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Ein Skelett auf dem Erdbeerhof - die Geburtstagbande feiert ein buntes Fest für alle Lu, Rio und Pelle wollen Ennas Geburtstagsparty organisieren, doch die ist traurig, weil sie an ihre verstorbene Oma denken muss. Da hat die Geburtstagsbande die zündende Idee: sie planen eine Día-de-los-Muertos-Party, ähnlich dem fröhlichen Fest aus Mexiko, von dem sie in der Schule gehört haben. Das neue Skelett aus dem Bioraum wäre dafür doch die perfekte Dekoration. Ob sie das unbemerkt aus der Schule schmuggeln können? Und dann gibt es da plötzlich noch eine zweite Party zu organisieren. Werden Lu und ihre beiden Freunde das rechtzeitig hinkriegen? Der dritte Band der Geburtstagsbande feiert das Leben und das Glück, echte Freunde zu haben - eine superbeerige Geschichte zum Mitfiebern und Wohlfühlen! Serie bei Antolin gelistet Band 4 erscheint im Herbst 24
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2024
Claudia Schaumann
Ein Fest für alle
Band 3
Ein Skelett auf dem Erdbeerhof - die Geburtstagbande feiert ein buntes Fest für alle
Lu, Rio und Pelle wollen Ennas Geburtstagsparty organisieren, doch die ist traurig, weil sie an ihre verstorbene Oma denken muss. Da hat die Geburtstagsbande die zündende Idee: sie planen eine Día-de-los-Muertos-Party, ähnlich dem fröhlichen Fest aus Mexiko, von dem sie in der Schule gehört haben. Das neue Skelett aus dem Bioraum wäre dafür doch die perfekte Dekoration. Ob sie das unbemerkt aus der Schule schmuggeln können? Und dann gibt es da plötzlich noch eine zweite Party zu organisieren. Werden Lu und ihre beiden Freunde das rechtzeitig hinkriegen?
Der dritte Band der Geburtstagsbande feiert das Leben und das Glück, echte Freunde zu haben - eine superbeerige Geschichte zum Mitfiebern und Wohlfühlen!
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Claudia Schaumann schreibt Geschichten, seit sie das ABC kann. Zusammen mit ihren fünf Männern (vier Söhne plus ein Ehemann) und der echten Chickaletta lebt sie in Hamburg, und zwar gleich hinterm Deich. Sie liebt Erdbeeren und Geburtstagspartys und die Erwachsenen kennen sie vielleicht von ihrem erfolgreichen Familienblog www.wasfuermich.de.
Simona Ceccarelli ist in Italien aufgewachsen, hat in San Francisco Illustration studiert. Sie lebt in der Schweiz mit einem Mann, zwei Kindern, drei Nationalitäten, vier Sprachen und einer Katze.
Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de
Kapitel 1 Konferenz um Mitternacht
Lu
Kapitel 2 Was ist hier eigentlich los?
Rio
Kapitel 3 Día de Dingsda
Lu
Kapitel 4 Milchreis mit Mensch-ärgere-dich-nicht
Enna
Kapitel 5 Party im Anmarsch
Pelle
Kapitel 6 Krisensitzung in der Küche
Lu
Kapitel 7 Willkommen im Wahnsinn
Rio
Kapitel 8 Nur dönekens!
Lu
Kapitel 9 Fast geplatzt
Lu
Kapitel 10 Ein freches Skelett
Pelle
Kapitel 11 Wie kidnappt man ein Skelett?
Lu
Kapitel 12 Eingeschlossen
Rio
Kapitel 13 Total verheult
Enna
Kapitel 14 Opa in Not
Lu
Kapitel 15 Ganz schön viele Geister
Rio
Kapitel 16 Bärensmacht
Enna
Kapitel 17 Hallo wach!
Lu
Kapitel 18 Noch eine Nachtschicht
Pelle
Kapitel 19 Fuchsalarm
Lu
Kapitel 20 Supermama
Pelle
Kapitel 21 Party mit Platsch
Lu
Kapitel 22 Voll verwechselt
Rio
Kapitel 23 Cheese und Cake
Lu
Kapitel 24 Pfoten hoch, oder ich sprühe
Lu
Kapitel 25 Mehr verrückte Ideen
Lu
Kapitel 26 Überraschung!
Rio
Kapitel 27 Noch eine Party
Pelle
Kapitel 28 Abschied
Lu
Opas kleine Vokabelliste
Ringelinglingeling!
Lu zuckte zusammen. Müde blinzelte sie in die Dunkelheit. Warum klingelte ihr Wecker mitten in der Nacht? Und warum klang das Klingeln so dumpf, als käme es aus dem Nachbarzimmer? Verschlafen raufte Lu ihre langen Locken. Erst als sie das verschnürte Paket neben sich ertastete, fiel ihr wieder alles ein. Natürlich! Sie wollte mit ihren Eltern telefonieren. Und weil die zurzeit in Amerika arbeiteten, ging das nur nachts. Deshalb hatte Lu sich einen Wecker gestellt. Und damit ihre Oma und ihr Opa den Wecker nicht hörten, hatte sie ihn in einen Pullover eingewickelt. Lus Eltern waren berühmte Schauspieler und ständig unterwegs. Weil sie das Herumreisen langweilig gefunden hatte, wohnte sie seit einer ganzen Weile bei ihren Großeltern auf dem Erdbeerhof, in der Nähe des kleinen Dorfes Bullenwerder bei Hamburg.
Entschlossen warf Lu die Bettdecke zurück und setzte sich auf. Als sie einen Fuß auf den Holzboden setzte, fröstelte sie. Die Dielen waren eiskalt.
Schnell schlüpfte Lu in ein paar von Omas dicken Stricksocken und einen Wollpulli: Bäh, der Pullover kratzte. Aber da musste sie jetzt durch. Leise schlich sie los. So langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und als ihr Blick auf die beschlagenen Fensterscheiben fiel, dachte sie für einen Moment, draußen hätte es geschneit.
Lu biss sich auf die Lippe, als sie ihre Zimmertür öffnete. Hoffentlich quietschten die rostigen Scharniere nicht. Nein, Glück gehabt. Selbst das alte Haus schien noch zu schlafen, dachte sie und grinste zufrieden.
So leise wie möglich tapste sie über den Flur. Ein paar Schritte noch, und es würde gefährlich werden. Irgendwo vor ihr lauerte das knarzende Dielenbrett. Taps, taps, taps – und sie war drüber. Lu jubelte stumm. Dann musste sie grinsen, denn aus dem Schlafzimmer ihrer Großeltern hörte sie das übliche Schnarchduett: »Rapü«, machte ihr Opa in regelmäßigen Abständen. In seinen Pausen stieg ihre Oma mit ein: »Chrrrrr«. Es klang beinahe musikalisch. Das Lustigste daran war, dass sich ihre Großeltern ständig darüber stritten, wer lauter schnarchte. Unentschieden, entschied Lu. Als sie die große Diele betrat, fühlte es sich an, als spaziere sie in einen Kühlschrank. Der Herbst war da, aber so was von. Und seine Kälte kroch durch jede kleine Fuge des alten Hauses zu ihr hinein.
Lu schnappte sich das uralte Handy ihres Opas von der Vitrine. Knochen nannte es ihr Freund Rio, weil es so groß und unhandlich war. Sie schlich in Richtung Wohnzimmer, nahm zwei Kissen und Omas Woll-decke vom Sofa und erschrak kurz beim Blick zum Fenster. Im dunklen Spiegelbild sah sie mit all dem Zeug aus wie ein Einbrecher.
Schnell baute sie sich ein Lager in Opas Ohrensessel, wickelte sich in die Decke und suchte Mamas Nummer in den Kontakten.
»Hallo Darling«, erklang die fröhliche Stimme ihrer Mutter aus dem Telefon, kaum dass es einmal geklingelt hatte. Lu wurde sofort wärmer.
»Du bist aber schnell dran!«, stellte Lu zufrieden fest.
»Ich komme gerade ins Hotelzimmer«, sagte ihre Mutter. »Es war ein harter Tag.« Sie machte eine theatralische Pause. »Stell dir vor, heute habe ich deinen Vater umgebracht.«
Lu musste laut lachen, weil das so verrückt klang.
»Wie hast du es dieses Mal gemacht?«, fragte sie interessiert, »Schusswaffe oder Dynamit?«
»Erwürgt!«, meinte ihre Mutter lachend. »Das war echt anstrengend, sage ich dir. Vor allem für die Requisite. Zwei Dosen blaue Farbe haben die gebraucht.«
Lu konnte sich die geschminkten Striemen am Hals ihres Papas gut vorstellen. Im Kino würde es später total echt aussehen. Leider würde sie den neusten Film ihrer Eltern wieder nicht gucken dürfen. Der war nämlich nur für Erwachsene.
»Wann dreht ihr denn endlich mal einen Kinderfilm?«, bettelte Lu. »Ich will euch mal wiedersehen.«
»Oh my love, das klingt schrecklich«, seufzte ihre Mutter. »Es tut mir so leid, dass wir so weit weg sind. Aber nicht mehr lange, in ein paar Tagen sehen wir uns ja schon.«
Lu fühlte prickelnde Gänsehaut am ganzen Körper. Also klappte es wirklich. Sie hatte sich kaum getraut zu fragen. Bis zum Schluss hatte sie Angst gehabt, dass doch wieder ein neuer Film oder eine Preisverleihung die Besuchspläne ihrer Eltern durchkreuzen würden.
»Oh Mama, ihr kommt also wirklich?«, fragte sie leise. Das Herz klopfte ihr bis zur Unterlippe.
»Na klar!«, rief ihre Mutter. »Wir freuen uns riesig auf dich. Und auf Oma und Opa auch. Und darauf, deine Freunde Pelle und Rio wiederzusehen. Ihr müsst mir alles über eure Geburtstagsbande erzählen.«
Lu schluckte einen dicken Schluchzer hinunter und schaute schnell zur Decke, damit sie nicht vor Freude laut losheulte. Sagen konnte sie gerade nichts.
»Und stell dir vor, da ist auch noch eine Preisverleihung…«, fuhr ihre Mama fort.
Lu schnappte nach Luft. Also doch …
»… aber die ist in Berlin«, hörte sie ihre Mutter sagen. »Daher kommen unser Regisseur Mark Moore, der Kameramann Rusty Walker und Cassandra Wonders, unsere Stylistin, auch mit. Mit dem Zug sind wir von Hamburg aus ja ratzfatz in der Hauptstadt. Oh my god, ich denke, es wird ihnen richtig gut in Bullenwerder gefallen.«
Der Handyknochen haute Lu immer wieder aufs Ohr, so sehr zitterte ihre Hand vor Aufregung. Nicht nur ihre Eltern würden kommen, sondern auch noch deren amerikanische Kollegen.
»Und wann kommt ihr noch mal?« Lu überlegte fieberhaft, welcher Tag überhaupt war, »ähm, überüberübermorgen, richtig?« In Gedanken lief sie bereits ihrer Mama in die Arme.
»Warte, lass mich überlegen. Nach einem langen Drehtag habe ich es überhaupt nicht gut im Kopf. Wir kommen am …, Mist, ich habe hier keinen Kalender. Aber genau, überübermorgen, richtig«, rief ihre Mutter lachend. »Diese verrückte deutsche Sprache, so viele Übers.«
Lu lächelte. »Ich freu mich so auf euch, Mama.«
Dann hatte sie plötzlich eine so gute Idee, dass ihr Herz gefühlt bis zu Opas altmodischem Kronleuchter hochhüpfte.
»Die Geburtstagsbande wird euch eine Willkommensparty organisieren, Mama. Und was für eine.« Ihr wurde ganz heiß.
»Okay!«, raunte ihre Mutter. »Aber Darling, kriegt ihr das denn hin? Eine Party für Erwachsene?«
Lu dachte kurz nach. Aber dann nickte ihr Kopf wie von selbst. Entschlossen warf sie sich ein paar Locken aus dem Gesicht.
»Du weißt doch Mama, habe ich noch nie gemacht, kann ich bestimmt«, sagte sie fröhlich. »Und überhaupt, wenn Erwachsene Kinderfilme machen können, warum sollten Kinder dann keine Erwachsenenpartys schmeißen?«
Ihre Mama lachte herzlich. »Das ist mein Mädchen!«, rief sie, »ich bin so stolz auf dich! Und ich freue mich wahnsinnig auf dich. Oh, jetzt ruft dein Vater an, vielleicht haben sie die blaue Farbe von ihm endlich abbekommen. Da muss ich rangehen. Mach’s gut mein Schatz. I love you!«
»Ich liebe dich auch«, flüsterte Lu leise ins Telefon.
Dann fiel ihr ein, dass sie ganz vergessen hatte, ihre Mutter nach ihrem Mitbringsel zu fragen. Sie wünschte sich seit einer Ewigkeit ein Tier, so wie ihre beiden besten Freunde eins hatten. In ihrer letzten Nachricht hatte ihre Mutter etwas von Schnurrhaaren geschrieben. Bedeutete das etwa, dass sie endlich eins bekommen würde?
Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, als sie das Telefon zurück auf die Kommode legte und in ihr Bett schlich. Wie bitte sollte sie bei diesen aufregenden Aussichten bloß wieder einschlafen? Diese Willkommensparty war die allerwichtigste Party aller Zeiten.
»Tschüs, Mama!«, rief Rio ein paar Stunden später vor dem kleinen, weiß getünchten Haus seiner Familie in Bullenwerder. Er stand in der offenen Haustür, nestelte am Verschluss seines Fahrradhelms und wunderte sich. Warum bitte antwortete seine Mutter nicht?
»TSCHÜÜS!«, wiederholte er diesmal etwas lauter und drehte sich noch einmal um. Seine Mutter saß am Küchentisch und starrte in ihre Tasse Biokräutertee. »Mama!«, rief Rio jetzt noch lauter. Sie zuckte zusammen. Er bekam sofort ein schlechtes Gewissen. »’Tschuldigung Mama, aber ich habe dir gerade Tschüs gesagt.«
Seine Mutter schaute ihn an wie einen Geist. »Tschüs«, sagte sie dann leise. »Tschüs mein Großer und pass auf dich auf.«
Nachdenklich schloss Rio die Haustür hinter sich und holte sein Fahrrad aus dem Schuppen. Was war bloß mit seiner Mutter los? Während er sich auf den Weg zur Schule machte, fiel ihm ein, dass seine Eltern auch am Abend vorher so seltsam gewesen waren. Sie hatten die ganze Zeit tiefe Rillen auf der Stirn gehabt und super nachdenklich ausgesehen. Als Rio Zähne putzte, hatten sie geheimnisvoll miteinander geflüstert. Das bedeutete doch wohl hoffentlich nicht, dass irgendetwas Schlimmes passiert war? Rio trat kräftig in die Pedale, um den dunklen Gedanken zurückzulassen. Aber das Biest hatte sich bereits in seinem Kopf festgekrallt: Hoffentlich verheimlichten seine Eltern nicht irgendwas Doofes vor ihm. Rio fröstelte.
Das Wetter an diesem Morgen passte zu Rios Stimmung. Alles sah trüb aus, und auf dem Deich radelte er durch dicke Nebelsuppe. Von der Elbe war heute nichts zu sehen. Auf den Wiesen lag eine hellgraue Decke, so als wären die Wolken heruntergefallen. Die feuchte Luft roch nach Rauch und nassen Blättern. Vor ihm tauchten zwei leuchtende Autolichter auf. Sie malten grelle Linien in den Nebel und blendeten ihn.
»Vorsicht!«, rief da plötzlich jemand, »pass doch auf!«
Rio bremste scharf. Er war so in Gedanken gewesen, dass er nicht hingesehen hatte. »Tut mir leid!«, sagte er schnell. Beinahe hätte er Enna aus seiner Klasse umgefahren.
»Schon gut!«, seufzte sie und schlurfte langsam neben ihm her. Den restlichen Schulweg über schob er lieber.
Enna hatte ihre Haare wie so oft zu zwei braunen Schnecken links und rechts am Kopf gedreht. Sie trug eine knallgelbe Regenjacke, und ihre Brille hatte Regenbogenfarben. Sie ging nicht nur in seine Klasse, sondern auch mit ihm in die Kunst-AG. Niemand dort konnte so gut Menschen malen wie sie. Und sie war immer so ansteckend fröhlich. Heute allerdings sah ihr Gesicht nebelblass aus, ihre Mundwinkel hingen nach unten, und sie starrte bloß auf den matschigen Fußweg.
»Sag mal«, fragte Rio leise, »ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«
Enna hob den Kopf und schaute ihn traurig an. Das Weiß in ihren Augen schimmerte rosa.
Dann biss sie sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie leise. »Meine Oma Wilma hat heute Geburtstag.«
Rio zog nachdenklich die Augenbrauen hoch. »Aber Geburtstag haben ist doch toll, warum guckst du da wie drei Wochen Nieselwetter?«
»Weil meine Oma vor einem Jahr gestorben ist …«
Rio blieb stehen.
»Oje«, sagte er sanft, »das tut mir total leid.«
Enna zog kräftig den Schnodder in ihrer Nase hoch.
»Danke dir, das ist lieb«, seufzte sie. »Weißt du, eigentlich bin ich deswegen gar nicht mehr so traurig. Es ist ja schon eine Weile her. Und sie war wirklich schon alt und hatte ein tolles Leben. Aber heute vermisse ich sie sehr.«
Rio nickte. »Das glaube ich.«
Sie gingen langsam nebeneinander weiter und plötzlich schaute Enna lächelnd nach vorn.
»Sie hat bei ihren Lieblingsfilmen immer ganz laut gelacht«, fiel ihr ein. »Und sie hat nach Lavendel, Haarspray und Milchreis geduftet. Oma Wilma hat ganz oft welchen für mich gekocht, wenn meine Eltern arbeiten mussten. Dann haben wir den Tisch mit ihrem Goldrandgeschirr gedeckt und mit Kakao in den Schnörkeltassen vorsichtig angestoßen.«
Rio lächelte. »Schöne Erinnerungen.«
Enna nickte grinsend. Dann wurde ihr Gesicht wieder ernst.
»Aber jetzt habe ich in drei Tagen Geburtstag und überhaupt keine Lust zu feiern, weil ich gerade wieder so traurig bin«, sagte sie leise. »Dabei habe ich mich ein ganzes Jahr auf diesen Tag gefreut.«
»Dann solltest du auch feiern!«, sagte Rio. »Mal ehrlich, deine Oma hätte sich das sicher auch gewünscht, oder? Die würde nicht wollen, dass du traurig in der Ecke sitzt.«
Enna biss sich auf die Lippe.
»Nein, ganz sicher nicht.«
Sie waren inzwischen auf dem Schulhof angekommen, und Rio schloss sein Fahrrad am Ständer unter dem Überdach an.
»Wir können dir helfen!«, schlug er vor, während er die Ringe an seinem Zahlenschloss verdrehte. »Du weißt doch, dass Lu, Pelle und ich vor ein paar Wochen die Geburtstagsbande gegründet haben. Wir organisieren die tollsten Kinderpartys.«
Enna nickte. »Ja, ich weiß«, seufzte sie, »aber ich glaube, mir ist einfach gerade nicht nach Feiern.«
»Meinst du nicht, es würde dir guttun, eine schöne Zeit mit Freunden zu haben? Um dich von deiner Traurigkeit abzulenken?«
Rio staunte über sich selbst. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals vorher so viele Sätze auf einmal mit jemanden gesprochen zu haben, der nicht Lu, Pelle oder seine Eltern waren. Aber Enna schaute ihn so traurig an, dass er das dringende Bedürfnis hatte, sie zu trösten. Und das machte ihn mutig.
»Auf was für eine Party hättest du denn Lust gehabt?«, wollte er wissen.
Enna zuckte mit den Schultern.
»Lass mich mal nachdenken«, überlegte Rio laut. »Es ist Herbst, es wird immer dunkler und bald ist … Ich hab’s, wie wärs mit einer Halloweenparty?«
Ennas rechter Mundwinkel zuckte. Für einen kurzen Moment lächelte sie.
»Oh, ich liebe Halloween …!«, raunte sie.
Rio strahlte. »Perfekt, dann organisieren wir das für dich.«
Enna schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen skeptisch an.
Während sie nebeneinander her über den Schulhof, an der alten Kastanie vorbei und durch die Eingangstür gingen, schwieg Enna. Rio schwieg ebenfalls, weil er jetzt nicht mehr wusste, was er sagen sollte.
Bevor sie die Klinke der Klassentür herunterdrückten, hob Enna den Kopf.
»Das klingt wirklich toll und wahnsinnig nett«, raunte sie traurig. »Aber ich glaube, ich bin einfach nicht in Feierstimmung.«
Dann gingen sie rein und flitzten eilig auf ihre Plätze, weil Frau Neumeier bereits vor der Tafel stand und erwartungsvoll in die Klasse grinste.
Das Nebelgrau vor dem Klassenfenster war die perfekte Leinwand für Lus Fantasievorstellung. Sie sah die Willkommensparty für ihre Eltern dort vor sich, wie einen Film. Natürlich spielten Mama und Papa die Hauptrolle. Alles musste ganz schick werden. Zum Glück hatte sie in Omas Illustrierten viele Bilder von solchen Schickimicki-Veranstaltungen gesehen, wie Oma sie nannte. Manchmal entdeckte sie auf den Hochglanzfotos in den Zeitschriften sogar ihre Eltern, bevor sie mit Oma Erdbeergrün darauf schnippelte.
Lu stützte ihr Kinn mit einer Hand ab. Was würde sie alles brauchen, mal überlegen? Zum Glück erzählte Frau Neumeier vorn auf ihrem Stuhl mal wieder eine laaaaaange Geschichte. Langweilig. Religion war ihr zweites Unlieblingsfach, gleich nach Kunst. Dieses Mal sprach ihre Lehrerin über irgendein traditionelles Fest in Mexiko. Sofort schaltete Lu wieder auf Durchzug.
Nachdenklich lutschte sie an einer ihrer langen Locken. Wo sollte sie das Fest am besten ausrichten? In Omas und Opas Stube vermutlich. Obwohl, das abgesessene grüne Sofa und der braune Kachelofen passten überhaupt nicht zu den Bildern in den Zeitschriften. Vielleicht doch lieber in der Scheune, auch wenn es dort inzwischen ziemlich kalt war. Allerdings würde Lu sie vorher entspinnweben müssen, so viel stand fest. Im Kopf machte Lu sich eine Liste, was sie alles brauchte: schimmernde Tischdecken, glänzendes Silberbesteck und einen riesengroßen Kerzenleuchter. Zum Glück würde sie einiges davon in Omas Schränken finden. Normalerweise holte Oma die Kristallgläser nur an Weihnachten oder mal ausnahmsweise für eins ihrer Treffen mit den Bullenwerder Landfrauen heraus.
Für ihr schickes Willkommensfest waren diese glänzenden Gläser genau richtig. Apropos Oma, die würde Lu überreden müssen, dass sie sich ein schickes Kleid anzog. Mit ihrer Schürze konnte sie auf keinen Fall über den roten Teppich laufen. Stimmt ja, einen roten Teppich brauchte sie auch noch. Plötzlich wurde Lu ganz heiß. Das war ganz schön viel zu tun. Was sollte sie bloß bei der Feier tragen? Kaputte Jeans und staubiges Shirt gingen jedenfalls nicht. Vielleicht könnte Rio ihr was nähen, das konnte der wirklich gut.
Obwohl, wenn sie darüber nachdachte, wollte sie Pelle und Rio gar nichts von dem Besuch ihrer Eltern und der geplanten Willkommensparty erzählen. Es fühlte sich so magisch an, dieses Geheimnis für sich zu hüten, wie einen Schatz. Jedes Mal, wenn Lu daran dachte, kribbelte es in ihrem Bauch. Ja, sie hatte Lampenfieber. Aber sie musste das allein hinkriegen. Bei dieser Party durfte nämlich nichts schiefgehen. Da konnte sie keine dreckigen Hühnerfüße, keine Fridapupse, keine Panikanfälle von Rio und kein albernes Hüfteschwingen von Pelle gebrauchen.
»Luisa Larssen, hörst du gut zu?«, rief Frau Neumeier und schaute sie mit erhobenem Kinn an.
Lu spürte, dass sie erdbeerfarben anlief.
Dann nickte sie eilig.
»Klaro. Wie immer!«