Die geheime Sprache unseres Körpers - Jennifer Mann - E-Book

Die geheime Sprache unseres Körpers E-Book

Jennifer Mann

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Beschreibung

Die neue Selbstheilungsbibel: Einfach umsetzbar, praktisch, körperfokussiert

Ob bei Angst, Burnout, Müdigkeit, Overthinking, People Pleasing oder unerklärlichen körperlichen Schmerzen – wenn man sich festgefahren fühlt, kann dieses Selbstheilungsprogramm helfen.

Stress und Trauma belasten unser Nervensystem, da sie es in einen erregten Zustand versetzen. Diese körperliche Reaktion schadet uns langfristig, denn sie hält uns in einem Überlebensmodus gefangen. Wenn wir diesen verlassen wollen, müssen wir lernen, die vom autonomen Nervensystem verwendete Sprache zu verstehen, denn es ist für die unbewusste Kommunikation zwischen unserem Gehirn und Körper verantwortlich. Die Körpertherapeut*innen und Gründer*innen der Chronic Fatigue School Jennifer Mann und Karden Rabin geben uns drei Schritte an die Hand, mit denen wir unser Nervensystem enträtseln und dessen Dysregulation auflösen können:

• Wahrnehmen: sich der dysregulierten Körperreaktionen bewusst werden und verstehen, warum sie auftreten

• Unterbrechen: diese Reaktionen unterbrechen

• Neugestalten: sie in hilfreiche Reaktionen umgestalten

Dazu nutzen sie Übungen, die auf der Polyvagal Theorie, Somatic Experiencing sowie entwicklungspsychologischen Ansätzen basieren und ganzheitliche Heilung ermöglichen.

»Alle, die sich ›gestresst, krank und festgefahren fühlen‹, täten gut daran, dieses Buch zu lesen.« Publishers Weekly

»Jen und Karden laden uns sanft dazu ein, unseren Körper und Geist sowie unsere Empfindungen und Gefühle zu erfahren, und uns mit uns selbst anzufreunden und für uns zu sorgen.« Bessel van der Kolk, Spiegel- und NYT-Bestsellerautor

»Dieses Buch beschreibt einen einfachen Ansatz, um Heilungsdurchbrüche zu erzielen, indem es die Neurologie des Geistes und die Physiologie des Körpers neu erfindet.« Joshua Rosenthal

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 404

Veröffentlichungsjahr: 2025

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»Inspirierend, bestärkend und praktisch - ein wunderbar anschaulicher Leitfaden zur Selbstheilung.«

Bessel van der Kolk, Spiegel-Bestsellerautor von Das Trauma in dir

Ob bei Angst, Burnout, Müdigkeit, Prokrastination, People Pleasing, Overthinking oder unerklärlichen körperlichen und chronischen Schmerzen - dieses Selbstheilungsprogramm hilft allen, die sich festgefahren fühlen.

Stress und Trauma belasten unser Nervensystem, weil es in einem Überlebensmodus gefangen bleibt. Um diesen verlassen zu können, müssen wir lernen, die Sprache unseres autonomen Nervensystems zu verstehen, das die unbewusste Kommunikation zwischen Gehirn und Körper steuert. Die Körpertherapeut*innen Jennifer Mann und Karden Rabin geben drei einfach umsetzbare Schritte an die Hand, mit denen wir das Nervensystem enträtseln und Regulationsprobleme auflösen können:

• dysregulierte Körperreaktionen wahrnehmen und verstehen, warum sie auftreten

• diese Reaktionen unterbrechen

• sie neugestalten und damit die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern

Körperfokussierte, den Vagus-Nerv regulierende Übungen, die auf der Polyvagal-Theorie und entwicklungspsychologischen sowie somatischen Ansätzen basieren, ermöglichen ganzheitliche Heilung.

Jennifer Mann ist zertifizierte Mind-Body-Therapeutin mit klinischer Ausbildung und arbeitet als funktionelle Bewegungstherapeutin, ganzheitliche Körpertherapeutin, Yoga- & Pilateslehrerin und Performance Coach. Sie litt selbst unter Angstzuständen und chronischer Erschöpfung sowie Schmerzen, die sie mit ihrem Selbstheilungsprogramm für das Nervensystem, »Somia International«, überwunden hat.

Karden Rabin ist Körpertherapeut und spezialisiert auf die psycho-emotionalen und neurologischen Grundlagen von chronischen Schmerzen und stressbedingten Störungen. Gemeinsam mit Jennifer Mann hat er die Chronic Fatigue School gegründet. Ihr Programm »Somia International« hat Tausenden Menschen weltweit geholfen, ihr Nervensystem zu regulieren und Heilung zu finden.

Jennifer Mann • Karden Rabin

Die

GEHEIME

SPRACHE

unseres

KÖRPERS

Das Nervensystem regulieren,

den Körper heilen,

den Geist beruhigen

Körperübungen zur Selbstheilung

Aus dem Englischen von Friederike Moldenhauer

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber an den aufgeführten Zitaten ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall nicht möglich gewesen sein, bitten wir um Nachricht durch den Rechteinhaber. Kapiteln vorangestellte Zitate können als Destillat des jeweils nachfolgenden Kapitels gelesen werden.

Die Empfehlungen in diesem Buch sind von den Autor*innen sorgfältig geprüft. Sie bieten keinen Ersatz für kompetenten medizinischen oder psychologischen Rat. Jede*r Leser*in ist für sein/ihr eigenes Handeln selbst verantwortlich. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie seitens der Autor*innen und des Verlags. Eine Haftung der Autor*innen bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel The Secret Language of the Body bei HarperCollins Publishers Ltd.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)

Copyright © 2024 Jennifer Mann und Karden Rabin

translated under licence from HarperCollins Publishers Ltd.

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Favoritbuero, München nach einer Vorlage von Misha Handschumacher

Übungsillustrationen: Julian Gower

Diagramme: Liane Payne

Redaktion: Ulrike Kretschmer

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-32576-3V001

www.koesel.de

Für Gillian, meine »kleinen Frauen« und Samantha

K. R.

Für meinen liebsten Yian, meinen Schatz Leo und mein Nervensystem, das mir gezeigt hat, dass ich resilient bin und meine Gesundheit selbst in der Hand habe.

J. M.

Inhalt

Einleitung

Anleitung

Teil I

Geist

Kapitel 1: Wahrnehmen – Zuhören

Übungen

Kapitel 2: Unterbrechen – Umschalten

Übungen

Kapitel 3: Neugestalten – Distanzieren

Übungen

Teil II

Körper

Kapitel 4: Wahrnehmen – Übersetzen

Übungen

Kapitel 5: Unterbrechen – Modifizieren

Übungen

Kapitel 6: Neugestalten – Ausgleichen

Übungen

Teil III

Mensch

Kapitel 7: Wahrnehmen – Einstimmen

Übungen

Kapitel 8: Unterbrechen – Pflegen

Übungen

Kapitel 9: Neugestalten – Verbinden

Übungen

Schlussbemerkung

Über die Autor*innen

Anmerkungen

Einleitung

Wenn Sie nicht weiterkommen, können wir Ihnen helfen

Sie haben Ihre Gesundheit in der Hand.

JENNIFERUNDKARDEN

Um etwas in seinem Leben zu ändern, muss man entweder inspiriert oder verzweifelt sein. Während wir von Herzen hoffen, dass Ersteres auf Sie zutrifft, ist es doch wahrscheinlicher, dass Sie verzweifelt sind. Das waren wir und viele andere Menschen auch, als wir anfingen, uns mit diesem Weg der Heilung zu beschäftigen. Vielleicht leiden Sie an Stress, Angstzuständen oder einem unverarbeiteten Trauma. Vielleicht sehnen Sie sich aber auch verzweifelt danach zu heilen, sich im eigenen Körper wieder sicher zu fühlen und inneren Frieden zu finden. Vielleicht wollen Sie schlicht Ihr Leben wieder leben, statt einfach nur den Tag zu überstehen. Wenn Sie dieses Buch in die Hand nehmen, liebe Leserin, lieber Leser, dann haben Sie den ersten Schritt auf dem Weg zur Genesung schon getan. Während Sie es in Ihrem eigenen Tempo durcharbeiten, werden Sie – so hoffen wir – die in Ihnen steckende Weisheit entdecken, die Sie an einen Ort führen wird, der weniger von Anstrengung geprägt, sondern ein Zuhause ist.

Eines dürfen Sie nicht vergessen: Ihr Körper verfügt über grenzenlose Selbstheilungskapazitäten; in Ihnen gibt es eine Stärke, Wahrnehmungsfähigkeit und Intuition, die stärker sind, als Sie es sich vorstellen können. Mit diesem Buch laden wir Sie ein, das riesige Potenzial zu entdecken, das sich in der Sprache Ihres Körpers verbirgt. Wir laden Sie ein, seinen inneren Dialog zu verstehen, damit Sie endlich gesund werden.

Möglicherweise lesen Sie dieses Buch, weil Sie auf der Suche nach praktikablen und effektiven Wegen sind, um beispielsweise chronischen Stress, Angstzustände, Arbeitssucht, Depression, Abhängigkeit, Essstörungen, Prokrastination, physische Schmerzen oder stressinduzierte Erkrankungen wie Reizdarmsyndrom (RDS), Allergien, Asthma, Hauterkrankungen, chronische Erschöpfungszustände, Migräne oder ein postvirales Syndrom hinter sich zu lassen. Irgendetwas sagt Ihnen, dass Sie sich selbst heilen können. Wir vermuten, da Sie dieses Buch lesen, haben Sie schon vieles ausprobiert, darunter vielleicht Schulmedizin, Sport, Diäten, funktionale Medizin, Nahrungsergänzungsmittel, Yoga, CBD-(Cannabidiol-)Öle, Tiefengewebstherapie, Shiatsu, Reiki, Reflexzonenmassage, Akupunktur, Schröpfen, heiße Bäder, Sauna, Aromatherapie, Gong-Therapie, Salzmassagen, Klangschalen, Kristalle, autonome sensorische Meridianreaktion (ASMR), binaurale Musik, Kamillentee, kognitive Verhaltenstherapie (KVT), Gesprächstherapie, Ayahuasca und Atemübungen. Vielleicht haben einige dieser Ansätze auch geholfen, Sie haben aber dennoch den Eindruck, dass etwas fehlt. Sie fühlen sich nicht so, wie Sie sich fühlen möchten, oder es fällt Ihnen schwer, Ihren Alltag so zu bewältigen, wie Sie es sich wünschen. Die Person, die Ihnen aus dem Spiegel entgegenblickt, kommt Ihnen ein wenig fremd vor. Wir wissen genau, wie Sie sich fühlen, denn wir haben es beide durchgemacht: Wir waren gestresst und krank, wir traten auf der Stelle und waren häufig verzweifelt. Doch wir hatten immer das Gefühl, es müsse noch einen Ausweg geben.

Achtung, Spoiler: Wir können Ihnen helfen! Auf unserem jeweiligen Weg aus der Krankheit und dank der vielen Lehrerinnen und Lehrer, die uns begleitet haben, entdeckten wir eine Möglichkeit, wieder zu Wohlbefinden zu gelangen. Die Übungen in diesem Buch haben bereits Tausenden anderen Menschen dabei geholfen, wieder zu Kräften zu kommen – und das wird auch Ihnen gelingen. Wenn Sie einige der oben genannten Heilungsmethoden bereits ausprobiert haben, haben Sie wahrscheinlich erkannt, dass möglicherweise Ihr Nervensystem die Ursache für Ihre gesundheitlichen Probleme sein könnte. Aber das Nervensystem ist nicht nur ein verborgenes System von Nervenbahnen, denen Massagen und Kamillentee guttun. Es ist ein erstaunliches, raffiniertes Netzwerk, das jederzeit riesige Mengen an detaillierten Informationen verarbeitet, interpretiert und speichert. Es koordiniert jegliche geistige und körperliche Funktion, etwa Atmung, Herzschlag oder Wahrnehmung. Außerdem hilft es Ihnen bei der Entscheidung, ob Sie lieber Sonnenblumen oder Pfingstrosen kaufen wollen.

Wir möchten Sie auf eine Reise mitnehmen, auf der Sie lernen, mit diesem somatischen, nonverbalen, uralten, wilden, wunderbaren und manchmal furchteinflößenden System zu »sprechen« und es zu verstehen. Wenn Sie nicht hören können, was Ihr Nervensystem Ihnen sagt, oder nicht mit ihm »kommunizieren« können, können Sie es auch nicht beeinflussen. Das aber ist der entscheidende Schritt, um es wieder ins Gleichgewicht zu bringen – und damit auch Ihre Gesundheit und Ihren Alltag.

Stellen Sie sich vor, Sie reisen durch ein fremdes Land und möchten jemanden fragen, wie ein antikes Gebäude erbaut worden ist. Wie soll man das anstellen, ohne die jeweilige Sprache zu sprechen? Das wäre eine Herausforderung. Stellen Sie sich nun aber vor, dieses fremde Land ist Ihr Körper, und anstatt nach seiner Bauweise zu fragen, möchten Sie wissen, warum Sie an innerer Unruhe leiden. Wie kann das gelingen, wenn Sie die Sprache Ihres Körpers nicht verstehen, der Ihnen durch diese Unruhe etwas vermitteln möchte? Vielleicht haben Sie mithilfe Ihrer Ärzte und Therapeuten die wissenschaftlichen Tiefen der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) ergründet, doch wird es Ihnen nicht gelingen, die eigentlichen Ursachen Ihrer Unruhe umfassend zu verstehen, wenn Sie die Sprache Ihres Nervensystems nicht sprechen.

Um wirklich zu begreifen, warum das Nervensystem so viel Macht über Sie ausübt (und umgekehrt Sie derzeit so wenig über Ihr Nervensystem), ist es notwendig, die grundlegende Logik und den Zweck dieses Systems aus evolutionärer und funktionaler Perspektive zu betrachten. Überlegen Sie beispielsweise, warum in der Notenschrift Logik und Zweck so wichtig sind. Die Worte und Symbole ergeben nur dann einen Sinn, wenn man weiß, dass sie dazu dienen, Töne zu beschreiben, die die Musik ausmachen. Ohne diesen Kontext hat eine Note keinerlei Bedeutung. In ähnlicher Weise erleichtert es das Verständnis der Logik und des Zwecks des Nervensystems, seine Sprache zu verstehen.

Dieses Buch soll Ihnen dazu dienen, ganz pragmatisch zu lernen, Ihr Nervensystem zu regulieren und damit sich selbst zu heilen. Sie werden eine Methode namens AIR (engl. Luft) kennenlernen – die Buchstaben stehen für Wahrnehmen (awareness), Unterbrechen (interruption) und Neugestalten (redesign). Ziel von AIR ist es, die innere Wahrnehmung zu entwickeln, die nötig ist, um die Sprache des Nervensystems in Ihren Gedanken, Ihrem Körper und in weiteren menschlichen Aspekten wahrzunehmen. Danach geht es darum, die immer wiederkehrenden wenig konstruktiven Muster, die dafür sorgen, dass Sie auf der Stelle treten, zu unterbrechen. Und schließlich werden Sie in der Lage sein, diese Muster neu zu gestalten, wenn Sie die geheime Sprache Ihres Körpers fließend sprechen. Indem Sie AIR anwenden und die Übungen, die Sie am Ende jedes Kapitels finden, durchführen, lernen Sie mit der Zeit, sich den Einfluss Ihres Nervensystems zunutze zu machen und ihn für Ihre Heilung einzusetzen. So, wie der Erwerb einer Fremdsprache Ihnen dabei hilft, sich in dem entsprechenden Land zurechtzufinden und die geheimen Schätze seiner Kultur zu entdecken, werden Sie in der Lage sein, dasselbe in Ihrer Heimat zu tun: Ihrem Körper, Ihrem Geist und Ihnen selbst als Mensch. Die Übungen, die wir vorschlagen, bauen aufeinander auf. Aber gehen Sie ruhig in der Reihenfolge vor, die Ihnen am meisten liegt, und machen Sie sich vielleicht Notizen.

Bevor Sie nun diese neue Sprache lernen, möchten wir Ihnen dabei helfen, das »fremde Land« Ihres Nervensystems zu verstehen, ebenso wie die Gründe, warum es so reagiert und warum die Methode, seine Sprache zu sprechen und AIR anzuwenden, wirklich funktioniert.

AIR

Wahrnehmen →

Unterbrechen →

Neugestalten

Geist

Zuhören

Umschalten

Distanzieren

Körper

Übersetzen

Modifizieren

Ausgleichen

Mensch

Einstimmen

Pflegen

Verbinden

Los geht’s!

Die Aufgabe Ihres Nervensystems besteht darin, Ihren Körper an die Umwelt anzupassen, damit Sie überleben können. Mit anderen Worten: Sie haben ein Nervensystem, damit Ihre Überlebenschancen steigen. In der Sprache des Nervensystems geht es immer um die eine Frage: Bin ich in Gefahr oder nicht? Ob es nun darum geht, Ihren Hormonspiegel in Balance zu halten oder einen Partner fürs Leben auszuwählen: Stets bestimmt diese wichtige Ja-Nein-Frage die Entscheidung, weil das Ziel immer ist, Sie in Sicherheit zu wissen. Nimmt Ihr Nervensystem etwas als Bedrohung für Sie und Ihr Leben wahr (auch wenn dies gar nicht der Fall ist), bietet es eine vorhersehbare Reihe von Aktivitäten auf: Überlebens-(Stress-)Reaktionen, die sich über Millionen von Jahren im Laufe der Evolution entwickelt haben. Wie wir wissen, ist nicht jeder Stress negativ, und inzwischen sollte man eigentlich vermuten dürfen, dass das biologische Programm des Körpers zwischen Sicherheit und Gefahr differenzieren kann. Doch komplexe Zusammenhänge können dieses Programm gewissermaßen aufs Glatteis führen.

Zunächst ist Ihr Nervensystem nicht dazu angelegt, mit den Stressoren des modernen Lebens umzugehen. Wir sind so gebaut, dass wir in der afrikanischen Savanne unter Löwen überleben können, nicht aber im Dschungel der Stadt und des Internets. Wenn Sie von Ihrer Kreditkartenfirma eine Mahnung erhalten, greift Ihr Nervensystem auf exakt dieselben Überlebensstrategien zurück wie vor 25 000 Jahren, als es darum ging, sich vor einem aufgebrachten Nashorn in Sicherheit zu bringen. Dieses Missverhältnis ist bemerkenswert. Eine Reaktion, die darin besteht, um sein Leben zu rennen, wird nun unterdrückt und bleibt in Ihrem Körper stecken, während Sie am Schreibtisch sitzen, Rechnungen bezahlen und E-Mails beantworten. Aber was noch schlimmer ist: Diese Diskrepanz wird durch das unerbittliche Dauerfeuer moderner Stressoren noch verschärft. Während sich unsere Vorfahren nur mit einigen bedrohlichen Situationen am Tag oder in der Woche konfrontiert sahen, nimmt unser Nervensystem heute jedes Mal eine Bedrohung wahr, wenn wir auf dem Handy eine Push-Nachricht erhalten, wenn wir eine unangenehme E-Mail bekommen oder wenn die nächste katastrophale Meldung aus den Nachrichten auf uns einprasselt. Im Prinzip nutzt der moderne Mensch eine Methode aus der Steinzeit, um sich in einer Welt zurechtzufinden, die sich mit Lichtgeschwindigkeit verändert, was unweigerlich dazu führt, dass sich im Körper Stress ansammelt.

Der zweite komplexe Aspekt unserer Überlebensfunktionen wird von dem autonomen Nervensystem (ANS) gesteuert. Bis wir die Sprache des Nervensystems verstehen, arbeitet das ANS normalerweise unbewusst, automatisch und jenseits unserer kognitiven Kontrolle. Darum – und das haben Sie vermutlich schon zu Ihrem Missfallen feststellen müssen – wiederholt das ANS die negativen Muster. An sie haben wir uns gewöhnt, wir reagieren, sobald wir getriggert werden, selbst wenn wir uns bewusst bemühen, ruhig zu bleiben. Versuchen Sie es mit Logik und reden Sie sich ein, gelassen zu bleiben – Sie werden damit keinen Erfolg haben. Es ist so, als redeten Sie auf jemanden ein, der kein Deutsch spricht.

Ruhe wird im Körper wahrgenommen, nicht im Geist.

Der dritte komplexe Aspekt besteht darin, dass die Fähigkeit Ihres Nervensystems, seine Schutzfunktion zu erfüllen, nur so gut ist wie seine »Programmierung«. Ihr Nervensystem reagiert vor dem Hintergrund Ihrer persönlichen Erfahrungen. Während sich die meisten Menschen an keine Ereignisse vor dem fünften Lebensjahr erinnern können, ist unser Körper jedoch in der Lage, genau das zu tun. Er hat schon viel länger Erfahrungen und Gefühle gesammelt und gespeichert. Tatsächlich fängt das Nervensystem bereits in der sechsten Schwangerschaftswoche an, sich zu entwickeln und Informationen zu sammeln, um das Überleben des Embryos zu sichern.1 Die Kognition ist der letzte Bereich, der sich im Gehirn eines Babys entwickelt. Es kommt mit einer primitiven Großhirnrinde auf die Welt, während sein Nervensystem schon eine monatelange Entwicklung und Anpassung hinter sich hat. Jeder einzelne Reiz, sei es von außen oder von innen, klein oder groß, positiv oder negativ, hat eine Auswirkung. Bei einem gesunden Menschen kombiniert das Gehirn Informationen aus vergangenen Erfahrungen mit denen aus den aktuellen Umständen, um beispielsweise zu einer Entscheidung zu kommen. Ist es aber anhaltend Stressoren ausgesetzt, kann das zu Aufruhr im System führen und damit zu Funktionsstörungen. In physiologischer Hinsicht führt der Umstand, dass das Gehirn permanent Stressoren ausgesetzt ist, zu einer Verminderung der Anzahl an Synapsen (die Stellen, an denen die Nervenzellen miteinander kommunizieren). Damit wird die Art und Weise, wie sich die Nervenzellen verzweigen, beeinflusst. Dies wiederum führt zu einem schlechteren Vernetzungsgrad und einer emotionalen Dysregulation, also zu einer Fehlsteuerung, die es erschwert, Emotionen zu kontrollieren.2 Unser Gehirn, insbesondere der präfrontale Kortex, entwickelt sich bis zu unserem 25. Lebensjahr. In diesen Jahren beeinflussen jeder interne (biologische) und externe (umweltbedingte) Stressor und jedes Ereignis die Art und Weise, wie unser Nervensystem uns durch das Leben leitet und für uns die Entscheidungen trifft.

Während sich Ihr Gehirn in den ersten 20 Lebensjahren entwickelt, nehmen traumatische Ereignisse Einfluss auf die Beschaffenheit Ihres Nervensystems. Unter einem Trauma versteht man Lebensereignisse, die das Nervensystem überfordern, die zu früh oder zu schnell eintreten, sodass das Nervensystem seine Reaktion für Überleben und Sicherheit nicht vollständig abschließen kann. Darüber hinaus kann ein Trauma auch in einem Mangel bestehen, etwas zu wenig, zu spät oder zu langsam bekommen zu haben, etwa bei Vernachlässigung. Dann erhält das Nervensystem nicht die Unterstützung, Regulation und Versorgung von den Menschen, von denen es abhängig ist, etwa von den Eltern oder primären Bezugspersonen. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Obwohl sich ein Trauma nicht ungeschehen machen lässt, kann sein Einfluss auf Ihr Nervensystem verändert, es kann »reprogrammiert« werden. Wie es Peter Levine, der Urheber des Somatic Experiencing, sagt: »Ein Trauma ist eine Tatsache des Lebens, aber es muss keine lebenslange Strafe sein.«

Unabhängig davon, ob Sie ein Trauma erlebt haben oder nicht, sind Ihnen die folgenden Erfahrungen vermutlich vertraut. Als Kleinkind wurde mit Ihnen vielleicht geschimpft, jedes Mal, wenn Sie anfingen zu weinen, und Ihnen wurde gesagt, Sie sollten damit aufhören. Doch eigentlich wollten Sie nur in den Arm genommen und beruhigt werden. Dann, als erwachsene Person, hatten Sie vielleicht nicht die Selbstregulationsprozesse entwickelt, die Ihnen geholfen hätten, sich auch in emotional schwierigen Situationen sicher zu fühlen und mit ihnen in einer gesunden Art und Weise umzugehen. Stattdessen aktiviert Ihr Nervensystem möglicherweise einen Bewältigungsmechanismus (dazu kommen wir gleich), indem es eine vertraute Bahn nutzt, die es aufgrund der wiederholten Wahrnehmung einer überwältigenden Erfahrung des Verlassenseins und der Furcht bereits etabliert hat. Möglicherweise ist das der Grund dafür, warum Sie Gefühle verdrängen und vermeiden und sich in sich zurückziehen: weil Ihr Geist und Ihr Körper nicht wissen, wie sie mit gewaltigen Gefühlen umgehen sollen. Im Laufe der Zeit führen Verdrängung, Vermeidung und Abschalten zu Burn-out, chronischem Stress oder Krankheit.

Vielleicht sind Sie in der Schule ausgelacht worden, als Sie einen Vortrag hielten, und Sie haben sich in Grund und Boden geschämt. Ihr Nervensystem hat sich dieses Erlebnis gemerkt, weshalb es in der Öffentlichkeit zu reden mit Gefahr assoziiert. Sollten Sie dann als Erwachsene eine Präsentation für Ihren Job vorbereiten, stellten Sie womöglich fest, dass Sie in solchen Situationen unter Angst leiden, schwer atmen, schwitzen und dass Ihnen übel ist, weil Ihr Nervensystem diese Herausforderung wie damals als Bedrohung empfindet.

Jedes Mal, wenn Ihr Nervensystem eine Gefahr wahrnimmt, sei es nun eine Mahnung der Kreditkartenfirma, ein aggressives Nashorn, eine Meute fieser Klassenkameraden oder ein unverarbeitetes Trauma, wird es auf die Stressreaktion zurückgreifen, die es in frühen Jahren erlernt hat. Möglicherweise erinnern Sie sich an diesen Vorfall nicht mehr, Ihr Nervensystem aber tut es.

Ihr Nervensystem erinnert sich an Dinge, an die Sie sich nicht erinnern können.

Diese komplexen Zusammenhänge können sogar ein gut funktionierendes Nervensystem zum Stillstand bringen. Doch daneben gibt es auch Überlebensstrategien, die sich über Tausende von Jahren weiterentwickelt haben. Auch sie dienen Ihnen dazu, Sie zu schützen, werden manchmal aber nicht richtig angewendet. Vielleicht sind Sie mit der Flucht-oder-Kampf-Reaktion angesichts einer Bedrohung oder eines Notfalls vertraut. Diese Antwort auf Stress besteht allerdings aus verschiedenen Elementen, nämlich Kampf, Flucht, Einfrieren, Beschwichtigen und Schmeicheln (darauf werden wir noch eingehen). Im Alltag verbergen sich diese vorzeitlichen Überlebensstrategien normalerweise hinter Verhaltensweisen wie Bewältigungsmechanismen. Letztere sind entweder hilfreich (adaptiv, angepasst) oder hinderlich (maladaptiv, fehlangepasst). Auch spielen das Timing und die Dauer eine Rolle: Diese hilfreichen Mechanismen dienen dazu, den Körper kurzfristig zu schützen; werden sie jedoch über längere Zeit angewandt, können sie sich als hinderlich und kontraproduktiv erweisen.3

Eine hilfreiche, adaptive Vorgehensweise wäre ein Verhalten, das das Problem effektiv löst und auf längere Sicht zu einer Stressminderung führt. Im Fall der Work-Life-Balance wäre das beispielsweise, Grenzen zu setzen und Selbstfürsorge zu betreiben. Ein hinderlicher Mechanismus bei Stress führt zu kurzfristiger Erleichterung, zeigt sich aber über längere Zeit als sehr ineffektiv, weil er das Problem, das er vermeintlich löst, immer weiter fortsetzt. Das ist etwa der Fall, wenn man immer Ja sagt, um Stress aus dem Weg zu gehen, was schließlich zu immer größerer Belastung führt. Aus dieser Perspektive betrachtet ist eine chronische Angststörung keine Erkrankung, sondern eine Bewältigungsstrategie. Das Nervensystem hat diesen adaptiven Mechanismus entwickelt, um dem unterschwelligen Überlebenswillen gerecht zu werden, was dazu führt, dass die Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung inadäquat ist. Wie bereits erwähnt, ist das die Art und Weise, wie Ihr Körper versucht, Sie wach zu halten, um auf mögliche Gefahren reagieren zu können, so, wie er es vor dem Hintergrund bereits gemachter Erfahrungen und vermeintlicher Auslöser gelernt hat. Letztlich ist Angst ein Signal des Körpers in einer Sprache, die Sie im Folgenden erlernen werden.

Wissenschaftliche Ergebnisse aus der Psychologie zeigen, wie wichtig die emotionalen Verbindungen zwischen dem Kind und seinen primären Bezugspersonen sind. Studien zu belastenden Kindheitserfahrungen (adverse childhood experiences, ACE) ergaben, dass maladaptive Bewältigungsmechanismen langfristige Auswirkungen auf die psychische, physische und emotionale Gesundheit haben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn diese Reaktionen über Jahre hinweg häufig ausgelöst werden. Doch sollten Sie dieses Buch lesen, um Ihr Trauma zu überwinden, möchten wir Ihnen versichern, dass sich diese langfristigen Auswirkungen revidieren lassen. Und alles beginnt bei Ihrem Nervensystem.

Was also bedeutet das für uns?

Ob Ihnen Ihr Nervensystem Signale von Angst, Burn-out, Erkrankung oder Trauma schickt – immer steht in Ihrem Nervensystem Stress im Mittelpunkt, denn je mehr Stress sich in Ihrem Körper »ansammelt«, desto deutlicher zeigen sich die Störungen, die sich gegenseitig verstärken. Nimmt der Stress zu, kann das alles im Körper durcheinanderbringen, die Wissenschaft nennt dies allostatische Belastung. Dieser Begriff bezeichnet die kumulativen Effekte von chronischem Stress und Lebensereignissen im Körper. Ist die allostatische Belastung groß, ist der Körper nicht mehr ausreichend in der Lage, sich selbst zu regulieren und wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Auf Zellebene löst diese Belastung Veränderungen aus, die sich auf die Energieproduktion, die Immunfunktion, die hormonellen Signale und die Zellreparatur auswirken, was sich schließlich im allgemeinen Gesundheitszustand niederschlägt. Jedes Ungleichgewicht im Nervensystem kann breit gefächerte Konsequenzen nach sich ziehen, weil das Nervensystem bezüglich der allostatischen Belastung eine entscheidende Rolle spielt. Es kommuniziert mit allen Organen und Systemen und beeinflusst die Körperfunktionen. Ohne die Fähigkeit zur Selbstregulation, um den Körper im Gleichgewicht zu halten und so Wohlbefinden zu erreichen, können Sie dauerhaft an gesundheitlichen Problemen leiden. Eine Übersichtsstudie über mehr als 250 Studien aus dem Jahr 2020 kam zu dem Schluss, dass eine größere allostatische Belastung mit einem schlechteren Gesundheitszustand verbunden ist.4 Mit dem Verständnis, wie Stress, das Nervensystem und der Körper miteinander in Beziehung stehen, können Sie nun nachvollziehen, warum Ihre bisherigen Versuche, gesund zu werden, nur zum Teil von Erfolg gekrönt waren und warum die Methode AIR sowie die Übungen aus diesem Buch dazu beitragen können, dass Sie sich in Ihrem Körper wieder wohlfühlen.

Erst kommt der Stress, dann folgen die Symptome.

Kurz zusammengefasst, versucht Ihr Nervensystem, dafür zu sorgen, dass sich Ihr Körper in Sicherheit fühlt. Doch aufgrund der komplexen Zusammenhänge tritt er auf der Stelle. Und weil die Bewältigungsmechanismen nicht greifen, reagiert er mit Angstgefühlen und anderen Antworten, die die Situation nicht verbessern. Im Ergebnis macht also das Nervensystem alles nur noch schlimmer, indem es seinen eigenen Beitrag zum ohnehin schon erhöhten Stressniveau leistet, was wiederum dazu führt, dass es sich umso mehr anstrengt, durch seine fehlangepassten Bewältigungsstrategien wieder ein Gleichgewicht zu erreichen. So entsteht ein sich verstärkender Teufelskreis aus Stress und allostatischer Belastung. Diese kräfteraubende Feedbackschleife nennen wir das Nervensystem-Paradox. Vereinfacht ausgedrückt sorgt Ihr Nervensystem dafür, dass es stecken bleibt und im Prinzip wenig zu Ihrem Schutz beiträgt. Es unterstützt Sie kaum dabei, Ihre Gesundheit zu erhalten, während es eigentlich genau das zu erreichen versucht. Es verliert die Fähigkeit, eine Homöostase zu erreichen, flexibel zwischen Aktivierung und Entspannung hin und her zu wechseln und ein Minimum an mentalem und körperlichem Wohlbefinden zu gewährleisten. Arbeitet Ihr Körper über eine längere Zeitspanne auf diese Weise, bezeichnen wir das als Funktionieren im Survival-Modus. Irgendwann ist dieser Zustand des ständigen vermeintlichen Kampfs ums Überleben für den Körper und die Gesundheit eine Last, er bürdet ihm zusätzlichen Stress auf und reizt Ihr Nervensystem noch mehr. Befindet sich Ihr Körper länger im Survival-Modus, kann das zu chronischen Schmerzen, Erschöpfungszuständen, Schlafstörungen, kognitiven Einbußen, Reizdarmsyndrom, Suchtverhalten, Zwangsstörungen und anderen Problemen führen.5 Je nachdem, wen Sie diesbezüglich aufsuchen, wird dies als zentrale Sensibilisierung oder Dysautonomie bezeichnet; wir nennen es Dysregulation des Nervensystems.

Ein gesundes und ausgeglichenes Nervensystem balanciert Reaktionen auf Stress angemessen aus, sie werden je nach wahrgenommener Bedrohung oder Sicherheit sozusagen an- und wieder ausgeschaltet. Ist das Nervensystem aus dem Gleichgewicht geraten, erhalten unterschiedliche Körperregionen möglicherweise widersprüchliche Signale. Ein reguliertes Nervensystem reagiert auf einen aktuellen, spezifischen Stressor und kehrt danach in einen regulierten, ausgeglichenen Zustand zurück. Ein dysreguliertes hingegen reagiert auf einen aktuellen Auslöser vor dem Hintergrund vergangener Stressoren (was sich ebenfalls als Reaktion auf ein unverarbeitetes Trauma manifestiert) oder befürchtet ähnliche in der Zukunft. Es ist dann nicht in der Lage, in einen ausgeglichenen Zustand zurückzufinden, selbst wenn die Gefahr nicht mehr droht. Dann erfährt der Körper auch weiterhin die physiologischen Abläufe als Reaktion auf die vermeintliche Bedrohung. Diese unkontrollierte Aktivierung von Reaktionen sorgt für einen Zustand des physiologischen Ungleichgewichts und dafür, dass der Körper nicht optimal arbeitet. Stress, Angst, Überforderung und ein generelles Unwohlsein sind die Folge, weil das Nervensystem damit ringt, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Steckt Ihr Nervensystem in einer Sackgasse, ergeht es Ihnen ebenso.

Was ist zu tun?

Die gute Nachricht ist, dass Sie nicht in diesem Zustand verharren müssen! Faszinierenderweise liegt der Ausweg aus Ihrer Situation in ihrer Ursache: Ihrem Nervensystem. Sie müssen ihm helfen, aus seiner eigenen Rückkopplungsschleife auszubrechen. Ihr Körper verfügt über eine ganz erstaunliche Anpassungs- und Selbstheilungsfähigkeit, die Bioplastizität. Sie kennen vielleicht den Begriff der »Neuroplastizität«, der folgendermaßen definiert wird: als »die Fähigkeit des Nervensystems, seine Aktivitäten als Reaktion auf innere und äußere Stimuli zu verändern, indem es seine Struktur, Funktionen oder Verbindungen reorganisiert«6. Im Prinzip ist also das Gehirn in der Lage, sich selbst neu zu organisieren, indem es auf der Basis wiederholter neuer Erfahrungen und Lernprozesse neue neuronale Verbindungen und Bahnen produziert. Stellen Sie sich Ihr Gehirn als einen dichten Wald vor, in dem sein Netzwerk die Wege darstellt. Sobald Sie einen neuen Gedanken haben oder eine neue Fertigkeit erlernen, gehen Sie einen neuen Pfad. Je häufiger Sie eine Übung oder etwas Gelerntes wiederholen, desto ausgetretener wird der Pfad und desto leichter wird es, ihm zu folgen. Wenn Sie im Gegenteil einen Pfad nicht mehr benutzen, wuchert er mit der Zeit zu und verschwindet schließlich ganz – so ist es auch im Gehirn. Die Übungen in diesem Buch haben heilende Wirkung, weil sie sich die Neuroplastizität zunutze machen. Sie setzen die Verbindung zwischen Geist, Körper und Mensch ein, um neue Nervenverbindungen zu schaffen, die für ein größeres Sicherheitsgefühl, eine gesteigerte Anpassungsfähigkeit und Resilienz sowie für ein größeres Wohlbefinden sorgen. Mittels AIR – Wahrnehmen, Unterbrechen, Neugestalten – können Sie Ihrem Gehirn neue und ausgleichende Reize bieten, um die innere Karte quasi neu anzuordnen, damit Ihr Körper die Angst und den Stress hinter sich lassen kann, Vertrauen schöpft und zu seiner Anpassungsfähigkeit zurückfindet.

Das Ziel der Regulierung des Nervensystems ist, die Überlebensreaktionen und fehlangepassten Bewältigungsstrategien neu zu vernetzen sowie unverarbeitete Traumabahnen, die mit der Zeit zum Normalzustand geworden sind, zu justieren. Indem ausgetretene und automatische Reaktionspfade wie Angst, Depression und Schmerz neu »verdrahtet« werden, nimmt der Stress im Körper automatisch ab. Für unsere Heilung kommt der Bioplastizität eine besondere Bedeutung zu. Bestimmen Angst, Depression und Schmerz das Geschehen im Körper, weil das Gehirn und das Nervensystem unser Immun-, Endokrin- und Herz-Kreislauf-System beeinflussen und damit Erkrankungen hervorrufen, werden neue Bahnungen, die die Heilung des Gehirns und Nervensystems fördern, eine unmittelbare positive Auswirkung auf all unsere körperlichen Systeme und damit auf unser allgemeines Wohlbefinden haben. Kurz: Die Effekte von chronischem Stress auf den Körper können durch eine Neuanordnung in unserem Gehirn und der Regulation unseres Nervensystems umgekehrt werden.

Ein Wort zu Genetik und Heilung des Nervensystems: Es ist bekannt, dass wir alle bestimmte Merkmale erben, die eine Neigung zu bestimmten Leiden nach sich ziehen, während sie uns vor anderen schützen. Diese Veranlagungen spielen zwar eine Rolle, doch ist durch die Wissenschaft der Epigenese (Ausprägung der Gene und ob sie in Erscheinung treten oder nicht) auch bekannt, dass Lebensführung, Stress, Sport, Ernährung und viele andere Faktoren einen entscheidenden Einfluss darauf ausüben, ob die anfälligen Prädispositionen in unseren Genen oder die belastbaren und schützenden zum Ausdruck kommen.

Beispielsweise erben einige Menschen Anlagen, die mit einem erheblich höheren Krebsrisiko einhergehen. Wenn diese Menschen jedoch auf einen gesunden Lebensstil, eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung achten, nicht rauchen und unbehandelte Traumata sowie Stress in Angriff nehmen, wird das Risiko, an Krebs zu erkranken, reduziert.62,63 Beeinträchtigt auf der anderen Seite die Lebensweise das Wohlbefinden der Betroffenen, kann sich das Risiko, an Krebs zu erkranken, erhöhen.

Daher ist es so wichtig für uns zu wissen, wie sehr wir unsere Gesundheit beeinflussen können. Indem Sie die Sprache des Körpers lernen, können Sie alte seelische Wunden heilen, Ihr Nervensystem regulieren, Ihren Stresspegel senken und eine Lebensweise wählen, die Ihrem Wohlbefinden zuträglich ist und in deren Umfeld Sie aufblühen können.

Vielleicht haben Sie schon einmal den Satz gehört: »Die Genetik sorgt für die Munition, die Umwelt betätigt den Abzug.« Obwohl die Gene eine Rolle spielen, sind sie nicht mit einem Schicksal gleichzusetzen. Und neben anderen Veränderungen in Ihrem Lebensstil können Sie durch die Regulierung Ihres Nervensystems gute Voraussetzungen für Gesundheit und Wohlbefinden schaffen.

Und ob Sie es glauben oder nicht: Sie sind es selbst, die oder der diese Situation verändern kann. Sie werden beginnen, sich selbst zu heilen, indem Sie die Verbindung zwischen Geist, Körper und dem Menschen, der Sie sind, herstellen. Der vielleicht revolutionärste Aspekt in der Regulierung des Nervensystems ist der Akt der Selbstheilung. Bei näherem Hinsehen ist es doch seltsam, dass immer, wenn etwas nicht stimmt, selbst wenn es um unseren eigenen Geist und Körper geht, wir automatisch unsere Handlungskompetenz an andere abgeben und woanders nach Hilfe suchen. In vielen Fällen ist es genau das Richtige, wenn uns beispielsweise eine ausgebildete Notfallmedizinerin eine Wunde vernäht. Doch die Annahme, dass wir jemanden brauchen, der uns heilt, ist sehr entmutigend und widerspricht der Art und Weise, wie bestimmte Heilungsvorgänge geschehen. Alle Heilenden tun im Prinzip nichts anderes, als der Patientin oder dem Patienten zu helfen, sich selbst zu heilen. Wohl schließt die Ärztin die Wunde, aber sobald sie genäht ist, sind es die eigenen Selbstheilungskräfte, die neue Blutkörperchen und Haut als Ersatz für das verletzte Gewebe entstehen lassen. In der Tat hilft Ihnen der Psychotherapeut, gewisse Dinge in einem neuen Licht zu betrachten oder die Ursachen für Ihre Gefühle zu entdecken, aber Sie machen die Arbeit, Vergangenes zu überwinden oder Entscheidungen anders zu treffen, die wiederum Ihre Perspektiven und Reaktionen beeinflussen.

Wir glauben ganz bestimmt daran, dass Sie alles in sich tragen, was Sie brauchen, um zu heilen und gesund zu werden. Unsere Aufgabe ist es, Ihnen zu zeigen, wie Sie die Ihnen innewohnenden Kräfte erschließen können, indem Sie in der Sprache Ihres Nervensystems kommunizieren und so Ihrem Körper dabei helfen, von allein zu genesen. Bei Ihrer Lektüre der drei Teile dieses Buchs (Geist, Körper, Mensch) und indem Sie die Methode AIR (Wahrnehmen, Unterbrechen, Neugestalten) in den Übungen am Ende jedes Kapitels anwenden, werden Sie die Geheimnisse entdecken, die Ihnen Ihr Körper dann preisgibt. Stück für Stück werden Sie den Stress hinter sich lassen, Ihr Wohlbefinden wiedererlangen und aufblühen. Dieses Buch bietet Ihnen die Orientierung, die Sie brauchen, um die Sprache des Nervensystems zu erlernen. Es wird Sie nicht gesund machen, denn das werden Sie selbst tun.

Wie Jennifer immer sagt:

Sie tragen schon alles in sich, was Sie brauchen, um sich selbst zu heilen.

Bevor wir Ihnen zeigen, wie Sie sich selbst heilen, fassen wir kurz die bisherigen Punkte zusammen:

Sie haben das Gefühl, auf der Stelle zu treten, weil Sie erst einmal die Sprache des Körpers, die Sprache Ihres Nervensystems, lernen müssen.Ihr Nervensystem hat eine Aufgabe: Sie am Leben zu erhalten.Wie gut ihm das gelingt, hängt von evolutionären Mustern ab, die längst veraltet sind. Anstatt Sie am Leben zu erhalten und Sie dabei zu unterstützen aufzublühen, erhält es Sie am Leben und lässt Sie im Überlebensmodus verharren.Leben im Survival-Modus und unverarbeitete traumatische Muster sorgen für Stress und Angstgefühle, die ein perfekter Nährboden für ein schlecht reguliertes Nervensystem sowie Krankheiten sind.Die Auswirkungen eines Traumas auf Ihr Nervensystem können neu programmiert werden.Das, was, wie Sie bisher dachten, in Ihrem Geist passierte, geschieht eigentlich in Ihrem Körper.Der Ausweg ist der Weg hinein in die Mitte: Ein dysreguliertes Nervensystem lässt Krankheiten entstehen, ein reguliertes Nervensystem kehrt diesen Prozess um, es sorgt für Wohlbefinden.Die beste Hilfe für Ihren Heilungsprozess sind Sie selbst.

Anleitung

So machen Sie dieses Buch zu Ihrem persönlichen Selbstheilungshandbuch

»Ein Heiler ist nicht jemand, zu dem wir gehen, um geheilt zu werden.

Ein Heiler ist jemand, der unsere Fähigkeit aktiviert, uns selbst zu heilen.«

UNBEKANNT

Ein neues Paradigma

Tausende von Jahren wusste der Mensch nicht, warum er krank wurde. Es gab zahllose Theorien darüber, woran das liegen könnte, vom Pesthauch bis zu bösen Geistern. Diese Theorien waren nicht annähernd so fragwürdig, wie sie heutzutage klingen: Es waren für damalige Zeiten logische Rückschlüsse, denn das Wissen um Mikroorganismen gab es noch nicht. Beispielsweise war es von der Beobachtung, dass Menschen in der Nähe von verschimmeltem Essen, Müll oder Leichen krank wurden, zu der Schlussfolgerung »Da liegt etwas Schlechtes in der Luft« nur ein kleiner Schritt.

Doch eines Tages veröffentlichte eine Handvoll visionärer (und ketzerischer) Wissenschaftler, bewaffnet mit neuen Werkzeugen wie Mikroskopen, eine neue Theorie: Winzige Lebewesen, die Keime – die man mit bloßem Auge nicht sehen konnte –, wurden von einer Person zur nächsten übertragen und waren die Ursache von Krankheiten. Weitergedacht bestand eine Lösung darin, diese Übertragung von Erregern durch Reinigen und Sterilisieren zu unterbrechen.

Die Keimtheorie und Hygieneerziehung ist bis heute eine der größten Errungenschaften der Schulmedizin für die allgemeine Gesundheit. Ungeachtet dieser revolutionären Entdeckung und der ständigen neuen wissenschaftlichen Durchbrüche der modernen Medizin steigt die Rate an Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, chronischen Schmerzen, Reizdarmsyndrom, Fibromyalgie, dem chronischen Erschöpfungssyndrom, Stoffwechselstörungen, Krebs, Herzkrankheiten und anderen mehr in alarmierendem Ausmaß an. Die moderne Medizin tut sich schwer damit, diese Erkrankungen mit Erfolg zu behandeln, weil keine von ihnen ihren Ursprung in einem Befall von Bakterien oder Viren hat. Sie passen einfach nicht in das vorherrschende Paradigma.

Doch glücklicherweise stehen wir zurzeit an der Schwelle einer vergleichbaren Revolution, die das Leid heilen oder zumindest lindern kann. Eine Gruppe neuer visionärer (und ketzerischer) Medizinerinnen, Wissenschaftlerinnen, Forschender und Therapeuten in den Bereichen Trauma, Neurologie, Physiologie und öffentliche Gesundheit, bewaffnet mit neuen Instrumenten wie der funktionellen Magnetresonanztomografie und umfangreichen Datensätzen, hat eine neue Theorie entwickelt: Diese Erkrankungen sind das Ergebnis physiologischer Anpassungsprozesse, die auf ein dysreguliertes Nervensystem zurückgehen, was die Folge von chronischem Stress, belastenden Kindheitserfahrungen und Trauma ist. Und daher besteht der Heilungsweg hauptsächlich in Interventionen, die dazu dienen, das Nervensystem wieder auszugleichen, zu regulieren und resilienter zu machen. Sobald dies gelungen ist, kann das Nervensystem wieder seine ursprüngliche Rolle als Koordinationsinstanz für die Organe und Systeme übernehmen und dafür sorgen, dass Ihre Gesundheit und Vitalität erhalten bleiben.

Indem Sie dieses Buch in die Hand genommen haben, haben Sie sich dafür entschieden, an dieser Revolution der Heilung teilzuhaben. Wir freuen uns sehr, dass Sie den ersten Schritt getan haben, um diese transformierenden und gesundheitsfördernden Erkenntnisse zu nutzen. Dieser Leitfaden ist alles, was Sie brauchen, um Ihr Nervensystem zu regulieren und Ihren Körper selbst zu heilen. Wir hoffen, dass Sie das Buch schätzen lernen und aus ihm das Maximum an heilendem Wissen und wie man es anwendet herausholen. Im Folgenden zeigen wir kurz noch einmal auf, wie dieses Buch Sie mittels des neuen Nervensystemparadigmas bei Ihrer Selbstheilung unterstützt.

AIR

Wie bereits erwähnt, gelingt die Selbstheilung nur dann, wenn Sie die geheime Sprache Ihres Körpers beherrschen und Ihr Nervensystem so regulieren können, dass langfristig Veränderung möglich ist. Doch seinem Wesen nach ist das Nervensystem so angelegt, dass es immer dieselben Reaktionen auf dieselben Auslöser zeigt, und zwar immer wieder, um zu gewährleisten, dass Sie in Sicherheit sind. Deshalb sträubt es sich auch gegen Veränderungen. Durch jahrzehntelange Forschungen zur Neuroplastizität, zur Psychologie, zu Trauma, Verhalten und Gewohnheitsbildung sowie durch unsere eigene Erfahrung mit Tausenden von Patientinnen und Patienten und durch unsere Erfahrungen mit eigenen chronischen Erkrankungen haben wir drei Aspekte entdeckt, die die Voraussetzung für nachhaltige Veränderungen im Nervensystem sind: Wahrnehmen, Unterbrechen und Neugestalten (AIR). Mit Ihrer Wahrnehmung erkennen und verstehen Sie, mit welchen Mustern Ihr Nervensystem reagiert. Durch die Unterbrechung hindern Sie diese Reaktionen daran, immer wieder nach dem üblichen Schema abzulaufen. Beim Neugestalten geht es darum, die alte Reaktion durch eine neue Alternative zu ersetzen. In jedem Kapitel lernen Sie einige Techniken des Wahrnehmens, Unterbrechens und Neugestaltens für die unterschiedlichen Aspekte des Nervensystems kennen.

Im Alltag könnte AIR ungefähr so aussehen:

Ich nehme ein Symptom wahr, das mir zeigt, dass ich aus dem Gleichgewicht geraten bin. (Das kann ein negativer innerer Dialog sein, ein Gefühl der Angst, körperliche Anspannung oder eine unerklärliche Müdigkeit.)Ich setze eine Wahrnehmungstechnik wie Zuhören oder Übersetzen ein, um der Sprache meines Körpers zu lauschen und ein tieferes Verständnis davon zu gewinnen, was ich gerade erlebe und was die Dysregulation ausgelöst hat.Ich nutze eine Methode zum Unterbrechen, etwa das Umschalten oder Verändern, um dieses Ungleichgewicht zu stoppen und das Nervensystem zu beruhigen.Danach wende ich eine Technik zum Neugestalten an, etwa die Distanzierung oder die Annäherung, um die Neuroplastizität anzuregen und die neue regulierte Reaktion auf den Trigger zu verstärken.

Jedes Nervensystem ist individuell verschieden, daher laden wir Sie dazu ein, beim Erlernen dieser neuen Technik ein wenig zu experimentieren. Einige Methoden werden gleich beim ersten Ausprobieren funktionieren, bei anderen jedoch brauchen Sie vielleicht zig Anläufe. Doch immer muss das Vorgehen zu Ihnen passen – seien Sie kreativ und vertrauen Sie Ihrer Intuition. Es ist Ihr persönlicher Heilungsprozess. Und Sie müssen eine Technik auch nicht perfekt beherrschen, bevor Sie mit der nächsten beginnen. Bei AIR handelte es sich nicht um einen strikten Ablauf oder eine Vorschrift, die Sie genau befolgen müssen. Auf dieser einfachen und soliden Basis bauen Sie die danach folgenden Übungen zur Regulation Ihres Nervensystems auf.

Das beste Vorgehen mit AIR:

Den Gesetzen der Neuroplastizität zufolge verändert sich Ihr Gehirn durch den Lernprozess umso schneller, je regelmäßiger Sie die jeweilige Übung machen. Daher ermuntern wir Sie, das AIR-Verfahren so häufig wie möglich durchzuführen. Am besten integrieren Sie es in Ihren Tagesablauf. Es soll sich nicht wie eine Pflichtübung anfühlen, sondern wie eine neue Lebensweise, die Ihnen guttut. Wir sagen immer, dass es nicht darum geht, sich einige Minuten am Tag für die Übungen freizuräumen, sondern darum, den Alltag anders, nämlich mit diesen gesundheitsfördernden Techniken, zu gestalten.Vor diesem Hintergrund möchten wir Sie auch einladen, es nicht zu übertreiben. Leistungsdruck und Perfektionismus sind keine guten Ratgeber für neues Wissen und Neuroplastizität. Machen Sie sich die Bedeutung dieser Arbeit für Ihre Gesundheit klar und führen Sie die Übungen durch, wenn Ihnen danach ist. Das funktioniert viel besser als mit Druck und einem schlechten Gewissen. Und tatsächlich werden Sie, während Sie diese Übungen machen, feststellen, dass Perfektionismus und Druck auch zu den Signalen gehören, die der Körper in der Sprache des Nervensystems sendet. Sobald Sie verstehen, was Ihnen Ihr Körper mitteilen möchte, werden Sie in der Lage sein, diese inneren Muster zu verändern.Die beste Zeit zum Üben ist, wenn ein Symptom wie Angst, Stress, Selbstkritik, Selbstzweifel, Schmerz, Prokrastination oder Depression einsetzt.

Geist, Körper, Mensch

Dieses Buch ist entsprechend der drei Bereiche des Nervensystems und des Bewusstseins in drei Teile gegliedert, die für die Regulierung wichtig sind. Wir nennen sie Geist, Körper und Mensch. Diese Bereiche sind wiederum in drei Kapitel untergliedert, in denen Sie jeweils die entsprechende Anwendung von Wahrnehmen, Unterbrechen und Neugestalten erlernen. Im Bereich Geist geht es um die kognitive und narrative Domäne des Nervensystems. Das Thema Körper dreht sich um die Verkörperung und das Überleben des Körpers. Und beim Menschen schließlich geht es um die frühen Entwicklungsschritte und Beziehungen Ihres Nervensystems. Jeder dieser Bereiche spricht gewissermaßen seinen eigenen Dialekt und übt großen Einfluss auf den Zustand Ihres Nervensystems aus. Indem Sie zuhören und diese drei Dialekte sprechen lernen, sind Sie nicht nur fähig, sich selbst umfassend zu regulieren, sondern auch, sich besser zu verstehen.

AIR

Wahrnehmen →

Unterbrechen →

Neugestalten

Geist

Zuhören

Umschalten

Distanzieren

Körper

Übersetzen

Modifizieren

Ausgleichen

Mensch

Sich abstimmen

Pflegen

Verbinden

Wie Sie dieses Buch nutzen können

Die beste Art und Weise, dieses Buch zu lesen, ist, so vorzugehen, wie Sie am besten lernen können. Jedes Kapitel ist in zwei Teile unterteilt: Theorie und Anwendung. Sie können sich auch erst die Fallgeschichten und wissenschaftlichen Hintergründe durchlesen und sich dann in die Übungen stürzen (in dieser Reihenfolge haben wir das Buch geschrieben). Wenn Ihnen ein Teil eher liegt als ein anderer, fangen Sie damit an. Unserer Meinung nach ist eine Mischung aus Verständnis, Anwendung und Wissen um die drei Bereiche (Geist, Körper, Mensch) letztlich die beste Herangehensweise. Das Buch soll ein Handbuch für Ihr Nervensystem sein – nutzen Sie es so, wie es Ihnen entgegenkommt.

Wie dieses Buch andere Heilungsansätze ergänzen kann

Wir hoffen, dass dieses Buch ein treuer Begleiter für Ihren Heilungsprozess sein wird. Die geheime Sprache unseres Körpers ist universell, und AIR ist eine grundlegende Methode, die auch zu anderen Heilungsansätzen passt und diese unterstützen kann. Machen Sie gerade eine Psychotherapie, wird Ihnen dieses Buch dabei helfen, noch größere Fortschritte zu erzielen und den Heilungsprozess zwischen Ihren Sitzungen voranzutreiben. Sind Sie in medizinischer Behandlung und nehmen Medikamente, trägt die Arbeit mit dem Nervensystem dazu bei, es in einen möglichst guten Zustand zu versetzen und die medizinische Unterstützung optimal zu nutzen. Schätzen Sie alternative Heilmethoden, wird Ihnen dieses Buch dabei helfen, einen aktiven Part bei der Heilung zu spielen und die ergänzenden Methoden weiter zu kultivieren. Kurz: Alles, was Sie in diesem Buch lernen, unterstützt Sie dabei, Ihre Genesung auch durch andere Ansätze voranzutreiben. Und in einigen Fällen stellen Sie vielleicht auch fest, dass sich Ihr Nervensystem derart gut erholt, dass andere Heilmethoden nicht mehr nötig sind.

Bevor Sie loslegen

Jede Heilung ist ein kommunikativer Akt. Im Wesentlichen drückt sich eine Notlage aus, die Hilfe nötig macht. Dieses Bedürfnis wird durch Unterstützung oder ein Heilverfahren befriedigt. Bei diesem Prozess geht es nicht nur darum, ein Problem zu erkennen und zu lösen, sondern auch darum, eine tiefe Verbindung einzugehen, gepaart mit der Verpflichtung, etwas verstehen und auflösen zu wollen. Deutlicher ausgedrückt: Ein Fieber drückt aus Ich habe eine Infektion, und eine heilende Person kann Abhilfe schaffen. Eine Blutung sagt: Ich habe eine Wunde, und ein ausgebildeter Arzt näht sie. Symptome wie Angstzustände, Depression und Reizdarmsyndrom zeigen auf, dass es ein Bedürfnis gibt, das bislang nicht beachtet wurde und Hilfe benötigt. Indem Sie die Sprache Ihres Körpers lernen, werden Sie verstehen, was Ihre Symptome ausdrücken wollen und was Ihr Nervensystem braucht, um zu genesen. Sie werden also im Laufe dieses Buchs eine neue Art zu kommunizieren erlernen. Die folgenden Abbildungen illustrieren, welche Inhalte eigentlich kommuniziert werden und wie Selbstheilung aussehen kann, wenn man die Signale des Körpers versteht. Als Autoren leisten wir nur Hilfestellung auf der Entdeckungsreise zu Ihrem Nervensystem und bei der Entwicklung Ihres individuellen Heilungsparadigmas. 

Sie sprechen die Sprache Ihres Körpers nicht

Bevor wir die Sprache des Körpers verstehen, kennen wir meist die vehementesten Symptome und deren Diagnose.

Sie sprechen die Sprache Ihres Körpers

Sobald Sie für die Sprache des Körpers sensibilisiert sind, können Sie die einzelnen Signale und unterschiedlichen Informationen erkennen, die Ihren Symptomen zugrunde liegen.

Sie sprechen die Sprache Ihres Körpers fließend

Wenn Sie die Sprache des Körpers beherrschen und mit ihm kommunizieren können, können Sie Ihr Nervensystem heilen. Sie verstehen nun, was es die ganze Zeit hat ausdrücken wollen.

Dieses Buch wird Sie nicht heilen – das werden Sie selbst tun.

Teil I

Geist

»Bis Sie das Unbewusste bewusst machen, wird es Ihr Leben lenken und Sie werden es Schicksal nennen.«

C. G. JUNGzugeschrieben7

Ohne unseren Verstand gäbe es niemanden, der die Sprache des Körpers wahrnehmen würde. Indem wir unseren Verstand einsetzen, können wir uns auf den Weg machen zu lernen, wie wir unser Nervensystem regulieren, genesen und unser Leben transformieren.

Nicht nur die Gedanken sind in unserem Kopf, dort verorten wir auch das Ich-Bewusstsein, dort nehmen wir die Signale des Körpers wahr, dort interpretieren und verstehen wir sie.

Mit dem Verstand können wir lernen, über das Nervensystem mit dem Körper in Kontakt zu treten, und unsere Sinneseindrücke und Emotionen interpretieren.

Sie werden lernen, Ihre inneren Dialoge so zu verändern, dass Sie erkennen, wo Sie wirklich festgefahren sind. Danach wird es möglich sein, sich selbst zu heilen.

In Ihrem Kopf beginnt die Reise, diese geheime Sprache zu lernen. In diesem Teil des Buchs stellen wir Ihnen die AIR-Übungen vor.

Zuhören

Zuhören ist eine Wahrnehmungsmethode, die dem Verstand beibringt, auf die Sprache des Körpers und das, was er preisgibt, zu hören, um so mehr über die inneren Abläufe zu lernen und sich selbst zu heilen.

Umschalten

Beim Umschalten handelt es sich um eine Unterbrechungsmethode, mit der der Verstand lernt, wie er das somatosensorische System des Körpers nutzen kann, um das Nervensystem zu stabilisieren und noch besser zuhören zu können.

Distanzieren

Diese Neugestaltungsmethode verschafft dem Verstand Zugang zum beobachtenden Selbst, unserer größten verändernden Kraft. Mit ihr können Sie durch die Sprache des Körpers zum allerersten Mal regulativ mit Ihrem Nervensystem in Kontakt treten.

Kapitel 1: Wahrnehmen

Zuhören

Lauschen Sie Ihrem Nervensystem mithilfe der Sprache Ihres Geists.

»Nichts im Leben ist zum Fürchten, man muss es nur verstehen. Jetzt ist es an der Zeit, mehr zu verstehen, damit wir weniger fürchten mögen.«

MARIECURIE

Um die Sprache des Nervensystems zu erlernen, müssen wir zunächst lernen, ihm zuzuhören. Im Alltag »hören« die meisten Menschen sich selbst in ihren bewussten Gedanken zu. Wie der Philosoph René Descartes schon sagte: »Ich denke, also bin ich.« Da sind wir – mit Respekt – anderer Meinung und würden es so formulieren: »Ich denke, also erlebe ich alles in meinem Leben aus der Distanz.« Hinter Descartes’ Satz (und hinter der Art und Weise, wie sich die meisten Menschen selbst erleben) steht die Idee, im Wagen auf dem Beifahrersitz zu sitzen und noch nicht einmal zu bemerken, dass es eine Fahrerposition gibt, aus der heraus man das Auto tatsächlich steuern könnte! Mit anderen Worten: Indem wir unser Ich-Erleben vom Körper trennen, entfremden wir uns von den einflussreichsten und erfüllendsten Aspekten, die uns ausmachen. Wie wir bereits in der Einführung erwähnten, existieren die kognitiven, verbalen und auf Überlegungen beruhenden Teile des menschlichen Gehirns hinsichtlich ihrer evolutionären Entwicklung erst seit kurzer Zeit. Und tatsächlich befinden sich diese Regionen in unserem Neokortex, der den größten Teil der Großhirnrinde einnimmt. Diese Hirnregion ist für die höheren Funktionen wie Schlussfolgerung und Sprache zuständig.8 Doch unter diesem »neueren« Gehirn befinden sich tiefere und grundlegendere Strukturen, aus denen das allmächtige autonome Nervensystem besteht. Im Gegensatz zum Neokortex existieren diese Schichten schon seit sehr langer Zeit. Sie sind quasi die Anteile, die unseren »Wagen« im Wesentlichen steuern.

In diesen älteren Teilen des Gehirns befindet sich eine greifbare, konkrete und erfahrbare Form des Bewusstseins, die nicht aus Worten besteht, sondern aus Sinneserfahrungen, Emotionen, Körperhaltungen, Bewegungen, Energie und auf Sinneseindrücken basierenden Erinnerungen. Mit dieser nonverbalen Form der menschlichen Erfahrung tun wir uns seit je schwer – sie zu beschreiben ist heikel. Die geheime Sprache des Nervensystems zu lernen bedeutet im Prinzip zu lernen, wie wir die gefühlte Erfahrung etwa von Sinneseindrücken, Emotionen, Haltungen oder Bewegungen kommunizieren und beeinflussen, was es uns schließlich ermöglicht, unser Nervensystem zu regulieren. Im praktischen Teil werden wir Ihnen zeigen, wie Sie die Nachrichten Ihres Körpers entschlüsseln, indem Sie auf folgende Aspekte achten: die Beschaffenheit Ihres Atems; die Aktivitäten, die Ihr Körper durchführen möchte; Ihre Sinneseindrücke; die Emotionen, derer Sie gewahr werden, und die Gedanken, Interpretationen und Geschichten, die Ihr Geist all dem zuordnet. Den englischen Begriffen entsprechend – breath (Atem), actions (Aktivität), sensations (Sinneseindrücke), emotions (Emotionen) und mind (Geist) – haben wir diese Kategorien zu BASE-M abgekürzt.

Dieses Buch hilft Ihnen dabei zu lernen, den Elementen von BASE (engl. Basis, Fundament, Grundlage) zuzuhören und sich so bewusst zu werden, was Ihnen Ihr Nervensystem mitteilen möchte.

Wenn Sie sich auf den Atem konzentrieren, werden Sie sich folgender Aspekte bewusst:

Wo fließt der Atem (z. B. Bauch, Brust, Lunge, Nase)?Wie schnell und wie tief geht der Atem (z. B. schnell, langsam, flach oder tief)?Wie fühlt er sich an (z. B. angenehm und leicht oder unangenehm und schwer)?

Wenn Sie sich auf die Aktivität konzentrieren, werden Sie sich folgender Aspekte bewusst:

Wie ist Ihre Körperhaltung/Form (z. B. krumm, angespannt, aufrecht, entspannt, steif)?Was sind mögliche Bewegungen (z. B. zappelig, sprunghaft, abgelenkt oder starr, still, sich versteckend)?Wie ist die Energie des Körpers (z. B. hoch, gering, schläfrig, aufgeregt, gelassen, geschäftig)?

Wenn Sie sich auf die Sinneseindrücke