Die entspannte Frau - Nicola Jane Hobbs - E-Book

Die entspannte Frau E-Book

Nicola Jane Hobbs

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Beschreibung

Raus aus der Erschöpfung!

Obwohl wir die negativen Folgen von Stress und Mehrfachbelastung nur zu gut kennen, haben Ruhe und Erholung in unserer hektischen Welt immer noch einen zu geringen Stellenwert. Nicola Jane Hobbs räumt mit dem Mythos auf, dass Entspannung faul und egoistisch sei. Denn gezieltes Ausruhen und Freiräume sind die Voraussetzung dafür, dass Frauen ihr volles Potenzial entfalten und erfüllt leben.

In sechs Schritten zeigt sie einen neuen Weg auf, wie Frauen Kraft schöpfen, um für sich selbst und andere sorgen zu können. Ihr Buch ist eine Einladung zur Entschleunigung. Es ist ein Aufruf zum Handeln, damit Entspannung und Ruhe zu einem wichtigen Teil unseres Lebens werden. Es ist die Chance, uns von Stress und toxischer Produktivität zu befreien, patriarchale Normen zu durchbrechen und die Art und Weise zu verändern, wie wir leben, lieben, arbeiten.

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Seitenzahl: 409

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Obwohl wir die negativen Folgen von Stress und Mehrfachbelastung nur zu gut kennen, haben Ruhe und Erholung in unserer hektischen Welt immer noch einen zu geringen Stellenwert. Nicola Jane Hobbs räumt mit dem Mythos auf, dass Entspannung faul und egoistisch sei. Denn gezieltes Ausruhen und Freiräume sind die Voraussetzung dafür, dass Frauen ihr volles Potenzial entfalten und erfüllt leben.

In sechs Schritten zeigt sie einen neuen Weg auf, wie Frauen Kraft schöpfen, um für sich selbst und andere sorgen zu können. Ihr Buch ist eine Einladung zur Entschleunigung. Es ist ein Aufruf zum Handeln, damit Entspannung und Ruhe zu einem wichtigen Teil unseres Lebens werden. Es ist die Chance, uns von Stress und toxischer Produktivität zu befreien, patriarchale Normen zu durchbrechen und die Art und Weise zu verändern, wie wir leben, lieben, arbeiten.

Autorin

Nicola Jane Hobbs ist ausgebildete Psychologin und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen Stress und Erholung. Sie hat mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung in den Bereichen Frauengesundheit und Wohlbefinden sowie der persönlichen und beruflichen Entwicklung von Frauen durch Coaching, Yoga, Meditation und therapeutische Arbeit. Außerdem ist sie die Gründerin von The Relaxed Woman, einer Community, die Frauen dabei unterstützt, sich von Stress und Burn-out zu erholen. Nicola Jane Hobbs lebt mit ihrem Partner und dem gemeinsamen Sohn in Brighton, Großbritannien.

Nicola Jane Hobbs

Die entspannte Frau

Warum wir Freiräume für echte Erholung brauchen – für ein erfülltes Leben und eine gerechte Gesellschaft

Aus dem Englischen von Elisabeth Liebl

Die englische Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel »The Relaxed Woman« bei Rider, einem Imprint von Penguin RandomHouse UK, London.

Alle Ratschläge in diesem Buch wurden von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe Juni 2025

Copyright © 2025 der Originalausgabe: Nicola Jane Hobbs

Copyright © 2025 der deutschsprachigen Ausgabe: Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)

Redaktion: Doreen Fröhlich

Umschlag: Uno Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: ALICIA BOCK / stocksy images

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

KW · CB

ISBN 978-3-641-32265-6V002

www.goldmann-verlag.de

Mögen wir gemeinsam zu entspannten Frauen werden.

Inhalt

Einführung

Teil I: Auf Entdeckungsreise zur entspannten Frau

1. Bist du je einer entspannten Frau begegnet?

2. Die Last der Frauen: Warum wir uns nicht entspannen können

3. Entspannung als Freiheit: Wie Ruhe dich befreit

4. Ein sicherer Ort zum Ausruhen

Teil II: Sechs Schritte zur entspannten Frau

5. Fülle deine inneren Ressourcen auf

6. Wie du dein Nervensystem regulierst

7. Pflege deine Beziehungen

8. Trenne dich von deinen dich einschränkenden Überzeugungen

9. Verwirkliche deine Träume

10. Werde Teil der entspannten Revolution

Zu guter Letzt: Wie entspannte Frauen die Welt verändern

Danksagung

Anmerkungen

Register

Auf meinem Weg zur Erwachsenen habe ich nicht eine einzige entspannte Frau kennengelernt.

Erfolgreiche Frauen? Ja. Tüchtige Frauen? Jede Menge. Besorgte, ängstliche, sich für alles entschuldigende Frauen? Noch mehr. Aber entspannte Frauen? Frauen, die sich in ihrer Haut wohlfühlen? Frauen, die sich trauen, Raum einzunehmen in der Welt? Frauen, denen ihre Muße, das Freudvolle und Spielerische am wichtigsten sind? Frauen, die sich selbst die uneingeschränkte Erlaubnis zur Entspannung geben – ohne sich schuldig zu fühlen, ohne sich zu entschuldigen, ohne das Gefühl, sich das erst verdienen zu müssen? Ich bin mir nicht sicher, ob ich je so einer Frau begegnet bin.

Doch ich würde gern so eine Frau werden. Und ich möchte, dass wir alle so werden.

Einführung

Als Erwachsene war ich lange Zeit das genaue Gegenteil einer entspannten Frau. Viele Jahre lang glich mein Leben einem wilden Wirbel aus Stress, Zeitdruck und Erschöpfung, weil ich verzweifelt versuchte, mit einer Vielzahl von Verantwortlichkeiten zurechtzukommen, stets ökonomische Zwänge und ein tief sitzendes Gefühl der Wertlosigkeit im Nacken.

Als kleines Mädchen war ich ganz anders. Ich war sensibel, neugierig und verspielt, aber auch ein echter Wildfang. Meine Schwester und ich brachten unsere Tage damit zu, zu lesen, auf Bäume zu klettern und Gänseblümchenketten zu flechten, die sich von einem Ende des Gartens zum anderen spannten. Ruhe und Spiel waren für uns etwas ganz Natürliches. Wir lebten von Augenblick zu Augenblick, ohne jeden Zeitdruck, ohne jeden Begriff von Leistung und Perfektion, ohne jedes Bedürfnis, etwas darzustellen oder es den Leuten recht zu machen. Doch irgendwann auf meinem Weg zum Frausein, so im Alter zwischen acht und dreizehn, machte ich Schluss mit Ruhe und Spiel. Ich fing an, meinen Wert daran zu messen, von wem ich Anerkennung bekam und wie viel ich erreichte. Ich verinnerlichte die gesellschaftliche Botschaft, dass ein »gutes Mädchen« beziehungsweise eine »erfolgreiche Frau« sich durch Selbst-Beherrschung, Selbst-Unterdrückung und Selbst-Aufopferung auszeichnen sollte, und verlor im selben Maß den Kontakt zu meiner inneren Weisheit, zur Stimme meiner Intuition und meiner Authentizität. Ich vertraute meinen Gefühlen nicht mehr und ebenso wenig meinen Bedürfnissen und meinem Körper. Mein entspanntes, neugieriges, verspieltes Selbst lag nun begraben unter einem Berg von »du sollst« und »du musst« mit den passenden patriarchalischen Konditionierungen. Einfach ich selbst zu sein, fühlte sich nicht länger sicher an.

Wie so viele Frauen verhielt ich mich als Erwachsene so, als wäre ich kein Mensch, sondern eine Maschine. Ich war chronisch überarbeitet und tauschte Schlaf gegen Produktivität. Ich war zwanghaft geschäftig, peitschte mich durch Angst- und Erschöpfungszustände und trug dabei noch ständig ein maskenhaftes Lächeln auf dem Gesicht. Ich tat so, als wäre alles in bester Ordnung. Bis eines Tages die Maske zersplitterte. Ob es nun Burn-out oder eine Depression war oder eine später diagnostizierte komplexe posttraumatische Belastungsstörung (K-PTBS) – vielleicht auch eine Kombination aus allen dreien –, ich hatte meine persönliche Belastungsgrenze überschritten. Ich musste für mich eine andere Art finden zu leben, eine andere Art zu sein.

Während ich die dunklen, düsteren Niederungen von Trauma und Erschöpfung durchquerte, vernahm ich den leisen Ruf eines Selbst in mir, das authentischer, intuitiver und mitfühlender war – eines Selbst, das ich als das meiner Kindheit wiedererkannte. Der Archetyp dessen, was ich jetzt als die »entspannte Frau« bezeichne. Sie sprach zu mir in Träumen und Gedichten, als innere Stimme, die zugleich die meine war und etwas, das über mich hinausreichte. An Tagen, an denen ich mich hektisch und erschöpft in einer tranceartigen Geschäftigkeit verlor, flüsterte sie mir mit sanfter, seidiger, doch zart rebellischer Stimme ins Ohr: »Entspanne dich, meine Liebe. Atme tief durch. Es ist völlig ungefährlich, wenn du langsamer machst. Es ist völlig ungefährlich, wenn du dich ausruhst.«

Während ich dieser liebevollen inneren Stimme lauschte, hatte ich das Gefühl, dass die entspannte Frau in mir allmählich zum Leben erwachte. Wobei ich das Wort »entspannt« beziehungsweise »Entspannung« nicht im heutigen, kommerzialisierten Sinn kostspieliger Wellnessurlaube und -produkte verwende. Sondern in seiner ganz ursprünglichen Bedeutung von »ent-spannen«, also Spannung abbauen, herausnehmen, sich davon befreien.

Die entspannte Frau ist eine Frau, die sich freigemacht hat: frei von Spannung, frei für Ruhe, frei zu weinen und Fehler zu machen. Frei, um Hilfe zu bitten, frei, Freude und Vergnügen zu erleben, frei, ihre Gefühle zu spüren, ihre Werte selbst zu bestimmen und mitfühlend auf unvermeidliche Stressfaktoren im Leben zu reagieren. Frei, sich selbst zu vertrauen, für sich selbst zu sorgen und sie selbst zu sein.

Die entspannte Frau ist die Mutter mit postnataler Depression, die den Mut hat, sich Hilfe zu holen. Sie ist die Tochter, die ihren Eltern liebevoll Grenzen setzt, um ihre eigene geistige Gesundheit zu schützen. Sie ist die Kollegin, die Mittagspause macht und pünktlich heimgeht. Sie ist die Partnerin, die offen über die Belastung und die notwendige gerechte Aufteilung der Hausarbeit spricht. Die entspannte Frau ist die Verkörperung unseres authentischen, intuitiven, wilden Selbst. Sie kennt ihren Wert und akzeptiert ihre Macht. Sie vertraut ihren inneren Rhythmen von engagiertem Tun und tiefer Ruhe, von innerer Heilung und äußeren Faktoren, die sie unterstützen, von Halten und Sich-halten-Lassen. Sie fühlt sich frei und sicher in ihrem Körper und in der Welt.

Die entspannte Frau lebt in allen von uns. Der Weg zu ihr ist der Weg heraus aus unseren Fesseln, aus unserer Zähmung, aus unserem Käfig. Der Weg, der uns selbst und einander befreit.

Kein Ort zum Verschnaufen: Warum ich dieses Buch geschrieben habe

In meiner Arbeit als Psychologin und Therapeutin spürte ich immer wieder, dass sich durch das Leben von Hunderten von Frauen, die ich unterstützend begleiten durfte, eine ähnliche Geschichte wie die meine zog. Zwar waren die Erfahrungen dieser Frauen von Fall zu Fall verschieden, doch berichteten sie unisono über Gefühle von Erschöpfung, Überlastung, Einsamkeit, Schuld und Scham; über das Gefühl, festzustecken, den falschen patriarchalischen Glücks- und Erfolgsversprechen auf den Leim gegangen zu sein; über das tiefe Verlangen nach Langsamkeit und Ruhe, nach Authentizität und Nähe, nach wahrer Heilung.

Und während ich den Stimmen dieser Frauen zuhörte und darin den kollektiven Aufschrei der Müdigkeit und Überlastung vernahm, stellte sich mir immer eindringlicher die Frage: Warum leiden so viele Frauen unter einer solch starken Erschöpfung? Was steckt hinter den Angst- und Schuldgefühlen von uns Frauen, sobald es darum geht, uns ein wenig Entspannung zu erlauben? Was sind die individuellen und kollektiven Auswirkungen, wenn Frauen nicht die Ruhe und Muße finden, die sie brauchen? Wie können wir uns selbst und einander davon befreien?

Das wollte ich genauer wissen. Und so machte ich mich an die Recherche und entdeckte – ein unbearbeitetes Gebiet. Jahrzehntelang waren der Wissenschaft Themen, die für uns Frauen wichtig sind, keine Arbeit wert – Menstruation, Menopause, Matreszenz, Mutterschaft, das Zyklische, Rhythmische, Intuitive, das Seelenvolle und Wilde. Jahrhundertelang wurden Körper und Geist der Frau falsch oder gar nicht verstanden. Die meisten psychologischen Theorien sind Ausdruck einer durch und durch männlichen und weißen Sicht. In der vorhandenen psychologischen Literatur suchte ich vergeblich nach dem Thema Ruhe und Entspannung für Frauen. Also begann ich, meine eigenen Studien anzustellen, was 2022 zur Gründung der Online-Community »The Relaxed Woman« führte.[1] Die Community bietet Coachings und Workshops an, die Frauen helfen sollen, sich von Stress und Burn-out zu erholen. Mittlerweile habe ich mich mit Hunderten von Frauen aus allen Ländern über den Archetyp der entspannten Frau ausgetauscht. Wir haben über die Hindernisse gesprochen, auf die sie stoßen, wenn sie sich die so dringend benötigte Ruhe verschaffen möchten. Darüber, wie wir eine Welt gestalten können, in der Frauen sich sicher und wertvoll genug fühlen, um sich auszuruhen. Während ich noch glaubte, die Ursachen und Folgen mangelnder Muße zu erforschen, entfaltete sich vor meinen Augen ein Panorama von Geschichten, die von Gefühlen der Schuld, Scham und Wertlosigkeit berichteten, von Trauma und Burn-out, aber auch von Heilung, Freude und Freiheit, wobei sich die einzelnen Fäden eng ineinander verflochten.

Dabei herausgekommen ist dieses Buch, das du jetzt in Händen hältst. Seine Entstehung verdankt sich den vielen mutigen, Ruhe und Heilung suchenden Frauen, mit denen ich während der vergangenen 15 Jahre gearbeitet habe. Und den Frauen, die in jüngerer Zeit trotz aller Verletzlichkeit ihre Geschichten für meine Forschungen großzügig mit mir geteilt haben. Darüber hinaus hat mich die Arbeit jener Frauen inspiriert, die mir vorangegangen sind: Clarissa Pinkola Estés und ihre überwältigende Kunst des Geschichtenerzählens (die als Erste vor über 20 Jahren den Archetyp der entspannten Frau in mir weckte)[2]; Mary Oliver mit ihren Gedichten, die uns an die Schönheit erinnert, »müßig und gesegnet«[3] zu sein; Saundra Dalton-Smith und ihrem TED-Talk über die vier Arten der Ruhe[4]; Tricia Hersey mit ihrem Buch Rest is Resistance; und Elizabeth Gilbert. Letztere hat darüber geschrieben, wie schwer es ist, in einem weiblichen Körper frei und entspannt zu sein. Während meiner Recherchen habe ich außer ihr niemanden gefunden, der öffentlich darüber gesprochen hätte, dass die Welt mehr entspannte Frauen braucht.[5]

Letztendlich geht es in diesem Buch darum, wie wir entspannte Frauen werden können. Gemeinsam. Um den nicht endenden Weg, eine Frau zu sein beziehungsweise zu werden, die vertrauen, loslassen und zulassen kann. Diesen Weg gehe ich mit dir gemeinsam. Zwar habe ich die rastlose, erschöpfte Frau, die ich einmal war, gefühlt schon vor Tausenden von Kilometern zurückgelassen. Heute kann ich, meistens jedenfalls, auf meinen Körper hören, kann mich selbst genug wertschätzen, um Nein zu sagen, sodass ich dem Impuls, es allen recht zu machen, immer perfekt zu sein und alles unter Kontrolle zu haben, nicht nachgebe. Trotzdem gibt es noch immer Momente, in denen ich mich gestresst, ängstlich, besorgt und erschöpft fühle. Die unvermeidlichen Notwendigkeiten und Stressfaktoren des Lebens sind immer noch da. Was aber ganz aus meinem Leben verschwunden ist, sind die unrealistischen Erwartungen, das verinnerlichte Regelwerk dessen, was man »sollte«, die Selbstverurteilung, die Selbstaufopferung, das Sich-der-eigenen-Stimme-Berauben. Und die Angst davor, kritisiert, abgelehnt oder missverstanden zu werden. Ich bin von Natur aus hochsensibel veranlagt, und Schönheit und Schmerz der Welt berühren mich tief im Innersten. Was heißt, dass an manchen Tagen in mir ruhiges und schönes Wetter herrscht, während es zu anderen Zeiten etwas stürmischer zugeht. Das Schöne daran ist, dass ich, selbst wenn sich die Stürme erheben – Scham, Angst, Stress, Trauer, Reue, Sorgen und schmerzliche Erinnerungen –, nicht darin untergehe. Ich kann mich trotzdem entspannen, mir vertrauen und mir ein offenes Herz bewahren. Ich fühle mich trotz allem immer noch frei.

Was wir gewinnen, wenn wir entspannte Frauen werden

In diesem Buch geht es nicht darum, wie du dir noch mehr Mühe geben oder an dir arbeiten kannst. Es dreht sich nicht darum, deiner To-do-Liste noch das »Entspannte-Frau-Werden« hinzuzufügen. (Die ist, da bin ich mir ziemlich sicher, ohnehin schon lang genug!) Unser Projekt hat nichts zu tun mit Anstrengung, Zielstrebigkeit, Fleiß, Stressresistenz oder Durchhaltevermögen. Es geht vielmehr um Harmonie, Lockerlassen, Leichtigkeit, Freiheit, Akzeptieren, Spaß, Vertrauen, Geborgenheit, Freude, Hoffnung, Ruhe und Verletzlichkeit. Diese Begriffe stehen für Tugenden, die vor dem Hintergrund unserer ziel- und leistungsfixierten Gesellschaft einigermaßen exotisch wirken. Und doch fühlt es sich so an, als würde ihre Schönheit und unser Bedürfnis danach unseren ganzen Körper aufseufzen lassen, wenn wir sie nur lesen.

Du wirst zur entspannten Frau, wenn du lernst, dir selbst zu vertrauen, dein Kontrollbedürfnis aufzugeben, dich als ganzer Mensch zu zeigen. Als Kinder haben wir das ganz spontan getan. In mehrfacher Hinsicht lernen wir also gar nicht, sondern erinnern uns nur. Entspannung ist ein Instinkt, ein angeborener Reflex. Der allerdings bei vielen von uns verstummt ist aufgrund von Stress, Traumata und sozialer Konditionierung. Eine entspannte Frau zu werden, bedeutet also, dass wir uns daran erinnern, wie man sich entspannt, wie man lockerlässt, wie man etwas in Empfang nimmt.

Hier ein kleiner Überblick über die Segnungen, die mit der entspannten Frau einhergehen:

ein tiefes Gefühl innerer Freiheit,sich frei von Schuld- und Angstgefühlen ausruhen zu können,unser Selbstwertgefühl nicht länger mit Produktivität zu verknüpfen,frei zu sein von zwanghafter Geschäftigkeit, unbarmherziger Selbstantreiberei und exzessivem Liebkind-Machen,Mitgefühl für uns selbst und alles, was wir durchgemacht haben,die Fähigkeit, die Kontrolle abzugeben und uns dem Unbekannten zu überlassen,erneuerte Rückverbindung zu unserem Körper und seiner Weisheit,die Fähigkeit, auf die Stimme unserer Intuition zu hören und gemäß unserem eigenen Wertekanon zu leben, statt zu versuchen, gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen,die Akzeptanz unserer Fehler und Grenzen und unserer Verletzlichkeit,ein tiefes Gefühl von Verbundenheit und Nähe in unseren Beziehungen,die Fähigkeit, schmerzlichen Gefühlen Raum zu geben und die in ihnen liegende Weisheit wertzuschätzen,die Zuversicht und das Vertrauen, dass wir auch mit den unvermeidlichen Stresserfahrungen des Lebens zurechtkommen,das innige Bedürfnis, für uns, für andere und für unsere Umwelt zu sorgen,das Gefühl, zu einem authentischen Menschen zu werden,das tief empfundene Gefühl, dass unsere Bedürfnisse zählen, unsere Stimme zählt, unsere Träume zählen – dass wir zählen.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

In den folgenden Kapiteln habe ich Wissenschaft, Spiritualität und persönliche Geschichten verwoben. Wir werden das Gebiet der psychologischen und neurowissenschaftlichen Aspekte von Stress, Ruhe und Heilung durchstreifen, bevor wir unsere gemächliche, entschleunigte Reise zu Transformation und Befreiung antreten und unterwegs immer wieder Rast einlegen, um ganz bei dem zu sein, was gerade von Moment zu Moment passiert. In den einzelnen Kapiteln findest du Abschnitte mit der Überschrift »Innehalten und Nachdenken«. Diese kurzen Texte sind dazu gedacht, dich in einen Zustand der Stille zu versetzen, sodass du das Folgende mit dem Gefühl von Frieden und Leichtigkeit auf dich wirken lassen kannst.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. In Teil I werden wir gemeinsam erkunden, wer diese entspannte Frau eigentlich ist, die uns aufzeigt, was wir den anderen, in unserer Kultur vorherrschenden und das Leben von uns Frauen bestimmenden Archetypen entgegensetzen können: wie zum Beispiel die rastlose Frau, die selbstlose Frau oder Superwoman. Wir werden uns des Weiteren mit der Frage befassen, warum unser moderner Lebensstil es uns so schwer macht, uns zu entspannen. Und warum patriarchalische Strukturen niemandem guttun (auch den Männern nicht). Wir werden erforschen, warum Entspannung eine Form der Befreiung ist – ein Weg, der die Wunden des Patriarchats heilt und auf dem wir uns selbst und einander in die Freiheit entlassen können. Mithilfe von Erkenntnissen aus Neurowissenschaften und Psychologie werden wir unser Verständnis von Stress und traumatischen Erfahrungen vertiefen. Wir werden uns damit auseinandersetzen, wie wir uns die Neuroplastizität des Gehirns – seine Fähigkeit, sich neu zu verdrahten – zunutze machen, sodass Körper und Gehirn sich regenerieren können. Und wir werden uns die häufigsten Ursachen ansehen, die unser Nervensystem im Überlebensmodus heißlaufen lassen. Wir experimentieren mit einfachen, wissenschaftlich fundierten Techniken, die uns aus diesem Zustand herausholen. So werden wir fähig, mit Stress effizienter umzugehen, Ziele, die uns wichtig sind, mit mehr Spaß, Lockerheit und Zuversicht zu verfolgen. Am Ende erwecken wir unsere angeborenen, aber mit der Kindheit verloren gegangenen Fähigkeiten zu neuem Leben: die Gabe, zu spielen, zu staunen, im Hier und Jetzt zu sein, Spaß zu haben, sich zu begeistern und herumzualbern. In Teil II brechen wir dann auf zur Reise zur entspannten Frau: ein neurosequentieller, neurobiologisch wirksamer Prozess, der sich in sechs Schritte gliedert:

die inneren Ressourcen erneuern,das Nervensystem regulieren,Beziehungen pflegen,einschränkende Überzeugungen aufgeben,Träume verwirklichen,Teil der entspannten Revolution werden.

Dieses Modell wird uns in Kapitel 1 ausführlicher beschäftigen. So viel schon jetzt: Wenn wir in einem Bereich heil werden, strahlt dieser Effekt unvermeidlich auf alle Bereiche unseres Lebens aus.

Der Weg, der vor uns liegt, ist eine Heldinnenfahrt, eine weibliche Reise – wissenschaftlich fundiert, aber zugleich weich, seelenvoll und heilig. Mit jedem weiteren sanften Schritt verstehen wir nicht nur den Archetypus der entspannten Frau besser, wir erwecken sie auch zum Leben. Wir verkörpern sie. Wir werden zu ihr.

Wissenschaft, Storytelling und Selbstentdeckung

In diesem Buch beziehe ich mich immer wieder auf verschiedene wissenschaftliche Disziplinen einschließlich der interpersonellen Neurobiologie, der Psychophysiologie und der Evolutionspsychologie. Zum einen, weil sie die wissenschaftliche Seite erklären helfen, wie man zur entspannten Frau wird. Zum anderen, weil sie eine Verständnisgrundlage bieten, die sich sicher anfühlt, sodass wir Vertrauen in den sich entfaltenden Heilungsprozess entwickeln. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die Wissenschaft ihre Grenzen hat und uns immer nur fragmentarische Einblicke in die ebenso komplexen wie geheimnisvollen Vorgänge geben kann, die in Gehirn, Körper, Geist und Gesellschaft ablaufen. Wie auf so vielen anderen Gebieten herrscht auch in den Wissenschaften nie hundertprozentige Übereinstimmung bei einem Thema. Daher habe ich mich immer, so gut ich konnte, bemüht aufzuzeigen, wo sich ein Konsens abzeichnet. Das allerdings kann sich mit dem wissenschaftlichen Fortschritt und neuen Erkenntnissen ändern.

Andere in diesem Buch verwendete Konzepte wie Lebensgeschichten, spirituelle Methoden, Dichtung oder Archetypen hängen nicht von wissenschaftlichen Daten ab. Darüber hinaus habe ich teils eigene Erfahrungen einfließen lassen, teils die Erfahrungen anderer Frauen, die ihre Geschichten für meine Arbeit großzügig mit mir geteilt haben. Um ihre Anonymität zu wahren, habe ich die Stimmen der einzelnen Frauen so zu einer Geschichte verwoben, dass sie den Kern dessen widerspiegeln, was sie mir anvertraut haben.

Ziehen sich bestimmte Motive auch wie ein roter Faden durch die Erfahrungen von Frauen, so ist doch anzumerken, dass nicht unbedingt jede wissenschaftliche Erkenntnis beziehungsweise jede Geschichte auf dich zutreffen muss. Es ist unmöglich, in einem einzigen Buch das Spektrum weiblicher Erfahrung in seiner ganzen Fülle und Vielfalt abzubilden. Aufgrund meines Alters und meiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, aufgrund meiner privilegierten Lebensgeschichte und meiner Hautfarbe wird es bei mir unvermeidlich immer bestimmte blinde Flecke geben. Wenn irgendetwas von dem, was ich hier geschrieben habe, bei dir keinen Anklang findet, lass es einfach weg.

Wie du dieses Buch lesen solltest: Entspannte Lektüre

Ein Buch ist eine Beziehung zwischen Autorin und Leserin. Wenn du nun aufbrichst, um eine entspannte Frau zu werden, dann hoffe ich, dass du auf jeder Seite spüren kannst, dass ich bei dir bin. Vielleicht würdest du diese Reise auch gern zusammen mit einer Weggefährtin antreten, einer Person, mit der du gemeinsam dieses Buch liest: zum Beispiel eine Schwester, Freundin, Kollegin oder sonst ein lieber Mensch. Vielleicht auch in der Gesellschaft mehrerer Frauen, zum Beispiel in einer Lesegruppe oder einem Heilungszirkel. Das große Thema dieses Buches ist zwar Ruhe und Entspannung, doch geht es auch um Vertrauen, Sanftheit und Verbundenheit, und es liegt etwas zutiefst Heilsames im Teilen von Erfahrungen und der Entdeckung, dass wir damit nicht allein sind. Wenn wir als Gruppe zusammenkommen, zu gemeinsamer Lektüre und gemeinsamem Ruhe-Finden, so wird unser individueller Weg Teil von etwas Größerem: einer Schwesternschaft, einer Bewegung, einer Revolution.

Mein Rat für deine Lektüre: Merke dir wichtige Stellen an, unterstreiche sie und mach dir Notizen. Und halte deine Fragen und Einsichten fest, damit diese Seiten wirklich zu den deinen werden. Das ist nicht nur ein gutes Gegengift gegen einen möglicherweise vorhandenen Hang zum Perfektionismus. Es hilft dir auch, dieses Buch auf eine entschleunigte, tiefgehende und körperliche Weise zu lesen, indem du es langsam, aber sicher in ein chaotisches, wildes Unikat verwandelst.

Falls du zu den 54 Prozent Frauen gehörst, denen es schwerfällt, nicht dauernd nach ihrem Handy zu greifen, wenn sie eigentlich lesen oder etwas anderes tun möchten, was ihre Konzentration verlangt, dann lautet mein Rat: Leg dein Smartphone währenddessen in einem anderen Raum ab. So gibst du deinem Gehirn eine Auszeit von der Informationsflut, der wir im Alltag so oft ausgesetzt sind.[6] Denn selbst wenn wir und unser Handy uns im selben Raum befinden und wir es schaffen, dem Sirenengesang der E-Mails und sozialen Medien zu widerstehen, so kostet uns das doch »Hirnleistung«. Liegt unser Handy nämlich neben uns, verbraucht unser Gehirn seine begrenzten kognitiven Ressourcen, um den Impuls, danach zu greifen, zu unterbinden.[7]

In den gesamten Text habe ich immer wieder Textstellen eingewoben, die dir Gelegenheit zum Innehalten und Nachdenken bieten. Dies sind Einladungen, deine Lektüre zu unterbrechen und dich tiefer auf die Ideen einzulassen, mit denen wir uns hier befassen, den Widerhall des Gelesenen in deinem Körper zu spüren und einen Raum zu schaffen, in dem neue Einsichten aufkeimen können. Viele von uns sind »kopffixiert« – die meiste Zeit sind wir beschäftigt mit Denken, Planen, Analysieren, Sorgenmachen und Intellektualisieren. Daher kann uns diese mehr körperbetonte Art des Lesens helfen, wieder eine Verbindung zu unseren Empfindungen und Gefühlen, zu unserer Intuition und Vorstellungswelt herzustellen, die uns Heilung und Einsicht schenken.

Zudem habe ich immer wieder Übungen eingestreut, die sich die neuroplastischen Fähigkeiten unseres Gehirns zunutze machen und es dir erleichtern, eine entspannte Frau zu werden. Einige dieser Übungen setzen auf unseren Körper und funktionieren sozusagen »von unten nach oben«. Atmung, Entspannung, Rhythmus, Bewegung und Berührung ermöglichen uns, unser physiologisches System herunterzufahren, sodass sich im Körper die Empfindung von Sicherheit, Entspannung und Wohlbefinden ausbreiten kann – das genaue Gegenteil zu Stress, Angst und Anspannung, mit denen so viele von uns leben. Andere Übungen dagegen funktionieren »von oben nach unten«. Sie nutzen die Fähigkeiten unseres präfrontalen Kortex, des denkenden Teils unseres Gehirns. Sie helfen uns, unser Wertesystem selbst zu definieren, uns eine eigene Meinung zu bilden, uns gegen den Status quo zu stellen, uns begrenzende Vorstellungen, die wir von der Gesellschaft übernommen haben, zu hinterfragen und energiefressende Gewohnheiten durch lebensfördernde zu ersetzen. Zusätzlich biete ich dir noch einige »Partnerübungen« an, die du gemeinsam mit anderen ausprobieren kannst – denn keine von uns kann diese Arbeit ganz allein stemmen.

Der Weg zur entspannten Frau verläuft innerhalb unseres ganz normalen Alltags. Darum sind diese Übungen einfach gehalten, sodass du sie gut in deinen Tagesablauf einbauen kannst. Betrachte sie als Menü, aus dem du dir etwas herauspickst. Probiere die Techniken aus, zu denen du dich intuitiv hingezogen fühlst. Lass die übrigen sich wie Samen in dir verwurzeln, sodass sie zur gegebenen Zeit erblühen können. Insgesamt helfen dir diese Methoden dabei, Stress und Traumata zu verarbeiten. Sie intensivieren auch dein Erleben von Ruhe und Freude, Spiel und Spaß, Neugierde und Daseinslust.

Es ist meine Hoffnung, dass du dieses Buch mit genau diesem energetischen Mix aus Freude, Staunen und Lust liest. Dann nämlich wird das Lesen selbst zu einer Praxis. Zur Praxis des Entschleunigens und Präsent-Seins, bei der du dir erlaubst, zu nehmen und zu empfangen. Denn wie schnell wird aus dem »Buchlesen« ein neuer Punkt auf unserer To-do-Liste. Wie groß ist die Versuchung, ein Buch zu überfliegen, um möglichst viele Informationen in möglichst kurzer Zeit aufzusaugen, als würden wir für eine Prüfung pauken. Doch auf der letzten Seite erwartet dich kein Abschlusstest. Du musst dich an nichts erinnern und nichts erreichen. Es gibt keinen Zeitdruck. Du kannst dich einfach entspannen und die Dinge in dich einfließen lassen.

So zu lesen – entspannt, im Körper und ohne Zwang –, lässt den Prozess zu etwas werden, bei dem es weniger um das Aufnehmen von Informationen als um Transformation geht. Diese Art des Lesens lässt in uns eine neue Art des Sehens erwachen, eine neue Art des Seins entstehen und Qualitäten wie liebende Präsenz, mitfühlende Offenheit und tiefe Zärtlichkeit wachsen. Während diese Eigenschaften in uns einsickern, verändern sie unseren Umgang mit uns selbst und mit der Welt.

Doch nun lass uns aufbrechen. Ich werde bei jedem Schritt auf diesem Weg an deiner Seite sein.

Teil I:Auf Entdeckungsreise zur entspannten Frau

1. Bist du je einer entspannten Frau begegnet?

Die Natur hat uns nicht für ein Dasein im Überlebensmodus eingerichtet. Unser Körper braucht Sicherheit. Unsere Seele braucht Rast und Ruhe.

Wir Frauen sind sanft, stark, kämpferisch, zerbrechlich, verwundbar, resilient, im Körper verankert, intuitiv und zutiefst miteinander verbunden. Wir sind aber auch gestresst, überlastet und erschöpft. Unser Impuls, uns um andere zu kümmern, wurde von der Gesellschaft ausgebeutet, unsere Anlage zu Güte und Mitgefühl missbraucht. Unsere Hoffnungen auf Gleichberechtigung und Stärkung unserer Position wurden zu kraftraubenden Verpflichtungen und unrealistischen Erwartungen verkehrt, die uns mit dem Gefühl zurücklassen, dass wir nie genug Zeit und immer zu viel zu tun haben. Wir sind zu einer Gesellschaft gehetzter Frauen geworden. Überforderter Frauen. Erschöpfter Frauen. Mangels eines anderen Rollenmodells, das uns zeigen könnte, was es heißt, entspannt zu sein und frei zu sein, sich in seiner Haut wohlzufühlen. Stattdessen war das Leben vieler Frauen bestimmt von Sorge, Angst, Scham und dem Gefühl, sich für alles entschuldigen zu müssen. Wenn die Frauen, die uns lieben, sich nicht ausruhen, sich nicht entspannen und ihre Bedürfnisse nicht respektieren, dann kann das auch für massive Schwierigkeiten bei uns selbst sorgen.

In einer stark patriarchal strukturierten, von Ungleichheit und Produktivitätswahn beherrschten Gesellschaft ist die entspannte Frau ein seltenes Wesen. Die wenigsten von uns dürften je einer Vertreterin dieser Spezies begegnet sein. Gar selbst zu einer solchen Frau zu werden, kann sich schier unmöglich anfühlen. Zu sehr haben wir uns von der Gesellschaft einreden lassen, dass »Entspannung« gleichzusetzen sei mit Faulheit, mangelndem Ehrgeiz, Schwäche, Selbstsucht, Resignation und Bequemlichkeit. Angesichts drohender sozialer Ablehnung ist es sicherer, sich den Erwartungen zu beugen, die von uns Perfektionismus, Selbstaufopferung, Anpassung und eine geradezu toxische Leistungsorientiertheit fordern, als Formen eines entspannteren Lebensstils zu erkunden.

Und trotzdem: Selbst wenn wir im realen Leben noch nie einer entspannten Frau begegnet sind, so bringen die beiden Wörter »entspannt« und »Frau« – sobald wir sie zusammen hören – tief in uns eine Saite zum Klingen. Sie küssen eine Art zu sein wach, die wir intuitiv kennen. Wie ein Zauberwort öffnen sie uns die Geheimtür zu einer Schatzkammer voll neuer Hoffnung, neuen Rollenmodellen und neuen Möglichkeiten.

Vom Leid und Schmerz, eine unentspannte Frau zu sein

Oft beginnt der Weg zur entspannten Frau damit, dass uns bewusst wird, wo wir nicht entspannt sind. Wo wir nicht in der Ruhe sind. Wo wir nicht gelassen sind. Wo wir nicht frei sind.

Gerade weil sie so selten anzutreffen ist, finden wir möglicherweise leichter Zugang zur entspannten Frau, wenn wir uns klarmachen, was sie nicht ist. Zu den unzähligen Namen für ihr Gegenstück gehören: die gestresste Frau, die erschöpfte Frau, die ausgebrannte Frau, die gehetzte Frau, die überkontrollierte Frau, die entmachtete Frau, die hyperabhängige Frau, die sich selbst zur Sprachlosigkeit verdammende Frau, die überlastete Frau. Am einfachsten lässt es sich aber vermutlich beschreiben als die unentspannte Frau. (Und das »unentspannt« steht für »angespannt, gestresst, getrieben«.)

An welchen Merkmalen erkennst du, ob du eine unentspannte Frau bist? Hier überlasse ich das Wort den Frauen, mit denen ich gesprochen beziehungsweise gearbeitet habe:

chronisches Gefühl der Unsicherheit, Feststecken im Überlebensmodus, Selbstwertgefühl von der eigenen Leistungsfähigkeit abhängig machen, ständig mit dem Gefühl von innerem Druck und drohendem Unheil leben,sich ängstlich, voller Scham, schuldig, erschöpft, verloren, in der Falle, machtlos, ausgelutscht, überfordert, wertlos und ignoriert fühlen,Schlaflosigkeit, Schwindel, Migräne, Reizdarmsyndrom und chronische Erschöpfung,sich immer erst von außen Erlaubnis holen, an den eigenen Fähigkeiten und Stärken zweifeln, selbst kleine Fehler als Katastrophe betrachten,Angst, andere zu enttäuschen, ihnen zur Last zu fallen, als Unruhestifter oder Faulpelz angesehen zu werden,ohne Rücksicht auf sich selbst nach Perfektion streben, gegen die eigene innere Uhr leben, seine innere Stimme missachten und sich selbst wie eine Maschine behandeln,die eigenen Gefühle unterdrücken, die eigene Verwundbarkeit verstecken und eigene Bedürfnisse hintanstellen,zu viel arbeiten, zu viel denken, zu viel planen, unser Soll übererfüllen wollen,uns selbst mundtot machen, unsere Wahrheit verbergen, eine Maske aufsetzen, den Leuten etwas vorspielen und ihnen nach dem Mund reden,keinen Bezug mehr zum eigenen Körper, den eigenen Gefühlen, den eigenen Träumen und Hoffnungen haben,sich nach einem anstrengenden Arbeitstag, sei es im Job, sei es, weil man Angehörige gepflegt oder sich um die Kinder gekümmert hat, nicht mehr entspannen können,sich ständig kontrolliert fühlen und gleichzeitig das Gefühl haben, dass alles aus dem Ruder läuft, sich nach Ruhe sehnen und gleichzeitig zwanghaft geschäftig sein,sich leicht von der Meinung anderer Leute beeinflussen lassen, der Drang, zu tun, was von einem erwartet wird, seine Kraft auf belanglose Ziele verwenden, nur um gesellschaftlichen Normen zu entsprechen,sich am liebsten verstecken wollen und sich gleichzeitig danach sehnen, wahrgenommen zu werden.

Die Kosten, die uns selbst, unseren Familien und auch der Gesellschaft dadurch entstehen, dass wir gestresste, erschöpfte, unentspannte Frauen sind, sind enorm. Emma, Therapeutin und Mutter von zwei Kindern, fasst den Schmerz, eine unentspannte Frau zu sein, in eindringliche Worte:

Ich wachte eines Morgens auf und kollabierte einfach. Mein Körper war total kraftlos. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war. Meine Kinder waren noch ganz klein, und das alles machte mir panische Angst. Als Therapeutin wusste ich zwar, welche Auswirkungen Stress auf den Körper haben kann, doch ich habe einfach nicht gesehen, dass ich genau darauf zusteuerte. Ich hatte ständig versucht, immer und überall 100 Prozent zu geben: bei meinen Kindern, bei meinen Patientinnen, bei allem, was ich sonst tat, und das war zu viel. Ich habe meine Grenzen vor mir selbst verleugnet. Ich habe mich für Superwoman gehalten. Ich habe gar nicht gemerkt, wie erschöpft ich war. Mein Körper hatte mir seine Warnungen in Form von Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafstörungen zugeflüstert, aber ich war einfach zu beschäftigt, um darauf zu hören. Und dann hat er eines Tages »Stopp!« geschrien.

Es gibt zahlreiche Gründe, warum so viele Frauen ständig unter Anspannung stehen und sich unsicher und eingesperrt fühlen. Wir alle kennen Phasen, in denen wir müde und angespannt sind, Zeiten, in denen wir uns aufgrund von Geschäftigkeit und Zeitdruck selbst verlieren. Das sollte nur nicht zum Dauerzustand werden. Wenn du an dir die Symptome der unentspannten Frau feststellst, heißt das noch nicht, dass mit dir etwas nicht stimmt. Angesichts dessen, was du durchgemacht hast, kannst du nur gestresst und erschöpft sein. Unser Geist hat etwas von einem Winkeladvokaten, und so wird aus der Feststellung, »keine entspannte Frau zu sein«, ein neuer Knüppel, mit dem wir auf uns einprügeln, ein weiterer Vorwurf, eine weitere Selbstkritik. Das Letzte, was ich mit diesem Buch erreichen möchte, ist, dass du es liest und Schuldgefühle entwickelst, weil du nicht »entspannt genug«, nicht »reguliert genug« oder in welcher Hinsicht auch immer nicht »gut genug« bist. Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch dir, in Verbindung mit den hier vorgestellten Methoden, zu einem entspannteren Seinsmodus verhilft, dass es dir Hoffnung schenkt und neue Möglichkeiten aufzeigt.

Schau, ob du beim Lesen schon eventuelle Schuld- oder Pflichtgefühle loslassen kannst: »Ich sollte mit Anforderungen besser zurechtkommen.« Und: »Es dürfte mir eigentlich nicht so schwerfallen, mich zu entspannen.« Oder: »Ich sollte mich mehr um mich selbst kümmern.« Betrachte diesen Weg als Einladung, nicht als »innere Arbeit«, sondern als »inneres Spiel«. Als Gelegenheit, mit einer neuen Art des Sehens, einer neuen Art zu leben, einer neuen Art zu sein, zu spielen.

Die entspannte Frau zum Leben erwecken

Die entspannte Frau ist frei, wild und schwer mit Worten zu beschreiben. Jeder von uns zeigt sie sich in anderer Gestalt und zu anderen Zeiten, während wir mit ihr allmählich vertrauter und schließlich selbst zu ihr werden. Sie verlangt von uns weder ein bestimmtes Alter noch eine bestimmte Hautfarbe oder einen bestimmten gesellschaftlichen Rang. Ihr Erwachen hängt auch nicht davon ab, ob wir täglich ein bestimmtes Maß an Selbstfürsorge betreiben können. Sie ist nicht an äußeren Errungenschaften und Privilegien zu erkennen, denn was von außen aussieht wie Unabhängigkeit oder Erfolg, fühlt sich tief drinnen oft wie Unsicherheit und Wertlosigkeit an. Wir können nicht erzwingen, dass wir wie sie werden, indem wir unser Nervensystem »bio-hacken« oder die Morgenroutine anderer Leute kopieren. Vielmehr werden wir zur entspannten Frau, wenn wir das, was sich für uns wahr und zutiefst bedeutsam anfühlt, integrieren und verkörpern. Eine entspannte Frau werden – dabei geht es nicht so sehr darum, was wir tun, sondern darum, wie wir auf die Welt zugehen: achtsam, liebevoll, verwundbar. Die entspannte Frau ist die Frau, die wir sind, wenn wir gemäß unseren Werten leben, unsere Masken ablegen und uns entspannen, sodass unser Selbst immer authentischer hervortreten kann.

Je besser ich sie in meinem eigenen Leben kennenlerne, desto deutlicher wird mir, dass die entspannte Frau jenes Selbst ist, das zu verleugnen und zu verachten man uns beigebracht hat – jene sinnliche, leidenschaftliche und spielerische Frau, die um ihren Wert weiß, ihre Macht wahrnimmt und der Stimme ihrer Intuition vertraut. Die nachstehende Liste mit Eigenschaften der entspannten Frau hat über die Jahre immer deutlicher Gestalt angenommen. Sie beruht einerseits auf dem, was ich heraushören konnte, wenn Frauen mir von ihren Erfahrungen erzählten, andererseits auf den Veränderungen, die ich sehen konnte, als sie anfingen, die entspannte Frau zu verkörpern. Diese Liste schreibt dir nicht vor, wie du als entspannte Frau sein sollst. Sie ist vielmehr dazu gedacht, dich für die Möglichkeit einer anderen Art des Daseins zu sensibilisieren.

Als entspannte Frauen:

fühlen wir uns in unserem Körper und in der Welt frei und sicher,verbinden wir unser Selbstwertgefühl nicht mit Leistung,respektieren wir unser Bedürfnis nach Ruhe und Stille, nach Nähe und Unterstützung, nach Frieden und Unbeschwertheit,leben wir unser Leben aus einer wachsenden inneren Stille heraus,stellen wir Authentizität und Nähe über den Anschein und das, was unter People Pleasing fällt: das Jasagertum also,können wir für uns, andere und die Erde auf tiefgreifende Weise sorgen,wissen wir, wann wir uns ins Zeug legen und wann wir die Hängematte genießen können, wann wir kämpfen und wann wir sanftmütig sind, wann wir geben und wann wir nehmen,vertrauen wir unserer Intuition, leben wir gemäß unseren selbst gesetzten Werten und sind verbunden mit unseren Emotionen, Hoffnungen, Ängsten und Träumen,akzeptieren wir unsere Grenzen, unsere Unvollkommenheiten und unsere Verletzlichkeit,empfinden wir ein Gefühl der Offenheit gegenüber allen Facetten des Lebens – Schmerz und Freude, Hoffnung und Angst, Liebe und Trauer,schwelgen wir in einfachen Freuden und verherrlichen ganz gewöhnliche Augenblicke,wertschätzen wir uns selbst genug, um freundlich Grenzen zu setzen, die unser Wohlergehen fördern,respektieren wir die Entscheidungen anderer Frauen, auch wenn wir selbst uns anders entschieden hätten,akzeptieren wir Stress, Veränderung und Ungewissheit als im Leben unvermeidlich und vertrauen darauf, dass wir Schwierigkeiten, die sich uns entgegenstellen, meistern werden,erkennen wir, wenn eine alte Wunde aufgerissen wird, und begrüßen und verarbeiten den Schmerz auf liebevolle, mitfühlende Weise, statt uns davon überwältigen zu lassen,bewahren wir uns ein offenes Herz für das Leiden in der Welt, ohne das Gefühl zu haben, wir allein seien für seine Heilung verantwortlich,kennen wir den Unterschied zwischen einer nicht verhandelbaren Verantwortung und einer unrealistischen Erwartung,stehen wir zu unseren kindlichen Eigenschaften – voll Freude, verspielt, neugierig und unbekümmert zu sein – und können Spaß haben und herumalbern,wissen wir, dass wir Ruhe, Respekt, Mitgefühl, Liebe und Freude verdienen.

Eine entspannte Frau zu werden, heißt nicht, dass unvermeidliche Stressfaktoren und Druck aus unserem Leben verschwinden. Es bedeutet vielmehr, dass wir fähig werden, uns Schwierigkeiten zu stellen und sie mit mehr Selbstvertrauen, Leichtigkeit und Geschick anzugehen. Danach klopfen wir uns den Staub aus den Kleidern und tanken neue Kraft, sodass wir eventuellen Widrigkeiten gelassen ins Auge blicken können.

Eine entspannte Frau zu werden, heißt ebenso wenig, dass wir unsere Ziele aufgeben oder unsere Verantwortung schleifen lassen. Wir können entspannte Frauen sein und zielstrebig an der Verwirklichung unserer Träume arbeiten. Wir können entspannte Frauen sein und leidenschaftlich nach persönlicher Entwicklung streben. Wir können entspannte Frauen sein und sinnvolle Arbeit tun, uns um unsere Familie kümmern und uns sozial engagieren.

Eine entspannte Frau zu werden, heißt auch nicht, dass wir nie wieder unter Angst oder Erschöpfung leiden werden oder nichts unseren inneren Frieden erschüttern kann. Es bedeutet vielmehr, dass wir uns entspannen können, egal, was gerade um uns herum passiert. Wir sind in der Lage, uns inmitten von Chaos, Durcheinander und Ungewissheit zu entspannen. Wir können uns mit all unseren Mängeln und Fehlern entspannen. Wir können uns allen Angst-, Schuld- und Schamgefühlen zum Trotz entspannen. Und während wir uns entspannen und nicht mehr gegen das, was ist, ankämpfen, wird eine ungeheure Menge an Energie frei. Wir entdecken, dass wir frei sind – frei, jene Dinge zu akzeptieren, über die wir keine Kontrolle haben, und unsere Trauer darüber zu spüren. Frei, in jenen Bereichen des Lebens aktiv zu werden, in denen unsere Kraft liegt.

Innehalten und Nachdenken

Lass uns hier eine kleine Pause einlegen, damit du dich mit der entspannten Frau in dir verbinden kannst. Schließ die Augen, atme tief durch und bitte darum, dass die Empfindung deines Selbst in seiner liebevollsten, entspanntesten Form in dir lebendig wird. Es mag ein wenig dauern, bis sie erwacht. Hab Geduld und gib ihr einen sicheren Raum, in dem sie sich entfalten kann.

Wenn du ein Gefühl für sie hast (das im Moment noch recht subtil sein mag), dann kannst du mithilfe folgender Fragen über die Begegnung mit der entspannten Frau in dir nachdenken. Würdest du die entspannte Frau verkörpern:

Nach welchen Werten würdest du leben?Was hätte in deinem Leben Priorität?Wie würdest du mit dir selbst reden?Wie würdest du dich ernähren, trainieren und für dich selbst sorgen?Wie würdest du deine Beziehungen pflegen?Welche Art von Arbeit würdest du machen?Was würdest du in deiner Freizeit tun?

Wenn wir diese Übung machen, kann es uns passieren, dass wir unser »entspanntes Selbst« mit unseren Vorstellungen vom »perfekten Selbst« verwechseln. Achte also darauf, ob deine Antworten sich in Richtung Perfektionismus bewegen. Und pass auf, ob du spüren kannst, wie dein Körper jeweils reagiert, wenn du dich mit solchen übernommenen Vorstellungen von Perfektion beziehungsweise mit der entspannten Frau in dir verbindest.

Anfangs mag dir die entspannte Frau noch wie eine Fremde vorkommen. Aber im Laufe unserer gemeinsamen Reise werden sich die Momente mehren, in denen du überwältigt bist: »Ach, so fühlt es sich also an, eine entspannte Frau zu sein!« Ja, es ist ein wunderbares Gefühl!

Mein Weg zur Verkörperung der entspannten Frau

Je vertrauter ich mit der entspannten Frau werde, desto deutlicher kann ich sie auf unterschiedlichste Weise und auf verschiedenen Ebenen fühlen. Sie ist sowohl Archetyp wie Übungsweg, Fertigkeit wie Zustand des Nervensystems, Muster und Möglichkeit, eine Art zu sein und ein Weg des Werdens.

Ein Begriff tauchte in meiner Beschäftigung mit der entspannten Frau immer und immer wieder auf: der der Reise. Und in vielerlei Hinsicht geht es eben darum. Um einen Heilungsweg. Eine Heldinnenreise. Einen Weg, auf dem wir lernen, für uns selbst zu sorgen, für uns selbst einzutreten, uns selbst als Frauen wertzuschätzen. Einen Weg des Gewahrwerdens, einen Weg des Mutes und der Hoffnung.

Auf dem Weg zur entspannten Frau fand ich mich 2020 wieder, nachdem ich mehr als zwei Jahrzehnte lang dem klassischen Muster der Heldenreise gefolgt war und versucht hatte, als stromlinienförmige, sich überfordernde Hochleisterin Bestätigung innerhalb der bestehenden patriarchalischenStrukturen zu finden. Ich berechnete meinen Wert als Mensch nach meiner Leistung und jonglierte mehrere Jobs gleichzeitig, um über die Runden zu kommen. Doch das Einzige, was mich am Ende dieses Weges erwartete, waren ein Burn-out, chronische Schmerzen, eine Hormonstörung und ein spirituelles Vakuum. Ich konnte unmöglich so weiterleben, wie ich es getan hatte. Doch dieser Ort der Erschöpfung und Dünnhäutigkeit wurde zu dem Wendepunkt, von dem aus meine Reise zur entspannten Frau ihren Anfang nahm.

Mit seinen Wurzeln in der Intuition, der Psychologie, der Wissenschaft und der Spiritualität war dieser Weg ein sanfter Prozess des Erforschens, in dem sich alles, was ich seit Beginn meiner Ausbildung zur Psychologin 2008 gelernt hatte, mit der spirituellen Weisheit verband, die sich mir in über zehn Jahren Tätigkeit als Yogalehrerin offenbart hatte, Jahre, in denen ich durch Horchen auf die leisen Signale meines Körpers den Ruf meiner Seele entdeckte. Schon zuvor war mir viele Jahre lang klar gewesen, dass ich unbedingt langsamer machen musste. Ich kannte die einschlägigen Studien und hatte mich mit den wissenschaftlichen Daten beschäftigt. Tief drin wusste ich, dass für viele meiner gesundheitlichen Probleme Stress verantwortlich war. Doch konnte mein ganzes Verstandeswissen nicht verhindern, dass ich mir weiter zu viel Arbeit aufbürdete und meinen Körper und seine Bedürfnisse vernachlässigte. Hierfür gab es mehrere Gründe: zum einen finanzielle Notwendigkeit, zum anderen ein überwertiges Verantwortungsgefühl und nicht zuletzt, dass ich gar keinen anderen Lebensstil kannte.

Was schließlich den Ausschlag gab, dass ich meinem Verstandeswissen (nämlich, dass ich Ruhe brauchte) endlich Taten folgen ließ (mich wirklich auszuruhen), kann ich nicht genau sagen. Doch ich erinnere mich noch, wie eines Morgens mein Partner und ich – es waren die ersten Lockdown-Tage während der Corona-Pandemie – auf der Hintertreppe zu unserem Garten saßen. Wie so viele andere hatte ich Angst – um unsere Gesundheit, unsere Familien, um unsere Freiheit und unsere Gesellschaft. Da sagte mein Partner in dem Versuch, meine Ängste zu beschwichtigen, die sich immer weiter aufschaukelten, plötzlich mit sanfter Stimme zu mir: »Im Augenblick gibt es nichts, was du tun kannst. Du kannst dich also genauso gut entspannen.« In dem Moment begriff ich, dass ich gar nicht wusste, wie das ging – sich entspannen. Und dass ich nicht eine Frau kannte, die ich deswegen hätte um Rat fragen können. Also fing ich an, auf eigene Faust zu experimentieren.

Mein Weg zur entspannten Frau begann damit, dass ich mir die Erlaubnis gab, mich auszuruhen – ein Nickerchen zu machen, einen Roman zu lesen, am Strand spazieren zu gehen, im Garten zu töpfern, Bananenbrot zu backen, Brettspiele zu machen. Und ich trennte Arbeit und Freizeit schärfer. Ich entschleunigte meine Wochenenden, um mir mehr »Luft« und Raum zu geben und bewusst »unproduktiv« zu sein. So bekamen meine psycho-physischen Systeme (Nerven-, Herz-Kreislauf- und Immunsystem sowie das endokrine System) Gelegenheit, sich zu regenerieren und von Jahren mit chronischem Stress und nicht verarbeiteten Traumata zu genesen. Die nächste Etappe auf diesem Weg war, dass ich anfing, meine natürlichen Rhythmen und Zyklen zu achten. Ich pflegte mein Nervenkostüm und übte verschiedene Techniken der Selbstregulierung. Das half mir, Stress rechtzeitig zu erkennen und so damit umzugehen, dass weder mein eigener Leidensdruck verstärkt wurde noch die Menschen in meiner Umgebung in Mitleidenschaft gezogen wurden. Durch meine Berufsausbildung war ich mit verschiedenen Therapieansätzen und Denkrichtungen vertraut. Beides zusammen vermittelte mir ein intellektuelles Verständnis für die Bedeutung von Ruhe, Rhythmus und Regulation. Gleichzeitig entwickelte ich einen klaren felt sense dafür, warum diese Werkzeuge sich zu erkunden lohnen. (Der Begriff felt sense wurde von Eugene Gendlin geprägt. Er beschreibt das Gewahrsein von allem, was du fühlst und weißt in Bezug auf Situationen, Personen oder Erfahrung. Man übersetzt ihn gewöhnlich mit »gefühlte Erfahrung«.) Werkzeuge, die, worauf ich zutiefst vertraute, meine Heilung unterstützen würden.

Dieser höhere Grad an Selbstregulierung ermöglichte mir auch, all die lauten und leisen Gefühle, die ich so viele Jahre unterdrückt hatte, zu spüren, ohne davon überwältigt zu werden. Was dabei ans Tageslicht kam, war ein Gefühl tiefer Einsamkeit, das sich als Folge eines jahrzehntelangen übermäßigen Bestehens auf Unabhängigkeit herausgebildet hatte. Ich sehnte mich zutiefst nach echter Nähe und Verbundenheit. Als ich damit aufhörte, meine Gefühle zu verbergen, und klarer kommunizierte, machte ich die Entdeckung, dass Verletzlichkeit und Authentizität ganz normale Beziehungen in einen heilsamen, heiligen Ort verwandeln können. Ich erkannte, dass selbstlos beziehungsweise selbstsüchtig zu sein, nicht die einzigen Alternativen sind, zwischen denen wir uns entscheiden müssen. Dass man sich nicht schämen muss, wenn man Grenzen setzt oder um Hilfe bittet, sondern dass dies sogar mehr Nähe fördern kann. Dass wir anderen häufig keine größere Freundlichkeit erweisen können, als sie nicht retten oder therapieren zu wollen, ihnen eben nicht zu sagen, was sie unserer Meinung nach hören wollen. Stattdessen können wir ihnen unsere gelassene und absichtslose Präsenz anbieten.

Als meine Beziehungen an Tiefe gewannen und mein Unterstützernetzwerk sich festigte, fühlte ich mich auch stark genug, mich meinen unerledigten »Herzensangelegenheiten« zu stellen, also alte traumatische Erfahrungen zu verarbeiten, zu integrieren und ihre Bedeutung zu erkennen. Ich nahm ein paar der Gebote unter die Lupe, die mir in Fleisch und Blut übergegangen waren und mein Leben bestimmt hatten: »Wer rastet, der rostet.« Und: »Wut ist verboten.« Oder: »Mangelnde Perfektion ist nicht akzeptabel.« Ich spürte tief in mich hinein, ob sich diese patriarchalen, kapitalistischen Grundsätze, mit denen ich groß geworden war, für mich immer noch richtig anfühlten.

Diese intensive Selbsterforschung ermöglichte mir, mich von einigen Bewältigungsstrategien zu verabschieden, die mir früher einmal das Gefühl der Sicherheit gegeben hatten, mich nun aber ausbremsten: mich permanent zu überfordern; es allen recht machen zu wollen; schonungslos nach Perfektion zu streben und zwanghaft geschäftig zu sein. Ich hörte auf, bestimmte Dinge zu tun, weil ich das Gefühl hatte, ich müsse sie tun. Stattdessen begann ich, auf jene Dinge hinzuarbeiten, die mir wichtig waren. Ich baute mir ganz gezielt ein sinnvolles, erfüllendes Leben auf, statt mich weiter von Angst und Schuldgefühlen antreiben zu lassen. Ich lebte mehr nach meinen eigenen Wertmaßstäben und achtete besser auf meine Bedürfnisse. Das hatte zur Folge, dass ich auch meine wechselseitige Verbundenheit mit allem stärker spürte. Ich hatte das Bedürfnis, mich mit der Gemeinschaft zu verbinden und einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Ich startete ein Forschungsprojekt, um die psychologischen und sozialen Hindernisse zu untersuchen, die Frauen verbieten, jene Ruhe zu bekommen, die sie brauchen. Parallel dazu begann ich mit einem kleinen Community-Projekt: »Women’s Rest Nests« sollte Frauen einen sicheren Ort bieten, an dem sie sich treffen, Kontakte knüpfen und ausruhen konnten. (»Nest« kommt übrigens von dem Sanskrit-Wort nīḍa, das so viel wie »Ruheplatz« bedeutet.)

Den Weg zur entspannten Frau bin ich mittlerweile viele Male gegangen, im ständigen Wechsel von Erzwingen-Wollen und Loslassen, Vergessen und Erinnern, Aufdröseln und wieder Verweben. Manchmal durchlaufe ich die ganze »Strecke« an einem Tag – ausruhen, regulieren, loslassen, neu verdrahten – und versuche, so gut ich kann, meinen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Zu anderen Zeiten wieder – wie etwa während der ersten paar Monate meiner Schwangerschaft, als mir dauernd übel war – brauchte ich Wochen, um zur Ruhe zu kommen.

Debbie, 42, und Mutter von zwei Kindern, hatte vor drei Jahren einen Burn-out. Sie hat einen ähnlichen Weg hinter sich:

Jahrelanger chronischer Stress führte schließlich zum völligen Zusammenbruch und Burn-out. Ich wollte meinen Töchtern beweisen, dass Frauen alles erreichen können, doch das hat mich total erschöpft