Die Feinde des Kristalls - Dania Dicken - E-Book

Die Feinde des Kristalls E-Book

Dania Dicken

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Beschreibung

Agarin und seine Freunde leben ein friedliches Leben in ihrer neuen Heimat, als unverhofft Kaylas Vetter Kerrik eintrifft und kein Geheimnis daraus macht, daß er Kayla am liebsten für die Blutrache am Mörder ihrer Schwester töten würde. Agarin setzt ihn unbeeindruckt vor die Tür - nicht ahnend, daß Kerrik längst einen Plan hat, wie er seinen Wunsch nach Vergeltung in die Tat umsetzen kann. Dafür beschwört er sogar einen Krieg herauf...

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Prolog

„Sind sie immer noch hinter uns?“

Araldo gab keine Antwort. Er zog nur seine Jacke enger um den Leib und tastete nach dem Umschlag, der in seiner Hemdentasche steckte. Natürlich waren sie ihnen noch auf den Fersen, daran bestand kein Zweifel. Das Gestrüpp dieses Waldes war so dicht, daß sie auf ihrer Flucht einfach Spuren hinterlassen mußten.

Kyrin drehte sich kurz um. Keuchend starrte er in die Finsternis. „Ich konnte sie nicht entdecken“, wisperte er angespannt.

„Das muß nichts heißen“, war Araldos einzige Antwort. Er hastete weiter zwischen zwei himmelhohen Bäumen hindurch, während Kyrin unbewußt nach seinem Schwert tastete. Der nächtliche Wald, erfüllt von den Schreien wilder Kreaturen, behagte ihm nicht besonders. Schlimmer war jedoch das Wissen darum, daß die Handlanger des Königs ihm und seinem großen Bruder auf den Fersen waren. Ein Schatten zog mit lautlosen Schwingen an ihm vorbei. Fast hätte er Araldo aus den Augen verloren, da dieser sich weitaus schneller bewegte.

„Warte“, rief er gedämpft. Ungeduldig wandte Araldo sich zu seinem jüngeren Bruder um und zischte: „Wenn du ständig nach ihnen suchst, läufst du ihnen noch in die Arme!“

Kyrin konnte nichts erwidern. Er wischte sich über die schweißnasse Stirn und lauschte auf das Rasen seines eigenen Herzens. In den Ohren hörte er sein Blut rauschen. Mit jedem Schritt, den er voraneilte, ließ seine Kraft weiter nach. Die Luft brannte in seinen Lungen, in seinen Seiten spürte er schmerzhafte Stiche - doch falls er stehenblieb, war er so gut wie tot. Plötzlich prallte er gegen den Rücken seines Bruders, der darum kämpfen mußte, durch den Aufprall nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„Kannst du nicht aufpassen?“ stöhnte Araldo und wies auf das, was sich vor ihm befand. Er stand am Rand einer tief aufklaffenden Schlucht, an deren Grund ein Fluß schäumend in Richtung Norden rauschte.

Kyrin schnappte nach Luft. Ohne etwas zu sagen, wandte Araldo sich nach Norden und rannte unterhalb der Bäume an der Schlucht entlang. Atemlos folgte Kyrin ihm, doch unerwartet riß irgendetwas ihm den Boden unter den Füßen weg. Fluchend prallte er zwischen Moosen und Farnen auf.

„Komm schon!“ rief Araldo. Mühsam rappelte Kyrin sich auf und fuhr herum. Ein Schrei war an seine Ohren gedrungen. Auch Araldo hatte ihn gehört. Ein zweiter, deutlicherer Ausruf folgte. „Sie müssen dort drüben sein!“

„Verdammt“, fluchte Araldo und packte seinen Bruder an der Schulter, um ihn mit sich zu ziehen. Er schlug sich voran ins Dickicht des Weltenwaldes hinein und wollte gerade noch etwas hinzufügen, als er plötzlich weitere Stimmen aus der gegenüberliegenden Richtung vernahm.

„Wir sitzen in der Falle“, flüsterte Kyrin. Mucksmäuschenstill krochen sie zwischen einigen Dornenbüschen hindurch. Leichte graue Nebelschwaden zogen an den Bäumen vorbei und hüllten die beiden schwer atmenden Flüchtlinge schützend ein. In der Nähe bahnte sich jemand mit raschelnden Schritten einen Weg durchs Unterholz. Kyrin hielt die Luft an, während Araldo geräuschlos sein Schwert zog. Wenn er die Anzahl der Verfolger richtig geschätzt hatte, waren sie ihnen zehnfach überlegen. Die beiden jungen Männer hörten, wie sie immer näher kamen, sie regelrecht zu umzingeln schienen. Geräuschlos stand Araldo auf.

Alles wurde mit einem Mal seltsam still. Kyrin hielt den Atem an und wandte den Blick nach oben zu seinem großen Bruder. Araldo war am ganzen Körper angespannt. Nichts rührte sich, bis plötzlich ein Sirren die Luft zerriß. Der Aufprall ließ Araldo rücklings gegen einen Baum taumeln. Ein schmerzerfülltes, gedämpftes Stöhnen entwich seiner Kehle. Er wandte langsam den Blick nach unten und starrte auf den Pfeil, der in seinem Herzen steckte. Kyrin biß sich auf die Zunge, um sich nicht durch einen Schrei des Entsetzens zu verraten, doch er sprang auf. Wiederum hörte er ein gefährliches, leises Sirren und wurde von seinem Bruder zur Seite gestoßen. Zwei weitere Pfeile waren auf die beiden gezielt worden, von denen einer in Araldos Schulter steckenblieb.

„Jetzt haben sie mich“, stieß Araldo mit heiserer Stimme hervor, als Kyrin ihn vorsichtig auf den Boden bettete.

„Red keinen Unsinn!“ erwiderte er fast flehentlich. Er mußte jedoch nur auf den Blutfleck schauen, der sich auf Araldos Hemd ausbreitete, um die Schwere der Verletzung zu begreifen. Araldo griff mit zitternder Hand nach dem Umschlag in seiner Jacke. Dieser war voller Blut, als er ihn Kyrin mit glasigem Blick in die Finger drückte.

„Es ist vorbei. Laß mich hier, du kannst noch fliehen. Du mußt fliehen!“

„Nein, Araldo, du bist mein Bruder, ich habe nur noch dich!“ Kyrin schluckte hart. Die Schritte der Verfolger näherten sich.

„Ich weiß. Paß gut auf dich auf, Kleiner. Du mußt allein weiter nach Elinas! Los doch!“

Kyrin nickte. Vor seinen Augen verschwamm alles, doch er sprang auf und wandte einen letzten Blick zu seinem Bruder hinab. Er stieß einen verzweifelten, gepeinigten Schrei aus, dann sprang er mit einem Satz über die Dornenbüsche und hechtete in die Nacht hinaus, während ihm Pfeile hinterherjagten.

„Schnappt ihn euch, da vorn läuft er!“ brüllte einer hinter ihm her. Diesmal wandte Kyrin sich nicht um, sondern rannte, so schnell seine Beine ihn trugen. Bäume und Gestrüpp flogen geradezu an ihm vorbei, bis er den Waldrand erreichte. Zumindest schien es ihm so, doch dann wußte er plötzlich, wo er war. Er stand wieder vor der Schlucht, an deren Grund der Fluß dahinströmte. Ein Pfeilhagel ergoß sich über und neben ihm. Die Schreie von fast zwei Dutzend Feinden erschallten hinter ihm im Wald. Keuchend blickte er nach vorn und schluckte, als er die Tiefe des Flußbettes unter sich zu schätzen versuchte.

Dann schloß er die Augen und machte einen Schritt ins Leere, bevor er sich dem freien Fall ergab.

1. Kapitel: Ganz normaler Wahnsinn

„Ich schlitze dich auf, du gemeiner Zirag!“

„Du kannst doch nicht mal dein Schwert halten!“

„Bleib schon hier, du Feigling!“ Zeitgleich zu seinem entschlossenen Ausruf riß er das Schwert empor und rannte noch schneller. Er würde ihn kriegen und dann würde er ...

„Oh! He, ihr beiden Helden, seht euch vor!“ Dalios sprang überrascht zur Seite, als mit halsbrecherischer Geschwindigkeit die beiden Krieger an ihm vorbei die Treppe zum Garten herabsprangen. Kopfschüttelnd schaute der Verwalter ihnen nach, doch die beiden ließen sich von ihm überhaupt nicht stören. Wild kreischend rannte Myron voran um den Springbrunnen herum und machte einen Satz auf dessen Rand hinauf. Andrin folgte ihm unbeeindruckt.

„Myron!“ ertönte ein entsetzter Ausruf von einem der oberen Balkone. Myron verschwendete allerdings nur einen kurzen Blick hinauf zu seiner Mutter, die händeringend auf dem Weg nach unten war. Viel interessanter erschien ihm immer noch Andrin, der ihm laut brüllend auf den Fersen war. Im nächsten Moment sprang er vom Brunnenrand und warf sich in die Büsche. Ungebremst folgte Andrin ihm, um auf der anderen Seite der Büsche wieder hervorzukommen und der steinernen Bank auszuweichen, auf der seine Eltern es sich bequem gemacht hatten.

„Du kriegst mich nie!“ rief Myron übermütig über seine Schulter zu Andrin, der von seinen Eltern nicht einmal Notiz nahm.

„Und ob!“ erwiderte dieser keck, bevor er seinem Kameraden um ein Blumenbeet herum folgte. Agarin wandte ganz langsam den Kopf in Kaylas Richtung, doch davon ließ sie sich nicht beeindrucken. Schließlich sah er sich gezwungen, eine Frage zu stellen.

„Du hast heimlich mit ihm geübt, oder warum sonst ist er so übermütig?“

„Hör schon auf, Agarin. Er ist vier Jahre alt! Was glaubst du, was Jungs in dem Alter tun?“

„Du weißt das natürlich genau!“ erwiderte er augenzwinkernd. Empört stieß Kayla ihm ihren Ellenbogen in die Rippen.

„Laß ihm diesen Spaß. Er ist nur ein Kind!“

„Ein sehr unartiges Kind.“

„Was erwartest du von deinem Sohn, mein werter Herr König?“

„Mein Sohn?“

Während Kayla und Agarin ihre neckische Diskussion fortsetzten, hatte Andrin seinen Kameraden längst eingeholt und lieferte sich ein schweißtreibendes Gefecht mit ihm. Die kleinen Holzschwerter prallten mit ihren stumpfen Klingen aneinander, bis Andrin plötzlich innehielt. Myrons Schwert rammte ungehindert seine Brust, aber der Schlag war nicht hart und deshalb störte der kleine Königssohn sich nicht daran. Schließlich wandte Myron sich um und wie aus einem Munde riefen die beiden sogleich: „Onkel Gordian!“

Wie angewurzelt blieb Gordian auf der Treppe stehen, als er die beiden schwer bewaffneten Vierjährigen auf dem Gras stehen sah. Malina machte bereits einen Schritt zurück und ließ die Hand ihres Vaters los, noch bevor die beiden unter unbändigem Geheule auf Gordian losstürmten und sich mit kleinen Händen an seine Tunika klammerten. Begeistert sprangen sie ihm in die Arme, so daß er ins Taumeln geriet und beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

„Hilfe!“ rief Gordian erstickt und fand sich im Handumdrehen auf der Treppe sitzend wieder, belagert von je einem kleinen Jungen auf jeder Seite.

„Warum überfallt ihr mich?“ fragte er belustigt, als die beiden die Schwerter an die Gürtel gesteckt hatten. Vorsichtig wagte Malina sich näher, im Augenblick sogar gänzlich mißachtet von den beiden Burschen.

„Onkel Gordian, spielst du mit uns?“ fragte Andrin und warf Gordian einen Blick aus großen blauen Augen zu. Der königliche Berater stöhnte. „Was soll es denn diesmal sein?“

Doch noch bevor Andrin dazu kam, seine Bitte weiter auszuführen, riß Malina die Aufmerksamkeit ihres Vaters an sich, als sie mit weit ausgebreiteten Armen hilfesuchend vor ihm stand.

„Papa holen“, piepste sie zaghaft. Ohne große Mühe umfaßte Gordian seine zweijährige Tochter mit beiden Händen und hob sie auf seinen Schoß. In Anwesenheit der beiden Rabauken war sie oft etwas verschüchtert. Liebevoll streichelte er ihr über die ungezähmten blonden Löckchen und strich ihren Rock glatt.

„Onkel Gordian, wir brauchen den bösen Gemeinen! Du kannst das so gut!“ platzte Andrin heraus.

„Du willst mich doch nur wieder mit deinem scharfen Schwert erstechen!“ protestierte Gordian unwillig. Die Kinder kannten natürlich alle Abenteuergeschichten ihrer Eltern und Gordian hatte einmal den Fehler gemacht, Godir sowohl im Verhalten als auch in der Stimmlage zu imitieren. Natürlich war das für die beiden Jungen das gefundene Fressen gewesen und seither versuchten sie stets, Gordian den Auftritt als Godir zu entlocken. Und Gordian hatte keine Chance gegen den Königssohn, denn Andrin wußte um seine Überredungskünste. Er ähnelte Agarin äußerlich sehr. Er hatte dieselben Augen wie sein Vater, weshalb besonders seine Mutter ihm keinen Wunsch abschlagen konnte.

Sein gleichaltriger Kamerad Myron war etwas anders. Der gemeinsame Sohn von Kaylas Vetter Valo und seiner Frau Adina geriet nur in der Haarfarbe nach seinem Vater, aber das unter dem glatten blonden Schopf verborgene Gesicht ähnelte den sanften Zügen seiner Mutter. Er war nicht so eigenwillig wie Andrin, aber die beiden verstanden sich trotzdem gut. Sehr zu Gordians Leidwesen, denn vier große Kinderaugen waren flehend auf ihn gerichtet - wie sollte er da standhaft bleiben?

„Andrin, kannst du nicht mit deinem Vater kämpfen? Oder Onkel Akin fragen? Onkel Giro hat sicherlich auch Zeit!“

„Aber Onkel Gordian!“ mischte Myron sich ein. „Nur du kannst den bösen Gemeinen wirklich spielen! Bitte!“

„Bitte, Onkel Gordian“, fiel Andrin mit ein. Kurze Zeit später wagten Agarin und Kayla es gemeinsam, die Köpfe um die Ecke zu stecken, weil sie herausfinden wollten, wer das Siegesgeschrei anstimmte. Malina und Myron saßen auf der Treppe, während Andrin siegreich auf Gordians Brust thronte.

„Wie macht er das nur?“ fragte Agarin. Es kam nicht oft vor, daß er sich von seinen Aufgaben zurückziehen konnte, um sich mit Kayla in die Sonne zu setzen. Er nahm sich jedoch mehr Zeit für Andrin, als sie gehofft hatte. Oft hatte sie das Gefühl, daß sie eigentlich eine ganz normale Familie waren.

„Du meine Güte!“ riß Adina sie aus ihren Gedanken. Kayla fuhr herum und begrüßte ihre Freundin mit einem Lächeln.

„Was ist denn los?“

„Ich dachte, die beiden wären in den Brunnen gefallen! Andrin und Myron sind nicht zu bändigen!“ Aus Adinas Worten sprach große mütterliche Sorge.

„Und wenn schon“, murmelte Kayla. „Nur so lernen sie vielleicht, daß sie sich vom Brunnen fernhalten sollten!“

Noch während sie sprach, legte Agarin einen Arm um den Rücken seiner Frau. Sie war geradezu vernarrt in ihren Sohn und bewies oft großes Einfühlungsvermögen, wenn es um die Kinder ging. Zwar unterstützte sie ihn auch, wo immer sie konnte, aber ihm war bewußt, daß sie ohne das Kind ein langweiliges Leben im Palast verbringen würde.

„Vielleicht sollten wir Gordian befreien, meint ihr nicht?“ schlug Adina vor und trat auf den armen Besiegten und die Kinder zu.

„Tante Adina, er ist tot! Wir haben nichts mehr zu fürchten!“ triumphierte Andrin und erhob sich von Gordians Brust. Dieser schnappte befreit nach Luft.

„Jetzt mußt du Malina küssen, genau wie dein Papa deine Mama nach dem Kampf!“ rief Myron von der Treppe zu seinem Freund. Andrin schüttelte abwehrend den Kopf.

„Sie ist doch ein Mädchen!“

„Feigling!“

„Mach doch selber!“ gab Andrin zurück und steckte sein kleines Holzschwert weg. Gordian klopfte das Gras von seiner Kleidung und warf einen hilfesuchenden Blick zu Agarin. „Dein Sohn foltert mich!“

„So sind die Regeln. Der Held muß siegen!“ erwiderte Agarin kurzerhand. Gordian brummte mißmutig. Er hatte es geahnt, natürlich hatte Agarin das sagen müssen.

„Will Papa!“ meldete sich Malina von hinten zu Wort und stolperte mit den kurzen Beinchen in Richtung ihres Vaters. Derweil machte Adina den beiden Jungen einen Vorschlag.

„Wollt ihr mit mir zum Kunstmarkt in die Stadt gehen? Vielleicht gibt es dort Spielzeug für euch!“

Das beifällige Gebrüll der Kinder ließ keinen Zweifel an ihrer Entscheidung zu. Agarin und Kayla ließen Andrin natürlich mit Myron und seiner Mutter ziehen, während Gordian seufzend mit seiner Tochter auf dem Arm zu den beiden schaute und die Augen verdrehte.

„Ich wußte, es war ein Fehler, in den Garten zu kommen. Eigentlich wollte ich nach euch sehen, aber dann kam diese wilde Horde!“

„Aber es ist gut, daß die Kinder einander haben. Ich fände es furchtbar, wenn Andrin schon ein einsamer kleiner König wäre“, sagte Kayla. Darin stimmten Gordian und Agarin ihr zu. Währenddessen zupfte Malina am kurzen Zopf ihres Vaters. Er verzog keine Miene.

„Weshalb bist du hier?“ fragte Agarin.

„Ich weiß, du wolltest heute nicht arbeiten, aber ein Bote aus Rimonas ist vorhin eingetroffen. Er bringt eine Nachricht vom König“, erklärte Gordian.

Agarin stöhnte hilflos. Sie gingen dem Boten entgegen, der in der Empfangshalle mit dem Verwalter stand und sich rege unterhielt. Der junge König nahm das Schreiben entgegen und legte es im Schreibzimmer auf den Tisch, doch dann machte er es sich mit Kayla und Gordian wieder im Garten gemütlich. Malina kauerte sich mit ihrer Puppe im Arm auf dem Schoß ihres Vaters zusammen, während dieser eine Unterhaltung mit dem Königspaar begann. Sie waren in den vergangenen vier Jahren recht gut in ihre Rolle hineingewachsen. Zwar waren sie beide noch jung, aber sie meisterten ihre Aufgaben hervorragend, wie er fand.

Bis zum Abendessen blieben sie gemeinsam im Garten sitzen. Gordian setzte sich mit seiner Tochter ins Gras und knüpfte mit ihr eine Kette aus Gänseblümchen. Bald darauf begaben sie sich in den Speisesaal. Adina und die Kinder waren zeitig wieder aus der Stadt zurück, wurden aber nicht mehr von Akin begleitet. Er war auf dem Übungsplatz der Wachen verschwunden. Als nächster traf Valo ein, der fast den ganzen Tag in der königlichen Goldschmiede verbrachte. Er kam allerdings nicht dazu, sich zu setzen, weil sein Sohn ihn davon abhielt. Derweil zog auch Andrin es vor, nicht auf seinem eigenen Stuhl sitzenzubleiben, sondern auf den Schoß seines Vaters zu klettern. Die beiden Väter warfen einander gequälte Blicke zu.

Im nächsten Augenblick betrat Giro den Raum. „Warum hast du Akin nicht mitgebracht?“ erkundigte Agarin sich, als er Andrin mit einigen Überredungskünsten wieder auf seinen eigenen Stuhl gesetzt hatte.

„Du kennst ihn doch. Ich habe ihn auf dem Weg hierher gesehen, er hat Angst, daß die Wachen während seiner Abwesenheit alle desertiert sind!“

Seine Freunde lachten belustigt. So kannten sie den arbeitseifrigen Akin. Inzwischen wurde das Essen aufgetischt und auch Melin gesellte sich zu Gordian, wie üblich in ihrer Arbeitskleidung. Als letzter und mit angestaubter Tunika betrat Akin den Speisesaal. Man konnte sehen, daß er nur Zeit gehabt hatte, sich die Hände zu waschen. Seine Haare waren noch zerzaust und auf seiner Stirn stand der Schweiß. Agarin hielt ihm das jedoch nicht vor, denn er war froh, daß Akin seine Aufgaben so ernst nahm. Er war Heerführer und oberster Leibwächter zugleich.

Beim Essen kehrte allmählich Ruhe ein. Sie saßen beisammen wie immer und gönnten sich danach einen gemütlichen Sommerabend im Garten. Einzig Giro verschwand sehr schnell wieder im Palast, ohne eine Erklärung abzugeben. Agarin hatte einen Verdacht, was sein Kamerad plante, sagte aber nichts.

Beim Frühstück machte Agarin ein unwilliges Gesicht. Am liebsten hätte er sich wieder frei genommen, aber ein Königreich wartete auf ihn. Liebend gern hätte er mit Giro getauscht, der offensichtlich noch schlief, weil er beim Frühstück gar nicht anwesend war.

„Soll ich dir mit den Bittschriften behilflich sein?“ erkundigte Kayla sich, als sie das mißmutige Gesicht ihres Mannes bemerkte.

„Das tust du doch längst“, erwiderte er mit einem gequälten Lächeln.

„Ja, aber du wirst doch sicher erst sehen müssen, was König Bardolas dir geschrieben hat!“

„Außerdem muß ich mir überlegen, wie bis zur Zusammenkunft die Waldstraße fertiggestellt sein soll“, fügte Agarin seufzend hinzu. Ein zweihundert Meilen langer Weg sollte eine ungefährliche Passage des Weltenwaldes bis Elinas ermöglichen. König Bardolas hatte ihn dabei unterstützt, aber die Schneisen trafen aufgrund von Fehlplanungen und einigen Verzögerungen noch immer nicht aufeinander.

Arbeitsreich waren die Jahre gewesen, aber auch von Erfolg gekrönt. Agarin hatte sich mit den elinitischen Fürsten verständigen können. Die Bürger waren erleichtert gewesen, nun mehr Freiheit zu erfahren. Besonders die Abschaffung der Todesstrafe war sehr begrüßt worden.

Aber nicht nur in Elinas hatte sich viel geändert. In ganz Maronna war Elinas nun wieder Bestandteil aller Landkarten. Das anberaumte Fürstentreffen sollte die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Elinas, Rimonas und Forlongas noch bestärken.

Einzig Peronas schloß sich davon aus. Der König des Bauernstaates legte keinen Wert auf Kontakt zu den anderen Ländern, das hatte Agarin durch Kaylas Berichte schon zuvor vermutet. Gescheitert waren alle Verhandlungen jedoch vollends, als man in Peronas erfahren hatte, wer die Königin an Agarins Seite war. Er hatte allen Kontakt abgebrochen, weil der König Kaylas Auslieferung gefordert hatte.

Er erhob sich bald nach dem Frühstück und hörte, wie Myron und Andrin bereits wieder durch den Garten tobten. Nachdenklich trottete er in Richtung seines Schreibzimmers, als ihm plötzlich ein breit grinsender Giro entgegenkam.

„Guten Morgen, mein Lieber“, begrüßte Agarin ihn. „Treibt dich der Hunger doch noch her?“

„Das kannst du glauben!“ erwiderte Giro und rieb sich die Augen.

„Hast du nicht genug geschlafen?“ erkundigte Agarin sich mitfühlend. Giro hatte kleine, geränderte Augen und gähnte demonstrativ.

„Ich bin nicht wirklich dazu gekommen“, wisperte er geheimnisvoll.

„Ah“, machte Agarin und runzelte fragend die Stirn. Giro trat auf ihn zu und sagte leise: „Du mußt dringend dafür sorgen, daß wieder Sitten im Palast einkehren...“

„Sitten? Willst du damit etwa sagen, in meinem Königshaus herrscht keine Ordnung?“ Spielerisch entrüstet verschränkte Agarin die Arme vor der Brust.

„Nein, nein, aber die Dienstmädchen sind wirklich ...“

„Was?“ entfuhr es Agarin halblaut. „Was hast du gemacht?“

„Ich bin unschuldig! Gar nichts habe ich gemacht!“ lamentierte Giro. „Gestern Abend gab es noch einen kleinen Umtrunk bei den Stallburschen. Sie hatten die Dienstmädchen zu sich eingeladen und ...“

„Und?“ hakte Agarin grinsend nach.

„Und diese Mädchen, die wissen wirklich genau, wie sie einem armen Kerl wie mir den Kopf verdrehen können!“

„Was habt ihr gemacht?“

„Um ehrlich zu sein, war ich zu betrunken, um mich noch wehren zu können, und dann hat sie mich einfach mit auf ihr Zimmer genommen.“

Agarin schloß grinsend die Augen. „Nicht schon wieder, oder?“

„Was hätte ich denn tun sollen?“ schallte Giros verzweifelte Stimme über den Gang.

Agarin prustete belustigt los. „Ich fasse es nicht! Das ist doch schon das dritte Mal, daß das passiert!“

Giro sagte gar nichts. Er scharrte mit dem Fuß auf dem Boden herum und schwieg verlegen.

„Aber sieh dich vor. Du weißt, daß dich das zum Vater machen kann!“ warnte Agarin leise.

Entnervt hob Giro den Blick. „Tatsächlich?“

Sie lachten beide. Agarin konnte einfach nicht begreifen, wie Giro das machte. Immer wieder schaffte er es, sich in die unmöglichsten Situationen zu begeben. Der König konnte sich gut daran erinnern, wie Giro eines Morgens schockiert und nur mit Hose bekleidet vor ihm gestanden hatte, um ihm zu offenbaren, daß eines der Dienstmädchen ihm einfach die Unschuld geraubt hatte.

„War es wieder eine andere?“ fragte Agarin plötzlich.

„Nein, es war dieselbe wie beim letzten Mal.“

„Und du warst schon wieder betrunken?“

„Ja, ich weiß, ich ...“

Lachend legte Agarin einen Arm um Giros Schultern. Er versuchte, ihn zu beruhigen und schickte ihn schließlich zum Frühstück. Grinsend betrat er schließlich sein Schreibzimmer und versuchte, sich auf den Brief des rimonitischen Königs zu konzentrieren.

Das Schreiben war die Lösung seiner Probleme. Der König berichtete, daß er zur Beschleunigung der Arbeiten eine weitergehende Brandrodung angeordnet hatte. Sofort schickte Agarin einen Boten zur Darlinodstraße, um den dort arbeitenden Männern auf elinitischer Seite ebenfalls den Befehl zur Brandrodung zu geben. Kurz darauf betrat Gordian das Arbeitszimmer.

„Ich war bei meinen Eltern in der Küche. Was gibt es denn?“

„Was gibt es zum Mittagessen?“ erkundigte Agarin sich neugierig. Er war sehr froh, daß Gordians Eltern von Lagon nach Elinas gekommen waren. Kurz nach seiner Heirat mit Melin war Gordian gemeinsam mit ihr nach Lagon aufgebrochen, um seine Familie zu besuchen. Sowohl seine Eltern als auch seine Geschwister hatten sich kurzerhand entschlossen, ihm nach Elinas zu folgen.

„Ich habe noch nicht in die Töpfe geguckt“, antwortete Gordian. Agarin erzählte schließlich vom Schreiben des rimonitischen Königs und sprach im Anschluß mit Dalios, der als Verwalter bereits an den Vorbereitungen für das Fürstentreffen arbeitete.

Seine Arbeit bekam er bis zum Mittagessen nicht fertig. Melin und Kayla kamen, um ihn zu holen. Stöhnend blickte Agarin zu dem Papierstapel, der sich in einer Ecke des Schreibtischs vor ihm auftürmte. „Gesetze, das Fürstentreffen, Strafurteile, Bittschriften ... Wer freiwillig König sein will, muß verrückt sein!“

„Du siehst eines nicht, Agarin“, erwiderte Kayla. „Andere wollen König sein, um Macht zu haben. Dir bereitet dein Amt natürlich die damit verbundene Arbeit, weil du deine Aufgaben ernst nimmst!“

Gemeinsam schlenderten sie zum Speisesaal. Agarin bestand immer darauf, wenigstens zu den Mahlzeiten seine Freunde beisammen zu sehen und von ihren Belangen zu erfahren.

„Papa!“ krähte sein Sohn, kaum daß er noch vor Kayla den Speisesaal betreten hatte. Schnell wie der Wind rannte Andrin ihm entgegen. Agarin kniete sich auf den Boden und breitete die Arme aus, in denen er seinen vor Freude jauchzenden Sohn auffing. Er erhob sich und wirbelte den Kleinen durch die Luft.

„Hast du aber viel gefrühstückt! Du bist ja richtig schwer!“ neckte Agarin ihn. Andrin grinste breit und sagte: „Bald bin ich so groß und stark wie du!“

„Du bist auch jetzt schon groß und stark“, behauptete Kayla und strubbelte ihm liebevoll durch die Haare.

Die Stimmung am Mittagstisch war heiter, bis Agarin und Akin nach dem Essen gemeinsam verschwanden, um die Wacheinteilung für das Fürstentreffen durchzugehen. Auch die anderen gingen wieder an die Arbeit, nur die Kinder blieben. Andrin hatte sich am Morgen mit Myron gestritten und deshalb keine Lust, mit ihm zu spielen. Kayla nahm ihn an die Hand, um mit ihm gemeinsam in den Garten zu gehen. Manchmal hatte sie das Gefühl, daß er seinen Dickschädel unbedingt durchsetzen wollte. Darin war er ihr sehr ähnlich. Sie setzte sich mit Andrin auf dem Schoß auf eine Bank im Garten. Mit seinen kleinen Stiefeln trat er immer wieder leicht gegen den weiten Rock ihres feinen Kleides, als er die Beine baumeln ließ.

„Andrin, ihr seid doch Freunde. Befreundet sein heißt, daß man auch teilen kann.“

Er nickte nur, wollte sich nicht eingestehen, daß seine Mutter Recht hatte.

„Mir ist langweilig“, quengelte er nach einem Augenblick.

„Was möchtest du denn machen?“ fragte Kayla.

„Ich möchte kämpfen üben!“

„Soll ich das mit dir machen?“

„Holst du denn dein großes Schwert, Mama?“

Lächelnd schüttelte Kayla den Kopf. „Nein, ich hole nicht mein großes Schwert. Ein Holzschwert muß genügen. Aber erst muß ich etwas anderes anziehen! So kann ich unmöglich mit dir üben!“ Mit diesen Worten setzte sie ihn neben sich auf die Bank und erhob sich.

„Ich warte hier“, tat Andrin bereitwillig kund. Damit eilte Kayla in ihr Zimmer. Sie hatte einige einfache Leinenkleider im Schrank, die sie auf Ausritten trug oder immer dann, wenn Andrin mit ihr spielen wollte. Dahinter hingen sogar zwei Hosen und einige Hemden, für die sie lang gekämpft hatte.

Während sie ihr edles Kleid über einen Stuhl legte und in ein gelbes Leinenkleid schlüpfte, dachte sie daran, wie stolz sie auf Agarin war. Zwar beklagte er sich gern über die zahllosen Pflichten, die sein Amt mit sich brachte, aber er meisterte sie großartig. Es herrschte Frieden im Land und er war sehr beliebt bei den Menschen, weil er nach Kräften versuchte, die Lebensumstände für die Bürger zu verbessern. Zwar war er kein König, wie man ihn sich vorgestellt hätte, aber man gewöhnte sich schnell an seine unkomplizierte Art.

Sie holte das Holzschwert, das Agarin für die Übungskämpfe mit seinem Sohn benutzte. Er würde gewiß den Kopf darüber schütteln, daß sie es einfach nicht lassen konnte und unbedingt mit Andrin kämpfen mußte, aber den Kleinen interessierte das herzlich wenig.

Als sie zurück in den Garten kam, fand sie Andrin bereits wild mit seinem kleinen Schwert in der Luft herumfuchtelnd. Er focht ein erbittertes Duell mit einem imaginären Gegner.

„Nimm das!“ hörte sie ihn vergnügt rufen und lachte. Er fuhr herum und kam auf sie zugerannt. Sofort ging sie in Stellung und fing seinen ersten kräftigen Schlag ab. Er war nicht zu unterschätzen, denn obwohl er klein war, war er sehr flink und geschickt. Laut schreiend sprang Andrin um seine Mutter herum und ließ sie vergnügt wissen, daß er sehr viel Spaß hatte. Schließlich begann sie, mit ihm Schlagabfolgen zu üben. Als kurz darauf ein etwas gelangweilter Gordian in den Garten kam, staunte er nicht schlecht, die junge Königin wie einen geübten Lehrer mit ihrem kleinen Sohn zu sehen. Er ließ sich auf der Bank nieder und beobachtete die beiden interessiert. Schließlich wollte Andrin jedoch wieder kämpfen und natürlich ließ seine Mutter ihn nach einer Weile gewinnen. Verspielt stupste er sie mit dem Schwert in die Seite und sie ließ sich ins Gras fallen.

„Ich bin besiegt!“ rief sie und breitete die Arme aus. Andrin kniete sich neben sie und schlang seine kleinen Arme um den Hals seiner Mutter, als sie sich ein wenig aufgerichtet hatte. Verspielt tobten die beiden durchs Gras und blieben schließlich keuchend vor Gordians Füßen liegen.

„Man könnte meinen, ihr wärt Akins Übungsgruppe entflohen!“ grinste der königliche Berater von oben auf die beiden herab.

„Oh, ich bin sicher, Agarin wäre begeistert, wenn ich mich mit Hemd, Hose und Schwert der Leibwache anschließen würde!“ erwiderte Kayla kichernd.

„Ja, ich glaube, das ginge selbst ihm zu weit!“

„Onkel Gordian!“ mischte Andrin sich in die Unterhaltung ein. „Zeigst du mir noch mal deine große Narbe?“

„Aber Andrin, soll ich mir denn mitten im Garten das Hemd ausziehen? Sieh mal, es ist doch eine Frau in der Nähe!“

„Bitte!“ flehte Andrin, aber diesmal blieb Gordian hart. Er krempelte die Arme hoch und zeigte dem Jungen die Schußnarben, aber damit sollte es gut sein. Nur mußte er es sich daraufhin gefallen lassen, daß der Königssohn ihn mit Gras bewarf.

Verträumt schlenderte er kurz darauf über den Gang in Richtung der Bedienstetenzimmer, doch plötzlich hielt er inne. Er sah Giro mit einem Mädchen vor dem Stall stehen. Soweit er wußte, war sie diejenige, die sich schon zweimal mit ihm vergnügt hatte. Er kannte Karalin nicht, aber er stand der Angelegenheit skeptisch gegenüber. Allerdings beschloß er, sich nicht weiter darum zu kümmern und ging weiter.

Giro steckte derweil eher in der Klemme, als daß er sich über Karalins Anwesenheit gefreut hätte. Er hatte die Aufsicht über die Leibwächter für diesen Moment und mußte sich zeitgleich auch noch um den Stall kümmern.

„Warum bist du denn vorhin so schnell gegangen?“ eröffnete Karalin die Unterhaltung.

„Ich war viel zu spät fürs Frühstück. Und wie du siehst, braucht man mich hier“, erklärte Giro wahrheitsgemäß. Den Schreck über sein unerwartetes Erwachen in Karalins Bett verschwieg er selbstverständlich.

„Dann ist gut“, sagte sie erleichtert. Giro tat demonstrativ etwas, das er sonst nie tat: Er schaufelte Stroh mit einer Heugabel von rechts nach links und machte damit einen sehr beschäftigten Eindruck.

Er konnte die nächtlichen Ereignisse nicht einmal bereuen, weil er sich kaum daran erinnerte. Innerlich flehte er nur, daß es das letzte Mal gewesen sein mochte. Mara durfte nichts von seinen Verirrungen erfahren.

„Wir reden später. Ich freue mich schon!“ sagte Karalin, ehe sie mit einem vielsagenden Blick davonschlenderte.

„Die Freude ist ganz meinerseits“, seufzte Giro halbherzig und ließ sich mit verdrehten Augen ins Heu sinken, als sie gegangen war.

2. Kapitel: Große und kleine Schwierigkeiten

Er schlug zitternd die Augen auf. Ein krampfartiges Husten entfuhr ihm und holte ihn vollends aus der Bewußtlosigkeit. Schwach hob er den Kopf, um herauszufinden, wo er sich befand, dann spürte er bereits, wie seine Kleidung an seinem durchgefrorenen, nassen Körper klebte. Er lag noch immer im Wasser. Die Strömung hatte ihn in einer Biegung des Flusses ans Ufer geschwemmt. Inmitten von Schilf, Geäst und anderem Gestrüpp fand er sich in einer ihm noch völlig unbekannten Region des Waldes wieder.

Er war noch gar nicht ganz bei Sinnen. Es dämmerte, aber es war nicht die Morgendämmerung. Als Kyrin sich aufrichten wollte, gaben seine Arme nach, doch er zwang sich dazu, sich aus dem Wasser zu ziehen. Außer seinem Schwert und seiner Kleidung hatte er nichts mehr bei sich.

Er konnte den Himmel über sich sehen. In einem warmen Rot ging irgendwo die Sonne unter. Leise plätschernd bahnte der Waldfluß sich einen Weg weiter nach Norden. Kyrin mußte meilenweit von dem Ort entfernt sein, an dem er in seiner Verzweiflung in den Fluß gesprungen war. Er hatte nicht damit gerechnet, daß er diesen Todessprung überleben würde und er konnte sich nicht einmal mehr an den Fall erinnern, geschweige denn daran, wie er ins Wasser getaucht war.

Er war froh, noch am Leben zu sein. Allerdings konnte er sich kaum bewegen. Er blieb weiterhin vor Kälte zitternd am Ufer sitzen und verfluchte die Tatsache, daß die Sonne nicht mehr da war. In dieser Nacht durfte er nicht noch länger frieren, und so machte er sich bald auf die Suche nach Feuerholz. Alles andere war ihm gleich. Bald saß er vor einem Lagerfeuer. Er hatte all seine Sachen ausgezogen und neben dem Feuer auf einige lange Äste gehängt, die er in die Erde gespießt hatte. Teilnahmslos stierte der junge Mann ins Feuer. Seine rehbraunen Augen blickten traurig und starr. Vor seinen Füßen lag der noch immer feuchte, blutbefleckte Umschlag direkt am Feuer, um trocknen zu können. Kyrin wußte nicht, ob die Tinte auf dem Pergament durch die Stunden im Wasser verwischt war. Auf dem Umschlag war nichts von dem noch zu lesen, was einmal dort gestanden hatte. Und wenn nun das verloren war, was in dem Dokument gestanden hatte, war alles umsonst gewesen.

Er strich sich eine Strähne seines halblangen dunklen Haares aus der Stirn. Sein Blick wanderte von den Flammen auf seine Arme. Schnittnarben verunzierten sie an vielen Stellen, ebenso trug er Narben auf Brust, Bauch und Rücken. Irgendwann rührte er sich endlich und griff nach dem Umschlag. Er brach das Siegel und zog das zusammengefaltete Dokument heraus. Es war nur noch an manchen Stellen feucht, doch als er es entfaltete, entfuhr ihm ein erleichterter Seufzer. Verwaschen war die Schrift zwar, aber immer noch lesbar.

Nichts hatte Araldo und ihn noch in Peronas halten können. Mit dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern war ihr Leben schlagartig zerstört worden. Aber jetzt gab es etwas, das er unternehmen konnte. Natürlich waren die Laufburschen des Königs noch auf seinen Fersen, aber er hatte einen Vorsprung. Und er hatte nichts mehr zu verlieren. Er wollte nur nicht, daß auch sein Bruder umsonst gestorben war, deshalb mußte er seinen Weg nach Elinas unter allen Umständen fortsetzen.

Als die Nacht hereingebrochen war, war er trocken und einigermaßen aufgewärmt. Auch seine Kleidung konnte er bald wieder anziehen. Nur die nächtlichen Schreie der wilden Tiere und das Sternenlicht begleiteten Kyrin auf seiner einsamen Reise. Er war wieder bei Kräften, aber er hatte Hunger. Ihn erschreckte kein Rascheln im Unterholz und auch das ferne Beben jagte ihm keine Furcht ein. Daß es im Darlinod Trolle gab, hatte er zuvor schon gewußt. Er ging weiter, nur von den Schreien der Tiere begleitet. Einige davon gehörten zu den Drachen der Pfeilspitze.

Es gelang ihm, sich anhand der Position des Mondes zu orientieren und war bei Einbruch des Morgengrauens noch immer auf Kurs. Nordwesten war die Richtung, die ihn in die Freiheit führen würde. Doch er nahm sich zwischendurch Zeit, einen langen Wurfspeer zurechtzuschnitzen und sich auf die Lauer zu legen. Es dauerte auch überhaupt nicht lang, bis er eins der riesigen Kaninchen entdeckte, das auch noch drei weitere Männer satt gemacht hätte. Vorsichtig ging er in Stellung und warf den Speer in die Richtung des Tieres, das er zwar nicht wie erhofft in den Hals traf, aber mit dem Speer im Bauch ging es quiekend zu Boden. Schnell lief Kyrin hin und machte dem Leid des Tieres ein Ende, bevor er überlegte, wie er es mit seinem Schwert zerlegen sollte. Während ein kleines Feuer bereits munter prasselte, häutete er das Kaninchen und nahm es aus, um es danach auf einem Spieß über dem Feuer rösten zu können. Nach dem Essen suchte er sich ein geschütztes Plätzchen zwischen zwei Bäumen und legte sich zum Schlafen nieder.

Er erwachte am Nachmittag mit einem schmerzhaften Pochen in Hals und Kopf. Obwohl es wiederum schwülwarm im Weltenwald war, fror er bis auf die Knochen. Zudem verschwamm seine Sicht, als er sich aufrichtete. Im nächsten Moment erschrak er zu Tode, als er zwei Aasfresser mit ihrem fürstlichen Mahl beschäftigt um die verkohlten Überreste des Kaninchens vorfand. Riesige Vögel waren es, die sich um die verloschene Feuerstatt eingefunden hatten. Sie nahmen nicht einmal Notiz von Kyrin, der sich schwankend erheben wollte, doch im nächsten Augenblick brachen ihm die schwächelnden Knie unter dem Körper weg. Er wurde von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt und befühlte vorsichtig seine Stirn. Kalter Schweiß rann über seine Haut. Er hatte sich zu sehr unterkühlt und drohte nun sterbenskrank zu werden.

Dann wußte er plötzlich, was ihn eigentlich geweckt hatte. Ein Troll bewegte sich mit gewichtigen Schritten in seine Richtung brachte den Boden zum Erzittern. Hustend stand er auf und stolperte angestrengt weiter voran durch den Wald. Es war anstrengend, schnellen Schrittes zu fliehen, aber er hatte keine Wahl.

Er wurde schubweise von Fieberanfällen geschüttelt. Das Dröhnen der Trollschritte hatte endlich nachgelassen. Er taumelte zwischen den Bäumen umher und verlor zeitweise gänzlich die Orientierung. Er zwang sich, an das Dokument zu denken, das in seinem Gürtel klemmte. Er wollte auch unbedingt diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die Araldo auf dem Gewissen hatten.

Als ihm in der Abenddämmerung erneut die Knie wegbrachen, wünschte er sich sehnlichst, daß das alles nie geschehen wäre. Zitternd lehnte er sich an einen Baum und je schlimmer sein Fieber wurde und seine Kehle schmerzte, umso mehr verlor er sich in Verzweiflung. Schließlich rannen ihm Tränen über die Wangen. Schluchzend zwang er sich wieder auf die Beine und kämpfte sich weiter durchs Unterholz.

Im Mondschein brach er irgendwann zusammen und blieb bewußtlos auf dem Waldboden liegen. Er kam erst wieder zu sich, als die Sonne am nächsten Tag hoch am Himmel stand. Hunger spürte er nicht, aber Kraftlosigkeit. Jeder Schritt war eine Qual, es kostete ihn mit jedem Schritt Überwindung, sich zu bewegen und er wurde immer langsamer. Am Nachmittag gab es jedoch einen Hoffnungsschimmer: Er erreichte eine Lichtung und entdeckte zu seiner Linken in südwestlicher Richtung das Ramunmassiv. Die Pfeilspitze ragte in den blauen Sommerhimmel empor und Kyrin vernahm in weiter Ferne den Schrei eines Drachen.

Wann immer er konnte, gönnte er sich an geschützten Orten eine Pause. Das Fieber und die Gliederschmerzen ließen nach, aber er fühlte sich unverändert kränklich. Ein trockener Husten peinigte ihn und als er versuchte, zu jagen und seit Tagen zum ersten Mal wieder etwas zu essen, scheiterte er kläglich.

Der Tag verlosch und die Nacht brach herein, ebenso seine Müdigkeit. Am nächsten Nachmittag brach er wieder zusammen und spürte erneut Tränen in den Augen brennen.

Kurz vor Einbruch der Nacht und in einem Moment, in dem Kyrin mit nichts mehr gerechnet hatte, wichen plötzlich die Bäume zurück. Vor ihm ragten die Berge des Kalanur auf, des Kesselgebirges, welches das ehemalige Nachtschattenland umgab. Ihm drohte keine Gefahr von dort, da dieser Landstrich von Zirags entvölkert war und nun wieder zu Rimonas gehörte. Sehr zu seinem Erstaunen stieß er in dieser schmalen Schneise zwischen Wald und Gebirge auf eine Straße. Sie war weder breit noch befestigt, aber sie war da.

Seufzend wandte er sich gen Westen. Irgendwann würde er in dieser Richtung auf die Darlinodpforte treffen, dann hatte er es fast geschafft. Von neuer Hoffnung beflügelt, lief er die Nacht hindurch - ausgehungert und ohne etwas getrunken zu haben. Er schwitzte in der prallen Sonne auf dem staubigen Pfad südlich des ehemaligen Borun. Die Sonne hatte gegen Mittag gerade ihren Höhepunkt erreicht, als ihm schwarz vor Augen wurde.

„Glaubst du wirklich, daß eine so enorme Verstärkung der diensthabenden Wachmänner notwendig ist?“ überlegte Agarin skeptisch. Akin erschien ihm wieder einmal zu übereifrig.

„Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß es zu Zwischenfällen kommen dürfte. Aber ich möchte auf alles vorbereitet sein! Mir als Leiter der Leibwache obliegt doch die Sicherheit der Könige! Und tu mir einen Gefallen, Agarin: Du mußt Kayla verbieten, immer wieder heimlich aus dem Palast zu verschwinden. Noch schlimmer ist es, wenn sie den Jungen mitnimmt. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ihnen etwas zustößt und ich ...“

„Ich verbiete meiner Frau gar nichts. Ich kann sie nur darum bitten und das habe ich schon oft getan, das kannst du mir glauben. Du kennst sie doch! Sie ist nicht nachlässig, sie macht sich jedes Mal zurecht wie eine normale junge Frau und unter der Schürze versteckt sie mindestens ihren Dolch, wenn nicht sogar das Schwert. Niemand erkennt die beiden, wenn sie das tun!“

„Das weißt du doch gar nicht, Agarin! Es war ein Angebot meinerseits, daß nur ich euch begleite. Das ist schon gefährlich genug!“

„Ich verstehe schon. Du mußt mir aber auch einen Gefallen tun: Vor acht Uhr morgens will ich dich unten im Hof nicht sehen und nach dem Abendessen auch nicht mehr! In deinem Leben gibt es nur deine Arbeit!“

Akin nickte und erhob sich. Agarin konnte sehen, daß es ihn bereits in den Hof zurückzog und er sagte nichts mehr. Schulterzuckend entließ er ihn und holte wieder den seit Tagen herumliegenden Gesetzesentwurf hervor. Er mußte ihn dringend überprüft haben, bevor das Fürstentreffen anstand.

Allerdings konnte er sich nicht darauf konzentrieren. Die Einigung mit den anderen Ländern war zwar wichtig, aber Akin ging ihm nicht aus dem Kopf. Auch ohne Gordians Auskünfte war ihm aufgefallen, daß Akin schlichtweg überarbeitet war. Anfangs hatte Akin es sich sehr zu Herzen genommen, daß viele ihn als zu jung für den Posten des Heerführers und obersten Leibwächter erachtet hatten. Innerhalb kürzester Zeit hatte er sie jedoch von seinen Fähigkeiten überzeugt.

Agarin hatte Akin als unbedarften, frechen jungen Burschen kennengelernt, doch die gemeinsamen Abenteuer hatten den Heimatlosen zu einem anderen Menschen werden lassen. Er war ein begnadeter Kämpfer; eine Tatsache, die seinen Ehrgeiz angestachelt hatte, als er das erst einmal herausgefunden hatte. Eine seiner größten Ängste war, daß Agarin, Kayla oder Andrin etwas zustieß. Nicht nur, weil er als Leibwächter die Königsfamilie schützen mußte, sondern auch, weil sie seine Freunde waren. Warum Akin sich so krampfhaft nützlich machen mußte und kompromißlos in den Dienst anderer stellte, wußte Agarin jedoch noch immer nicht genau.

Akin selbst liebte seine Arbeit und wußte, daß er gut in dem war, was er tat. Nachdenklich machte er sich auf den Rückweg in den Hof, der fast täglich den übenden Wächtern zur Verfügung stand. Akin hielt inne und runzelte die Stirn.

„Wo ist denn Giro?“ fragte er mißtrauisch.

„Giro? Eigentlich wollte er nur etwas holen!“ erwiderte einer der Schützen und ließ den Pfeil los.

„Guter Schuß“, lobte Akin. „Ich werde mal sehen, wo er ist!“

Damit verließ er den Innenhof in Richtung der Pferdeställe. Zwei Knappen und drei Stallburschen waren dort, saßen bis auf einen in der Sonne und plauderten. In dem gepflegten Garten entdeckte er schließlich, wonach er Ausschau gehalten hatte. In grünem Kleid und ehemals weißer, angegrünter Schürze kniete Mara vor dem Beet und versuchte, das Unkraut zu entfernen. Mit Gartenschere bewaffnet kniete Giro neben ihr und beobachtete sie fasziniert.

Das hatte er sich gedacht. Giro hatte sein Herz an die schüchterne Gärtnerin verloren. Braune Locken hatte sie und ein freundliches, offenes Gesicht. Er trieb sich auffällig oft bei ihr im Garten herum, ohne dort etwas Nennenswertes zu tun.

Er beschloß, sich nicht bemerkbar zu machen. Unverrichteter Dinge kehrte er in den Hof zurück und seufzte.

„Du mußt etwas tun! Ich flehe dich an, du bist doch mein Freund, du bist Wächter, stell mich unter deinen Schutz!“

„Du nervst mich, Giro. Sag dem Mädchen einfach, was du denkst, dann läßt sie dich in Ruhe. Sag ihr, daß dein Herz Mara gehört, das wird sie akzeptieren.“

„Aber dann weiß Mara es auch sofort, das geht nicht! Bitte, Akin!“

„Du bist kindisch. Wie lang willst du Mara denn noch stumm nachstellen? Glaubst du nicht, daß es langsam an der Zeit wäre, ihr deine Gefühle zu gestehen?“ stöhnte der oberste Leibwächter. Giro stand noch immer mit großen Augen vor ihm und tötete ihm die Geduld.

„Ich mache dir einen Vorschlag. Du lädst Mara zum Mittsommerfest ein und ich werde darauf achten, daß du nicht zuviel trinkst, damit du nicht zum Opfer der anderen Mädchen wirst. Einverstanden?“ Akin verschränkte entschlossen die Arme vor der Brust.

„Aber dann müßte ich mit ihr sprechen!“ stellte Giro entsetzt fest.

Sein Kamerad stöhnte. „Darauf wäre ich nie gekommen.“

„Und was ist, wenn sie nein sagt?“

„Dann gehst du nicht mit ihr hin!“

„Das wäre furchtbar“, jammerte Giro.

„Mach, daß du zu ihr in den Garten kommst und laß mich arbeiten. Du raubst mir den allerletzten Nerv!“ grollte Akin.

„Entschuldige vielmals, daß ich den heiligen Leiter der Wache von seiner noch heiligeren Arbeit abgehalten habe!“ maulte Giro und verschwand. Mit verkniffenem Blick schaute Akin ihm nach und seufzte.

Kopfschüttelnd stapfte Giro in Richtung der Gärten und fragte sich, ob es richtig gewesen war, Akin das an den Kopf zu werfen. Eigentlich durfte er ihm keinen Vorwurf machen, weil er seine Arbeit so ernst nahm, aber er war ein anderer Mensch geworden und Giro vermißte den Freund, mit dem er scherzen konnte. Er bog gedankenversunken um eine Ecke und wäre um ein Haar mit Kayla zusammengeprallt, die mit Andrin an der Hand vom Palast hinab in den Garten kam.

„Du meine Güte!“ entfuhr es ihm vor Schreck. „Entschuldige, ich habe geträumt.“

„So siehst du auch aus! Laß dich nicht davon abhalten, und wenn jemand fragt: Du hast uns nicht gesehen!“ wisperte Kayla geheimnistuerisch. Giro musterte sie von Kopf bis Fuß. Unter ihrem einfachen Kleid konnte er die Umrisse ihres Schwertes erkennen. Andrin steckte in einer Latzhose und einem einfachen Hemd. Die beiden sahen sehr unköniglich aus.

„Du willst nicht wieder durchs Gartentor verschwinden?“ fragte er augenzwinkernd.

„Akin wird ausrasten, wenn er davon erfährt!“ erwiderte sie und klimperte mit dem Schlüsselbund in ihrer Hand.

„Ich werde es ihm nicht verraten. Den Gefallen tue ich ihm heute bestimmt nicht!“

„Hattet ihr Streit?“

„Nicht direkt. Ich könnte mich nur über seine ewige Humorlosigkeit aufregen!“

„Sei gnädig mit ihm. Aber laß dich nicht weiter aufhalten. Wir sehen uns beim Abendessen!“

„Sei vorsichtig. Man weiß ja nie“, mahnte Giro freundschaftlich. Kayla deutete stumm auf ihr Schwert, dann schlich sie weiter mit ihrem Sohn dem versteckten Gittertor entgegen, das hinter einigen Büschen in die Mauer eingelassen war und zu einem kleinen Felsenpfad führte, der bis zur Stadt hinabreichte.

Grinsend schaute Giro den beiden hinterher und trottete dann auf der Suche nach Mara weiter in den Garten hinein. Er konnte Kayla gut verstehen. Darüber hätte er noch länger nachgegrübelt, wenn er nicht plötzlich auf ein leises Summen aufmerksam geworden wäre. Auch ohne sie zu sehen, wußte er, daß sie es war. Sein Herz machte einen Sprung bei der hübschen Melodie, die ihrer wundervollen Stimme entsprang. Er konnte sich nicht vorstellen, daß eines der anderen Mädchen ihn jemals so bezaubern könnte. Nur ein Strauch lag zwischen den beiden, bis Giro schließlich daran vorbeilugte und Mara vor einem Blumenbeet knien sah. Als sie im Augenwinkel seine Bewegung bemerkte, hob sie den Kopf und lächelte. Ihre roten Wangen leuchteten und ihre blauen Augen blitzten fröhlich. Am allermeisten jedoch faszinierten ihre sanften Lippen den jungen Mann.

„Giro! Schön, dich zu sehen“, begrüßte sie ihn und begann, die Blumen zu gießen.

Er räusperte sich verlegen. „Hallo, Mara. Ich habe eine Frage.“

„Mach es nicht so spannend!“ rief sie und warf ihre ungestümen Locken zurück.

„Du weißt doch sicher, daß in einigen Tagen das Mittsommerfest im Palast gefeiert wird.“

„Was glaubst du, weshalb ich so nach den Beeten sehe!“

„Ja ... Weißt du schon, was du an diesem Abend machen willst?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Also, ich dachte mir, daß ... nun ja, vielleicht hast du ja Lust, den Abend mit mir zu verbringen?“ stammelte Giro und atmete tief durch, um die aufsteigende Röte zu bekämpfen. Mara erhob sich und klopfte ihre erdigen Hände an ihrer Schürze ab.

„Das heißt, du lädst mich ein?“ Ihre Stimme zitterte vor Freude.

„Natürlich nur, wenn du möchtest“, schob er nach.

„Und ob ich möchte! Aber feierst du denn nicht mit dem König?“

„Doch, schon, aber dann feierst du eben auch mit ihm!“

Darauf wußte sie nichts zu sagen. Natürlich kannte sie den König, aber sie war nie zuvor bei einem Fest in solchen Kreisen gewesen.

„Ich habe aber nichts Feines zum Anziehen“, wandte sie ein.

„Ach, das macht nichts. Du brauchst auch nichts, du bist schön, ganz egal was du trägst.“ Er biß sich auf die Zunge. Sie lachte, als sie sein betretenes Gesicht sah.

„Das ist sehr lieb von dir“, sagte sie leise. Sie war sofort wieder zurückhaltender, was er aber nicht deuten konnte.

„Es ist mir wirklich eine Ehre“, sagte er dann noch, bevor er vollkommen aufgewühlt in Richtung des Palastes verschwand. Pfeifend rannte er die Stufen hinauf und nahm dabei zwei mit einem Schritt, doch bevor er sich überhaupt klar darüber werden konnte, was er wollte, hörte er auf einmal Stimmen und hielt die Luft an. Das war Karalin - er durfte ihr unter keinen Umständen begegnen! Sie war hübsch und freundlich, aber er war nicht gerade erpicht darauf, sich erneut betrunken in ihrem Zimmer wiederzufinden. Verstohlen pirschte er über den Gang und begab sich auf die Suche nach Gordian. Vielleicht war der Berater bereit, ein wenig mit ihm zu plaudern.

Er fand ihn mit Malina im Kaminzimmer auf dem großen Teppich. Die beiden errichteten gerade ein Schloß aus kleinen Holzklötzen, aber als die Kleine Giro erspähte, waren die Klötze mit einem Male uninteressant.

„Onkel Gio!“ rief sie und sprang auf, um ihm entgegenzulaufen. Er lächelte gerührt, denn wenn sie mit ihrer Piepsstimme versuchte, seinen Namen zu sagen, schmolz er dahin. Schon kniete er auf dem Boden und fing den blonden Wirbelwind in den Armen auf.

„Hallo Onkel“, grinste Gordian und zog die Beine an, bevor er die Arme darum legte.

„Sehr witzig. Wenn es nach Karalin ginge, wäre ich jetzt selbst schon Vater!“ Während er sprach, ließ er Malina los und setzte sich Gordian im Schneidersitz gegenüber, aber die Kleine mußte es sich unbedingt zwischen Giros Beinen gemütlich machen. Mit ihren Fingerchen pikste sie ihm in den Oberschenkel, aber das beeindruckte ihn herzlich wenig.

„Was gibt es denn Neues bei Mara?“ fragte Gordian.

„Ich habe sie gerade gefragt, ob sie mit mir Mittsommer feiern will.“

„Glückwunsch! Wird ja auch Zeit, daß ihr beiden euch zusammenfindet!“

„Erzählst du mir eine Geschichte, Onkel Gio?“ unterbrach Malina das Gespräch.

„Gleich, meine Kleine. Ich baue auch etwas mit dir, wenn du möchtest!“

„Hast du nichts zu tun?“ fragte Gordian.

„Genauso viel wie du“, grinste Giro. Er wurde gerade genausowenig gebraucht wie der königliche Berater.

An einem anderen Ort im Palast saß ein etwas gelangweilter König und träumte von einer großen Schüssel Erdbeercreme. Viel lieber wäre ihm jedoch noch seine Frau gewesen. Er hatte sie und Andrin seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen und beschloß, sich eine Pause zu gönnen und sie zu suchen. Er hatte es für den Moment satt, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, inwiefern die Fürsten die Bürger in ihrem Residenzgebiet entlasten sollten.

Er verließ sein Schreibzimmer und machte sich auf die Suche nach seiner Familie. Seinen Sohn würde er vielleicht im Jungenzimmer finden, also schaute er dort nach. Er fand jedoch nur Adina und Myron dort vor. Andrin und Myron teilten sich ein Zimmer direkt neben dem Raum, den Agarin und Kayla bewohnten.

Im Hof traf er wie üblich Akin, aber er gelangte schnell zu der Überzeugung, daß er ihn vielleicht besser nicht fragen sollte. Aber wozu hatte er einen besten Freund? Er würde nach Gordian suchen und fand sehr bald ihn und Giro mit Malina im Kaminzimmer.

„Oh, welch hoher Besuch!“ ärgerte Gordian ihn scherzhaft.

„Habt ihr Kayla und Andrin gesehen?“ erkundigte Agarin sich. Gordian schüttelte sogleich den Kopf, aber Giro sah etwas unentschlossen aus.

„Sie ist mit Andrin in die Stadt gegangen. Ich habe sie zuvor im Garten gesehen“, erklärte er schließlich.

„Soso. Heimlich davongemacht hat sie sich also. Danke für die Auskunft!“

Er setzte sich für einen Moment zu seinen Freunden, dann beschloß er, im Garten auf Kayla zu warten. Sie würde auch durchs Gartentor zurückkehren, deshalb nutzte er die Gelegenheit und setzte sich ganz in der Nähe in der prallen Sonne auf eine Bank.

Es dauerte eine ganze Weile, bis er etwas hörte. Knirschende Schritte näherten sich auf dem Sandweg, dann klimperte ein Schlüssel im Schloß. Sofort sprang Agarin auf und postierte sich wie selbstverständlich neben einem hochgewachsenen Strauch. Im nächsten Augenblick betrat sein Sohn den Garten, während Kayla die Tür hinter sich wieder verschloß.

„Papa!“ machte der Kleine zielsicher den Überraschungsversuch seines Vaters zunichte. Agarin verdrehte gequält die Augen, aber er umarmte seinen Sohn liebevoll und wirbelte ihn vergnügt durch die Luft. Andrin schrie vor Begeisterung.

„Wenn Akin wüßte, was ihr wieder getan habt!“ grinste Agarin, als er Kaylas ertapptes Gesicht sah.

„Ich wollte einfach nur als ganz normale Mutter mit meinem Sohn in die Stadt! Wenn Akin dabei ist, fällt immer auf, wer wir sind und ...“

Agarin legte seinen Finger auf ihre Lippen und brachte sie zum Schweigen. Andrin begann, neben seinen Eltern laut zu quengeln, aber das kümmerte die beiden in diesem Augenblick herzlich wenig.

„Warum hast du gewartet?“ fragte Kayla.

„Ich habe dich vermißt, meine Ausreißerin“, wisperte Agarin geheimnisvoll und küßte sie zärtlich. Das war zuviel für Andrin. Er schrie entsetzt auf.

„Pfui! Papa, was machst du denn da? Mama ist doch ein Mädchen!“

Kayla lachte leise. Andrin schob er trotzig seine Unterlippe vor, was Agarin dazu verleitete, ihn zu schnappen und hochzuheben, als hätte er kein Gewicht. Andrin kreischte vor Vergnügen, als Agarin ihn an den Beinen festhielt und kopfüber hängen ließ.

„Was machst du denn da?“ rief Kayla erschrocken, aber der übermütige Vater grinste bloß.

„Ich versuche das Thema zu wechseln, bevor er noch unangenehme Fragen stellt“, behauptete er amüsiert. Er hatte aber schnell wieder Gnade mit seinem Sohn und ließ ihn herunter, bevor er einen Arm um seine Frau legte und Andrin an die Hand nahm. Gemeinsam schlenderten sie dem Palast entgegen.

3. Kapitel: Wege zum Ziel

Er fuhr keuchend aus dem Schlaf hoch. Erst wußte er nicht, ob er nun wachte oder träumte, doch dann spürte er unter seinen Fingern die weiche Decke seines Bettes. Kalter Schweiß perlte ihm über die Stirn und den ganzen Körper. Sein Hemd klebte ihm am Leib.

Sein Traum war sehr wirklichkeitsnah gewesen. Er hatte sich gesehen, wie er am Ufer eines Flusses, noch im Wasser liegend, die Augen geöffnet hatte und schließlich ans Ufer gekrochen war. Zitternd wischte er sich über die nasse Stirn und bemerkte dann erst den Kristall, der neben ihm auf der Kommode lag und dessen Leuchten langsam nachließ. Es war stockfinstere Nacht, doch der Kristall hatte das Zimmer für einen Moment taghell erleuchtet.

Nachdenklich lehnte Agarin sich an die Wand. Was hatte das zu bedeuten? Über die Jahre hinweg hatte er nie aufgegeben, seine Träume deuten zu wollen, obwohl er der festen Überzeugung war, keine Visionen mehr empfangen zu haben.

Er rief sich zur Ordnung. Es war ein Traum gewesen. Inzwischen war es wieder dunkel, dafür hörte er jedoch, wie Kayla tief durchatmete und gähnte. Er hatte sie geweckt.

„Schlaf weiter“, murmelte er und strich mit einer Hand zärtlich über ihre Schulter. Er legte sich neben sie und zog sie an sich, während sie ihren Kopf auf seinen Arm bettete. Liebevoll küßte er sie auf die Stirn und schloß die Augen, doch die Bilder seines Traums wollten ihm nicht aus dem Kopf gehen. Kayla war bald wieder eingeschlafen, während Agarin mit einem Auge zur Decke starrte und über das Leuchten des Kristalls nachdachte. Am besten fragte er Marus, warum der Kristall zu leuchten anfing, wenn er träumte.

Sein Körper glühte vor Hitze, als er langsam die Augen aufschlug. Über sich erblickte er eine im Wind flatternde graue Plane und spürte den Luftzug auch auf sich selbst. Auf seiner Stirn ertastete er mit seinem kraftlosen Arm ein feuchtes Tuch.

„Willkommen zurück, junger Freund“, drang eine freundliche Stimme an seine Ohren. Ein starkes Rütteln durchfuhr ständig seinen gesamten Körper. Schließlich machte Kyrin sich die Mühe und hob den Kopf, um den anzusehen, der mit ihm sprach. Schnell entdeckte er, daß er sich auf einem mit Kisten beladenen Planwagen befand. Zwei Pferde trabten voran, ein junger Mann saß vorn auf dem Kutschbock, hinten befand sich neben dem rundleibigen Mann mittleren Alters, der ihn angesprochen hatte, noch ein weiterer Bursche etwa in Kyrins Alter.

„Was ist geschehen?“ fragte Kyrin heiser und hustete.

„Ich hatte eigentlich gehofft, daß du uns das sagen könntest. Wir fanden dich leblos mitten auf der Straße. Aber verzeih, ich denke, ich sollte uns erst einmal vorstellen. Mein Name ist Rigos, ich bin ein Händler aus Falonon.“

„Habt Dank für eure freundliche Hilfe. Mein Name ist Kyrin. Ich stamme aus Peronas.“

„Dann hast du aber eine weite, anstrengende Reise hinter dir! Du siehst so aus, als hättest du seit Tagen nicht gegessen“, stellte Rigos fest und reichte ihm Brot und Trockenfleisch. Kaum daß Kyrin die Nahrungsmittel in den Händen spürte, wurde er sich seines übermächtigen Hungers bewußt. Zuerst jedoch verlangte es ihn nach Wasser und er trank in einem Zug den kleinen Krug leer, den der Sohn des Händlers ihm reichte. Die beiden ließen ihn essen und beobachteten erstaunt, wie Kyrin ausgehungert alles, was er bekommen konnte, verschlang.

Schließlich wollte Rigos seine Neugier befriedigen. „Was treibt einen jungen Burschen wie dich in diese Wildnis?“

„Ich bin auf dem Weg nach Elinas. Wo befinden wir uns jetzt?“

„Oh, dann ist es gut, daß du jetzt schon wieder bei Sinnen bist! Du warst den ganzen Tag bewußtlos. Sieh, es dämmert fast. Wir sollten noch vor Einbruch der Nacht auf die Kreuzung der Handelsroute mit der Darlinodstraße treffen. Das ist dein Weg. Aber du bist vollkommen entkräftet und fiebrig! Was hast du nur angestellt?“

Kyrin wußte nicht recht, was er sagen sollte. Er entschloß sich jedoch, es mit der Wahrheit zu versuchen und berichtete von seiner abenteuerlichen Flucht aus Peronas, vom Tod seines Bruders und seinen Irrwegen durch den Wald. Auch den Grund für die Flucht verschwieg er nicht und ging sogar so weit, daß er Rigos das wichtige Dokument zeigte, das er bei sich trug.

„Das alles tut mir sehr leid“, sagte der Händler schließlich, „aber du hast großen Mut bewiesen. Wir werden dich zum nächsten Stützpunkt an der Darlinodstraße bringen, wo man dir sicher weiterhelfen wird.“

„Das ist sehr freundlich. Ihr hättet euch nicht die Mühe machen müssen, mich mitzunehmen!“ antwortete Kyrin verlegen.

„Aber mein Junge! Sollen wir einen kranken, halb verdursteten Mann in der Wüste liegenlassen? Oh nein! Aber hab keine Angst, du wirst Elinas sicher erreichen, ohne daß deine Verfolger dich einholen.“

Da war Kyrin nicht so sicher, denn er war so entkräftet, daß er sich eine Wanderung nicht zutraute. Seine Beine gehorchten ihm nicht, er war noch immer krank und es war noch weit bis nach Megelion. Sehr bald schlief er wieder ein und wachte erst spät am nächsten Morgen wieder auf. Den ganzen Tag über polterte der Planwagen seinen Weg entlang. Gegen Mittag des nächsten Tages entdeckte der ältere Sohn des Mannes vom Kutschbock aus eine Blockhütte und einen kleinen Wachturm. Vor der Hütte saßen zwei Männer und auf dem Turm befanden sich ebenfalls zwei, die sich bei ihrem Wachdienst sehr zu langweilen schienen. Als sie den Wagen allerdings entdeckten, kamen alle herbei, um zu sehen, wer sich dort näherte.

Rigos stieg aus dem Wagen, als sie den Stützpunkt erreicht hatten. Kyrin versuchte, etwas von dem zu verstehen, was er mit den Männern besprach, doch das gelang ihm nicht. Nach einigen Augenblicken kamen zwei der Männer herbei und kletterten in den Wagen.

„Wir grüßen dich, Kyrin“, begann der rechte, dunkelhaarige Mann, der etwas älter war als er selbst. Der andere hatte dunkelblondes Haar, doch besonders unterschieden sie sich in einem: ihrer Herkunft. Auch wenn Kyrin die kleine Stickerei des königlichen Emblems von Elinas auf dem Hemd des ersten Mannes gar nicht gesehen hätte, wäre ihm aufgrund des lautmalerischen Klangs seiner Stimme aufgefallen, woher er stammte. Der andere trug auf seinem Hemd das Symbol des rimonitischen Königshauses.

„Ich grüße euch“, erwiderte Kyrin und hustete. Die beiden griffen ihm unter die Arme und halfen ihm aus dem Wagen. Er stützte sich zu beiden Seiten auf die Männer, die ihn zur Blockhütte brachten. Dort wartete Rigos auf ihn und betrat hinter den dreien das kleine Gebäude. Kyrin wurde von den beiden Männern auf eine Pritsche an der rechten Wand gebettet.

„Ich habe ihnen gesagt, warum du nach Elinas willst. Genaueres solltest du ihnen erklären, aber sie haben mir bereits versichert, daß sie dich nach Megelion bringen. Sobald du auf den Beinen bist, kannst du deine Reise fortsetzen!“ sagte Rigos.

„Habt Dank! Ich weiß nicht, was ich ohne Euch gemacht hätte!“

„Ach, das ist doch selbstverständlich. In so einer wichtigen Angelegenheit!“

„Ich wünsche Euch eine angenehme Heimreise“, verabschiedete Kyrin sich. Schließlich verließ Rigos den Raum und er hörte, wie der Planwagen sich in Bewegung setzte, umdrehte und davonrollte.

„Ich werde dir gleich einen Heiltrank bringen, der dir bei der Genesung helfen wird. Ich bin übrigens Vardon“, riß eine Stimme ihn aus seinen Gedanken. Der junge Mann aus Elinas hatte sich ihm wieder zugewandt.

„Sehr erfreut“, erwiderte Kyrin. Sowohl Vardon als auch der Soldat aus Rimonas verließen die Hütte und ließen ihren Gast kurz allein. Minuten später kehrte Vardon mit einer Tasse gefüllt mit einem dampfenden Heilkräutertrank zurück. Er zog einen der Stühle mit und reichte Kyrin die Tontasse, bevor er sich ihm gegenübersetzte und ihn neugierig ansah.

„Der Mann erklärte uns, du hättest etwas von staatlicher Bedeutung bei dir. Ist es richtig, daß du aus Peronas stammst?“

„Ja. Ich wurde verfolgt. Sieh dir das an, vielleicht verstehst du dann, warum.“ Kyrin reichte Vardon den Umschlag mit dem Dokument und ließ ihn in Ruhe lesen. Als er fertig war, gab Vardon ihm das Dokument zurück und nickte wissend.

„Ich denke, wir werden sofort aufbrechen, wenn du bereit bist. Das ist von größter Wichtigkeit!“

Kyrin fiel bald wieder in einen tiefen, erholsamen Schlaf und war am nächsten Morgen so sehr ausgeruht, daß er sich noch vor dem Frühstück die Füße vor der Hütte vertrat. Gegen Mittag erreichte ein Reiter den Stützpunkt. Kyrin erkannte das auf der Brust des Mannes prangende Siegel des rimonitischen Königs.

„Ligor!“ entfuhr es Vardon, der erfreut aufsprang und dem Reiter entgegenging. Er wandte sich zu Kyrin um. „Er ist auch hier am Stützpunkt ansässig. Er ist sozusagen unser Kundschafter. Er versorgt uns mit Nahrungsmitteln“, er deutete auf die schwere Last des Pferdes, „und bringt Briefe mit. So erfahren wir von den Befehlen des Königs!“

Gemeinsam schleppten sie Taschen in die Hütte und verstauten die neuen Vorräte in den Schränken.

„Was gibt es Neues in der Welt?“ fragte Vardon interessiert.