Die fliegenden Pioniere - Friedrich Otto - E-Book

Die fliegenden Pioniere E-Book

Friedrich Otto

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Beschreibung

Erschütterndes tausendfaches Sterben in den masurischen Sümpfen, einer Apokalypse gleich. Ein furchtbarer Massentod. Der dämonische Untergang von Menschen- und Pferdeleibern im Dunkeln. Entsetzt kreisen die Flieger über dieser gespenstischen Szenerie. Kühl, hart, unsentimental schließ sich Otto Friedrichs Buch als eines der fesselnden Erscheinungen der Kriegsliteratur an.

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Seitenzahl: 148

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Die fliegenden Pioniere

Sieben Kriegsnovellen von gepanzerten Menschen und Maschinen

von

Friedrich Otto

_________

Erstmals erschienen bei:

Georg Müller, München, 1915

__________

Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

© 2017 Klarwelt-Verlag

ISBN: 978-3-96559-089-2

www.klarweltverlag.de

Inhaltsverzeichnis

 

Titel

Der rote Punkt

Die fliegenden Pioniere

Der Kampf im Dunkeln

Panzerzug-Patrouille.

Die Brüder Thomaszewski

Heimkehr

Der Tod in der Irischen See

Der rote Punkt

Zwei Seeoffiziere standen auf der roten steilen Kante Helgolands. Der eine sah durch einen kurzen, kräftigen Feldstecher, dem man seine innere Kraft nicht recht anmerkte, und der andere fragte ihn:

„Warum lächelst du so, Hans?“

Das Lächeln des anderen ging in ein starkes Grinsen über und, ohne das Glas von den Augen zu nehmen, bemerkte der Offizier:

„Ob sich das wohl unsere Jungens haben vor acht Tagen noch träumen lassen, dass sie jetzt auf der Düne an Stelle der dicken faulen Kurgäste sich wie die Seehunde in der Sonne ahlen dürften. Sieh mal durch, Heinz, wie die Bande sich amüsiert. Der eine schont seinen Teint höchst überflüssiger Weise unter dem roten Sonnenschirm einer von dort Hals über Kopf geflüchteten Dame. Einige scheinen . . .“ „Pardon“, unterbrach ihn der andere, „deine Schilderung ist ja sehr nett, aber was ist das da am Horizont . . .“

Hans Cording richtete sein Glas, immer noch fest vor den Augen, in einem großen Bogen nach Nordwesten, wohin die Hand seines Kameraden zeigte.

„U 15“, sagte er dann.

Damit war das Gespräch wieder in das in den letzten Tagen so außerordentlich tief ausgefahrene Gleis der militärischen Gespräch« gelenkt. Hans Cording hatte vergeblich versucht, es einige Sekunden lang auf ein harmloseres Gebiet zu bringen. „Ich glaube,“ sagte Heinrich von Derschau, „unsere Armee wird wieder alles allein zu besorgen haben und unsere Marine kann sich hier die Augen aussehen nach einem Feinde, der nie mit seinen Dreadnoughts sich in die deutschen Meere trauen wird. Ich beneide meine Kameraden, die jetzt bereits im Osten und im Westen über dem Feind sich tummeln, ihm die Geheimnisse seines Aufmarsches entreißen und Bomben als Visitenkarten auf seine Köpfe werfen. Es wäre verflucht, Hans, wenn‘s wieder nichts würde. Aber . . .“ Das Gespräch wurde durch einen Dampferpfiff jäh abgerissen, der aus dem neuen Hafen vom Helgoländer Unterland her kam. Ohne ein Wort zu verlieren, steckte Hans Cording den Krimstecher in das Futteral, strich sich den blonden Scheitel mit einer schnellen Bewegung des Handrückens zurecht und eilte mit Heinrich von Derschau der großen steilen Treppe zu, die Oberland und Unterland der kleinen Felseninsel verbindet. Reiner der beiden Marineoffiziere sprach ein Wort, aber ihre Mienen verrieten, dass allerlei Gedanken ihr Spiel hinter der glatten Stirn trieben.

„Sollte am Ende doch?“ meinte von Derschau. Der andere zuckte mit den Schultern. Dann standen beide schon kerzengerade vor dem Kommandanten.

„Meine Herren“, kam es aus dem Munde des getreuen Inselbehüters hervor. „Streichen Sie sich den heutigen 4. August des Heilsjahres 1914 in Ihrem Kalender rot an. Lesen Sie die Funkendepesche.“

Der Kommandant hielt den beiden Offizieren einen kleinen Papierstreifen hin. Er enthielt nichts weiter als die Buchstaben: h. . h . . h . .

Wie von einer gemeinsamen Schnur blitzschnell gezogen, fuhren die rechten Hände der drei Männer grüßend an die Mützen und alle drei riefen: Hipp, Hipp, Hurra.

Der Kommandant fuhr ernster fort:

„Sie wissen, was das bedeutet. Zu Frankreich und Russland ist jetzt auch England gekommen, das heißt, es wird uns heute Abend den Krieg erklären. Sie kennen die englische Gemütsart hinreichend, meine Herren, um zu wissen, dass England auch schon vor der offiziellen Kriegserklärung sich nicht schämen wird, uns zu überfallen. Ich gebe Ihnen hier eine Kartenskizze, Ihre Aufgabe ist es, die darin bezeichneten Stellen besonders scharf auf eine Anwesenheit der englischen Flotte zu untersuchen. wie Sie sehen, führt Sie Ihr Weg ziemlich weit weg vom sicheren Boden. Unter zwölf Stunden wird der Flug nicht dauern, eher noch eine Stunde länger, wenn Sie Nebelmassen zu untersuchen haben. Ihre Aufgabe ist schön und schwer zugleich. Ich gebe zu, dass sie mit großer Lebensgefahr verbunden ist. wenn Sie unterwegs merken, dass Sie Helgoland nicht wieder erreichen, so steuern Sie den roten Punkt auf der Karte an. Vielleicht wird Ihnen dort Hilfe. Doch kann ich Ihnen eine Garantie nicht dafür geben. Auf alle Fälle werfen Sie vor einer etwaigen Katastrophe eine Nachrichtenboje aus. Die werden wir bestimmt finden. Sie können um fünf Uhr abfliegen und dann zwischen elf bis ein Uhr nachts Ihre Hauptbeobachtungen machen. Der Mond wird Ihnen hinreichend Licht geben. Also auf Wiedersehen, morgen früh. Wenn nicht, leben Sie wohl, meine Herren.“

Der Kommandant drückte beiden Offizieren herzlich die Hand und nach einer strammen Wendung verließen die Flieger die Kommandantur.

Sie konnten ihre innere Erregung kaum noch meistern.

„Also doch!“ rang es sich aus der Brust beider fast gleichzeitig, als sie wieder an der steilen Treppe standen.

„Ebenso gemein wie dumm“, sagte Heinrich von Derschau vor sich hin.

„Wer, was, wie, warum?“ fragte Cording.

„Ganz meine Meinung“, fuhr von Derschau etwas rätselhaft fort und beide lachten über die gemeinsame schnelle Verständigung. „Wie es auch nicht anders zu erwarten war von unseren lieben Vettern“, bemerkte von Derschau weiter.

„Gott sei Dank“, sagte Cording, „nun brauchen wir hier nicht zu verrosten!“ Wir haben noch zwei Stunden Zeit, ich werde schnell meiner Frau ein paar Zeilen schreiben!“

„Und ich meiner Braut! Auf Wiedersehen im Schuppen um vier Uhr!“

Die beiden Offiziere hatten sich für einen schwimmerlosen Doppeldecker entschieden, obwohl die See ruhig und die günstige Wetterlage fest war.

„Ich halte von den Dingern in ihrer heutigen Form noch nicht viel“, sagte von Derschau, „unsere deutsche See hat auch in ihren ruhigsten Augenblicken einen zu harten Gang, als dass die Schwimmer auf ihr großen Zweck hätten.“

„Außerdem haben wir ja den roten Punkt auf der Karte, der Alte wird schon gewusst haben, was er uns versprach!“

„Ich hatte auch den Eindruck, dass er mehr meinte als er sagte. Seine Miene leuchtete geheimnisvoll. Also rin in die Kiste!“, beendete von Derschau die kurze „technische“ Vorbesprechung.

Die „Kiste“ war «in herrlicher Doppeldecker. Das obere Flügelpaar hatte die Form von Falkenfittichen, das untere bildete leicht zurückgebogene Rechtecke mit abgerundeten Ecken. Am bootsähnlichen, schön geschnittenen Rumpf stand klein und unauffällig der Name des herrlichen Doppeldeckers: „Möve II“. Ihr Vorgänger Nummer I lag auf dem kühlen Grunde der Nordsee in gleicher Höhe mit dem Leuchtturm von Kampen auf Sylt, wo er in einem schweren Sturm von einer Böe ins Meer geschleudert worden war. Auch der bewaffnete Frieden hatte seine kostbaren Opfer gefordert. Vergeblich hätte man aber in den Augen der beiden reisefertigen Offiziere nach einer Spur dieser traurigen Vorgeschichte der „Möve I“ gesucht. Die braunen Köpfe der beiden Flieger leuchteten in der Sonne wie Bronze, während die weiße Stirn darüber wie Marmor lag. Einige Matrosen fassten den Doppeldecker unten fest, als hätten sie einen Wundervogel gefangen, um ihn nie mehr wieder frei zu geben.

„In zwei Minuten Fünf“, rief von Derschau Cording, dem Führer des Flugzeuges, zu. Ein Matrose trat vor den scharfen Kopf des Doppeldeckers, griff nach dem Propeller, der blitzschnell in einen surrenden Kreis überging.

„Fünf Uhr,“ rief von Derschau. Der Führer hob die linke Hand und im selben Augenblick raste der befreite Vogel los. Einige Meter vor der steilen Kante wippte das Höhensteuer und der Doppeldecker hatte sich von seinen Erdenfesseln gelöst, nicht ohne von unten her eine leichte Backpfeife zu bekommen, als er an die Kante der Rüste kam. Die Flieger kannten diese kritische Stelle an der Steilküste schon, diesen stetigen senkrechten Luftstrom, auf den sich die Möwen meist von unten langsam ohne Flügelschlag emportragen ließen und der sie spielerisch bewegte, wie eine Meereswelle Korkenstücke trägt.

Als von Derschau 5 Uhr 5 Minuten zurücksah, war Helgoland trotz der Kürze der Zeit schon zu einem grauen Etwas in der blauen See zurückgesunken. Die Insel lag bereits zehn Kilometer hinter den Fliegern.

Der stählerne Vogel stieß mit seiner Motorstirn zornig nach Norden, beseelt von einem Willen, der so gewaltig und stark war, dass er einzig und allein diesen furchtbaren Pfeil in der Luft zu halten schien. Der Doppeldecker glich nicht einer motorgetriebenen, künstlichen Maschine, sondern schien lebendig und wie der Ausdruck eines außerordentlich großen Vorhabens. Die Vorderkanten seines Flügelpaares durchschnitten die Luft wie vier scharfe Parallelmesser. Der träge, dicke Propeller hatte seine Materie ganz an eine zitternde Aureole verloren. Er war nahezu unsichtbar geworden. Nur ein silbergrauer, körperloser Kreis war er noch. Ein Ätherzirkel in rasender Umdrehung, durch die sich eine glühende Reflexlinie wie eine Parabel bog. Blöde Fische jagten in den Grund des Meeres, wenn sie ihn sahen und die Perlenschnüre fliegender Tauchhühner fielen entsetzt wie Steine in die nahen Wellen, wenn der Doppeldecker brüllend ihre Bahn kreuzte.

Die beiden Offiziere beschäftigten sich mittlerweile in den ersten Minuten der langen Reise zwischen Meer und Himmel mit wichtigeren Fragen, verstauten hier und da eine Kleinigkeit besser in dem nicht allzu weiten und fischartig ausgebauchten Rumpf des Doppeldeckers.

Hans Cording betrachtete die Instrumente seines Führersitzes. Die rote zitternde Zungennadel des Geschwindigkeitsmessers wanderte ihre Kreisskala langsam weiter, begleitet vom zunehmenden Dröhnen des Motors. Bei 1500 Umdrehungen fand sie endlich einen Pol, über den sie in feinen Schwingungen hin- und herflatterte. Der Wettergelehrte Helgolands, der um 3 Uhr und 4 Uhr einige Ballonsonden aufgelassen und bis zu 8000 Metern mit den Theodolithen verfolgt hatte, war der Ansicht, dass die Flieger in 2000 bis 2500 Metern Höhe die günstigste Windrichtung für die Fahrt nach Norden finden müssten. So kletterte die „Möve II“ langsam in diese Höhe empor. Die Rechnung stimmte. 130 Stundenkilometer, plus 25 Kilometer Wind aus Süden. Das ergab die hübsche Summe von 155 km in der Stunde. Eine zeitweise eintretende Drift von Südosten her bemerkte von Derschau an der Richtung der Wellenkämme. Er signalisierte sie seinem Kameraden, der den Doppeldecker ein wenig nach rechts vorhielt. Der Verlust war kaum nennenswert. Allmählich fanden die Flieger Zeit, sich dem Meeresspiegel und der blauen Wandung der Himmelskuppel zuzuwenden, in deren Mittelpunkt sie bewegungslos zu hängen schienen. Auch das Meer glich nicht einer ebenen Fläche, sondern eher einer großen, dunkelblauen drohenden Schale, die jederzeit bereit war, den Doppeldecker in ihren ewigen Grund hinabzuziehen. Im Süden zurück lag der Höhendunst der deutschen Küste, schwärzlich im Halbkreis, wie ein antikes Theater. Im Norden war es licht, doch zog sich rechts der langsam emporsteigende Schatten der Erde in die Höhe, während im Westen allmählich die Farbenspiele nahenden Sonnenunterganges begannen. Einmal wies der Beobachter nach unten und der Führer des Flugzeuges entdeckte unter der Meeresoberfläche ein dunkles Oval, das sie schnell überholten. Es war ein deutsches Unterseeboot, das vorsichtig getaucht hier auf der Wache lag oder vielleicht auch nach Norden zog. von Derschau lächelte seinem Kameraden zu, wie wenn er sagen wollte: „Jetzt wird die Sache ernst, aber lass gut sein, unten und oben tut unsere Marine die Pflicht.“ Ein bisschen von dem Worte „famos“ lag in dem Gegenlächeln Cordings. Im Flugzeug lernt man sich auch ohne Worte verständigen.

Der Untergang der Sonne tobte sich am Himmel in einem unerhörten Lichtschauspiel aus, wie es mit all seinen Reflexen nur von den wenigen Sterblichen gesehen werden darf, die ohne Furcht vor dem Tod sich in diese Regionen wagen. Eine Zeit lang raste links neben den Fliegern die blutig rote Straße des Sonnenscheins auf dem Meere einher, die dann ziemlich plötzlich erlosch und einer allgemeinen Fahle Platz machte. Dann wurde es dunkel und nur das dröhnende Geschoss mit den zwei Menschen an Bord sauste im All, im Nichts, seinen Weg nach Norden weiter.

In dieses endlose dunkle Nichts hinein bohrten sich vier Augen in erfolgloser Mühe. Die Beobachter berechneten die zurückgelegte Entfernung und verglichen sie mit der Kartenskizze des Kommandanten. Nahezu 700 km waren sie über See geflogen und noch kein Anzeichen irgendeines Feindes. Fanden sie ihn nicht in dieser Richtung, so mussten sie nach Westen drehen und ihn suchen und wäre es bis dicht an die englische Küste hin. Und dann der weite Weg zurück! plötzlich stolperten die Blicke beider geradezu über einen Blitz zur Rechten und wie vom Tode getroffen verstummte der Doppeldecker und fiel mit leise zischendem Propeller und singenden Drähten in die Nacht unter sich. Die Offiziere schluckten Luft hinunter, um das Knacken im Ohr zu überwinden. Sie hatten den Feind gefunden. Er lag nach der norwegischen Küste zu und spähte mit seinen Scheinwerfer-Fühlhörnern nach dem Gegner. Sofort hatte Cording den Gashebel herumgerissen und auf null gestellt, um vor der feindlichen Flotte niedriger zu gehen und besser sehen zu können. Jetzt war die Aufgabe, die sie nahezu sechs Stunden gesucht hatten, schnell und groß an sie herangetreten und eine kurze, starke Erregung bemächtigte sich der beiden Flieger. Würden sie sie gut lösen und noch heimkehren können. Die Sorge um die zureichende Menge Benzin schlich sich hin und her schon in die Gedanken der Offiziere, ohne natürlich auch nur einen Augenblick den Entschluss der Flieger zu ändern. Die Scheinwerferblitze im Nordosten näherten sich. Ein ganzes Gewitter wetterleuchtete auf dem Meere. Um nicht in die Lichtkegel zu geraten, ließ Cording den Motor wieder anspringen, denn der Apparat hatte sich in wenigen Sekunden aus seiner stolzen Höhe bedenklich dem Meere genähert, das die Flieger schon rauschen hörten, als sie den Motor wieder in Gang setzten. Unterdessen berechnete von Derschau die Zahl der Schiffe, die schräg rechts von ihnen lagen, aus der Zahl der Scheinwerfer und auch ihre ungefähre Größe. Dann zeichnete er sie in die Karte ein. Die Aufgabe der beiden Offiziere war klar: Die Stärke des Feindes festzustellen, ob er nur auf der Wacht lag oder nach Süden vorging. Sich nicht selbst vom Feinde beobachten lassen und vor allem glücklich heimkehren mit der Meldung. Ohne eine Geste miteinander zu wechseln, tat jeder der beiden Offiziere seine Pflicht, die harmlos erschien, wenn der dünne Benzinlebensfaden nicht abriss, von ihm hing das Leben der beiden Flieger ab, und was wichtiger war, die Überbringung der richtigen, ersten Kriegsmeldung. In steiler Richtung kletterte der Doppeldecker der Höhe zu, in der die Sterne blinzelten. Die Orientierung war leicht. Cording hielt auf den großen Himmelswächter im Norden zu, den Polarstern, den er im oberen Viertel seines Propellerkreises sah und der vor ihm doch zu fliehen und zu fallen schien. Dann wandte sich der fliegende Späher nach Osten, um in einer Riesenschleife die spielenden Scheinwerfer der englischen Flotte zu umschleichen. In einer halben Stunde waren sie über die Lichtbarriere hinaus, während von Derschau schwärze Striche in seine vibrierende Karte setzte. Jede Linie ein Schiff. Gegen fünfzig Großkampfschiffe schienen unter ihnen versammelt. Eine furchtbare Reihe von schwimmendem Stahl, die sich weit nach Westen erstreckte. Dann galt es zu ermitteln, ob und in welcher Richtung sich diese entsetzliche Schiffssichel bewegte. Der Doppeldecker machte im Rücken der Panzerschiffe eine mächtige Spirale empor bis über 3000 m.

Er schien an die Sterne, die Positionslichter der Nacht, zu stoßen, so hell und nah lagen sie über dem Maschinenvogel, plötzlich wieder die furchtbare Stille, wenn der Motor mit einem Ruck abgestellt wird. Lautlos fiel der Doppeldecker hinab, 500 m, 600 m, 1000 m. Fieberhaft gespannt lauschte von Derschau in die brodelnde Tiefe. Das dumpfe Dröhnen der schwimmenden Panzerleiber wurde vernehmlich und durch sein lichtverstärkendes Glas sah der Beobachter die breite Schaumstraße, die die mörderischen Dreadnoughts hinter sich ließen, Kurs Helgoland. Der Beobachter hob die Hand und der Führer schnappte ein. Der Motor dröhnte sein metallenes Lied von neuem und mit einer scharfen Wendung ging die Flugbahn wieder nach Norden, um noch westlich die Ausdehnung der Kampfstellung zu ermitteln. Die Flieger wussten genug. Der Feind war auf der ganzen Linie und mit ganzer Stärke im Anmarsch.

Hatte er den umgehenden Motor dort gehört?

Ein Scheinwerferstrahl suchte argwöhnisch die Höhe von unten her ab, mehrere andere folgten und ein wahres Kreuzfeuer von suchenden Lichtkegeln gab sich ein Stelldichein nach Norden hinter den beiden Fliegern Gott sei Dank, man hatte sie nicht gefunden und die Scheinwerferherde beruhigte sich langsam wieder.

Zwar hätte eine Beschießung des Doppeldeckers in der Nacht wohl wenig Sinn gehabt, aber auch eine Aufspürung der fliegenden Kundschafter konnte der Sache schaden.

Ohne weitere Lichtverfolgung kamen die Flieger über die westliche Stellung der englischen Flotte hinaus, um dann scharf den Kurs auf Helgoland zu nehmen. Der klügste Mann kann einen Fehler begehen und Cording hatte in der Erregung des Suchens sogar einen sehr großen gemacht. Das im Südwesten sich neigende Sternbild des Orions erinnerte ihn plötzlich an die Uhr. Er schaltete den Lichtkontakt der Uhr ein, die dicht an seinem rechten Knie in die Metallwand eingelassen war. 1½ Uhr morgens.

Ein lautes „Verflucht“ brach durch seine zusammengepressten Lippen. Auf seinen Schläfen fühlte er es kalt wehen, wie vom Flügelschlag des Todes, des nutzlosen Todes. Spätestens um 5½ Uhr morgens musste der letzte Tropfen Benzin in den Vergaser gedrückt worden sein. Das waren noch vier Stunden. Eine schauerliche Wartezeit im Vorzimmer des größten Arztes aller Wunden und Qualen, des Dr. Mors.