Buch schildert Claus Hartmann auf Basis seiner 15 Jahre Erfahrung in der Energiewirtschaft, warum dieser Wandel häufig so langsam erfolgt und inwiefern der Faktor Mensch hierbei eine entscheidende Rolle spielt. Der Titel des Buches lässt es schon erahnen, dass die Energiewende heute weniger eine Frage von Technik oder Wirtschaftlichkeit ist, sondern mehr eine Frage des Bewusstseinswandels der Menschen.

Vor dem Hintergrund meiner mehr als 40-jährigen internationalen Auseinandersetzung mit dem nachhaltigen Umbau der Energiewirtschaft – egal ob als Berater von Regierungen, Mitglied des IPCC, als Angehöriger des Sachverständigenrats für Umweltfragen, als Wissenschaftler der Fraunhofer-Gesellschaft oder als Hochschullehrer kann ich diese Einschätzung nur bestätigen. Gleichzeitig hoffe ich, dass der nachhaltige Wandel in den Köpfen der Menschen noch ausreichend schnell stattfindet, um die natürlichen Lebensgrundlagen für die Menschheit zu erhalten. Es geht um nichts weniger als das erfolgreiche Überleben unserer Spezies auf diesem wunderschönen Planeten.

Prof. Dr. Olav Hohmeyer

Hinweise zum Lesen

Wenn es für dich in Ordnung ist, dann möchte ich dir für die Lektüre dieses Buches gerne das Du anbieten, damit du die Inhalte dieses Buches noch besser aufnehmen kannst.

Was erwartest du von diesem Buch? Nimm dir für diese Frage wirklich mal einen Moment Zeit und stelle dir vor, was nach der Lektüre dieses Buches anders ist. Denn ich kann dir versprechen, dass du genau das dann auch erleben wirst, weil wir Menschen immer das im Leben erkennen, was wir sehen wollen – ein jeder von uns kreiert sich seine eigene Wirklichkeit. Dessen sind sich die meisten Menschen gar nicht bewusst. Da ich selber kein großer Fan von sogenannten Workbooks bin, gibt es hier keine Box, wo du deine Erwartungen direkt hineinschreiben kannst. Ich habe nämlich immer Hemmungen, in Bücher meine Anmerkungen hineinzuschreiben. Deswegen empfehle ich dir, einfach ein leeres Blatt Papier zu nehmen und die Erwartungen an dieses Buch stichpunktartig obendrauf zu schreiben. Das mache ich übrigens auch immer so, wenn ich Bücher lese – den restlichen Zettel kannst du dafür nutzen, dass du dir die Stellen aufschreibst, an denen du (wie von Geisterhand) die zu deinen Erwartungen passenden Impulse in diesem Buch gefunden hast.

Dieses Buch ist nicht so gedacht, dass ich dir die ganze Energiewende auf einmal erkläre. Das wäre vermessen und viel zu umfangreich für ein Buch. Es ist vielmehr dafür gedacht, dir gewisse Teilbereiche der Energiewende näher zu bringen, die ich in den vergangenen Jahren aktiv begleiten durfte und die auch für die kommenden Jahre von entscheidender Bedeutung sein werden. Dazu werde ich dir Geschichten erzählen – und zwar meine Geschichten, die ich erlebt habe und die mich dazu verleitet haben, die These aufzustellen, dass die Energiewende eine Menschenwende ist. Es sind aber auch die Geschichten und Ansichten meiner Interviewpartner mit in das Buch eingeflossen, die die Energiewende aus ihrer Sicht beschreiben und ihren Blick darauf offenlegen.

Dieses Buch ist so geschrieben, dass du es als Teil der Abend- oder Morgenroutine lesen kannst, deswegen haben die meisten Unterkapitel eine Länge von maximal acht Seiten. Wenn du dich jetzt fragst, was eigentlich deine Routine am Morgen oder Abend ist, dann kann ich dich beruhigen, dass ich mir meiner Morgenroutine vor ein paar Jahren auch noch nicht bewusst war.

Michael Jordan hat jedoch (sinngemäß) gesagt, dass deine Standards die Qualität deines Lebens bestimmen.

Und damit sind keine Freiwürfe gemeint, sondern diejenigen Dinge, die du in deinem Leben immer und immer wiederholst, bis sie zu deinen absoluten Routinen geworden sind. Ich bin mir sicher, dass du (bewusst oder unbewusst) eine feste Routine am Morgen und Abend hast und überlege dir einfach mal, inwiefern die Lektüre eines Buches diesen Ablauf bereichern kann.

Deine Standards bestimmen die Qualität deines Lebens.

Für diejenigen Leser, die ein Buch nicht Zeile für Zeile lesen, sondern Meister des Querlesens sind, habe ich die Kernbotschaften optisch hervorgehoben, damit diese möglichst schnell ins Auge fallen. Auch für die Alles-Leser stellt das noch mal eine schöne Betonung der in meinen Augen wichtigsten Inhalte dar.

Der Aufbau des Buches ist dreigeteilt:

•Im ersten Kapitel geht es um die Frage, warum wir überhaupt eine Energiewende benötigen.

•Das zweite Kapitel beschäftigt sich damit, was alles zur Energiewende dazugehört.

•Und im dritten Kapitel schauen wir darauf, wie uns die Energiewende gelingen kann.

Jetzt wünsche ich dir viel Freude beim Lesen dieses Buches und hoffe, dass dein weißes Blatt Papier am Ende die für dich passenden Impulse beinhaltet.

1 Warum brauchen wir die Energiewende?

Warum brauchen wir überhaupt die Energiewende? Diese Frage kann in meinen Augen nur beantwortet werden, wenn wir uns überlegen, wie unsere Zukunft ohne Energiewende aussehen würde. Da es sich hierbei natürlich um Prognosen handelt, sind diese fehleranfällig und per se ungenau – jedoch haben wir für die Zukunft häufig keine bessere Möglichkeit diese vorherzusagen. Deswegen gehen wir in diesem Kapitel etwas genauer auf das Thema Klimawandel ein.

Eine andere Möglichkeit neben der Verwendung von Szenario-Berechnungen oder anderer wissenschaftlicher Methoden ist die Verwendung der eigenen Intuition. Das mag für dich zunächst etwas befremdlich klingen, da wir es ja gewohnt sind, dass wir unsere Wahrheiten über die Wirklichkeit gerne mittels neutral gemessener Daten bestimmen wollen. Häufig gibt uns unsere eigene Intuition jedoch einen Hinweis darauf, was für uns und womöglich die ganze Menschheit das richtige Vorgehen ist. Deswegen starte ich mit einer kurzen persönlichen Hinführung, wie ich in meinem Leben zur Energiewende gefunden habe.

1.1 Persönliche Hinführung

Die ersten 18 Jahre meines Lebens waren von der Landwirtschaft geprägt. Die meisten Jahre davon hatte mein Vater Milchkühe, die morgens und abends gemolken wurden, sodass wir den Begriff Urlaub nicht kannten. Das habe ich als Kind jedoch nie vermisst, denn du vermisst nichts, was du nicht kennst. Als ich dann im Alter von 19 Jahren das erste Mal mit meiner späteren Frau Sabrina im Urlaub war, habe ich jedoch gemerkt, wie schön ein Urlaub sein kann.

So ähnlich war es mit einer anderen zentralen Erkenntnis, die ich mir erst Jahre später bewusst gemacht hatte, als ich schon gar nicht mehr auf dem elterlichen Hof in Groß Vollstedt gelebt habe: Als Landwirt denkst du unweigerlich nachhaltig. Zum einen hat ein Landwirt in seinem Leben nur 40 Versuche – 40-mal darf er auf seinen Feldern etwas aussäen und im Idealfall im kommenden Jahr eine reichhaltige Ernte einfahren. Das bedeutet, dass mein Vater in der Regel keine vorschnellen Entscheidungen getroffen hat und dass er jede neue Idee wohl abgewogen hat. Noch extremer ist es mit den Investitions-entscheidungen: Bei diesen Entscheidungen ist es meistens so, dass diese über die eigenen 40 Zyklen hinausreichen und dass womöglich erst die nachfolgende Generation die Früchte dieser Entscheidungen ernten wird. Das sind Denkansätze und Verhaltensweisen, die wir heute in der Energiewirtschaft dringend benötigen. Denn hier denken wir mittlerweile zu häufig in Jahresplänen oder maximal in 5-Jahres-Strategien.

Was in der heutigen Zeit hinzugekommen ist und Entscheidungen erschwert, ist das Thema Variantenvielfalt. Auch in meinem Leben hat sich die Variantenvielfalt bemerkbar gemacht und ich habe als erster Hartmann-Erstgeborener seit dem 17. Jahrhundert nicht unmittelbar den Beruf des Landwirts ergriffen. Sei es aus Protest, etwas anderes machen zu wollen oder aus der Erkenntnis heraus, dass ein Hof mit knapp 50 Hektar wenig zukunftsträchtig ist. So ging ich zur Daimler AG, um dort im dualen Studium Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren – eine vermeintlich freie Entscheidung, die sicherlich nur unwesentlich davon geprägt war, dass ich in meinen 18 Jahren davor immer mit einem Mercedes gefahren worden bin. Doch zum freien Willen kommen wir später noch genauer, denn auch dieser hängt mit der Energiewende in meinen Augen zusammen.

Nachdem ich die sechs Semester Studium und die sechs abwechslungsreichen Praktika in unterschiedlichen Abteilungen wirklich genossen habe, war ich dann im Oktober 2005 endlich am vermeintlichen Ziel: Ich war Qualitätsingenieur für den Bereich Rohbau im Werk Sindelfingen. Jeden Monat gab es ein sicheres und (aus damaliger Sicht) üppiges Gehalt und ich hatte schon gleich richtig viel Verantwortung – zumindest für einen Großkonzern: Für über 50 Kollegen durfte ich festlegen, wie die Rohbauqualität von C-Klasse, E-Klasse und S-Klasse geprüft wird und in Qualitätsforen mit richtig wichtigen Führungskräften im Rohbau diskutieren, ob sie einen guten Job gemacht haben. Viele Menschen an meiner Stelle hätten es sich hier gemütlich eingerichtet: Firmenwagen, Hausbau, Familiengründung, beim Daimler bis zur Rente bleiben. Ich hatte jedoch ein Störgefühl: Jeden Morgen, wenn ich meinen blauen Audi A3 auf dem Mitarbeiterparkplatz außerhalb vom Werk abgestellt habe und um kurz vor 7:00 Uhr auf dem Weg zu unserer Frühbesprechung war, bin ich an der Halle vorbeigegangen, wo die fertig montierten Autos im Minutentakt herausgefahren worden: Mal ein E 400 CDI, dann ein S 500, vielleicht auch mal ein CL 600 – der Inbegriff höchster Ingenieurskunst. Und dann habe ich bei mir gespürt, dass das doch nicht die Zukunft der Mobilität sein kann, dass wir Menschen uns mit bestenfalls knapp unter 10 Litern Spritverbrauch und schlimmstenfalls mit mehr als 20 Litern Spritverbrauch durch die Gegend bewegen. Und vor allem habe ich gespürt, dass es nicht meine Zukunft ist. Denn ich hatte ja in der Landwirtschaft gelernt, was es bedeutet, sich nachhaltig zu verhalten.

Es gibt im Leben keine Zufälle, sondern es fällt dir immer das zu, was fällig ist.

Wie ich später von Dieter Lange gelernt habe, gibt es im Leben keine Zufälle, sondern es fällt dir immer das zu, was fällig ist – und so habe ich nach nur wenigen Monaten als Qualitäts-ingenieur in der Nachbargemeinde Rottenburg am Neckar das Studium »Nachhaltige Energietechnik und Energiewirtschaft« für mich gefunden und aufgenommen sowie zum Teilzeit-Qualitätsingenieur umgestellt. Auf einmal passte für mich alles zusammen: Endlich konnte ich mit dem, was ich tagsüber machte, die Welt retten. Das Studium flog an mir vorüber. Nachdem wir wieder im hohen Norden waren, ging die Promotion an der Universität Flensburg (zumindest im Nachhinein betrachtet) leicht von der Hand und auch die ersten Jahre bei den Stadtwerken Flensburg waren ein Geschenk, da es darum ging, wie wir das Heizkraftwerk Flensburg bis 2050 CO2-neutral bekommen. Ein Highlight in diesen Jahren war sicherlich der Bau des ersten Elektrokessels zur Erbringung von Regelenergie in Deutschland – doch dazu später noch mehr, was dabei alles so schiefgehen kann.

Und auch hier ist die Frage erlaubt, warum ich mich dann als jüngster Abteilungsleiter der Stadtwerke Flensburg nach sieben Jahren zum jüngsten Ex-Abteilungsleiter gemacht habe und nicht zumindest diesen Job artgerecht bis zur Rente durchgezogen habe. Hierfür gibt es für mich mindestens zwei gute Gründe: Zum einen habe ich für mich erkannt, dass ich in meinem Berufsleben regelmäßige Abwechslung benötige: Da war ein BA-Studium mit dreimonatigem Praktikum perfekt – die Stadtwerke Flensburg wollten und konnten jedoch nicht im gleichen Intervall die Führungskräfte rollieren lassen. Zum anderen erkannte ich in mir ein Bild, das mich seitdem in meinem Leben unheimlich antreibt und regelmäßig Tränen in meine Augen treibt: Wenn ich im Jahr 2055 mit meiner Frau Sabrina unsere goldene Hochzeit feiere, sehe ich uns auf einer Holzbank unter einem großen, alten Baum sitzen. Und auf dem grünen Rasen spielen unsere drei Kinder Bjarne, Milena und Valentina mit ihren Kindern. In dem Moment möchte ich eine Frage nicht gestellt bekommen, ohne sie adäquat beantworten zu können: »Opa, warum hast du nichts für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen getan, obwohl du alle Talente und alle Fähigkeiten dafür in dir hattest?«

Opa, warum hast du nichts für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen getan, obwohl du alle Talente und alle Fähigkeiten dafür in dir hattest?

Deswegen habe ich eine Entscheidung getroffen: Nämlich, dass ich meine bequeme Anstellung bei den Stadtwerken Flensburg verlassen muss und meine wahren Talente finden werde und diese zum Wohl der Menschheit einsetzen werde.

Denn Pablo Picasso hat schon gesagt: »Der Sinn des Lebens besteht darin, deine Gabe zu finden. Der Zweck des Lebens ist, sie zu verschenken.« Deswegen begleite ich seit Juli 2020 den nachhaltigen Wandel in der Energiewirtschaft in Form von Vorträgen, Workshops und Beratungen und gehe erst in Rente, wenn die Energiewende erfolgreich abgeschlossen ist.

Der Sinn des Lebens besteht darin, deine Gabe zu finden. Der Zweck des Lebens ist, sie zu verschenken.

Nach dieser sehr persönlichen Einführung möchte ich dir in den folgenden Kapiteln näherbringen, warum wir die Energiewende überhaupt benötigen. Denn in meinen Augen ist die Energiewende mehr als ein Instrument, um dem Klimawandel zu begegnen: Wir brauchen die Energiewende, um die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten zu ermöglichen.

1.2 Der Mensch hat Einfluss auf den Klimawandel

Seitdem in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Menschheit begonnen hat, regelmäßig Lufttemperaturen zu messen, ist die mittlere Welttemperatur um rund 1,2 °C angestiegen (vgl. Abbildung 1).

Abweichung der globalen Lufttemperatur vom Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900*

Abbildung 1: Abweichung der globalen Lufttemperatur vom Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 [UBA, 2021]

Hierbei ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um den Mittelwert aller globalen Messstationen handelt. Denn mancherorts sind die Temperaturen stärker angestiegen, so zum Beispiel in Deutschland um 1,6 °C, sodass es andere Regionen geben muss, wo der Anstieg bislang weniger stark ausgefallen ist. Das mag zunächst wenig klingen, doch sind die 19 wärmsten Jahre alle nach dem Jahr 2000 aufgezeichnet worden. Das bedeutet für mich, dass wir in den letzten Jahren einen ganz klaren Trend haben, den du vielleicht auch schon ein Stück weit wahrgenommen hast: Hatten wir früher nicht häufiger und mehr Schnee? Müssen wir heute unsere Gärten nicht länger und intensiver im Sommer wässern? Hat sich die Vegetationszeit nicht in den letzten Jahren immer mehr ausgedehnt, sodass die Landwirte zum Teil schon zwei Ernten im Jahr einfahren?

Auch wenn man in die weitere Vergangenheit schaut, erkennt man, dass dieser Temperaturanstieg in der Erdgeschichte einzigartig ist. Für diese Zeiträume existieren freilich keine Temperaturmessungen, doch mithilfe von Analysen von abgelagerten Sedimenten oder Eisbohrkernen, die das Eis von vielen Tausend Jahren beinhalten, können Aussagen für vergangene Zeiten vorgenommen werden. In der Antarktis ist Eis geborgen worden, das bis zu 800.000 Jahre alt ist.

In Abbildung 2 ist für die vergangenen 350.000 Jahre dargestellt, wie sich die Temperaturen und parallel dazu die CO2-Konzentration in der Atmosphäre entwickelt hat. Es ist deutlich zu erkennen, dass es eine parallele Entwicklung dieser Kurven gibt. Die Wissenschaft ist sich jedoch recht sicher, dass in der Vergangenheit vor 1800 die Temperaturanstiege erst in der Folge zu einer Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre geführt haben, die dann wiederum durch den Strahlungsantrieb eine weitere Temperaturerhöhung unterstützt hat. Unter dem Strahlungsantrieb versteht man die Wirkung des CO2 auf den Treibhauseffekt.

Abbildung 2: Verlauf der Temperatur in der Antarktis (blau) und der globalen CO2-Konzentration (grün) der letzten 350.000 Jahre [Rahmstorf und Neu, 2004, S. 2]

Der Treibhauseffekt an sich ist erst mal sogar gut für das Leben auf der Erde: Nur durch die Zusammensetzung unserer Atmosphäre erhöht sich die mittlere Oberflächentemperatur um rund 33-36 °C. Ohne den Treibhauseffekt hätten wir im Schnitt Minusgrade an der Erdoberfläche [Rahmstorf und Schellnhuber, 2007, S. 31]. In Laborversuchen ist überdies eindeutig nachgewiesen worden, dass mehr CO2 zu einem Anstieg des Treibhauseffekts führt, der dann wiederum zu einem weiteren Temperaturanstieg führt.

Natürlich gibt es an dieser Stelle auch andere Meinungen, die ich hier gar nicht unerwähnt lassen möchte. Diese sogenannten Klimawandelskeptiker gehen zum Teil davon aus, dass es gar keinen Klimawandel gibt, und zum Teil, dass der bereits zu beobachtende Klimawandel nicht menschengemacht ist. An dieser Stelle passt das Zitat von Arthur Schopenhauer: »Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.« Und das meine ich gar nicht despektierlich, sondern ich bin mir sicher, dass wenn der Fokus darauf liegt, dass der Klimawandel nicht existiert oder er zumindest nicht vom Menschen verursacht wird, dass diese Menschen dann auch die dazu passenden Informationen in ihrem Leben vermehrt wahrnehmen. Das ist dann so ähnlich wie Frauen, die gerne schwanger werden wollen und in der Folge nur noch Babybäuche, Kinderwagen und Umstandsmode wahrnehmen, obwohl diese Dinge wahrscheinlich vor dem Babywunsch auch schon in ihrer Umgebung vorhanden waren, jedoch von der Frau einfach nicht bewusst wahrgenommen worden sind. Der Grund hierfür ist, dass wir doch ohnehin nur einen begrenzten Teil unserer Realität bewusst wahrnehmen können. Die Wissenschaft schätzt, dass wir mit unseren fünf Sinnen ca. 40 Informationseinheiten pro Sekunde wahrnehmen können, obwohl die gesamte Realität aus rund 400 Mio. Informationseinheiten pro Sekunde besteht. Insofern ist es naheliegend, dass ein jeder die Welt mit seinen Augen sieht und am Ende Realität verhandelbar ist – so wie es Hermann Scherer so schön auf den Punkt gebracht hat.

»Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.«

Zurück zu den Klimawandelskeptikern: Ich kann ihren Argumentationslinien an einigen Stellen sogar folgen und nachvollziehen, wie man zu dem Schluss kommen kann, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gibt. Vor dem Hintergrund, dass sich die Anzahl der Skeptiker in den vergangenen Jahrzehnten verringert hat und auf der anderen Seite die schon heute messbaren Temperaturverläufe, das Abschmelzen von Gletschern und der Rückgang des Nordpolareises eine eindeutige Sprache sprechen, glaube ich persönlich nicht daran, dass sich in der Zukunft der menschengemachte Klimawandel als Trugschluss herausstellt. Und selbst wenn dem so sein sollte, dann wäre das zum einen eine positive Überraschung. Zum anderen halte ich die Energiewende immer noch für vernünftig, weil wir damit unser Verhalten an das Vorhandensein momentan verfügbarer Ressourcen anpassen und nicht weiterhin die Vorräte von Millionen von Jahren binnen kürzester Zeit aufbrauchen.

1.3 Folgen des Klimawandels

Der schwedische Wissenschaftler Hans Rosling weist in seinem Buch »Factfulness« auf über 300 Seiten statistisch nach, dass es uns viel besser geht, als uns die Medien es vielleicht manchmal glauben lassen: Weniger Kriege, weniger Hungernde, mehr Gesundheit [Rosling, 2020, S. 287]. Es gibt derzeit lediglich fünf globale Risiken für die Menschheit, die uns beunruhigen sollten, und eine davon ist der Klimawandel. Und das vor allem deswegen, weil die bisher ergriffenen Gegenmaßnahmen viel zu vorsichtig gewesen sind und weil die verbleibende Zeit für wirksame Gegenmaßnahmen immer begrenzter wird.

Es gibt derzeit lediglich fünf globale Risiken für die Menschheit, die uns beunruhigen sollten, und eine davon ist der Klimawandel.

Die Folgen des Klimawandels sind wirklich weitreichend und können von der Wissenschaft in vielen Bereichen nur mit großen Unsicherheiten prognostiziert werden. Der Grund hierfür ist, dass wir einen derart schnellen und sprunghaften Anstieg der CO2-Emissionen in der Geschichte der Menschheit bislang noch nicht erlebt haben. Es gibt eine vergleichbare Phase vor 55 Millionen Jahren, als durch ein dramatisches Ereignis die mittlere Temperatur um 5-6 °C angestiegen ist. Die Analyse von Sedimentablagerungen ergibt, dass in einer kurzen Phase von weniger als 1000 Jahren große Mengen an Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt sind. Die Ursache hierfür ist unklar – vielleicht war es starke Vulkanaktivität oder ein Meteoriteneinschlag [Rahmstorf und Schellnhuber, 2007, S. 19].