Die Entschlüsselung des Alterns - Elizabeth Blackburn - E-Book
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Die Entschlüsselung des Alterns E-Book

Elizabeth Blackburn

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  • Herausgeber: Mosaik
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Telomere sind die Schutzkappen unserer Chromosomen und damit direkt mit der Zellalterung sowie dem Entstehen vieler Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Herzkreislaufbeschwerden verbunden. Nobelpreisträgerin Dr. Elizabeth Blackburn und ihre Kollegin Dr. Elissa Epel haben in jahrelanger Forschung herausgefunden, woraus unsere Telomere bestehen und wie wir sie erhalten können.

Wissenschaftlich fundiert und praktisch erklärt: In diesem Buch finden Sie die Anleitung für einen vitalen Körper. Bleiben Sie jung und gesund – ein Leben lang.

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Seitenzahl: 558

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Prof. Dr. Elizabeth Blackburn

Prof. Dr. Elissa Epel

Die Entschlüsselung des Alterns

Buch

Telomere sind die Schutzkappen unserer Chromosomen und damit direkt mit der Zellalterung sowie dem Entstehen vieler Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Herzkreislaufbeschwerden verbunden. Nobelpreisträgerin Dr. Elizabeth Blackburn und ihre Kollegin Dr. Elissa Epel haben in jahrelanger Forschung herausgefunden, woraus unsere Telomere bestehen und wie wir sie erhalten können. Wissenschaftlich fundiert und praktisch erklärt: In diesem Buch finden Sie die Anleitung für einen vitalen Körper. Bleiben Sie jung und gesund – ein Leben lang.

Autorinnen

Prof. Dr. Elizabeth Blackburn, geboren 1948, ist eine australisch-amerikanische Molekularbiologin. Seit 1990 lehrt und forscht sie als Professorin für Biologie und Physiologie an der Universität von San Francisco zu Telomeren und Telomerase. 2007 wurde sie vom Time-Magazin unter die »100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt« gewählt und erhielt 2009 den Nobelpreis für Medizin für ihre Ergebnisse aus der Telomerforschung. Sie lebt mit ihrer Familie in Kalifornien, USA.

Prof. Dr. Elissa Epel studierte Psychologie an den Eliteuniversitäten Stanford und Yale. Heute arbeitet sie als Professorin an der University of California in San Francisco und forscht seit vielen Jahren zu Telomeren und deren Auswirkung auf das biologische Altern. Für ihre wissenschaftliche Arbeit wurde sie bereits mit zahlreichen Preisen geehrt. Sie lebt mit ihrer Familie in San Francisco, USA.

Prof. Dr. Elizabeth Blackburn

Prof. Dr. Elissa Epel

Die Entschlüsselung

des Alterns

Der Telomer-Effekt

Aus dem Amerikanischen

von Thorsten Schmidt

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Copyright © 2017 Wilhelm Goldmann, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Copyright © 2017 der Originalausgabe: Elizabeth Blackburn und Elissa Epel Originaltitel: The Telomere Effect Originalverlag: Grand Central Publishing, New York, USA. Cover: *zeichenpool Covermotiv: shutterstock/Alona_S (Background), shutterstock/lavendertime (Dreiecke) Illustrationen: Colleen Patterson, Colleen Paterson Design Redaktion: Antje Steinhäuser

Ich widme dieses Buch John und Ben, die meinem Leben Freude und Sinn verleihen. – Elizabeth Blackburn

Ich widme dieses Buch meinen Eltern, David und Lois, die auch in hohem Alter noch von Lebensenergie und -freude sprühen, sowie Jack und Danny, die meine Zellen glücklich machen. – Elissa Epel

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Eine Geschichte von zwei Telomeren

Teil einsTelomere: Wie wir länger jung bleiben können

Kapitel 1: Die negativen Folgen vorzeitiger Zellalterung

Kapitel 2: Die Macht langer Telomere

Kapitel 3: Telomerase, das Enzym, das Telomere erneuert

Verjüngungslabor: Ein Leitfaden

Teil zweiIhre Zellen lauschen Ihren Gedanken

Test: Ihr Stressreaktionsstil

Kapitel 4: Enträtselt – Was Stress mit unseren Zellen macht

Verjüngungslabor

Kapitel 5: Kümmern Sie sich um Ihre Telomere: Negatives Denken, resilientes Denken

Verjüngungslabor

Test: Wie beeinflusst Ihre Persönlichkeit Ihre Stressreaktionen?

Kapitel 6: Wenn Blau zu Grau wird: Depression und Angst

Verjüngungslabor

Spezial-Tipps für die Verjüngung

Stressabbau fördert die Instandhaltung der Telomere

Teil dreiHelfen Sie Ihrem Körper, seine Zellen zu schützen

Test: Schätzen Sie Ihren persönlichen Telomer-Status ein. Welchen Schutz- und Risikofaktoren sind Sie ausgesetzt?

Kapitel 7: Trainieren Sie Ihre Telomere: Wie viel körperliche Aktivität ist ausreichend?

Verjüngungslabor

Kapitel 8: Abgenutzte Telomere: Von der Erschöpfung zur Regenerierung

Verjüngungslabor

Kapitel 9: Telomere und ein gesunder Stoffwechsel

Verjüngungslabor

Kapitel 10: Nahrung und Telomere: Gesunde Zellen durch gesunde Ernährung

Verjüngungslabor

Spezial-Tipps für die Verjüngung

Wissenschaftliche Empfehlungen für dauerhafte Verhaltensänderungen

Ihr Telomer-Gesundheitsplan

Teil vierVon außen nach innen: Wie sich soziale Kontakte auf unsere Telomere auswirken

Kapitel 11: Die Orte und Gesichter, die unseren Telomeren förderlich sind

Verjüngungslabor

Kapitel 12: Schwangerschaft: Zelluläres Altern beginnt im Mutterleib

Verjüngungslabor

Kapitel 13: Auf die Kindheit kommt es an: Wie sich die ersten Lebensjahre auf unsere Telomere auswirken

Verjüngungslabor

Schluss: Telomere als Gesundheitsindikatoren

Anhang

Das Telomer-Manifest

Danksagung

Information über kommerzielle Telomer-Tests

Anmerkungen

Abdruckgenehmigungen

Personenregister

Sachregister

Über die Autorinnen

Vorwort

Warum wir dieses Buch geschrieben haben

Mit einer Lebensspanne von 122 Jahren war Jeanne Calment eine der langlebigsten Frauen, von der wir wissen. Mit 85 Jahren begann sie mit dem Fechtsport. Mit über hundert fuhr sie noch Rad.[1] An ihrem hundertsten Geburtstag spazierte sie durch ihre Heimatstadt Arles, um sich bei den Leuten zu bedanken, die ihr zu dem Jubiläum gratuliert hatten.[2] Calments Lebensfreude steht beispielhaft für das, was wir uns alle wünschen: Gesundheit bis ans Lebensende. Altern und Tod sind unabänderliche Tatsachen der menschlichen Existenz – die Art und Weise, wie wir bis zu unserem letzten Tag leben, ist dies nicht. Das hängt von uns ab. Wir können heute und in späteren Jahren ein besseres, intensiveres und reicheres Leben führen.

Die Ergebnisse der noch relativ jungen Wissenschaft der Telomer-Forschung können uns diesem Ziel näher bringen. Mit ihrer Hilfe können wir chronische Krankheiten zurückdrängen und, bis auf die Ebene der Zellen, unser lebenslanges Wohlbefinden verbessern. Wir haben dieses Buch geschrieben, um Ihnen diese bedeutenden neuen Erkenntnisse zugänglich zu machen.

Wir werden hier einen neuartigen Erklärungsansatz für das menschliche Altern vorstellen. Die gegenwärtig vorherrschende wissenschaftliche Theorie des Alterns besagt, dass die DNS in unseren Zellen im Lauf der Zeit immer stärker geschädigt wird, mit der Folge, dass Zellen unwiderruflich altern und ihre Funktionen nicht mehr richtig erfüllen können. Aber welche DNS wird geschädigt? Wodurch wurde sie geschädigt? Wir kennen die vollständigen Antworten noch nicht, aber es gibt deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Telomere die Hauptschuldigen sind. Krankheiten manifestieren sich in unterschiedlicher Weise, weil sie verschiedene Organe und Teile des Körpers betreffen. Aber aus neuen wissenschaftlichen und klinischen Erkenntnissen ist ein neues Konzept des Alterns hervorgegangen. Mit zunehmendem Alter werden die Telomere in sämtlichen Körperzellen immer kürzer, und dieser grundlegende Mechanismus trägt zu den meisten Alterskrankheiten bei. Telomere erklären, wieso der menschliche Körper die Fähigkeit verliert, Gewebe zu regenerieren (dies wird auch »replikative Seneszenz« genannt). Zellen können auch noch auf andere Weise dysfunktional werden oder frühzeitig absterben, und es gibt weitere das Altern fördernde Faktoren, auf die wir hier nicht eingehen. Aber der Telomer-Verschleiß trägt eindeutig und bereits frühzeitig zum Prozess des Alterns bei. Allerdings lässt sich diese Abnutzung verlangsamen beziehungsweise sogar umkehren.

Wir haben alle Erkenntnisse der Telomer-Forschung in dieser allgemeinverständlichen Übersichtsdarstellung zusammengeführt. Bislang war dieses Wissen nur weit verstreut in Fachzeitschriften-Artikeln zugänglich. Es war eine große Herausforderung und zudem eine große Verantwortung, diese Fülle wissenschaftlicher Erkenntnisse für das breite Lesepublikum in einer gut verständlichen Weise aufzubereiten. Wir haben versucht, die Ergebnisse und möglichen Nutzanwendungen der Telomer-Forschung zusammenzufassen, aber natürlich können wir nicht jede Theorie des Alterns oder jeden einzelnen Aspekt bis in die kleinsten wissenschaftlichen Einzelheiten darstellen. Und wir können auch nicht jeden Vorbehalt und jeden Zweifel erwähnen. Diese Punkte werden ausführlich in den wissenschaftlichen Fachzeitschriften dargelegt, in denen die ursprünglichen Studien veröffentlicht wurden, und wir ermuntern interessierte Leser, sich selbst intensiver mit diesen faszinierenden Arbeiten zu befassen, von denen viele in diesem Buch zitiert werden. Wir haben auch einen Übersichtsartikel über die jüngsten Forschungsergebnisse in der Telomer-Biologie geschrieben, der im Wissenschaftsjournal Science veröffentlicht wurde und der Ihnen hilft, die Mechanismen auf molekularer Ebene zu verstehen.[3]

Wissenschaft ist ein Teamsport. Wir hatten das große Privileg, bei Forschungsprojekten mit Wissenschaftlern unterschiedlichster Fachgebiete zusammenarbeiten zu dürfen. Wir haben auch viel von Forschungsgruppen aus anderen Ländern gelernt. Der Prozess des Alterns ist ein Puzzle aus zahlreichen Teilen. Im Lauf der Jahrzehnte haben neue Erkenntnisse dem Gesamtbild jeweils ein wesentliches Teil hinzugefügt. Das bessere Verständnis der Telomere hat uns geholfen zu erkennen, wie sich die Teile zusammenfügen– auf welche Weise gealterte Zellen das breite Spektrum von Alterskrankheiten hervorbringen. Schließlich hat sich ein Bild herausgeschält, das so schlüssig und hilfreich ist, dass wir es für wichtig erachteten, es einem größeren Publikum nahezubringen. Wir verfügen heute über ein umfassendes Verständnis der Telomer-Instandhaltung beim Menschen, angefangen von der zellulären Ebene bis hin zu sozialen Einflussfaktoren, und darüber, was dies für das Leben des Einzelnen und von Gemeinschaften bedeutet. Wir erklären Ihnen die biologischen Grundlagen von Telomeren, wie sie mit Krankheiten, mit Gesundheit, mit unserer Art zu denken und sogar mit unseren Familien und Gemeinschaften zusammenhängen. Das Zusammenfügen der Einzelteile hat uns in Verbindung mit Erkenntnissen über die Vielzahl von Faktoren, die sich auf Telomere auswirken, zu einer Weltsicht geführt, in der Wechselwirkungen von besonderer Bedeutung sind: Auf sie werden wir im letzten Teil des Buches eingehen.

Wir haben dieses Buch auch geschrieben, um Ihnen zu helfen, Gefahren zu meiden. Das Interesse an Telomeren und am Altern wächst exponentiell, und auch wenn ein Teil der frei zugänglichen Informationen zutreffend ist, sind andere falsch und sogar gefährlich. So kursieren zum Beispiel Behauptungen, wonach bestimmte Cremes und Nahrungsergänzungsmittel unsere Telomere und unsere Lebensdauer verlängern sollen. Sollten diese Behandlungen tatsächlich wirken, könnten sie das Krebsrisiko erhöhen. Es gibt andere bekannte Methoden, um– risikofrei– die Lebensdauer von Zellen zu verlängern, und wir haben versucht, die besten davon hier ebenfalls zu berücksichtigen. Sie werden in diesem Buch keine Rezepte für Sofortheilungen finden, dafür aber konkrete, wissenschaftlich fundierte Empfehlungen, die es Ihnen vielleicht erlauben werden, ein gesundes, langes und erfülltes Leben zu führen. Während Ihnen manche Ratschläge nicht völlig unbekannt sein mögen, werden Sie womöglich Ihre Lebenseinstellung und Ihre Lebensweise ändern, wenn Sie die tieferen Ursachen für diese Empfehlungen besser verstehen.

Schließlich sollten Sie auch wissen, dass keine von uns beiden finanziell an Firmen beteiligt ist, die Telomer-bezogene Produkte verkaufen oder Telomer-Tests anbieten. Wir wollen den gegenwärtigen Wissensstand zusammenfassen und all denjenigen zugänglich machen, die davon profitieren könnten. Diese Studien stellen einen echten Durchbruch in unserem Verständnis des Alterns und der Lebensverlängerung dar, und wir wollen all denjenigen danken, die an den Forschungsarbeiten beteiligt waren, die wir hier vorstellen.

Mit Ausnahme der »Lehrgeschichte« auf der ersten Seite der Einleitung basieren alle Fallgeschichten in diesem Buch auf wirklichen Menschen und Erfahrungen. Wir sind all jenen zutiefst dankbar, die ihre Geschichten mit uns teilten. Um ihre Privatsphäre zu schützen, haben wir einige Namen und sonstige Details geändert, um ihre Identität unkenntlich zu machen.

Wir hoffen, dieses Buch hilft Ihnen, Ihren Angehörigen und Freunden sowie allen, die von diesen faszinierenden Entdeckungen profitieren können.

Einleitung

Eine Geschichte von zwei Telomeren

Es ist ein kühler Samstagmorgen in San Francisco. Zwei Frauen sitzen in einem Straßencafé und trinken heißen Kaffee. Für diese beiden Freundinnen ist es eine Auszeit, weg von ihrem Zuhause, der Familie, der Arbeit und den To-do-Listen, die nie kürzer zu werden scheinen.

Kara erzählt, dass sie sich erschöpft fühlt. Eigentlich fühlt sie sich ständig erschöpft. Und da ist es wenig zuträglich, dass sie sich jede Erkältung einfängt, die im Büro herumgeht, und jede dieser Erkältungen bei ihr auch noch zu einer fiesen Nebenhöhlenentzündung führt. Oder dass ihr Exmann »vergisst«, wenn er an der Reihe ist, die Kinder abzuholen. Oder dass ihr übellauniger Chef bei der Investmentfirma sie gern vor versammelter Mannschaft schroff zurechtweist. Und manchmal, wenn sich Kara abends ins Bett legt, fängt ihr Herz an zu rasen. Es dauert nur ein paar Sekunden, aber Kara kann anschließend lange nicht einschlafen, denn es beunruhigt sie. Vielleicht ist es nur der Stress, sagt sie sich. Ich bin zu jung, um ein Herzproblem zu haben. Oder nicht?

»Es ist ungerecht«, sagt sie seufzend zu Lisa. »Wir haben das gleiche Alter, aber ich sehe älter aus.«

Sie hat recht. Im Morgenlicht sieht Kara abgespannt aus. Wenn sie nach ihrer Kaffeetasse greift, bewegt sie sich behutsam, als würden ihr der Nacken und die Schultern wehtun.

Lisa dagegen sprüht vor Leben. Ihre Augen und ihre Haut leuchten; dies ist eine Frau mit mehr als genug Energie für die täglichen Aktivitäten. Sie fühlt sich auch gut. Tatsächlich denkt Lisa kaum über ihr Alter nach; sie ist höchstens dankbar dafür, dass sie jetzt lebensklüger ist als früher.

Wenn man Kara und Lisa so nebeneinandersitzen sieht, könnte man meinen, dass Lisa tatsächlich jünger ist als ihre Freundin. Und wenn man unter ihre Haut blicken könnte, würde man erkennen, dass dieser Altersunterschied sogar noch größer ist, als es den Anschein hat. Rein chronologisch gesehen – gemessen an der Anzahl der Lebensjahre – sind die beiden Frauen gleich alt. Biologisch gesehen ist Kara Jahrzehnte älter.

Hat Lisa ein Geheimnis – teure Gesichtscremes? Laserbehandlungen bei einem Dermatologen? Gute Gene? Ein Leben ohne jene Schwierigkeiten, wie sie ihre Freundin Jahr für Jahr durchzumachen scheint?

Ganz und gar nicht. Lisa hat selbst mehr als genug Stress. Vor zwei Jahren verlor sie ihren Mann bei einem Verkehrsunfall; jetzt ist sie wie Kara alleinerziehende Mutter. Das Geld ist knapp, und die neu gegründete Technologiefirma, für die sie arbeitet, scheint immer nur einen Quartalsbericht von der Pleite entfernt zu sein.

Was ist der Grund? Weshalb altern diese beiden Frauen in so unterschiedlicher Weise?

Die Antwort ist einfach, und sie hat mit der Aktivität in den Zellen jeder der beiden Frauen zu tun. Karas Zellen altern vorzeitig. Sie sieht älter aus, als sie ist, und sie steuert in rasantem Tempo auf altersassoziierte Erkrankungen und Störungen zu. Lisas Zellen erneuern sich von selbst. Sie ist, biologisch gesehen, jünger.

Warum altern Menschen unterschiedlich schnell?

Warum altern Menschen unterschiedlich schnell? Warum sind manche Menschen bis ins hohe Alter geistig sehr rege und tatkräftig, während andere bereits in jüngeren Jahren kränkeln, ausgelaugt sind und geistig abbauen? Wir können uns den Unterschied bildlich vorstellen:

Betrachten wir das obere weiße Band in Abbildung 1. Es zeigt Karas Gesundheitsspanne, also die Zeit ihres Lebens, in der sie gesund und krankheitsfrei ist. Doch schon mit Anfang fünfzig wird das Weiß allmählich grau und das Grau mit siebzig nach und nach schwarz. Sie tritt jetzt in eine andere Phase ein, die Krankheitsspanne.

Abbildung 1: Gesundheitsspanne und Krankheitsspanne. Unsere Gesundheitsspanne ist die Anzahl der Jahre, in denen wir bei guter Gesundheit sind. Unsere Krankheitsspanne ist die Anzahl der Jahre, in denen Krankheiten unsere Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Lisa und Kara mögen beide hundert Jahre alt werden, aber sie haben in ihrer zweiten Lebenshälfte eine völlig unterschiedliche Lebensqualität.

Diese Jahre sind durch die typischen Alterskrankheiten gekennzeichnet: Herz-Kreislauf-Krankheiten, Arthritis, ein geschwächtes Immunsystem, Diabetes, Krebs, Lungenkrankheiten und mehr. Auch die Haut und die Haare altern jetzt sichtlich. Schlimmer aber noch ist die Tatsache, dass es mit einer einzelnen Alterskrankheit oftmals nicht sein Bewenden hat. Vielmehr haben diese Krankheiten die Tendenz, gemeinsam aufzutreten – ein Phänomen mit dem düsteren Namen Multimorbidität. Kara hat also nicht nur ein erschöpftes Immunsystem, sie hat überdies Gelenkschmerzen und erste Symptome einer Herzerkrankung. Bei manchen Menschen führen Alterskrankheiten zu einem vorzeitigen Tod. Bei anderen geht das Leben weiter, aber es ist ein Leben mit weniger Elan und weniger Energie. Diese Jahre werden in zunehmendem Maße durch Schwäche, Erschöpfung und Unbehagen getrübt.

Mit fünfzig Jahren sollte Kara eigentlich kerngesund sein. Aber das Schaubild zeigt, dass sie schon in diesem jungen Alter in die Krankheitsspanne eintritt. Kara würde es vielleicht unverblümter ausdrücken: Sie wird alt.

Bei Lisa sieht es völlig anders aus:

Mit fünfzig Jahren erfreut sich Lisa noch immer blendender Gesundheit. Sie wird mit den Jahren älter, aber ihr geht es prächtig in ihrer lange währenden Gesundheitsspanne. Erst weit in ihren Achtzigern – ungefähr das Alter, das die Gerontologen »hohes Alter« nennen – wird es für sie deutlich beschwerlicher, mit dem Leben, wie sie es früher kannte, Schritt zu halten. Auch Lisa hat eine Krankheitsspanne, aber sie drängt sich auf wenige Jahre am Ende eines langen, produktiven Lebens zusammen.

Wie kann sich der eine Mensch in der Sonne blendender Gesundheit aalen, während der andere im Schatten der Krankheitsspanne leidet? Kann man selbst beeinflussen, welchen dieser beiden Wege man gehen wird?

Die Begriffe Gesundheitsspanne und Krankheitsspanne sind neu, aber die Grundfrage ist es nicht. Warum altern wir unterschiedlich? Menschen stellen diese Frage seit Jahrtausenden, vermutlich seit wir erstmals in der Lage waren, die Jahre zu zählen und uns selbst mit unseren Nachbarn zu vergleichen.

Auf der einen Seite glauben manche Menschen, der Prozess des Alterns werde von der Natur bestimmt. Wir könnten keinen Einfluss darauf nehmen. Die alten Griechen brachten diese Vorstellung in dem Mythos von den drei Schicksalsgöttinnen (Moiren) zum Ausdruck, die sich angeblich in den Tagen nach der Geburt in der Nähe von Neugeborenen aufhielten. Die erste Schicksalsgöttin spann einen Faden, die zweite Moire bemaß die Länge des Fadens, und die dritte schnitt den Faden ab. Die Länge des Fadens stand für die Lebensdauer des betreffenden Menschen. Wenn die Moiren ihre Arbeit getan hatten, war das Schicksal des Menschen besiegelt.

Es ist eine Vorstellung, die heute noch weiterlebt, wenn auch mit größerer wissenschaftlicher Autorität. Nach der jüngsten Version des »Natur«-Arguments wird unsere Gesundheit größtenteils von unseren Genen bestimmt. Es mögen sich keine Moiren in der Nähe unserer Wiege herumtreiben, dafür legt der genetische Code bereits vor unserer Geburt unser Risiko für Herzkrankheiten und Krebs sowie unsere allgemeine Lebenserwartung fest.

Vielleicht ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, sind einige Menschen zu der Überzeugung gelangt, ausschließlich die Natur bestimme das Altern. Würde man sie drängen zu erklären, warum Kara so viel schneller altert als ihre Freundin, würden sie wahrscheinlich sagen:

»Ihre Eltern haben vermutlich Herzprobleme und zudem schwache Gelenke.«

»Es ist alles in ihrer DNS festgelegt.«

»Sie hat schlechte Gene.«

Allerdings sind nicht alle Menschen der Auffassung, dass die »Gene unser Schicksal sind«. Viele haben bemerkt, dass die Qualität unserer Gesundheit von unserer Lebensweise beeinflusst wird. Wir halten dies für eine moderne Sicht, dabei ist sie schon sehr alt. Eine alte chinesische Legende erzählt von einem Kriegsherrn mit rabenschwarzem Haar, der eine gefährliche Reise über die Grenzen seines Heimatlandes hinaus unternehmen musste. Der Kriegsherr hatte so große Angst davor, dass man ihn an der Grenze gefangen nehmen und töten würde, dass er eines Morgens aufwachte, um zu entdecken, dass sein schönes schwarzes Haar weiß geworden war. Er war vorzeitig gealtert, und er war über Nacht gealtert. Schon vor 2500 Jahren erkannte diese Kultur, dass vorzeitiges Altern durch Einflüsse wie Stress ausgelöst werden kann. (Die Geschichte hat ein Happyend: Niemand erkannte den Kriegsherrn mit seinem neuen weißen Haar, und er reiste unbemerkt über die Grenze. Älter zu werden hat auch Vorteile.)

Heute halten viele Leute Umwelteinflüsse für wichtiger als genetische Faktoren – das heißt, sie glauben, was wirklich zähle, sei nicht das Erbgut, sondern die – gesunde oder ungesunde – Lebensweise. Diese Leute würden über Karas vorzeitiges Altern vielleicht Folgendes sagen:

»Sie nimmt zu viele Kohlenhydrate zu sich.«

»Mit dem Alter bekommt jeder das Gesicht, das er verdient.«

»Sie muss mehr Sport treiben.«

»Sie hat vermutlich gravierende ungelöste psychische Probleme.«

Betrachten wir erneut, wie beide Seiten das beschleunigte Altern Karas erklären. Die Verfechter des genetischen Determinismus hören sich fatalistisch an. Schon bei unserer Geburt sei unser zukünftiges Leben in unseren Chromosomen codiert – ob zum Positiven oder zum Negativen. Die Umwelt-Anhänger hingegen sind optimistischer in ihrer Überzeugung, dass vorzeitiges Altern vermieden werden könne. Aber Anhänger der Umwelttheorie sind auch sehr schnell mit Urteilen bei der Hand. Wenn Kara schnell altert, so behaupten sie, sei das allein ihre Schuld.

Wer hat recht? Anlage oder Umwelt? Gene oder Verhalten? Tatsächlich sind beide von entscheidender Bedeutung, und am wichtigsten ist die Wechselwirkung zwischen den beiden. Die eigentlichen Unterschiede zwischen Lisas und Karas Alterungsgeschwindigkeit bestehen in den komplexen Wechselwirkungen zwischen Genen, sozialen Beziehungen und Umwelten, Lebensstilen, Fügungen des Schicksals und insbesondere den individuellen Reaktionen und Verarbeitungen dieser Schicksalsfügungen. Man kommt mit einer bestimmten Menge an Genen zur Welt, aber unsere Lebensweise beeinflusst, wie sich die Gene selbst exprimieren. In einigen Fällen können Lebensstil-Faktoren Gene an- oder ausschalten. Der Adipositas-Forscher George Bray hat es folgendermaßen formuliert: »Gene laden die Pistole, und die Umwelt drückt ab.«[4] Das gilt nicht nur für die Gewichtszunahme, sondern für die meisten Aspekte der Gesundheit.

Wir werden Ihnen eine völlig neue Sichtweise der menschlichen Gesundheit vorstellen. Wir werden das Phänomen Gesundheit auf der zellulären Ebene betrachten, um Ihnen zu zeigen, was vorzeitige Zellalterung bedeutet und welche Verwüstungen sie in Ihrem Körper anrichtet– und Ihnen nicht nur erklären, wie sie sich verhüten lassen, sondern auch, wie man sie rückgängig machen kann. Wir werden sehr tief in das genetische Herz der Zelle eindringen– das Chromosom. Dort begegnen wir den Telomeren, sich wiederholenden, nicht-codierenden DNS-Abschnitten an den Enden der Chromosomen. Telomere, die bei jeder Zellteilung kürzer werden, beeinflussen, wie schnell Zellen altern und wann sie absterben. Dies hängt davon ab, wie schnell sich die Telomere abnutzen. Die außerordentliche Entdeckung, die unsere und andere Forschergruppen weltweit gemacht haben, besteht nun darin, dass sich die Enden unserer Chromosomen tatsächlich verlängern können – und folglich ist das Altern ein dynamischer Prozess, der beschleunigt oder verlangsamt und zum Teil sogar rückgängig gemacht werden kann. Altern muss nicht, wie lange Zeit geglaubt, eine unaufhaltsame Entwicklung hin zu Gebrechlichkeit und Verfall sein. Wir alle werden älter, aber wie wir altern, hängt in hohem Maße von unserer zellulären Gesundheit ab.

Abbildung 2: Telomere an den Enden von Chromosomen. Die DNS jedes Chromosoms hat Endregionen, die aus DNS-Strängen bestehen, die mit einer speziellen Schutzkappe aus Proteinen umkleidet sind. Diese werden hier als die helleren Regionen am Ende des Chromosoms gezeigt – die Telomere. In diesem Bild sind die Telomere nicht maßstabsgerecht dargestellt, weil sie weniger als ein Zehntausendstel der gesamten DNS unserer Zellen ausmachen. Sie sind ein kleiner, aber äußerst wichtiger Teil des Chromosoms.

Wir sind eine Molekularbiologin (Liz) und eine Gesundheitspsychologin (Elissa). Liz hat ihr gesamtes Berufsleben der Erforschung der Telomere gewidmet, und ihre Grundlagenforschung hat ein völlig neues wissenschaftliches Forschungsgebiet begründet. Der Schwerpunkt von Elissas Forschungstätigkeit ist psychischer Stress. Sie hat dessen schädliche Auswirkungen auf Verhalten, Physiologie und Gesundheit sowie Möglichkeiten, diese Effekte rückgängig zu machen, erforscht. Unsere wissenschaftliche Zusammenarbeit begann vor fünfzehn Jahren, und aus den Studien, die wir gemeinsam durchführten, ist eine ganz neue Methode zur Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Psyche und Körper hervorgegangen. In einem Ausmaß, das uns und die Fachwelt insgesamt überrascht hat, führen Telomere nicht einfach die Befehle aus, die unser genetischer Code erlässt. Vielmehr hören unsere Telomere auf uns. Sie nehmen die Anweisungen entgegen, die wir ihnen erteilen. So kann unsere Lebensweise unsere Telomere auffordern, den Prozess der Zellalterung zu beschleunigen. Aber sie kann auch das Gegenteil tun. Unsere Ernährung, unser Umgang mit psychischen Belastungen, unsere sportlichen Aktivitäten, ob wir in der Kindheit hohem Stress ausgesetzt waren und sogar das gegenseitige Vertrauen und die Sicherheit in unserem Wohnumfeld – all diese Faktoren und weitere beeinflussen offenbar unsere Telomere und können einer vorzeitigen Zellalterung vorbeugen. Kurzum, einer der Schlüssel zu einer langen Gesundheitsspanne liegt schlicht darin, sein Möglichstes zu tun, um eine gesunde Zellerneuerung zu fördern.

Gesunde Zellerneuerung und warum wir sie brauchen

Im Jahr 1961 entdeckte der Biologe Leonard Hayflick, dass normale menschliche Zellen sich unendlich oft teilen können, bevor sie sterben. Zellen vermehren sich, indem sie Kopien von sich herstellen, und da die menschlichen Zellen in den Glaskolben, die überall in Hayflicks Labor herumstanden, in einer dünnen, transparenten Schicht angeordnet waren, reproduzierten sie sich zunächst recht schnell. In dem Maße, wie sie sich vermehrten, benötigte Hayflick immer mehr Glaskolben für die wachsenden Zellkulturen. In diesem frühen Stadium vermehrten sich die Zellen so schnell, dass er nicht alle Kulturen aufbewahren konnte, sonst wären er und sein Assistent von »Kulturflaschen aus dem Labor und dem Forschungsgebäude vertrieben worden«. Hayflick nannte diese jugendliche Phase der Zellteilung »üppiges Wachstum«. Doch nach einer Weile kam die Vermehrung der Zellen in Hayflicks Labor zum Stillstand, so als wären sie erschöpft. Die langlebigsten Zellen brachten es auf rund fünfzig Teilungen, die meisten allerdings auf sehr viel weniger. Schließlich erreichten diese ermüdeten Zellen ein Stadium, das er Seneszenz nannte: Sie waren zwar noch lebendig, hatten aber endgültig aufgehört, sich zu teilen. Dies wird »Hayflick-Grenze« genannt, die natürliche Grenze für die Anzahl von Zellteilungen, denen sich menschliche Zellen unterziehen können, und als Stopp-Schalter fungieren hier Telomere, deren Länge unter eine kritischen Schwelle gefallen ist.

Unterliegen alle Zellen dieser »Hayflick-Grenze«? Nein. Überall in unserem Körper finden wir Zellen, die sich erneuern – etwa Immunzellen, Knochenzellen, Darm-, Lungen- und Leberzellen, Haut- und Haarzellen, Bauchspeicheldrüsenzellen und die Zellen, die unser Herz-Kreislauf-System auskleiden. Sie müssen sich immer wieder teilen, damit unser Körper gesund bleibt. Zu den erneuerungsfähigen Zellen gehören teilungsfähige normale Zellen, Vorläuferzellen, die sich noch häufiger teilen können, und jene äußerst wichtigen Zellen in unseren Körpern, die sogenannten Stammzellen, die, solange sie gesund sind, unbegrenzt teilungsfähig sind. Und anders als die Zellen in Hayflicks Laborgefäßen haben Zellen nicht immer eine »Hayflick-Grenze«, weil sie – wie Sie in Kapitel 1 erfahren – Telomerase haben. Gesunde Stammzellen besitzen so viel Telomerase, dass sie unser gesamtes Leben hindurch teilungsfähig bleiben. Diese Zellregeneration – das üppige Wachstum – ist eine der Ursachen dafür, dass Lisas Haut so frisch aussieht, dass sie ihre Gelenke mühelos bewegen und die kühle Brise, die vom Meer her weht, tief einatmen kann. Die neuen Zellen erneuern in einem fort lebenswichtige Körpergewebe und Organe. Die Zellerneuerung trägt dazu bei, dass sie sich noch immer jung fühlt.

Das Wort »seneszent« leitet sich von der gleichen etymologischen Stammform her wie das Wort »senil«. Und diese Zellen sind in gewisser Weise tatsächlich senil. Einerseits ist es definitiv gut, dass Zellen aufhören, sich zu teilen – würden sie sich einfach weiter vermehren, könnte dies zu Krebs führen. Aber diese senilen Zellen sind andererseits nicht harmlos – sie sind desorientiert und erschöpft. Sie verstehen die Signale, die sie empfangen, nicht mehr richtig, und sie senden ihrerseits nicht mehr die richtigen Botschaften an andere Zellen. Sie können ihre Aufgaben nicht mehr so gut erfüllen wie früher. Sie kränkeln. Die Zeit des üppigen Wachstums ist vorüber, jedenfalls für sie. Und dies hat weitreichende gesundheitliche Folgen für uns. Wenn zu viele unserer Zellen seneszent sind, beginnen die Gewebe unseres Körpers zu altern. Haben wir zum Beispiel zu viele seneszente Zellen in den Wänden unserer Blutgefäße, versteifen die Arterien, und das Risiko steigt, einen Herzinfarkt zu erleiden. Wenn die Immunzellen in unserem Blut, die Krankheitserreger bekämpfen sollen, ein Virus deshalb nicht aufspüren, weil sie seneszent sind, sind wir anfälliger für eine Grippe oder Lungenentzündung. Seneszente Zellen können entzündungsfördernde Substanzen freisetzen, die uns anfälliger für Schmerzen und chronische Erkrankungen machen. Schließlich erleiden viele seneszente Zellen den programmierten Zelltod.

Die Krankheitsspanne beginnt.

Viele gesunde menschliche Zellen können sich wiederholt teilen, solange ihre Telomere (und andere unentbehrliche Bausteine von Zellen wie etwa Proteine) funktionstüchtig bleiben. Danach altern die Zellen. Sogar unsere erstaunlichen Stammzellen können von dieser »Vergreisung« betroffen sein. Diese Begrenzung der Zellteilung ist eine der Ursachen dafür, dass unsere Gesundheitsspanne in unseren Siebzigern und Achtzigern allmählich ausläuft, auch wenn selbstverständlich viele Menschen weit darüber hinaus fit bleiben. Eine lange Gesundheits- und Lebensspanne von achtzig bis hundert Jahren ist für einige von uns und für viele unserer Kinder erreichbar.[5] Gegenwärtig leben etwa 300 000Hundertjährige auf der Welt, und es werden rasch mehr. Noch stärker wächst die Anzahl der Menschen, die über neunzig werden. Ausgehend von den gegenwärtigen Trends wird wahrscheinlich über ein Drittel der Kinder, die heute in Großbritannien geboren werden, hundert Jahre alt werden.[6] Wie viele dieser Jahre werden von Gebrechen und Krankheiten überschattet sein? Wenn wir die »Stellhebel« guter Zellerneuerung besser verstehen, werden wir unsere Gelenke geschmeidig bewegen, mühelos atmen und Infektionen wirkungsvoll abwehren können, unser Herz-Kreislauf-System wird tadellos funktionieren, und wir werden unsere geistige Fitness bis ins hohe Alter bewahren können.

Aber manchmal teilen sich Zellen nicht so oft, wie sie es eigentlich tun sollten. Manchmal hören sie früher auf, sich zu teilen; sie verfallen vorzeitig in einen seneszenten Zustand. Wenn dies geschieht, wird es nichts mit achtzig oder neunzig großartigen Jahren. Vielmehr wird man Opfer vorzeitiger Zellalterung. Ein Beispiel dafür ist Kara, deren Gesundheitspanne schon in vergleichsweise jungen Jahren endet.

Abbildung 3: Alter und Krankheiten. Alter ist der bei Weitem wichtigste Bestimmungsfaktor chronischer Krankheiten. Dieses Diagramm zeigt die Anzahl der Todesfälle in Abhängigkeit vom Alter bis zum 65. Lebensjahr und darüber hinaus, für die vier häufigsten krankheitsbedingten Todesursachen (Herzerkrankungen, Krebs, Atemwegserkrankungen und Schlaganfall sowie andere zerebrovaskuläre Erkrankungen). Die Sterblichkeit aufgrund chronischer Erkrankungen nimmt ab dem vierzigsten Lebensjahr zu und steigt nach dem sechzigsten Lebensjahr drastisch an. Das entnehmen wir einer Veröffentlichung des Zentrums für Krankheitskontrolle und Prävention des US-Ministeriums für Gesundheitspflege und Soziale Dienste über die zehn Hauptursachen für Tod und gesundheitliche Schädigung, https://www.cdc.gov/injury/wisqars/leadingCauses.html

Das chronologische Alter ist der wichtigste Bestimmungsfaktor des Risikos für chronische Erkrankungen, und darin spiegelt sich das biologische Alter unseres Körpers wider.

Am Anfang dieses Kapitels stellten wir die Frage: Warum altern Menschen unterschiedlich? Eine Ursache ist das Altern der Zellen. Jetzt lautet die Frage: Was führt dazu, dass Zellen vorzeitig altern?

Stellen wir uns Schnürsenkel vor. An ihnen lässt sich veranschaulichen, was bei vorzeitiger Zellalterung geschieht.

Ob wir uns jung und fit oder alt fühlen, hängt von den Telomeren ab

Erinnern Sie sich an die Schutzkappen aus Plastik an den Enden der Schnürsenkel? Diese werden »Stifte« (auch Nadeln, Pinken) genannt. Diese Stifte sollen verhindern, dass die Enden der Schnürsenkel ausfransen. Stellen wir uns jetzt vor, die Schnürsenkel wären unsere Chromosomen, die Strukturen innerhalb unserer Zellen, die unsere Erbinformationen enthalten. Telomere, deren Länge in DNS-Einheiten, den sogenannten Basenpaaren, gemessen werden kann, gleichen solchen Stiften; sie bilden kleine Kappen an den Enden der Chromosomen und verhindern, dass das Erbmaterial zerfasert. Sie sind die »Stifte« des Alterns. Allerdings verkürzen sich Telomere im Lauf der Zeit.

Die Telomer-Länge entwickelt sich im Lauf eines Lebens typischerweise folgendermaßen:

Alter

Telomer-Länge (in Basenpaaren)

Neugeborenes

10 000 Basenpaare

35 Jahre

7500 Basenpaare

65 Jahre

4800 Basenpaare

Wenn die Schnürsenkelenden zu weit ausfransen, werden d ie Schnürsenkel unbrauchbar. Dann kann man sie auch wegwerfen. Das Gleiche geschieht mit Zellen. Wenn Telomere zu kurz werden, hören Zellen auf, sich zu teilen. Telomere sind nicht die einzige Ursache für die Vergreisung von Zellen. Normale Zellen sind weiteren Stressfaktoren ausgesetzt, die wir noch nicht besonders gut verstehen. Aber kurze Telomere sind eine der Hauptursachen der menschlichen Zellalterung, und sie sind ein Mechanismus, der die »Hayflick-Grenze« kontrolliert.

Unsere Gene beeinflussen unsere Telomere, sowohl ihre Länge bei unserer Geburt als auch die Schnelligkeit, mit der sie sich verkürzen. Aber die wunderbare Nachricht ist, dass unsere Forschungsergebnisse sowie die Erkenntnisse anderer Forschergruppen weltweit gezeigt haben, dass wir eingreifen und bis zu einem gewissen Grad beeinflussen können, wie kurz oder lang – wie robust – unsere Telomere sind.

Zum Beispiel:

Einige von uns fühlen sich in sozialen Stresssituationen bedroht – und diese Reaktion ist mit einer Verkürzung von Telomeren assoziiert. Wir können uns bemühen, solche Situationen positiver wahrzunehmen und zu interpretieren.

Mehrere Mind-Body-Techniken wie Meditation und Qigong bauen nachweislich Stress ab und erhöhen die Konzentration des Enzyms Telomerase, das Telomere regeneriert.

Körperliche Aktivität, die die kardiovaskuläre Fitness fördert, ist gut für Telomere. Wir beschreiben zwei einfache Trainingsprogramme, die nachweislich die Telomer-Instandhaltung verbessern. Diese Programme können auf alle Fitnessniveaus zugeschnitten werden.

Telomere hassen industriell verarbeitete Fleischprodukte wie etwa Würstchen, während frische, gesunde Nahrungsmittel gut für sie sind.

Wohngegenden mit geringem sozialem Zusammenhalt – das heißt Gegenden, in denen die Menschen einander nicht kennen und sich gegenseitig nicht vertrauen – sind schlecht für Telomere. Dies gilt unabhängig vom Einkommensniveau.

Kinder, die unter schweren, womöglich traumatisierenden Entbehrungen leiden, haben kürzere Telomere. Wenn man Kinder aus Situationen starker Vernachlässigung herausholt (wie etwa den berüchtigten rumänischen Waisenhäusern), können die Schäden teilweise rückgängig gemacht werden.

Telomere an den elterlichen Chromosomen in der Ei- und Samenzelle werden direkt auf den Embryo übertragen. Bemerkenswerterweise bedeutet dies, dass Eltern, die aufgrund schwieriger Lebensumstände verkürzte Telomere haben, diese womöglich an ihre Kinder weitergeben. Wenn Sie glauben, dies könnte auch bei Ihnen der Fall sein, sollten Sie nicht in Panik verfallen. Telomere können nicht nur kürzer, sondern auch länger werden. Sie können noch immer etwas unternehmen, um Ihre Telomere stabil zu halten. Und das bedeutet auch, dass Ihre Lebensführung der nächsten Generation ein positives zelluläres Vermächtnis hinterlassen kann.

Den »Telomer-Effekt« bedenken

Bei dem Gedanken an eine gesündere Lebensweise seufzen Sie vielleicht über die vielen Dinge, die Sie hierfür ändern müssten. Doch Menschen, die den Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und ihren Telomeren erkannt haben, sind durchaus zu dauerhaften Verhaltensänderungen in der Lage. Wenn ich (Liz) ins Büro gehe, werde ich manchmal von Fremden angehalten, die mir sagen: »Wie Sie sehen, fahre ich mit dem Rad zur Arbeit – Ich halte meine Telomere lang!« Oder: »Ich trinke keine zuckerhaltigen Getränke mehr. Ich konnte die Vorstellung, was sie meinen Telomeren antun, nicht länger ertragen.«

Wie geht es weiter?

Zeigen unsere Forschungen, dass Sie hundert Jahre alt werden, mit 94 noch Marathon laufen können oder faltenfrei bleiben, wenn Sie Ihre Telomere pflegen? Nein. Die Zellen jedes Menschen altern, und eines Tages sterben wir. Stellen wir uns vor, wir fahren auf einer Schnellstraße. Es gibt die Überholspuren, die Kriechspuren und die Spuren dazwischen. Wir können auf der Überholspur fahren und auf die Krankheitsspanne zurasen. Oder wir fahren auf einer langsameren Spur und nehmen uns mehr Zeit, um das Wetter, die Musik und die Gesellschaft der Person auf dem Beifahrersitz zu genießen. Und selbstverständlich werden wir unsere Gesundheit genießen.

Selbst wenn Sie gegenwärtig auf der Überholspur der vorzeitigen Zellalterung unterwegs sind, können Sie die Spur wechseln. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, wie Sie das schaffen können. Im ersten Teil des Buches erläutern wir ausführlich die Gefahren der vorzeitigen Zellalterung – und warum gesunde Telomere eine Geheimwaffe gegen diesen Feind sind. Wir erzählen Ihnen auch von der Entdeckung der Telomerase, eines Enzyms in unseren Zellen, das die Schutzkappen um Telomere instand hält.

Der restliche Teil des Buches zeigt Ihnen, wie Sie mit Hilfe der Erkenntnisse aus der Telomer-Forschung Ihre Zellen fit halten können. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre mentalen Gewohnheiten und Ihre Lebensführung ändern können – welche Fitnessübungen, welche Ernährung und welche Schlafrhythmen am besten für Telomere sind. Dann stecken wir den Rahmen weiter und werden uns fragen, ob Ihr soziales und physisches Umfeld der Gesundheit Ihrer Telomere zuträglich ist. Sie werden in diesem Buch immer wieder Abschnitte mit der Überschrift »Verjüngungskur« finden, wo wir Ihnen konkrete Ratschläge geben, die Ihnen helfen sollen, vorzeitiger Zellalterung vorzubeugen, und Ihnen die wissenschaftlichen Grundlagen dieser Empfehlungen erklären.

Der heilige Gral?

Telomere sind ein ganzheitlicher Indikator vieler lebenslanger Einflüsse, sowohl der positiven, regenerativen wie etwa gute Fitness und ausreichend Schlaf, als auch der negativen wie schädlicher Stress, schlechte Ernährung oder Schicksalsschläge. Auch bei Vögeln, Fischen und Mäusen lässt sich ein Zusammenhang zwischen Stress und Telomer-Länge nachweisen. Und so wurde behauptet, die Telomer-Länge sei vielleicht der »Heilige Gral des lebenslangen Wohlergehens« und könne daher als ein globaler Marker der lebenslangen Erfahrungen von Tieren genutzt werden.[7] Wie bei Tieren gibt es auch beim Menschen nicht den einen biologischen Indikator der gesamten lebenslangen Erfahrungen, aber Telomere sind einer der nützlichsten Indikatoren, die wir gegenwärtig kennen.

Durch gezielte Pflege Ihrer Telomere können Sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein Leben zu leben, das nicht nur länger, sondern erfüllender ist. Und das ist der eigentliche Grund, warum wir dieses Buch geschrieben haben. Im Verlauf unserer Arbeit über Telomere haben wir zu viele Karas gesehen – zu viele Männer und Frauen, deren Telomere sich zu schnell abnutzten, die in die Krankheitsspanne eintraten, obwohl sie sich eigentlich noch jung und dynamisch fühlen sollten. Zahlreiche exzellente Forschungsarbeiten, die in renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht und von den besten Forschungseinrichtungen und Universitäten unterstützt wurden, können Ihnen dabei helfen, dieses Schicksal abzuwenden. Wir beide hätten warten können, bis die Ergebnisse dieser Studien langsam ihren Weg in die Medien finden und irgendwann in Magazinen und auf Gesundheits-Websites auftauchen, aber das kann viele Jahre dauern, und leider werden die Erkenntnisse dabei oft verfälscht. Wir wollen unser Wissen heute teilen – und wir wollen nicht, dass noch mehr Menschen oder ihre Familien unter den Folgen unnötiger frühzeitiger Zellalterung leiden.

Wenn Menschen wegen schlechter Gesundheit nicht mehr richtig leistungsfähig sind, verliert auch die Gesellschaft eine wertvolle Ressource. Ein schlechter Gesundheitszustand untergräbt unsere Fähigkeit, ein Leben nach unseren Wünschen zu führen. Wenn Menschen länger gesund bleiben, können sie das Leben länger genießen und ihre Talente mit anderen teilen. Sie können ihre Zeit sinnvoll nutzen – um die nächste Generation großzuziehen und zu erziehen, andere Menschen zu unterstützen, sich sozial und politisch zu engagieren, sich künstlerisch zu betätigen, wissenschaftliche Entdeckungen oder technische Erfindungen zu machen, zu reisen und ihre Erlebnisse mitzuteilen, Firmen zu gründen oder vielleicht sogar weise zu werden und anderen ein Beispiel zu geben. Sie werden in diesem Buch erfahren, was Sie alles tun können, um Ihre Zellen gesund zu halten. Und Sie werden gewiss mit Vergnügen hören, wie leicht Sie Ihre Gesundheitsspanne verlängern können. Und wir hoffen, es wird Ihnen Freude machen, sich die Frage zu stellen: Was will ich mit all diesen wunderbaren Jahren guter Gesundheit anfangen? Wenn Sie sich von unseren Empfehlungen in diesem Buch anregen lassen, werden Sie mit ein bisschen Glück reichlich Zeit, Tatkraft und Vitalität haben, um diese Frage für sich selbst zu beantworten.

Die Verjüngung beginnt jetzt

Sie können sofort damit beginnen, Ihre Telomere und Ihre Zellen zu regenerieren. So kam bei einer Studie heraus, dass Menschen, die sich auf das konzentrieren, was sie gerade tun, längere Telomere haben als Menschen, die in Gedanken ständig abschweifen.[8] Andere Studien fanden heraus, dass der Besuch eines Kurses, in dem die Achtsamkeit geschult oder Meditationstechniken vermittelt werden, tendenziell die Telomer-Reparaturmechanismen verbessert.[9]

Die Konzentrationsfähigkeit kann man verbessern. Dazu bedarf es nur konsequenter Übung. Sie werden dem auf der nächsten Seite abgebildeten Schnürsenkel-Bild in diesem Buch immer wieder begegnen. Immer wenn Sie es sehen – oder wenn Sie Ihre Schuhe mit oder ohne Schnürsenkel sehen –, sollten Sie kurz innehalten und sich selbst fragen, woran Sie gerade denken. Wo sind Sie jetzt gerade in Gedanken? Wenn Sie grübeln oder alte Probleme wiederkäuen, sollten Sie sich sanft selbst ermahnen, sich auf das zu konzentrieren, was Sie gerade tun. Und wenn Sie gerade nichts »tun«, sollten Sie sich darauf konzentrieren zu »sein«.

Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung, wenden Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit dieser einfachen Tätigkeit des Ein- und Ausatmens zu. Es ist erholsam, in sich hineinzuhören – sich auf innere Empfindungen oder das rhythmische Atmen zu fokussieren – oder äußere Sinneseindrücke bewusst wahrzunehmen – die Anblicke und Geräusche um einen herum. Diese Fähigkeit, sich auf das gegenwärtige Erleben oder seine Atmung zu konzentrieren, hat sehr positive Auswirkungen auf die Zellen in unserem Körper.

Abbildung 4: Denken Sie an Ihre Schnürsenkel. Schnürsenkelenden sind eine Metapher für Telomere. Je länger die Schutzkappen an den Enden der Schnürsenkel sind, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Schnürsenkel ausfranst. Für die Chromosomen bedeutet dies: Je länger die Telomere sind, umso geringer ist das Risiko, dass in Zellen Alarm geschlagen wird oder Chromosomen miteinander verschmelzen. Verschmelzungen führen zur Instabilität von Chromosomen und zu DNS-Strangbrüchen, die katastrophale Ereignisse für die Zelle sind.

Sie werden in diesem Buch immer wieder dieses Bild eines Schnürsenkels mit langen Pinken sehen. Sie sollten dies als eine Gelegenheit nutzen, um Ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenwart zu fokussieren, tief einzuatmen und sich vorzustellen, wie Ihre Telomere mit Ihrem belebenden Atem regeneriert werden.

Teil eins

Telomere: Wie wir länger jung bleiben können

Kapitel 1

Die negativen Folgen vorzeitiger Zellalterung

Stellen Sie sich selbst die folgenden Fragen:

Wie alt sehe ich aus?Ich sehe jünger aus, als ich bin.Mein Aussehen entspricht ungefähr meinem Alter.Ich sehe älter aus, als ich bin.Wie beurteile ich meine körperliche Gesundheit?Ich bin gesünder als die meisten in meinem Alter.Ich bin in etwa so gesund wie die meisten in meinem Alter.Ich bin nicht so gesund wie die meisten in meinem Alter.Wie alt fühle ich mich? Ich fühle mich jünger, als ich bin.Ich fühle mich ungefähr so, wie es meinem Alter entspricht.Ich fühle mich älter, als ich bin.

Es sind drei einfache Fragen, aber die Antworten darauf können uns wichtige Aufschlüsse darüber geben, wie gesund wir sind und wie schnell wir altern. Bei Menschen, die älter aussehen, als sie sind, können das vorzeitige Ergrauen der Haare oder Hautschädigungen tatsächlich mit kürzeren Telomeren in Zusammenhang stehen. Ein schlechter körperlicher Gesundheitszustand kann auf vielfältige Ursachen zurückzuführen sein, doch ein früher Eintritt in die Krankheitsspanne ist oftmals ein Anzeichen einer vorzeitigen Zellalterung. Studien haben überdies gezeigt, dass Menschen, die sich älter fühlen, als sie sind, auch tendenziell früher von Krankheiten betroffen sind als Menschen, die sich jünger fühlen.

Wenn Menschen sagen, dass sie Angst vor dem Älterwerden haben, meinen sie damit in der Regel, dass sie Angst vor einer langen, ausgedehnten Krankheitsspanne haben. Sie sind besorgt, dass ihnen das Treppensteigen schwerfallen wird, dass sie sich von Herzoperationen nur sehr langsam erholen werden, dass sie permanent eine Sauerstoffflasche mit sich herumkutschieren müssen; sie fürchten sich vor Knochenschwund und davor, einen Buckel zu bekommen, vor Gedächtnisabbau und geistigem Verfall. Und sie fürchten die Folge von all dem: den Verlust von sozialen Kontakten und die Abhängigkeit von anderen. Aber das Altern muss keine traumatische Erfahrung sein.

Wenn Ihre Antworten auf unsere drei Fragen ergeben, dass Sie älter aussehen und sich älter fühlen, als Sie sind, dann hängt dies möglicherweise damit zusammen, dass Ihre Telomere schneller verschleißen, als sie es sollten. Diese kurzen Telomere könnten ein Signal an Ihre Zellen senden, dass es an der Zeit sei, schneller zu altern. Es ist ein beunruhigendes Szenario, aber seien Sie unbesorgt. Sie können eine Menge gegen vorzeitiges Altern tun, und zwar dort, wo es am wichtigsten ist: auf zellulärer Ebene.

Aber man kann einen Feind erst dann erfolgreich bekämpfen, wenn man ihn wirklich versteht.

In diesem Abschnitt des Buches vermitteln wir Ihnen das Wissen, das Sie benötigen, ehe Sie in die Schlacht ziehen. Im ersten Kapitel beschäftigen wir uns mit dem, was während der vorzeitigen Zellalterung geschieht. Wir werden uns alternde Zellen aus der Nähe ansehen und erfahren, warum sie für Ihren Körper und Ihr Gehirn so schädlich sind. Sie werden auch erfahren, warum viele der furchterregendsten und zehrendsten Erkrankungen mit kurzen Telomeren und daher mit Zellalterung in Verbindung stehen. In den Kapiteln zwei und drei werden wir sehen, wie Telomere und das faszinierende Enzym Telomerase entweder eine frühe Krankheitsspanne auslösen oder unsere Zellen gesund halten können.

Worin unterscheiden sich vorzeitig alternde Zellen von gesunden Zellen?

Stellen Sie sich den menschlichen Körper als einen mit Äpfeln gefüllten Bottich vor. Eine gesunde menschliche Zelle gleicht einem dieser frischen, glänzenden Äpfel. Was aber ist, wenn sich in dem Bottich ein fauler Apfel befindet? Sie können ihn nicht nur nicht essen, sondern, schlimmer noch, er wird die übrigen Äpfel um ihn herum faulen lassen. Dieser faule Apfel gleicht einer gealterten, seneszenten Zelle in Ihrem Körper.

Bevor wir erklären, warum das so ist, wollen wir auf die Tatsache zurückkommen, dass Ihr Körper voller Zellen ist, die sich fortwährend selbst erneuern müssen, um gesund zu bleiben. Die sich regenerierenden Zellen, die auch als proliferative oder vermehrungsfähige Zellen bezeichnet werden, finden sich unter anderem im/in

ImmunsystemDarmKnochenLungeLeberHautHaarfollikelnBauchspeicheldrüseGefäßwänden des Herz-Kreislauf-Systemsden glatten Muskelzellen des Herzenseinigen Regionen des Gehirns wie etwa dem Hippocampus (ein Lern- und Gedächtniszentrum des Gehirns)

Damit diese lebenswichtigen Körpergewebe gesund bleiben, müssen sich ihre Zellen ständig erneuern. Unser Körper verfügt über fein kalibrierte Systeme zur Erkennung erneuerungsbedürftiger Zellen; auch wenn ein Gewebe jahrelang unverändert aussieht, wird es fortwährend durch neue Zellen in genau der richtigen Anzahl und zum genau richtigen Zeitpunkt ersetzt. Aber erinnern wir uns daran, dass einige Zellen sich nur so und so oft teilen können. Wenn sich Zellen nicht länger selbst erneuern können, beginnen die von ihnen versorgten Gewebe zu altern und ihre Funktionstüchtigkeit zu verlieren.

Die Zellen in unseren Geweben gehen aus Stammzellen hervor, die die erstaunliche Fähigkeit besitzen, sich in viele verschiedene Typen spezialisierter Zellen auszudifferenzieren. Sie leben in Stammzellnischen, die eine Art VIP-Lounge sind, in der Stammzellen geschützt sind und so lange »schlummern« – inaktiv sind –, bis sie gebraucht werden. Die Nischen befinden sich in der Regel in oder in der Nähe von Geweben, die von den Stammzellen erneuert werden. Haut-Stammzellen sitzen unter den Haarfollikeln, einige Herzmuskel-Stammzellen befinden sich in der linken Kammerwand, und Muskel-Stammzellen verbergen sich tief in den Muskelfasern. Solange alles gut geht, bleiben die Stammzellen in ihrer Nische. Aber wenn Gewebe erneuert werden müssen, steht die Stammzelle bereit. Sie teilt sich und erzeugt proliferative Zellen – die auch Progenitor- oder Vorläuferzellen genannt werden –, und einige ihrer Tochterzellen verwandeln sich in die spezialisierten Zellen, die jeweils benötigt werden. Wenn man krank wird und der Bedarf an Immunzellen (weißen Blutkörperchen) steigt, treten Blutstammzellen aus ihrem Reservoir, dem Knochenmark, ins Blut über. Die Darmschleimhaut wird durch normale Verdauungsprozesse fortwährend abgenutzt, und Teile der äußeren Hautschicht gehen fortwährend durch Abrieb und Abschuppung verloren, und Stammzellen erneuern diese Gewebe. Wenn Sie sich beim Joggen einen Muskelfaserriss zuziehen, teilen sich einige Ihrer Muskelstammzellen, und jede Stammzelle erzeugt zwei neue Zellen. Eine dieser Zellen ersetzt die ursprüngliche Stammzelle und bleibt bequem in ihrer Nische; die andere kann zu einer Muskelzelle werden und helfen, das geschädigte Gewebe zu ersetzen. Wir brauchen ein Reservoir an Stammzellen, die sich selbst erneuern können, um gesund zu bleiben und uns von Krankheiten und Verletzungen zu erholen.

Doch wenn die Telomere einer Zelle zu kurz werden, senden sie Signale aus, die den Teilungs- und Vermehrungszyklus der Zelle anhalten. Eine derart angehaltene Zelle kommt zum Stillstand. Sie kann sich nicht mehr erneuern. Sie altert, sie wird seneszent. Wenn es sich um eine Stammzelle handelt, tritt sie dauerhaft in den Ruhestand und wird ihre gemütliche Nische selbst dann nicht mehr verlassen, wenn sie gebraucht wird. Andere seneszente Zellen werden gewissermaßen zu Zombies, die nicht mehr in der Lage sind, ihre früheren Funktionen zu erfüllen. Ihre inneren Kraftwerke, die Mitochondrien, arbeiten nicht mehr richtig, was eine Art zelluläre Energiekrise hervorruft.

Die DNS einer alten Zelle kann mit den übrigen Bestandteilen der Zelle nicht mehr richtig kommunizieren, und die Zelle selbst kann ihre Abfallprodukte nicht mehr entsorgen. In der alten Zelle sammeln sich – unter anderem – Klumpen aus dysfunktionalen Proteinen und braune »Müll«-Klumpen aus Lipofuszin, die Makuladegeneration und einige neurologische Erkrankungen hervorrufen können. Schlimmer noch: Seneszente Zellen lösen falschen Alarm aus, indem sie entzündungsfördernde Substanzen freisetzen, die auch in andere Teile des Körpers gelangen und dort, wie faule Äpfel in einem Bottich, Entzündungen hervorrufen.

Die verschiedenen Zelltypen in unserem Körper, ob Leberzellen, Hautzellen, Haarfollikel oder die Zellen in unseren Blutgefäßwänden, sind alle von dem gleichen grundlegenden Alterungsprozess betroffen. Aber es gibt gewisse Besonderheiten, die von dem Zelltyp und der Lokalisation im Körper abhängig sind. Seneszente Zellen im Knochenmark verhindern, dass sich Blut- und Immunstammzellen so teilen, wie sie sich teilen sollten, oder verleiten sie dazu, Blutzellen in unausgewogenen Mengen zu produzieren. Seneszente Zellen in der Bauchspeicheldrüse »hören« möglicherweise Signale, die die Produktion von Insulin regulieren, nicht richtig. Zellen im Gehirn setzen womöglich Substanzen frei, die zum Absterben von Neuronen führen. Auch wenn der grundlegende Prozess des Alterns in den meisten Zellen, die untersucht worden sind, ähnlich abläuft, kann die Art und Weise, wie sich dieser Alterungsprozess in einer Zelle manifestiert, im Körper unterschiedliche Schäden anrichten.

Das Altern einer Zelle lässt sich definieren als »fortschreitende Funktionsstörung und verminderte Fähigkeit, in geeigneter Weise auf Umweltreize und Verletzungen zu reagieren«. Gealterte Zellen können nicht länger normal auf Belastungen reagieren, unabhängig davon, ob es sich um körperlichen oder psychischen Stress handelt.[10] Dieser Prozess ist ein Kontinuum, das oftmals geräuschlos und langsam in die Alterskrankheiten übergeht– Krankheiten lassen sich, zum Teil, auf kürzere Telomere und alternde Zellen zurückführen. Um den Zusammenhang zwischen Altern und Telomeren etwas besser zu verstehen, wollen wir auf die drei Fragen zurückkommen, die wir Ihnen am Anfang dieses Kapitels stellten:

Wie alt sehen Sie aus?

Wie würden Sie Ihre körperliche Gesundheit beurteilen?

Wie alt fühlen Sie sich?

Raus mit dem Alten, rein mit dem Neuen: Die Beseitigung seneszenter Zellen in Mäusen macht vorzeitiges Altern rückgängig.

In einer Laborstudie wurde beobachtet, wie sich Mäuse entwickelten, die gentechnisch auf eine Weise verändert worden waren, dass viele ihrer Zellen frühzeitig seneszent wurden. Die Mäuse begannen vorzeitig zu altern – sie verloren Fettdepots, sodass ihre Haut runzlig wurde; ihre Muskeln verkümmerten, sie entwickelten eine Herzschwäche und Grauen Star. Einige starben vorzeitig an Herzversagen. Mit einem experimentellen gentechnischen Trick, der sich beim Menschen nicht anwenden lässt, entfernten Forscher dann die seneszenten Zellen aus den Körpern der Mäuse. Die Beseitigung der seneszenten Zellen machte viele Symptome des vorzeitigen Alterns rückgängig. Die Linsentrübungen verschwanden, und ihre verkümmerten Muskeln regenerierten sich ebenso wie die Fettdepots (sodass sich ihre Runzeln zurückbildeten), zudem verlängerte sich ihre Gesundheitsspanne.[11]Seneszente Zellen steuern also den Prozess des Alterns!

Vorzeitig alternde Zellen: Wie alt sehen Sie aus?

Alters- und Pigmentflecken. Graues Haar. Die in sich zusammengesunkene oder gebeugte Haltung, die mit Knochenverlust einhergeht. Von diesen Veränderungen sind wir alle betroffen, aber wenn Sie kürzlich bei einem Klassentreffen waren, haben Sie vielleicht mit eigenen Augen gesehen, dass diese Alterserscheinungen nicht bei allen Menschen zur gleichen Zeit oder mit der gleichen Intensität auftreten.

Wenn Sie zu Ihrem zehnjährigen Klassentreffen gehen, bei dem alle noch in ihren Zwanzigern sind, werden Sie ehemalige Klassenkameraden und -kameradinnen sehen, die teure Kleider zur Schau tragen – und Klassenkameraden und -kameradinnen, deren Partygarderobe etwas abgetragen aussieht. Einige Klassenkameraden und -kameradinnen renommieren mit ihrer erfolgreichen Karriere, mit den Firmen, die sie gegründet haben, oder mit ihren zahlreichen Nachkömmlingen, während andere Whisky herunterkippen und sich wegen irgendeines Schicksalsschlags selbst bemitleiden. Das mag ungerecht erscheinen. Aber was die körperlichen Anzeichen des Alterns anlangt, sind alle mehr oder minder auf dem gleichen Stand. Praktisch alle Anwesenden – ganz gleich, wie reich, wie arm, wie erfolgreich, wie gescheitert, wie glücklich oder bekümmert sie sind – sehen so aus, wie man in seinen Zwanzigern normalerweise aussieht. Ihr Haar ist gesund, ihre Haut ist rein, und einige Ihrer Klassenkameraden sind ein, zwei Zoll größer als zu der Zeit, als Sie Ihren Abschluss machten. Sie stehen auf dem strahlenden Gipfel ihres jungen Erwachsenenalters.

Aber wenn Sie fünf oder zehn Jahre später zu einem weiteren Klassentreffen gehen, bietet sich Ihnen schon ein anderes Bild. Sie werden bemerken, dass einige Ihrer ehemaligen Klassenkameraden jetzt wie alte Klassenkameraden auszusehen beginnen. Sie sind ein wenig grau an den Schläfen oder zeigen mehr nackte Stirn. Ihre Haut ist fleckiger und unreiner, sie haben vielleicht tief eingeschnittene Krähenfüße um ihre Augen. Einige haben vielleicht einen vorgewölbten Bauch und womöglich sogar schon eine leicht gekrümmte Haltung. Bei diesen Menschen manifestiert sich der Alterungsprozess sehr schnell in ihrem äußeren körperlichen Erscheinungsbild.

Wieder andere Klassenkameraden dagegen haben das Glück, dass man ihnen ihr Alter lange Zeit nicht ansieht. Bei den Klassentreffen nach zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig und sechzig Jahren hat das Alter selbstverständlich auch bei diesen glücklichen Klassenkameraden sichtbare Spuren hinterlassen – aber diese körperlichen Veränderungen vollziehen sich langsam und allmählich, sozusagen elegant. Wie Sie sehen werden, beeinflussen Telomere, wie schnell wir »alt aussehen« und ob wir zu den Menschen gehören, die »gut altern«.

Hautalterung

Die äußere Hautschicht, die Epidermis, besteht aus teilungsfähigen Zellen, die sich fortwährend selbst erneuern. Einige dieser Hautzellen (die Keratinozyten) produzieren Telomerase, sodass sie nicht verschleißen und nicht zu seneszenten Zellen werden, aber ihre Regenerationsfähigkeit lässt allmählich nach.[12] Unter dieser sichtbaren Hautschicht liegt die Dermis, eine Schicht von Hautzellen (Hautfibroblasten), die die Grundlage für eine gesunde, glatte Haut schaffen– etwa dadurch, dass sie Kollagen und Elastin sowie wachstumsfördernde Faktoren produzieren.

Mit zunehmendem Alter erzeugen die Fibroblasten immer weniger Kollagen und Elastin, sodass die sichtbare äußere Hautschicht alt und schlaff auszusehen beginnt. Dieser Effekt breitet sich durch die Hautschichten nach oben aus und bewirkt, dass man äußerlich sichtbar altert. Gealterte Haut wird dünner, weil sie Fettpolster und Hyaluronsäure (die als natürlicher Feuchtigkeitsspender für Haut und Gelenke wirkt) verliert. Sie wird durchlässiger für äußere Einflüsse und Stoffe.[13] Gealterte Melanozyten führen zu Altersflecken, aber auch zu Blässe. Kurzum, die alternde Haut bekommt das allzu vertraute fleckige, blasse, schlaffe und faltige Aussehen, das hauptsächlich auf alternde Fibroblasten zurückzuführen ist, die die äußeren Zellen nicht länger stützen.

Bei älteren Menschen verlieren die Hautzellen oftmals ihre Fähigkeit, sich zu teilen. Einige ältere Menschen haben jedoch Hautzellen, die weiterhin teilungsfähig sind. Wenn Forscher das Innere ihrer Zellen genauer betrachten, stellen sie fest, dass diese Zellen oxidativen Stress besser abwehren können und längere Telomere haben.[14] Auch wenn kurze Telomere nicht unbedingt Hautalterung verursachen, spielen sie doch eine Rolle, insbesondere bei durch Sonnenlicht bedingter Hautalterung (auch »Lichtalterung« genannt). Die im Sonnenlicht enthaltene UV-Strahlung kann Telomere schädigen.[15] Petra Boukamp, eine Hautkrebsforscherin am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, und ihre Mitarbeiter haben Hautproben von einer sonnenexponierten Körperstelle– dem Nacken– mit Hautproben von einer sonnengeschützten Stelle– der Gesäßbacke– verglichen. Die äußeren Zellen im Nacken wiesen ein gewisses Maß an sonnenbedingtem Telomer-Verlust auf, während die geschützten Zellen der Gesäßbacken mit zunehmendem Alter so gut wie keinen Telomer-Verlust zeigten! Wenn Hautzellen vor Sonneneinstrahlung geschützt werden, können sie dem Altern lange Zeit widerstehen.

Knochenschwund

Unser Knochengewebe wird während unseres gesamten Lebens umgebaut, und eine gesunde Knochendichte ist das Ergebnis eines Gleichgewichts zwischen knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) und knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten). Osteoklasten benötigen gesunde Telomere, um ihre Teilungs- und Regenerationsfähigkeit zu behalten – und wenn die Telomere verkürzt sind, altern die Osteoblasten und können mit den Osteoklasten nicht Schritt halten. Das Gleichgewicht wird gestört, und die Osteoklasten verzehren immer mehr Knochensubstanz.[16] Verschlimmernd kommt hinzu, dass sich die alten Knochenzellen mit zunehmender Abnutzung der Telomere entzünden. Labormäuse, denen besonders kurze Telomere angezüchtet werden, leiden an frühzeitigem Knochenabbau und Osteoporose; und das Gleiche gilt für Menschen, die mit einer bestimmten Erbkrankheit zur Welt kommen, die dazu führt, dass ihre Telomere extrem kurz sind.[17]

Ergrauendes Haar

In gewissem Sinne kommen wir alle mit gefärbten Haaren zur Welt. Jedes Haar wächst aus seinem eigenen Follikel (Balg) heraus und besteht aus Keratin, welches das Haar weiß färbt. Aber der Follikel enthält auch spezialisierte Zellen – Melanozyten, die gleiche Art von Zellen, die für die Hautfarbe verantwortlich sind –, welche Pigmente in das Haar einlagern. Ohne diese natürlichen Haarfärbezellen geht die Haarfarbe verloren. Die Melanozyten werden von Stammzellen im Follikel produziert. Wenn die Telomere dieser Stammzellen verschleißen, können sich die Zellen nicht schnell genug selbst erneuern, um mit dem Haarwachstum Schritt zu halten, und das Ergebnis sind graue Haare. Wenn schließlich sämtliche Melanozyten abgestorben sind, wird das Haar vollkommen weiß. Melanozyten reagieren auch empfindlich auf chemische Stressoren und auf ultraviolette Strahlung; in einer Studie, die in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht wurde, wurden Mäuse Röntgenstrahlung ausgesetzt, mit der Folge, dass ihre Melanozyten geschädigt wurden und ihr Fell ergraute.[18] Bei Mäusen mit einer genetischen Mutation, die eine starke Verkürzung der Telomere verursacht, kommt es ebenfalls zu einem frühen Ergrauen des Fells. Wird nun durch Zuführung von Telomerase die normale Länge der Telomere wiederhergestellt, färbt sich ihr graues Fell wieder schwarz.[19]

Was ist normales Ergrauen? Afroamerikaner und Asiaten sind am wenigsten und Blondhaarige am stärksten von Ergrauen betroffen.[20] Mindestens die Hälfte der Menschen beginnt mit Ende vierzig zu ergrauen, und etwa 90Prozent aller Menschen ergrauen spätestens mit Anfang sechzig. Frühzeitiges Ergrauen ist in der großen Mehrzahl der Fälle ein recht normaler Vorgang; nur sehr wenige Menschen, deren Haar bereits in jungen Jahren– in ihren Dreißigern– grau oder weiß wird, sind Träger einer Genmutation, die eine starke Verkürzung der Telomere verursacht.

Was sagt Ihr Aussehen über Ihre Gesundheit aus?

Vielleicht denken Sie: »Was ist schon dabei, wenn ich in jungen Jahren ein paar graue Haare habe? Und sind ein paar Altersflecken um meine Augen herum wirklich eine große Sache? Verlangen Sie da nicht von mir, dass ich mich auf die falschen Dinge konzentriere – dass ich einer jugendlichen Erscheinung mehr Bedeutung beimesse als meiner Gesundheit?« Dies sind wichtige Fragen. Dabei sollte kein Zweifel daran bestehen, dass es hier um die Gesundheit geht. Aber in welchem Ausmaß spiegelt sichtbare Alterung die innere Gesundheit wider? Forscher baten speziell geschulte »Einschätzer«, allein anhand eines Fotos das Alter eines Menschen einzuschätzen.[21] Es zeigte sich, dass Menschen, die älter aussehen (als sie sind), im Schnitt kürzere Telomere haben. Dies ist nicht weiter verwunderlich angesichts der Rolle, die Telomere offensichtlich bei der Hautalterung und beim Grauwerden der Haare spielen. Älter auszusehen ist in einem geringen Ausmaß mit Anzeichen schlechter körperlicher Gesundheit assoziiert. Menschen, die älter aussehen, sind tendenziell leistungsschwächer, schneiden bei Gedächtnistests schlechter ab, haben höhere Nüchtern-Blutzuckerwerte und zeigen früher Symptome von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.[22] Erfreulicherweise handelt es sich um sehr kleine Effekte. Entscheidend ist, was im Inneren Ihres Körpers geschieht, aber älter auszusehen als man ist – abgespannt zu wirken –, ist ein Anzeichen, auf das man achten sollte. Es könnte ein Hinweis darauf sein, dass Ihre Telomere mehr Schutz benötigen.

Erinnern Sie sich daran, was Sie tun sollten, wenn Sie dieses Bild sehen. Siehe.

Vorzeitige Zellalterung: Wie steht es um Ihre körperliche Gesundheit?

Die eigentliche Macht kurzer Telomere, Ihre Zellen und Ihre Gesundheit zu beschädigen, wird bei der nächsten Frage deutlich: Wie würden Sie Ihre körperliche Gesundheit einschätzen?

Denken Sie erneut an Ihre Klassentreffen. Bei den Treffen nach zwanzig oder dreißig Jahren wird Ihnen auffallen, dass viele Ihrer Klassenkameraden an üblichen Alterskrankheiten leiden. Dabei sind sie erst um die vierzig oder fünfzig. Das ist noch kein hohes Lebensalter. Weshalb verhalten sich ihre Körper dann so, als wären sie alt? Weshalb treten sie bereits in relativ jungen Jahren in die Krankheitsspanne ein?

Inflamm-Aging (Entzündungsaltern)

Wäre es nicht interessant, wenn Sie bei dem Klassentreffen tief in die Zellen jedes ehemaligen Klassenkameraden hineinsehen und die Länge seiner/ihrer Telomere messen könnten? Wenn Sie es könnten, würden Sie sehen, dass die Personen mit den kürzesten Telomeren kränker und schwächer sind und dass man ihren Gesichtern die Strapazen des Ringens mit gesundheitlichen Problemen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Abwehrschwäche, Lungenkrankheiten und einigen Krebsarten ansieht. Sie würden vermutlich auch feststellen, dass diejenigen mit den kürzesten Telomeren an chronischen Entzündungen leiden. Die Beobachtung, dass Entzündungsprozesse mit dem Alter zunehmen und eine Ursache von Alterskrankheiten sind, ist so bedeutend, dass Wissenschaftler einen eigenen Begriff dafür geprägt haben: Inflamm-Aging (Entzündungsaltern). Dabei handelt sich um eine leichte chronische Entzündung, die sich mit dem Alter verstärken kann. Es gibt viele Ursachen dafür, etwa geschädigte Proteine. Eine weitere häufige Ursache des Entzündungsalterns sind verschlissene Telomere.

Wenn die Gene einer Zelle geschädigt sind oder ihre Telomere zu kurz sind, weiß diese Zelle, dass ihre kostbare DNS gefährdet ist. Die Zelle programmiert sich selbst so um, dass sie Moleküle freisetzt, die zu anderen Zellen wandern und dort Hilfe anfordern. Diese Moleküle, die in ihrer Gesamtheit »Seneszenz-assoziierter sekretorischer Phänotyp« (SASP) genannt werden, können nützlich sein. Wenn eine Zelle aufgrund einer Verletzung seneszent geworden ist, kann sie SASP zu benachbarten Immunzellen und anderen Zellen mit Reparaturfunktionen entsenden, um die Truppen herbeizurufen, die den Heilungsprozess in Gang setzen.

Hierbei können die Dinge allerdings auch schrecklich schiefgehen. Telomere reagieren in einer paradoxen Weise auf DNS-Schäden. Das Telomer ist so sehr damit beschäftigt, sich selbst zu schützen, dass es die von der Zelle angeforderte Hilfe nicht hereinlässt. Es ist so ähnlich wie bei Menschen, die in einer Notsituation hartnäckig jegliche Hilfe verweigern, weil sie Angst haben, in ihrer Wachsamkeit nachzulassen. Ein verkürztes Telomer sendet manchmal monatelang aus einer alternden Zelle Hilfssignale aus, hindert jedoch die Zelle daran, aktiv zu werden, um den Schaden zu beheben. Dieses unablässige, aber sinnlose Aussenden von Signalen kann verheerende Folgen haben. Denn jetzt wird die Zelle zum faulen Apfel im Bottich. Sie beginnt alle Gewebe um sich herum in Mitleidenschaft zu ziehen. An dem SASP-Prozess sind Stoffe wie entzündungsfördernde Zytokine beteiligt, die im Lauf der Zeit durch den Körper wandern und zu einer systemischen chronischen Entzündung führen. Judith Campisi vom Buck Institute of Aging entdeckte SASP, und sie hat gezeigt, dass diese Zellen eine dem Krebswachstum förderliche Umgebung schaffen.

Abbildung 5: Ein fauler Apfel in einem Bottich. Stellen Sie sich einen mit Äpfeln gefüllten Bottich vor. Die Gesundheit eines mit Äpfeln gefüllten Bottichs hängt von jedem einzelnen Apfel ab. Ein fauler Apfel setzt Gase frei, die die anderen Äpfel faulen lassen. Eine seneszente Zelle sendet entzündungsfördernde Signale und Faktoren, die »Zellfäulnis« begünstigen, an umgebende Zellen aus.