Die ersten drei Jahre Eurokrise - Arne Kuster - E-Book

Die ersten drei Jahre Eurokrise E-Book

Arne Kuster

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Beschreibung

Seit etwa zweieinhalb Jahren betreibe ich das Blog Wirtschaftswurm. Der programmatische Untertitel des Blogs lautet: Nachrichten aus Wirtschaftspolitik und Wirtschaftswissenschaften gründlich verdaut. Es war anfangs nicht so geplant, aber die politische Entwicklung in dieser Zeit brachte es mit sich, dass die Eurokrise das Hauptthema im Blog wurde. Die meisten Einträge zur Eurokrise findet ihr hier im Buch wieder. Warum sollte man nun ein Buch lesen, dessen einzelne Teile man auch im Internet finden kann? Oder anders gefragt, was ist der Mehrwert eines E-Books, das im Wesentlichen aus Blog-Artikeln besteht? Nun, zumindest im Falle dieses E-Books habe ich sechs Punkte gefunden: 1. Alle meine wichtigen Artikel zum Thema sind in diesem E-Book zusammengefasst. Ein paar nicht mehr aktuelle Artikel habe ich dagegen weggelassen. So erleichtert dieses E-Book, das Wesentliche zu finden. 2. Die Artikel sind im Gegensatz zum Blog thematisch in zwölf Kapiteln geordnet. Somit lassen sich besser Zusammenhänge erkennen und Entwicklungen nachverfolgen. 3. Die Ein- und Überleitungen zu den einzelnen Artikeln habe ich neu geschrieben. Auch damit hoffe ich, die Zusammenhänge und Entwicklungen besser darzustellen. Man erkennt die Einfügungen an der kursiven Schrift. 4. Wenn sich durch die Zusammenstellung der Einzelartikel inhaltliche Wiederholungen ergaben, habe ich diese gelöscht. Der Lesefluss wird damit interessanter. 5. Wo sinnvoll, habe ich stilistische und inhaltliche Verbesserungen vorgenommen. Der Nutzen für euch versteht sich von selbst. 6. Ein paar Artikel habe ich grundlegend aktualisiert. Die sind extra gekennzeichnet. Durch dieses E-Book können damit auch Stammleser meines Blogs ihr Wissen aktualisieren.

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Seitenzahl: 198

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Die ersten drei Jahre Eurokrise

Gespiegelt durch 89 Blogbeiträge

1. Auflage

Arne Kuster

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

©2013 Arne Kuster

ISBN: 978-3-8442-4837-1

Inhaltsverzeichnis

 Was den Leser erwartet

 Ursachen und Ungleichgewichte

 Die Target-2-Salden

 Deutschland und der Euro

 Die Anleihekäufe der EZB

 Die Geld- und Zinspolitik der EZB

 Der Rettungsgalopp

 Euro-Rettungsschirme und Eurobonds

 Bankenrettungsschirme

 Der Zentralisierungswahn

 Schuldenschnitt und Vermögensabgabe

 Euroende- Warum?

 Euroende – Folgen und Vorgehensweise

Was den Leser erwartet

Seit etwa zweieinhalb Jahren betreibe ich das Blog Wirtschaftswurm. Der programmatische Untertitel des Blogs lautet: Nachrichten aus Wirtschaftspolitik und Wirtschaftswissenschaften gründlich verdaut. Es war anfangs nicht so geplant, aber die politische Entwicklung in dieser Zeit brachte es mit sich, dass die Eurokrise das Hauptthema im Blog wurde. Die meisten Einträge zur Eurokrise findet ihr hier im Buch wieder.

Warum sollte man nun ein Buch lesen, dessen einzelne Teile man auch im Internet finden kann? Oder anders gefragt, was ist der Mehrwert eines E-Books, das im Wesentlichen aus Blog-Artikeln besteht? Nun, zumindest im Falle dieses E-Books habe ich sechs Punkte gefunden:

Alle meine wichtigen Artikel zum Thema sind in diesem E-Book zusammengefasst. Ein paar nicht mehr aktuelle Artikel habe ich dagegen weggelassen. So erleichtert dieses E-Book, das Wesentliche zu finden.

Die Artikel sind im Gegensatz zum Blog thematisch in zwölf Kapiteln geordnet. Somit lassen sich besser Zusammenhänge erkennen und Entwicklungen nachverfolgen.

Die Ein- und Überleitungen zu den einzelnen Artikeln habe ich neu geschrieben. Auch damit hoffe ich, die Zusammenhänge und Entwicklungen besser darzustellen. Man erkennt die Einfügungen an der kursiven Schrift.

Wenn sich durch die Zusammenstellung der Einzelartikel inhaltliche Wiederholungen ergaben, habe ich diese gelöscht. Der Lesefluss wird damit interessanter.

Wo sinnvoll, habe ich stilistische und inhaltliche Verbesserungen vorgenommen. Der Nutzen für euch versteht sich von selbst.

Ein paar Artikel habe ich grundlegend aktualisiert. Die sind extra gekennzeichnet. Durch dieses E-Book können damit auch Stammleser meines Blogs ihr Wissen aktualisieren.

Dieses E-Book hat natürlich auch einen Nachteil. Es kostet 2,99 €. Aber dieser Nachteil für euch ist mein Vorteil.

Ursachen und Ungleichgewichte

Fangen wir damit an, Fakten über die Eurokrise zu sammeln und Wirkungszusammenhänge aufzudecken. Die Blogbeiträge, die ich für die ersten drei Kapitel dieses Buches gesammelt habe, sind dem gewidmet.

Euro am Ende?

26. November 2010

„Game over für den Euro“, schreibt Thomas Strobl alias Weißgarnix in seinem Blog. Und ein bisschen wundern mich seine europessimistischen Töne schon. Denn schon häufig hat sich Strobl als Schuldenfetischist geoutet und daher dachte ich, er müsse sich gegenwärtig sehr wohl fühlen, verkündet Irland doch ein Rekorddefizit, während es immer unwahrscheinlicher wird, dass Portugal und Griechenland ihre Schulden spürbar abbauen.

Tatsache ist allerdings, dass Länder wie Griechenland und Portugal gegenwärtig eine restriktive Fiskalpolitik betreiben/ betreiben müssen, die aktuell vielleicht in Deutschland angebracht ist, in diesen Ländern jedoch gar nicht zur wirtschaftlichen Lage passt. Das zeigen die Wirtschaftsprognosen des IWFs für die Euroländer 2010/11 in der nachfolgenden Tabelle. (Die fünf kleinen Euroländer habe ich weggelassen.)

Auch im Jahr 12 des Euro bestehen schwerwiegende Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den einzelnen Staaten. So beträgt die Wachstumsdifferenz zwischen Deutschland und Griechenland 2010 voraussichtlich 7,3 Prozentpunkte. Griechenland müsste seine Währung unbedingt abwerten, um seine Wirtschaft anzukurbeln, Deutschland müsste seine aufwerten. Beides gleichzeitig geht jedoch bei einem einheitlichen Euro nicht.

Mein Szenario ist, dass diese Wachstumsdifferenzen nicht nur vorübergehend sind, sondern über die nächsten zwei bis fünf Jahre bestehen bleiben. Eine solche Zerreißprobe wird der Euro nicht unbeschadet überstehen.

Die Prognosen zeigen allerdings auch, dass Frankreich und Italien gut mithalten können. Insofern stimme ich Strobl nicht zu, wenn er glaubt, auch diese Länder werden aus dem Euro aussteigen. Selbst Irland könnte es packen. Immerhin sind die Aussichten für 2011 gut. Die irische Wirtschaft ist im Kern wettbewerbsfähig. Lediglich Griechenland, Portugal (für das die IWF-Prognosen meiner Meinung nach zu optimistisch sind) und wahrscheinlich Spanien werden ausscheiden oder herausgedrängt werden.

Verlassen diese Mittelmeerländer die Eurozone, ist das nur zu ihrem eigenen Wohl. So können sie nicht nur abwerten und ihre Wirtschaft ankurbeln, sondern auch ihre Euroschulden in Weichwährungsschulden konvertieren. Die lassen sich dann bequem zurückzahlen, auch ohne restriktive Sparmaßnahmen.

Schließlich ist auch Thomas Strobl „Weißgarnix“ kein Anhänger der These, dass alle Schulden unter allen Umständen bis auf den letzten Cent zurückgezahlt werden müssen, ja, er sieht das sogar als unmöglich an. Und da hat er recht.

An den Wachstumszahlen zeigte sich, wie schnell die offizielle Eurorhetorik zusammenbricht, wenn man nur ein paar einfache Daten analysiert. Das gilt auch bei längeren Zeitreihen. So wird häufig behauptet, dank des Euros wächst Europa zusammen. Auch Angela Merkel sagte z.B. auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos, Europa wachse in der Krise zusammen. Wenn sie damit aber meint, dass sich die nationalen Volkswirtschaften der Eurozone immer mehr in einem Gleichklang bewegen und sich ihre Wachstumsraten immer mehr aneinander annähern, dann sieht die Wahrheit (leider) anders aus.

Die Eurozone wächst auseinander

24. April 2012

Ich habe mir mal auf den Eurostat-Seiten die Zahlen zum Wirtschaftswachstum der Jahre 2000-2011 in der Eurozone herausgesucht. Meine Frage war: Haben sich die Wachstumsraten in den verschiedenen Staaten aneinander angenähert?

Hier die Rohdaten über das Wirtschaftswachstum:

Die Länder unter 4 Millionen Einwohner habe ich weggelassen, denn die Wirtschaftsentwicklung solch kleiner Einheiten ist stark von der Entwicklung der regional verankerten Branchen abhängig. Man kommt damit in Bereiche, die von einer regionalen Strukturpolitik angesprochen werden müssen. Mir geht es allerdings nicht um die Güte regionaler Strukturpolitik, sondern um die Wirkungen eines gemeinsamen Währungsraums und einer zentralisierten Geldpolitik.

Das übliche Maß für die Streuung innerhalb eines Datensatzes ist nun die Standardabweichung. Um die Frage zu beantworten, ob sich die Wachstumsraten der Eurozonen-Mitglieder einander angenähert haben, ist es darum sinnvoll, die Entwicklung der Standardabweichung der Wachstumsraten (bezogen auf den Durchschnitt der Euro-17) zu betrachten.

Hier diese Entwicklung in einem Diagramm:

Streuung der Wachstumsraten in der Eurozone

Man sieht es auch an der berechneten Trendgerade f(x). Die Streubreite der Wachstumsraten steigen tendenziell. Das heißt: Europa entwickelt sich wirtschaftlich auseinander.

Eine Erklärung für die Entwicklung braucht man nicht lange zu suchen. Vor der Eurozeit konnten Staaten mit unterdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum ihre Währung abwerten. Ihre Waren wurden so im Ausland billiger und wurden daraufhin entsprechend mehr nachgefragt, was wiederum die Wirtschaft ankurbelte. Diesen Ausgleichsmechanismus gibt es seit dem Euro nicht mehr.

Je weiter nun das Wachstum im Euroland auseinanderdriftet, desto schwieriger hat es allerdings die Europäische Zentralbank EZB. Ihre zentrale Geldpolitik trifft auf völlig unterschiedliche Verhältnisse vor Ort. Sie kann damit immer weniger der jeweiligen nationalen Wirtschaftsentwicklung gerecht werden.

Setzt sich der Trend fort, steht die Zerreißprobe in der Eurozone noch bevor.

Angesichts der Wachstumsunterschiede innerhalb der Eurozone verwunderte es, wenn behauptet wird, der Euro sei stabil. Hat die Europäische Zentralbank tatsächlich die ultimative Geldpolitik gefunden, die bei sehr unterschiedlichen Wirtschaftslagen innerhalb der Eurozone überall die Geldentwertung im Zaum halten kann?

War der Euro wirklich so stabil?

3. Juni 2011

Auch bei der Verleihung des Aachener Karlspreises wurde (es war nicht anders zu erwarten) das Hohelied auf die Stabilität des Euros gesungen – nicht zuletzt vom Preisträger selbst, dem EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet. In seiner Dankesrede sagte er: “In den ersten zwölf Jahren nach der Euro-Einführung betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate 1,97 %. Dieser Wert steht in vollem Einklang mit der Definition von Preisstabilität der Europäischen Zentralbank (EZB): eine Preissteigerungsrate von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht.”

Nun, nachts sind alle Katzen grau – und im Durchschnitt sind sie es auch. Ob die Europäer tatsächlich mit dem Euro zufrieden sein können, entscheidet sich nicht an Durchschnittswerten, sondern an der Preissteigerung vor Ort. Schauen wir uns darum die nationalen Zahlen seit Einführung des Euro-Bargeldes 2002 an. Lassen wir die kleinen Länder außer Acht und berücksichtigen nur die mit mehr als 4 Millionen Einwohnern. Das sind zwölf: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien sowie ab 2009 die Slowakei.

Es geht also von 2002 bis 2010 um 101 Daten über die durchschnittliche jährliche Preissteigerung . Zählen wir nach, wie häufig die Inflation im Rahmen des EZB-Zielkorridors lag, also bei 0,0-2,0 %.

Ergebnis: 46-mal wurde das EZB-Ziel eingehalten, mehrheitlich aber, nämlich 55-mal wurde das EZB-Ziel verfehlt. Am zufriedensten können die Finnen mit dem Euro sein, hier riss die Latte nur 2008. Auch in Deutschland lag die Inflation nur in zwei von neun Jahren über der 2-Prozent-Marke.

Anders sieht es in Irland aus. Seit Einführung des Euros lag die Preissteigerung hier nie innerhalb des EZB-Zielkorridors. 2002-2008 lag die Inflationsrate darüber, 2009 und 2010 hatten die Iren dafür eine Deflation. In Griechenland, Portugal und Spanien wurde das Inflationsziel nur einmal erreicht und auch in Italien nur dreimal: 2007, 2009 und 2010. Es ist wohl kein Zufall, dass alle heutigen Problemländer schlecht abschnitten.

Gut war der Euro während der Krise 2009/10. Es gab Verfehlungen in jeweils drei Ländern. Miserabel war er allerdings im Wirtschaftsboom davor. 2008 wurde die 2-Prozent-Latte in allen elf betrachten Ländern gerissen. Es gab auch immer wieder hohe Inflationsraten von mehr als 4 %: Belgien 2008, Griechenland 2008 und 2010, Irland 2002, Spanien 2008.

Die Bilanz des Euros ist also sehr durchwachsen. Das ist nur zum geringeren Teil die Schuld der EZB. Ihr muss man allerdings eine zu lockere Geldpolitik vor Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 anlasten. (Und auch gegenwärtig ist die Geldpolitik nicht restriktiv genug, zukünftige Statistiken werden es zeigen.) Ansonsten aber sind die Verfehlungen Ergebnis der Fehlkonstruktion einer zu großen Währungszone. Eine europaweit einheitliche Geldpolitik passt häufig für die Situation vor Ort nicht.

Anstatt allerdings die Fehlkonstruktion einer zu großen Eurozone einzugestehen, suchen die Politiker lieber die Sündenböcke woanders. Ihr erstes Ziel: Die Ratingagenturen.

Kritik an Ratingagenturen: Lächerlich, aber nicht zum Lachen

11. Juli 2011

„Lächerlich hoch drei“, so bezeichnet Thomas Strobl die gegenwärtige Kritik von Politikern an den Ratingangenturen. Doch so lächerlich die Politikeraussagen sein mögen, leider ist die ganze Situation überhaupt nicht zum Lachen. Denn wenn EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier nun überlegt, das Rating von Krisenländern zu verbieten, dann zeigt das vor allem Hilflosigkeit, dann ist das schon so gut wie ein Offenbarungseid. Auf Deutsch gesagt: Denen geht der Arsch auf Grundeis.

Vorangegangen war bekanntlich die Abwertung von Portugalanleihen durch die Ratingagentur Moody’s auf Ba2. Die Anleihen gelten somit als spekulativ; die Medien reden von Ramschanleihen. Die Aussetzung des Ratings (wie von Barnier gefordert) hätte allerdings genau dasselbe Signal gebracht. Unter Umständen wäre das Signal sogar noch verheerender gewesen. Denn die Märkte sind meistens eher bereit schlechte Nachrichten zu akzeptieren als große Unsicherheit. Lieber also eine schlechte Bewertung als gar keine.

Auch der Ruf nach mehr Rating-Wettbewerb ist nicht zu Ende gedacht. Klar, wenn es statt dreier großer Rating-Agenturen sechs gäbe (wie von Barniers Kollegin Viviane Reding gefordert), verlöre das Votum einer einzelnen Agentur an Gewicht. Dies würde helfen, die Ratings nicht überzubewerten. Sie sind insbesondere, was Staatsanleihen betrifft, sehr unsichere Prognosen über die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls. In sie fließen solche Unwägbarkeiten wie die zukünftige Wirtschaftsentwicklung des Staates mit ein. Außerdem muss der Willen und die Durchsetzungsfähigkeit der Politiker beurteilt werden, wenn es um für die Kreditrückzahlung notwendige Steuererhöhungen und Haushaltskürzungen geht.

Eines würde aber durch mehr Rating-Agenturen wahrscheinlich nicht erreicht, nämlich, dass die Qualität der Bewertungen verbessert würde. Qualitätswettbewerb funktioniert schlecht, wenn die Qualität der Ware erst lange im Nachhinein festgestellt werden kann. So wissen wir heute, wie falsch die AAA-Ratings für die US-amerikanischen Hypothekenanleihen waren. Dieses Wissen hätten wir allerdings vor fünf Jahren gebraucht.

Zur Einschätzung der Qualität einer Bewertung können wir höchstens vergleichbare Erfahrungen aus der Vergangenheit heranziehen. Da allerdings haben die drei großen Agenturen trotz einiger Kapitalfehler keine schlechte Bilanz vorzuweisen. Und das immerhin über 70 bzw. 100 Jahre. Ein Neuling kann dagegen nicht anstinken.

Ich tippe darauf, dass Moody’s auch im Fall Portugal richtig liegt.

Wenn die Ratingagenturen nicht schuld sind, dann aber womöglich die Spekulanten.

Europa und die Spekulanten

3. August 2011

Ja die Spekulanten, die Spekulanten sind unterwegs. Evans-Pritchard (The Telegraph) glaubt, sie setzten darauf, dass Italien es bei der nächsten notwendigen Finanzierungsrunde, die im September ansteht, nicht mehr schafft, neue Anleihen zu einem vernünftigen Preis loszuwerden. Und so sinken die Anleihekurse schon heute. Die Story mag damit zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.

Nun galt allerdings jahrzehntelang der Markt für europäische Staatsanleihen als Markt für Schlaftabletten. Spekulanten haben einen weiten Bogen darum gemacht. Hier war für sie nichts zu holen. Erst als das Versagen der Politik in der Krise deutlich wurde, sind sie aufgetaucht wie die Geier beim sterbenden Wild. Das sollte sich jeder Politiker klarmachen, bevor er über Spekulanten herzieht.

Und Spekulanten sind nur erfolgreich, wenn ihre Story so plausibel ist, dass auch andere Marktteilnehmer mitziehen. Das galt im Übrigen schon 1992, als George Soros das Europäische Währungssystem EWS sprengte. Damals befand sich Deutschland im Vereinigungsboom und Europa hinkte hinterher. Die wirtschaftlichen Ungleichgewichte waren untragbar geworden für ein System quasifester Wechselkurse wie das EWS.

Aktuell haben die Spekulanten recht schnell die Lücken in den Gipfelbeschlüssen vom 21.7 erkannt: Um Italien und Spanien zu retten, bräuchte der Euro-Rettungsschirm 2 Billionen € statt der noch vorhandenen 275 Milliarden. So sagten es zumindest britische Analysten dem Telegraph. Nachdem das griechische Schuldenproblem vorerst vom Tisch ist (siehe „Stresstest für Gipfelbeschlüsse erforderlich“), konzentriert sich die Spekulation nun also auf die Länder, für die der Rettungsschirm zu klein ist. Das Problem: Einen wirklich sicheren Rettungsschirm kann nur die EZB bereitstellen, indem sie das benötigte Geld einfach druckt und den Euro inflationiert.

Nun halte ich es für unwahrscheinlich, dass die Story der Spekulanten tatsächlich wahr wird. Italien kann über eine gewisse Zeit mit Zinsen über 6 % leben. Wenn das klar wird, haben natürlich die Erfinder der „Italien ist pleite“-Story längst Kasse gemacht. Die Lemminge werden allerdings vom Markt gehängt.

Können wir uns darum nun beruhigt zurücklegen, wie in der folgenden Einleitung eines FTD-Leitartikels gefordert?

Die Ruhephasen, in denen die Politik die Märkte besänftigen kann, werden immer kürzer. Aber was hat sich gerade in Italien und Spanien geändert? Fundamental nichts. Deshalb heißt es Ruhe bewahren.

Für den Leser irgendwie unbefriedigend allerdings, wenn im Artikel selbst etwas anderes steht als in der Einleitung:

Geändert haben sich vor allem die Aussichten: Es gab diese Woche schlechte Konjunkturdaten, rund um den Globus sinkt die Industrieproduktion, erstmals auch in Schwellenländern.

Ist das jetzt nicht fundamental? Ein Rückgang der Weltkonjunktur wird die Lage in Italien und Spanien weiter verschlechtern. Vorausgesagt wurde für Italien ein Wirtschaftswachstum zwischen 1,3 und 1,6 % 2012 und für Spanien zwischen 1,1 und 1,6 %. Wir müssen davon ausgehen, dass die beiden Länder sogar diese niedrig liegende Latte reißen werden. Gleichzeitig sinkt durch die sich verschlechternde Konjunktur die Wahrscheinlichkeit, dass die starken Euroländer wie Deutschland bereit und in der Lage sein werden, den Mittelmeerländern beizustehen.

Die langfristig orientierten Anleger, die, die auf die fundamentalen Daten schauen, werden also den Euro nicht vor den Spekulanten retten – wenn es denn soweit ist.

Aber wenn Ratingagenturen und Spekulanten nicht schuld sind, worin liegt dann die Ursache der Eurokrise?

Die Eurokrise in der Eurokrise

29.12.2011, aktualisiert

Schuldenkrise? Finanz- und Bankenkrise? Eurokrise? Auch nach drei Jahren Krise herrscht manchmal immer noch Unklarheit darüber, was uns da eigentlich genau plagt. Absurd? Oder verständlich angesichts der Komplexität der Zusammenhänge?

Offensichtlich haben wir es mit mehreren sich gegenseitig verstärkenden Krisenherden zu tun. Da besteht die Gefahr, einen Krisenherd zu übersehen bzw. bei den Lösungsansätzen zu vernachlässigen.

Und während die Staatsschuldenkrise angegangen wird, es für die Finanz- und Bankenkrise zumindest zaghafte, vereinzelte Maßnahmen gibt (Stichwort Rekapitalisierung systemrelevanter Banken), währenddessen vernachlässigt man die eigentliche Eurokrise.

Markige Rhetorik wie bei Helmut Schmidt auf dem SPD-Parteitag ("Alles Gerede und Geschreie über eine angebliche Krise des Euro ist in Wirklichkeit leichtfertiges Geschwätz") verdeckt da nur einen Mangel an Analyse. Ja, der Euro ist im Innen- wie im Außenwert noch relativ stabil. Aber unter der glänzenden Oberfläche knirscht es. Nichts veranschaulicht das besser als folgendes Diagramm:

Leistungsbilanzsalden von sieben Eurostaaten vom 1. Quartal 2008 bis 2. Quartal 2012, gemessen in % des jeweiligen BIP, Quelle: Eurostat

Hauptposten des Leistungsbilanzsaldos ist die Differenz zwischen dem, was in einem Land produziert wird, und dem, was in einem Land verbraucht wird. Ein Leistungsbilanzdefizit hat demnach zur Folge, dass ein Land mehr importieren muss als es exportiert und sich dafür im Ausland verschuldet. Die Schulden können dabei beim Staat, den privaten Haushalten oder den Unternehmen anfallen.

Die Eurokrise in der Eurokrise ist eine Leistungsbilanzkrise.

Was trotz aller zufälligen und jahreszeitlichen Schwankungen der Leistungsbilanzsalden im Diagramm sofort auffällt: Überschussländer bleiben Überschussländer, Defizitländer bleiben Defizitländer. Die ungleichgewichtigen Strukturen haben sich seit Anfang 2008, also seit der Zeit vor Ausbruch der Krise, nicht grundlegend geändert. Anders gesagt: Man ist trotz unzähliger Eurogipfel der Lösung der Eurokrise (die wohlgemerkt nicht die ganze Krise ist, aber ein wesentlicher Teil) kaum näher gekommen.

Ja, es gibt einige Lichtblicke. Die tiefroten Salden von Spanien, Portugal und selbst Griechenland haben sich gebessert. Dafür rutscht Frankreich ab. Vor allem bei Griechenland wird der positive Trend zudem verdeckt durch die starken saisonalen Schwankungen. Im Sommer- und Urlaubsquartal weist das Leistungsbilanzsaldo regelmäßig eine Spitze auf, während die griechische Wirtschaft im Winter genauso regelmäßig in den Dornröschenschlaf zu fallen scheint. Zeichen einer starken Strukturschwäche der Wirtschaft.

Setzen wir allein auf den schwach positiven Trend, wie er sich für Griechenland vom 1. Quartal 2008 bis zum 2. Quartal 2012 berechnen lässt, brauchen wir noch bis Mitte 2016, bis die Ungleichgewichte abgebaut und die Eurokrise bewältigt ist. Das wären weitere gut drei Jahre mit immer neuen Lohnkürzungen und Sparpaketen in den Südländern und weitere gut drei Jahre mit Milliardentransfers von Norden nach Süden.

Bei der Suche nach den Ursachen der Eurokrise sollte man den Zusammenhang mit der Finanzkrise nicht ganz vergessen. Einige wichtige Aspekte diesbezüglich zeigte eine Rede des (damaligen) Chefvolkswirts der Deutschen Bank Thomas Mayer auf. Sie beinhaltete mehr als die Klage über fehlendes Vertrauen.

Die Sicht eines Bankvolkswirts

31. Januar 2012

Wenn der Chefvolkswirt der Deutschen Bank spricht, darf man schon kritisch sein. So hat auch der Blogger Wirtschaftsphilosoph alles Recht, die Rede Thomas Mayers auf dem Kongress “Ökonomie neu denken” letzte Woche in Frankfurt zu kritisieren.

Wenn man allerdings eine Rede kritisiert, sollte man sie auch vollständig gehört haben, entweder live oder (das Internet macht es möglich) den Audio-Mitschnitt. Der Wirtschaftsphilosoph stützt seine Kritik jedoch lediglich auf einen Handelsblattartikel über Thomas Mayers Rede. Das ist schade, denn ein Zeitungsartikel muss natürlich stark vereinfachen und verkürzen.

Anders als der Wirtschaftsphilosoph unterstellt, hat Thomas Mayer nicht einfach verloren gegangenes Vertrauen als Ursache der Finanzkrise ausgemacht. Stattdessen hat er zwei heterodoxe Theorien vorgestellt, die auf die Finanzkrise gut anwendbar sind. Zum einen die Krisentheorie von Hyman Minsky, zum anderen die Konjunkturtheorie der österreichischen Schule.

Minsky erklärt in seiner Theorie Spekulationsblasen. Sie entstehen, wenn etwa Immobilienkredite nur noch in der Hoffnung auf zukünftige Wertsteigerungen der Immobilie vergeben werden. Und sie platzen, wenn sich diese Hoffnung nicht mehr erfüllt. Die “Österreicher” andererseits, insbesondere Friedrich August von Hayek, beschreiben, wie im Boom volkswirtschaftlich unrentable Investitionen vorgenommen werden, weil ihre Finanzierung dank niedriger Zinsen zu einfach ist.

Schwieriger tat sich dann Mayer in der Tat bei den Lösungsvorschlägen. Folgt man von Hayek, kommt man kaum darum herum, die im Boom getätigten “Überinvestitionen” wieder zu liquidieren. Das bedeutet im Endeffekt Firmenpleiten und Massenentlassungen. Mayer verweist jedoch – meiner Meinung nach zurecht – darauf, dass dies in einen nicht endenden Teufelskreis münden kann. Hier sind wir dann bei den keynesianischen Multiplikatoreffekten, in diesem Fall dem negativen Multiplikator.

Vor dem Hintergrund seiner Analyse ist Thomas Mayers Forderung nach mehr Vertrauen nicht mehr ein Allgemeinplatz, wie der Blogger Wirtschaftsphilosoph unterstellt. Zudem beließ es Thomas Mayer nicht dabei. Er sah die Rekapitalisierung der Banken (siehe „Muss Bankenrettung immer teuer sein? Ein Beispiel – zwei Wege”) als einen Schlüssel zu mehr Vertrauen an. Und auch wenn man unterstellen darf, dass Thomas Mayer nicht seine eigene, die Deutsche Bank, meint, sondern die Konkurrenz, so erscheint das bemerkenswert für einen Bankvolkswirt.

Die Target-2-Salden

Die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone spiegeln sich in den Bilanzen der EZB und der nationalen Zentralbanken, insbesondere der Bundesbank, wieder. Stichwort Target-Salden. Und damit entstehen neue Probleme und Risiken.

Target 2 – Das Eurosystem in der Schieflage

29. Juni 2011, aktualisiert

Das Thema Target 2 wurde durch Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut in die Öffentlichkeit getragen. Er löste eine heftige Fachdebatte aus, an der sich auch die deutschen Wirtschaftsblogs beteiligten. Eine umfangreiche, stets aktuelle Linkliste zum Thema findet man bei Robert M. Wuner. Inzwischen, so ist mein Eindruck, scheinen sich aber die Kontrahenten aufeinander zuzubewegen. Das zeigte bereits das Papier von Sinn und Wollmershäuser mit dem Kurztitel “Der Rettungsschirm der EZB“.

Was hat es nun mit den Target-2-Salden auf sich? Die Target-2-Konten sind Verrechnungskonten der nationalen Notenbanken bei der Europäischen Zentralbank. Auf ihnen haben die PIIGS-Staaten (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien) enorme Miese angehäuft: Im Juli 2012 waren es gigantische 987 Milliarden Euro, die ihre Notenbanken im Soll standen.

Nobelpreisträger Paul Krugman glaubt, dass dadurch das gesamte Eurosystem in eine Schieflage gekommen ist. Im Folgenden möchte ich erklären, wie es soweit kommen konnte und warum die Targetsalden gefährlich sind.

Target-2-Schieflage: Ursachen und Gefahren

1. Juli 2011, aktualisiert

Seit Beginn der Finanzkrise 2007 gibt es einen Zahlungsmittelabfluss aus den PIIGS-Staaten unter anderem nach Deutschland. Olaf Storbeck rechnet in seinem nun online erschienenen Handelsblatt-Artikel nach und kommt zu dem Schluss, dass dieser Abfluss nicht überwiegend aus dem nach wie vor vorhandenem Leistungsbilanzdefizit der PIGS-Staaten resultiert, also nicht daraus, dass die PIGS-Staaten nach wie vor mehr importieren als exportieren. So bleibt als weitere Möglichkeit Kapitalflucht.

Tatsächlich räumen etwa die Griechen ihre Konten bei den unsicheren heimischen Geschäftsbanken, um das Geld lieber in Deutschland anzulegen. Der befürchtete Bankenansturm findet, still und leise, bereits statt. Dabei läuft der Weg der griechischen Gelder nach Deutschland über die Deutsche Bundesbank. Sie überweist den Betrag an die deutsche Zielbank (z.B. an die Commerzbank). Im Gegenzug erhält die Bundesbank eine Forderung an die EZB. Die EZB wiederum bekommt eine Forderung gegenüber der griechischen Notenbank, die ihrerseits eine Forderung an die griechische Geschäftsbank, von der die Gelder abgezogen wurden, in ihre Bücher schreibt.

Im Normalfall sollten sich die Forderungen und Verbindlichkeiten der einzelnen Notenbanken an die EZB ausgleichen. Das ist aber nun seit Beginn der Finanzkrise nicht mehr der Fall. Die PIIGS-Staaten bekommen weder durch Kredite noch durch Exporte genügend Zahlungsmittel rein. Und während sie im Soll stehen, hatte die Bundesbank bereits bis Ende Juli 2012 ein enormes Plus von 727 Milliarden € angehäuft.

Wenn man einmal den Weg der Forderungen durchgeht (bitte vorletzten Absatz noch einmal langsam lesen), dann erkennt man: Das System hängt zunächst an der Zahlungsfähigkeit der griechischen Geschäftsbank. Und falls die nicht mehr gegeben ist, hängt es an der Qualität der Sicherheiten, die diese griechische Geschäftsbank ihrer Notenbank für den Kredit gegeben hat. Denn die Zentralbanken verteilen ja nicht einfach so die Euros, sie verlangen normalerweise Sicherheiten.

Und hier liegt der Hund (oder besser: der Euro) begraben. Trotz der Schuldenkrise werden nach wie vor z. B. griechische Anleihen als Sicherheiten akzeptiert, Anleihen die von den Märkten teilweise nur noch als Müll angesehen werden.

Nun verweist EZB-Chefvolkswirt Stark in einem Zeit-Interview auf die Abschläge, die die Notenbanken für solche Sicherheiten berechnen und sagt: “Es ist Vorsorge getroffen worden.” Wir werden sehen. Die Glaubwürdigkeit der EZB ist angekratzt, seitdem sie selbst griechische Schrottanleihen aufgekauft hat. Für Wirtschaftsblogger, -journalisten und -wissenschaftler sollten es daher jetzt darum gehen, die Risiken der EZB-Bilanz genauer abzuschätzen.

Andererseits entwertet die Tatsache, dass nun schon über 700 Milliarden € in die PIIGS-Staaten geflossen sind, die Debatte über die Euro-Rettungsschirme. Sofern über einen Rettungsschirm offizielle Kredite nach Griechenland gegeben werden, fließen der griechischen Notenbank von außen wieder Zahlungsmittel zu und ihr Target-2-Defizit reduziert sich. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EFSF und der Europäische Stabilisierungsmechanismus ESM (wie die Rettungsschirme offiziell heißen) ersetzen also zum Teil nur die Target-2-Kredite durch neue Kredite.

Target 2 – Eine Debatte über die Schieflage des Eurosystems

14. Februar 2012