Die geheimnisvolle Patientin - Sissi Merz - E-Book

Die geheimnisvolle Patientin E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Dr. Max Brinkmeier besitzt außergewöhnliche Fähigkeiten. Dennoch ist er, der lange Jahre erfolgreich in Afrika praktiziert hat und dort so viele Menschenleben retten konnte, einen Augenblick ratlos, als ihn der Hilferuf von daheim erreicht. Sein Vater, der in einem kleinen bayerischen Bergdorf als Landarzt mit ebenso großem Geschick jahrzehntelang tätig gewesen ist, kann die heimatliche Praxis nach einer Herzattacke nicht länger weiterführen. Max war damals nicht ganz im Frieden von zu Hause geschieden, und jetzt überlagern sich bei ihm verschiedene existentielle Gefühle. In Afrika hat er eine wirkliche Lebensaufgabe gefunden. In der Heimat wird er dringend benötigt. Die Ärztin, der seine große Liebe gilt, wirkt mit ihm gemeinsam auf der Missionsstation und ist inzwischen fest verwurzelt auf dem afrikanischen Kontinent. Dr. Max Brinkmeier muß sich entscheiden – und Sie erwartet die spannendste, gefühlvollste Arztromanserie! Die beliebte Schriftstellerin Sissi Merz erreicht in diesen eindrucksvollen Romanen den Höhepunkt ihres Schaffens. »Herr Doktor, warten Sie bitte einen Moment!« Dr. Max Brinkmeier, der gerade in seinen Wagen steigen wollte, wandte sich um und lächelte angedeutet, als Eva Brand ihm ein großes Kuchenpaket überreichte. »Das ist aber nett, vielen Dank! Aber Sie hätten sich net soviel Mühe machen brauchen.« »Schmarrn, wir sind Ihnen doch dankbar. Seit Sie die Mama behandeln, ist sie viel zugänglicher geworden. Ich weiß nicht, wie Sie's machen, Herr Doktor, aber Sie haben einen guten Einfluß auf Ihre Patienten.« Die junge Bäuerin errötete ein wenig, als der Landarzt sich noch einmal bedankte. »Wir haben zu danken. Und einen schönen Tag noch!« Max Brinkmeier deponierte das süße Paket auf dem Beifahrersitz und machte sich dann auf den Rückweg nach Wildenberg. Es war Dienstag, da machte er stets seine Hausbesuche. Und an diesem sonnigen Spätherbsttag war seine Runde länger gewesen als sonst. Dr. Martin Haselbeck, der Kollege aus dem Nachbarort Schlehbusch, lag mit einer Grippe danieder und Max hatte sich bereit erklärt, seine Hausbesuche zu übernehmen. Dazu zählte auch die Altbäuerin vom Brand-Hof in Schlehbusch. Sie litt unter fortgeschrittenem Weichteilrheuma und hatte ihrer Familie bislang große Sorgen gemacht, denn sie war durch die Schmerzen recht unleidlich geworden. Max hatte bei ihr durch eine Kombination von herkömmlichem Schmerzmittel und einer selbst hergestellten pflanzlichen Salbe einen guten Effekt erzielen können. Die Schmerzen waren abgemildert, die Beweglichkeit ein wenig verbessert.

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Dr. Brinkmeier Classic – 2 –

Die geheimnisvolle Patientin

Sie war betörend schön – doch ohne Namen

Sissi Merz

»Herr Doktor, warten Sie bitte einen Moment!«

Dr. Max Brinkmeier, der gerade in seinen Wagen steigen wollte, wandte sich um und lächelte angedeutet, als Eva Brand ihm ein großes Kuchenpaket überreichte. »Das ist aber nett, vielen Dank! Aber Sie hätten sich net soviel Mühe machen brauchen.«

»Schmarrn, wir sind Ihnen doch dankbar. Seit Sie die Mama behandeln, ist sie viel zugänglicher geworden. Ich weiß nicht, wie Sie’s machen, Herr Doktor, aber Sie haben einen guten Einfluß auf Ihre Patienten.« Die junge Bäuerin errötete ein wenig, als der Landarzt sich noch einmal bedankte. »Wir haben zu danken. Und einen schönen Tag noch!«

Max Brinkmeier deponierte das süße Paket auf dem Beifahrersitz und machte sich dann auf den Rückweg nach Wildenberg. Es war Dienstag, da machte er stets seine Hausbesuche. Und an diesem sonnigen Spätherbsttag war seine Runde länger gewesen als sonst. Dr. Martin Haselbeck, der Kollege aus dem Nachbarort Schlehbusch, lag mit einer Grippe danieder und Max hatte sich bereit erklärt, seine Hausbesuche zu übernehmen. Dazu zählte auch die Altbäuerin vom Brand-Hof in Schlehbusch. Sie litt unter fortgeschrittenem Weichteilrheuma und hatte ihrer Familie bislang große Sorgen gemacht, denn sie war durch die Schmerzen recht unleidlich geworden. Max hatte bei ihr durch eine Kombination von herkömmlichem Schmerzmittel und einer selbst hergestellten pflanzlichen Salbe einen guten Effekt erzielen können. Die Schmerzen waren abgemildert, die Beweglichkeit ein wenig verbessert. Die Altbäuerin mußte nicht mehr ständig im Bett liegen, was ihre Laune natürlich verbessert hatte. Der junge Landarzt war mit dem Ergebnis, das er schon erzielt hatte, zufrieden. Wieder einmal zeigte sich, daß die klassische Medizin durchaus die eine oder andere Hilfestellung aus der Natur und dem althergebrachten Wissen gebrauchen konnte. Das Rezept für die Salbe hatte Max aus Afrika mitgebracht. Wie so vieles, was sein Leben nachhaltig geprägt hatte.

Während der hochgewachsene Landarzt mit dem sandblonden Haar und den klugen graublauen Augen die schmale Landstraße zwischen Schlehbusch und Wildenberg im schönen Berchtesgadener Land befuhr, kehrten seine Gedanken einmal mehr in die Vergangenheit zurück. Erst ein paar Monate lebte er nun wieder in seinem Heimattal, zuvor hatte er zehn Jahre im Ausland verbracht. Die Erinnerung an die Missionsstation im afrikanischen Ruanda kehrte sehr lebendig zurück und brachte auch die Sehnsucht in das Herz des jungen Mannes. Denn dort hatte Max nicht nur viele liebenswerte Menschen zurückgelassen, sondern auch den Menschen, dem sein Herz gehörte. Dr. Julia Bruckner, die zauberhafte Kollegin, die für ein Jahrzehnt zum Mittelpunkt seines Lebens geworden war. Sie hatten sich seinerzeit in München an der Uni kennengelernt und waren dann gemeinsam in die Entwicklungshilfe gegangen. Es war für Max ein besonderes Glück gewesen, Beruf und Privates auf so ideale Weise verknüpfen zu können. Julia war Medizinerin aus Leidenschaft wie er. Sie hatten sich oft auch ohne Worte verstanden, denn ihre Ziele und Auffassungen waren die gleichen gewesen. Ein leises, bekümmertes Seufzen kam über Max’ Lippen, während das Bild der schönen, geliebten Frau vor seinem geistigen Auge entstand. Daß sie ihn nicht begleitet hatte, als er nach Wildenberg zurückgekehrt war, um die väterliche Praxis zu übernehmen, war der einzige Wermutstropfen dieses neuen Lebensabschnitts. Doch er hatte noch immer die Hoffnung, daß sie ihm eines Tages folgen würde. Denn er wußte, daß sie ihn ebenso sehr vermißte wie er sie. Max verlangsamte das Tempo, als das Ortsschild von Wildenberg auftauchte. Er ließ seinen Blick über das liebliche Tal schweifen und fühlte sich dabei ganz glücklich und zufrieden. Daß er heimgekommen war, als sein Vater ihn gebraucht hatte, daß er

die Tradition der Brinkmeiers als Landärzte von Wildenberg fortführte, machte ihn froh. Ohne Julia war das Glück nicht perfekt. Doch hieß es nicht, daß man im Leben nicht alles haben konnte? Zumindest nicht auf einmal...

Max schaute auf seine Uhr und stellte fest, daß er noch eine gute Stunde Zeit hatte, bis die Sprechstunde anfing. Er würde in Ruhe essen können. Und er freute sich schon aufs Mittagessen, denn die Hauserin im Doktorhaus war eine ausgezeichnete Köchin.

Der Landarzt passierte die Rosenapotheke und bemerkte Anna

Stadler, die vor dem Haus stand und sich mit der Hauserin vom Pastor unterhielt. Als die junge Apothekerin Max erspähte, winkte sie kurz und trat dann neben seinen Wagen.

»Hallo, Max, schön, daß wir uns sehen. Das nimmt mir einen Weg ab, ich wollte dich nämlich für heut abend zu mir einladen. Wir könnten uns zusammen das Klavierkonzert im Fernsehen anschauen. Oder hast keine Zeit?« Sie lächelte ihm lieb zu, wie sie es immer tat, und Max erwiderte ihr Lächeln. Er mochte Anna, auch wenn er ahnte, daß sie heimlich in ihn verliebt war.

»Ich komme gern. Mein Vater ist im Moment im Reisefieber, er denkt ständig, daß er was vergessen hat und macht die Afra damit ganz narrisch.«

Anna mußte lachen. »Wann geht es denn los mit der Kur? Ich wundere mich immer noch ein bisserl, daß du es geschafft hast, ihn dazu zu überreden. Nicht mal nach seinem Herzkasperl hat er so richtig ausspannen mögen, oder?«

»Ja, das stimmt schon. Und in den letzten Monaten war ich auch froh, daß der Vater noch in der Praxis mitgearbeitet hat. Immerhin mußten die Leut’ sich ja erst mal an mich gewöhnen. Aber jetzt läuft alles rund, da hat er sich eine Kur redlich verdient. Und Meran im Herbst, das war schon immer sein heimlicher Traum, morgen geht’s los.«

»Hm, das könnte mir auch gefallen. Aber nur in netter Begleitung, versteht sich«, sinnierte sie.

»Eine Begleitung braucht mein alter Herr nicht, die würde ihn nur stören. Kennst ihn doch. Aber jetzt muß ich los. Also, dann bis heute abend. Soll ich was mitbringen? Vielleicht eine gute Flasche Wein?«

Die junge Frau nickte, und ihr Lächeln vertiefte sich. »Eine prima Idee. Ich freu mich schon!«

Wenig später hatte Max das Doktorhaus im Ortskern von Wildenberg erreicht. In der Diele roch es bereits sehr appetitlich, so daß dem jungen Mann das Wasser im Munde zusammenlief. Afra, die alte Köchin und Hauserin, die schon Josef Brinkmeier ein halbes Leben lang versorgt hatte, verdrehte die Augen, als Max erschien.

»Ist was angebrannt?« fragte der erschrocken.

»Bei mir net«, kam es spröde von der Alten. »Aber dein Vater bringt mich noch um den Verstand. Kannst net mal mit ihm reden, Doktor? Seine Koffer sind gepackt und alles ist drin, was er braucht. Ich mag das fei nimmer wiederholen.«

Max mußte schmunzeln. Als er die Küche wieder verließ, mahnte Afra ihn noch, daß es in fünf Minuten Essen gäbe. Er fand seinen Vater in der guten Stube, wo dieser in der Anrichte kramte.

»Wennst unseren ganzen Hausstand mitnimmst, wird noch der Zug entgleisen«, scherzte der junge Mann. »Die Afra beschwert sich schon über deine Packerei. Ich soll dir sagen, daß alles im Koffer drin ist, was rein gehört.«

Josef Brinkmeier winkte ab. Er sah seinem Sohn sehr ähnlich, war sozusagen die ältere Ausgabe mit dem leicht ergrauten Haar und den vielen Lachfältchen um die Augen. Seit er wegen einer Herzgeschichte nicht mehr allein praktizieren konnte, führten Vater und Sohn die Landarztpraxis gemeinsam.

»Ich will nur meinen alten Fotoapparat mitnehmen. Das wird ja noch erlaubt sein. Und was die Afra angeht, die hat es eh im Salz liegen. Sie hat meine Koffer so verquer gepackt, daß ich mich nimmer auskenne. Und wenn ich was suche, schimpft sie.«

Max mußte lachen, sein Vater kam schließlich um ein Schmunzeln nicht herum.

»Ach, Bub, ich laß dich gar net gern allein. Jetzt wo der Haselbeck krank ist und du die ganzen zusätzlichen Patienten hast, könntest doch gut Hilfe brauchen.«

»Das ist halb so wild, ich kriege schon die Kurve. Weißt, Vater, die Arbeit wird mir nie zuviel. Schließlich hab ich den Beruf, der mir am besten liegt. Und das kann net ein jeder von sich behaupten.«

»Du arbeitest aber nicht zuviel, aus Kummer, meine ich...«

»Keine Angst. Ich vermisse die Julia nach wie vor, daran wird sich wohl kaum etwas ändern. Aber ich hab ja schließlich gewußt, daß ich mich von ihr trennen muß, wenn ich Afrika verlasse.«

»Wenn ich wieder da bin, dann besuchst sie. Na, was hältst davon? Ist das net eine schöne Idee? Zu Weihnachten vielleicht?«

»Freilich wäre das schön, aber es kommt nicht in Frage. Ich kann dich doch nicht im Stich lassen, allein kannst die Praxis nimmer führen, das wissen wir beide.« Er machte ein sehr nachdenkliches Gesicht. »Und ich glaube, es würde nur alte Wunden aufreißen. Es ist mir schon schwer genug gefallen, das Land einmal zu verlassen. Dieses Kapitel meines Lebens ist abgeschlossen.«

»Du stellst dich also auf den Standpunkt, daß die Julia dich besuchen sollte.« Josef zwinkerte leicht. »Wohl mit dem Hintergedanken, daß sie dann vielleicht bleibt...«

In diesem Moment erschien Afra und erklärte ungeduldig: »Das Essen steht auf dem Tisch, kommt ihr jetzt endlich?«

»Ja, freilich.« Max erhob sich, sein Vater folgte ihm ein wenig schwerfällig. »Und was deine Vermutung angeht, Vater, da kann ich dir nicht widersprechen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Julia eines Tages hier bei mir sein wird.«

*

Am frühen Abend, Max Brinkmeier hatte noch in der Praxis zu tun, verließ sein Vater das Doktorhaus und machte sich auf den Weg zum Brinkmeier-Hof, der nicht weit entfernt lag. Lukas, Josefs jüngerer Sohn, bewirtschaftete das Anwesen am Ortsrand. Der alte Landarzt hatte sich stets bemüht, seine Söhne gleich zu erziehen. Er wollte keinen bevorzugen und keinen benachteiligen. Das hielt er auch heute noch so, obwohl es schien, als sei sein Konzept nicht ganz aufgegangen.

Während Josef und Max sich nach dessen Rückkehr wieder gut verstanden, herrschte zwischen Lukas und dem Rest der Brinkmeiers eine eher angespannte Atmosphäre. Der Bauer war ein Eigenbrötler und schwieriger Mensch. Max hatte bereits mehrfach versucht, sich mit ihm auszusprechen, doch es war ihm nicht gelungen. Lukas machte es seinem Bruder zum Vorwurf, daß dieser stets vorgezogen worden sei. Er hatte ihn einen Egoisten genannt, als er nach Afrika gegangen war. Und er hatte ihn ebenso abgelehnt, als er wieder zurückgekommen war. Josef ging das zuwider. Ihm lag daran, daß die Brüder sich endlich versöhnten. Und als er an diesem Tag bei Lukas vorbeischaute, sprach er auch das Problem an, das ihm das Herz recht schwer machte. Lukas Brinkmeier, groß gewachsen, kräftig, mit dunklem Haar und samtbraunen Augen, sah seiner früh verstorbenen Mutter ähnlich. Josef hatte seinen Jüngeren ebenso lieb wie Max, auch wenn dieser ihm das nicht glauben mochte. Und von einer Versöhnung mit Max mochte der Bauer erst recht nichts wissen.

»Es reicht doch, wenn ihr euch versteht«, brummte er recht unfreundlich. »Was wollt’s da noch mit mir? Ich stör’ bloß.«

»Du redest einen Schmarrn daher!« Josef schüttelte ärgerlich den Kopf. »Wir sind schließlich eine Familie, gehören zusammen. Es ist doch wurscht, was jeder einzelne schafft. Hauptsache, wir verstehen uns und halten zueinander.«

»Das habt’s doch immer gemacht, der Max und du«, stichelte Lukas. »Ich kann mich noch gut besinnen, wenn es in der Schul Zeugnisse gegeben hat. Wie der Max da glänzen konnte. Gelobt hast ihn, und die Mama war auch recht stolz. Und ich? Ich hab dabei gestanden wie das Kind bei Dreck und hab mich geschämt, weil ich so deppert gewesen bin.«

Der alte Brinkmeier schaute seinen Sohn nachdenklich an. Er hatte ganz andere Erinnerungen. Natürlich war er stolz auf Max gewesen, ihren »klugen Buben«, wie seine selige Walburga immer gesagt hatte. Aber er dachte auch ans Angeln, an die erste gemeinsame Hirschjagd, an die langen Winterwanderungen. Da war Lukas der Erste gewesen, mit dem Herzblut dabei. Genau wie er jetzt den Erbhof führte und ein fleißiger Bauer geworden war.

»Ich will net noch einmal hören, daß du dich selbst deppert nennst. Deppen hab ich nämlich keine großgezogen. Und auch wennst es mir net glauben magst, sag ich es dir doch noch einmal ganz deutlich: Ich hab euch beide lieb und bin stolz auf euch. Es macht mir nur einen Kummer, daß ihr nicht miteinander auskommt. Und wennst mal ganz ehrlich bist, Lukas, dann mußt zugeben, daß dir dieser Zustand auch nicht gefallen kann. Denk drüber nach, ich bitte dich. Wenn ich weg bin, kannst die Gelegenheit nutzen und den Max mal besuchen. Ihr müßt miteinander reden, dann klappt es gewiß irgendwann mit der Versöhnung. So viel steht schließlich net zwischen euch.«

Der Bauer musterte seinen Vater mit verschlossener Miene. Seine samtbraunen Augen verrieten nicht, was er dachte. Und sein Mund ebensowenig.

»Ich wünsch dir eine schöne Reise, Vater«, sagte er nur. »Erhole dich gut.«

Josef hielt sich nur noch kurz auf dem Brinkmeier-Hof auf, als Max ebenfalls das Doktorhaus verließ und zur Rosenapotheke ging. Er hatte Afra gesagt, wo er in den nächsten Stunden erreichbar war, was sie mit einem vielsagenden Blick und den Worten kommentiert hatte: »Willst net noch ein paar Blumerln mitnehmen, Doktor? Nur das nackerte Flascherl Wein?«

Max schüttelte leicht den Kopf. »Das wird es schon tun bei einem Freundschaftsbesuch. Oder hast vielleicht Hintergedanken, Afra? Die sind ganz und ganz unangebracht.«

»Gewiß net. Ich hab nie Hintergedanken«, behauptete sie in einem Tonfall, der das genaue Gegenteil besagte.

Der junge Landarzt verzichtete auf eine Antwort und verließ gleich darauf das Haus. Afra, die alte Hauserin mit der rauhen Schale und dem Herzen aus Gold aber murmelte: »Ein schönes Paar wären sie schon, die beiden. Wenn er nur die andere vergessen könnt’...« Sie hatte Josef nicht bemerkt, der gerade heimkam und wissen wollte: »Seit wann führst denn du Selbstgespräche, Afra? Ich mein fast, du bist auch reif für den Ruhestand.«

»Schmarrn! Ich hab nur darüber nachgedacht, daß der Max und die Anna Stadler gut zusammenpassen täten.«

»Da kann ich dir nicht widersprechen. Ich fürchte nur, der Max denkt gar nicht an so was. Er hat doch seine Julia lieb.«

»Eine Liebe über Tausende von Kilometern. Kannst mir mal sagen, wie das auf Dauer gutgehen soll, Doktor?«

Das konnte Josef Brinkmeier allerdings auch nicht. Deshalb wechselte er das Thema und schlug vor: »Schauen wir uns doch die Quizsendung im Fernsehen an. Oder meinst, ich sollte vor der Abreise meine Koffer noch mal kontrollieren...« Er mußte schmunzeln, als Afra ihm drohte: »Ohne mich! Noch mal räume ich das ganze Graffel net ein, da... gehe ich wirklich lieber in den Ruhestand, daß du es nur weißt, Doktor!«

Anna Stadler freute sich schon sehr auf Max. Seit dieser wieder in Wildenberg war, ging er ihr nicht aus dem Sinn. Die bildbhübsche Blondine mit den klaren rehbraunen Augen hatte eine Enttäuschung in der Liebe hinter sich und sich deshalb eigentlich nicht mehr binden wollen. Doch die Begegnung mit dem jungen Landarzt hatte das geändert. Anna mußte sich eingestehen, daß sie endlich wieder verliebt war. Daß Max’ Herz nicht frei war, erschien ihr dabei nicht unbedingt als Hinderungsgrund. Denn immerhin war die Frau, die er liebhatte, sehr weit weg. Und Anna besaß viel Feingefühl und ebensoviel Geduld...

Als am Klingelstrang gezogen wurde, eilte sie die Treppe hinunter. Doch nicht der erwartete Besucher stand vor der Tür, sondern Alois Burgmüller, der Ortsvorstand von Wildenberg. Er hielt Anna ein üppiges Bouquet tiefroter Rosen unter die Nase und fragte zuckersüß: »Annerl, mein Schatz, darf ich dich vielleicht zum Essen einladen?«