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Ihrem Liebsten droht der Tod … Amerika im 19. Jahrhundert. Noch vor wenigen Jahren hätte sie es niemals für möglich gehalten, doch Lady Catherine hat ihr Glück mit dem berüchtigten Piraten Captain Jonathan Hale gefunden. Aber dann erreicht sie eine schlimme Nachricht: Ihr Vater ist schwer erkrankt und sie muss sofort nach England. Dort angekommen, geht es plötzlich Schlag auf Schlag: Man teilt ihr mit, ihre Ehe wäre ungültig. Jonathan wird in den Kerker geworfen und zum Tode verurteilt – und ihre einzige Chance, ihn zu retten, eine Heirat mit dem unliebsamen Lord Stanhope … Eine prickelnde Piraten-Romance für Fans von Emily Bold und Julia Quinn
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Seitenzahl: 482
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
Amerika im 19. Jahrhundert. Noch vor wenigen Jahren hätte sie es niemals für möglich gehalten, doch Lady Catherine hat ihr Glück mit dem berüchtigten Piraten Captain Jonathan Hale gefunden. Aber dann erreicht sie eine schlimme Nachricht: Ihr Vater ist schwer erkrankt und sie muss sofort nach England. Dort angekommen, geht es plötzlich Schlag auf Schlag: Man teilt ihr mit, ihre Ehe wäre ungültig. Jonathan wird in den Kerker geworfen und zum Tode verurteilt – und ihre einzige Chance, ihn zu retten, eine Heirat mit dem unliebsamen Lord Stanhope …
Über die Autorin:
Karen Robards ist die New York Times-, USA Today- und Publishers Weekly-Bestsellerautorin von mehr als fünfzig Büchern. Sie veröffentlichte ihren ersten Roman im Alter von 24 Jahren und wurde im Laufe ihrer Karriere mit zahlreichen Preisen bedacht, unter anderem mit sechs Silver Pens. Sie brilliert in der Spannung ebenso sehr wie im Genre Liebesroman.
Die Website der Autorin: karenrobards.com/
Die Autorin bei Facebook: facebook.com/AuthorKarenRobards/
Bei venusbooks veröffentlichte die Autorin die Thriller »Keiner wird dir helfen«, »Und niemand hört dein Rufen«, die historischen Liebesromane »Die Rose von Irland«, »Die Liebe der englischen Rose«, »Die Gefangene des Piraten« und »Die Geliebte des Piraten« sowie die Exotikromane »Im Land der Zimtbäume« und »Unter der heißen Sonne Afrikas«.
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eBook-Neuausgabe Januar 2025
Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1982 unter dem Originaltitel »Sea Fire«. Die deutsche Erstausgabe erschien 1991 unter dem Titel »Freibeuter des Herzens« bei Heyne.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1982 by Karen Robards
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1991 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2025 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von Mykhaylo / Adobe Stock sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-96898-309-7
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Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. In diesem eBook begegnen Sie daher möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Diese Fiktion spiegelt nicht automatisch die Überzeugungen des Verlags wider oder die heutige Überzeugung der Autorinnen und Autoren, da sich diese seit der Erstveröffentlichung verändert haben können. Es ist außerdem möglich, dass dieses eBook Themenschilderungen enthält, die als belastend oder triggernd empfunden werden können. Bei genaueren Fragen zum Inhalt wenden Sie sich bitte an [email protected].
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Karen Robards
Die Geliebte des Piraten
Historischer Liebesroman
Aus dem Amerikanischen von Ulrich Binder
venusbooks
In den letzten Sommertagen des Jahres 1844 wirkte Lady Catherine Hale schöner als je zuvor in ihrem Leben. Ihr strahlend rotblondes Haar, das ihr in dichten Locken bis zur Hüfte hinabreichte, wenn sie es offen trug, hatte sie wegen der Hitze hochgesteckt. Es schien ihr zartes Gesicht wie eine rötliche Aura zu umhüllen, wenn sich die Strahlen der gleißenden Sonne Südkarolinas darin fingen. Ihr Gesicht war unbeschreiblich hübsch, von fast perfekter, ovaler Form, und es wurde von einem Paar saphirblauer Augen, mit langen, seidenen Wimpern, beherrscht, die sich an den Seiten etwas verjüngten und ihr so ein leicht exotisches Aussehen verliehen. Sie hatte hochliegende Wangenknochen, eine zarte, gerade Nase und volle rote Lippen, die ihr von ihrem Gatten immer wieder die Bemerkung eintrugen, sie seien zum Küssen geschaffen worden. Ein leicht ausgeprägtes Kinn deutete ihre Charakterstärke nur an.
Sie war ein schlankes Mädchen mit fast zerbrechlichem Knochenbau, aber ihr Körper war ebenso schön wie ihr Gesicht. Sie besaß volle Brüste von genau der richtigen Größe, die einem Mann angenehm in der Hand lagen (auch diese Bemerkung stammte von ihrem Mann). Ihre Hüfte war schmal, aber ebenfalls gut geformt, getragen von schlanken, wohlproportionierten Beinen.
An diesem Augusttag hatte sich Cathy aufgrund der Hitze eher lässig gekleidet. Aber die Einfachheit ihres tief ausgeschnittenen Nachmittagskleids aus Musselin, mit den kurzen Puffärmeln, stand ihr ausgezeichnet, und die blaßgelbe Farbe betonte noch ihre makellose Haut.
Mit ihren neunzehn Jahren war sie bereits mehr Frau als Mädchen. Ihr grundsätzlich freundliches Gesicht nahm einen fast wehmütigen Ausdruck an, als sie hinten aus dem Wohnzimmerfenster hinausblickte und den Mann sah, der sie zu dem gemacht hatte, was sie heute war. Offensichtlich kam Jon direkt vom Feld. Ein liebevolles Lächeln spielte um Cathys Lippen, als sie sah, daß er von oben bis unten voller Staub war. Sein tiefbraunes Gesicht war schweißüberströmt, und sein schwarzes Haar klebte ihm wegen der Feuchtigkeit des Nachmittags in dicken Locken am Kopf. Jon arbeitete hart, um die Ernte Woodhams riesiger Baumwollfelder zu überwachen. Cathy wußte, daß er das nur für sie und ihren fünfzehn Monate alten Sohn Cray tat. Insgeheim vermutete sie, daß er gelegentlich noch immer dem wilden, ungebundenen Freibeuterleben nachhing, das er vor ihrer Ehe und der Geburt Crays geführt hatte. Damit hatte er sich einem Leben in Anstand verschrieben. Aber so gut er auch als Pirat gewesen sein mochte, hatte sie ihm oft gesagt, am Ende eines solchen Lebens wartete immer eines: die Schlinge des Henkers. Jon war ihr bereits zweimal entkommen, und Cathy hatte nicht vor, ihm zu gestatten, den Teufel noch ein drittes Mal zu versuchen.
Cathys Lächeln wurde noch breiter, als Martha, das kräftige, ältliche Kindermädchen an der Hausecke erschien, Cray auf dem Arm. Martha war auch schon Cathys Kindermädchen gewesen, praktisch seit Cathys Geburt. Nachdem Cathys Mutter, Lady Caroline Aldley gestorben war, als Cathy sieben Jahre alt war, hatte es Martha ganz übernommen, Cathy aufzuziehen. Cathy liebte die Frau, und Martha wiederum achtete auf Cathy und Cray wie eine Glucke auf ihre Küken. Nach anfänglichem, leichtem Mißtrauen von beiden Seiten, wurde auch Jon in den magischen Kreis ihrer Hingabe aufgenommen. Martha würde für jeden von ihnen ihr Leben hingeben, wenn es sein müßte, das wußte Cathy. Aber von allen war Cray ihrem Herzen am nächsten, vermutete sie, und sie war glücklich darüber.
»Daddy!« kreischte Cray begeistert, als er seinen Vater erblickte. Cathy schüttelte bei diesem rein amerikanischen Ausdruck den Kopf. Obwohl sie selbst durch und durch Engländerin war, konnte man in Cray einen reinen Amerikaner entdecken; er war wahrhaftig seines Vaters Sohn. Er sah sogar aus wie Jon. Mit seinen schwarzen Locken, den grauen Augen, seinem stämmigen Körperbau und der gelegentlich störrischen Haltung, glich er seinem Vater aufs Haar. Manchmal fragte sich Cathy, wie sie es wohl schaffen sollte, mit zwei widerspenstigen Männern fertig zu werden, wenn Cray erst einmal erwachsen war, zuckte dann aber nur mit den Schultern. Was sein wird, wird sein, wie Martha so gerne sagte.
»Daddy, Daddy!« Cray wand sich in Marthas Armen. Schließlich ließ ihn die Frau auf den Boden, Jon ließ sich in die Hocke sinken und öffnete die Arme, während der kleine Junge über den Rasen auf ihn zusteuerte. Dann gluckste Cray vor Freude, als er sein Ziel endlich erreicht hatte, und sein Vater ihn mit seinen starken Armen hoch in die Luft warf. Ein unbeschreibliches Gefühl der Liebe überkam Cathy, als sie den beiden zusah. Sie bedeuteten ihr mehr als alles andere auf der Welt, und sie dankte Gott täglich dafür, daß er sie zusammengeführt hatte.
Jon warf Cray hoch in die Luft und fing ihn wieder auf, während der Junge vor Vergnügen jauchzte. Cathy schüttelte den Kopf und lächelte. Dann eilte sie aus dem Haus, zum Rasen hinter dem Haus, bevor noch ein Unglück geschah. Cray hatte gerade erst zu Abend gegessen, und wenn die Aufregung zu groß wurde, hatte er die Angewohnheit, es auf eine äußerst unschöne Art wieder loszuwerden.
»So, ihr zwei, jetzt reicht es aber mit eurem Unsinn«, schimpfte sie mit gespieltem Ernst, während sie auf die beiden zulief. Jon grinste sie frech an. Cray, der seinen Vater beobachtet hatte, tat es ihm nach. Cathy mußte lachen. Sie glichen sich wie zwei Wassermelonen!
»Ja, Madam«, sagte Jon mit kläglicher Stimme und setzte den Jungen ab.
»Ja, Madam«, krächzte Cray ihm nach und hielt sich an Jons Hosenbein fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Cathy lachte erneut, hob das Kind hoch und drückte es an sich. Cray legte seinen Kopf an ihren Hals, während Jons Arm sich um ihre Hüfte legte, sie zu sich heranzog und er ihr einen harten Kuß auf ihre zarten Lippen drückte. Cathy erwiderte den Kuß und spürte wieder das vertraute Kribbeln in sich aufsteigen. Es erstaunte sie immer wieder, daß Jons Berührung ihr, selbst nach zwei Jahren und der Geburt ihres Sohnes, die Knie weich werden ließ.
»Hast du Hunger?« fragte sie ihren Gatten, um die Gedanken zu vertreiben, die sonst schnell außer Kontrolle geraten könnten.
»Wie ein Bär«, erwiderte er mit glitzernden Augen. Dann beugte er sich näher flüsterte: »Nach dir.«
Cathy erörterte und warf ihm einen entrüsteten Blick zu, lachte aber dabei. Martha beobachtete die beiden. So wild sich Master Jon auch immer gebärdete, er machte Miß Cathy glücklich, und das war Marthas Meinung nach alles, was zählte.
»Es wird Zeit, daß der junge Mann ins Bett kommt«, sagte Martha, zu Cathy gewandt, und streckte die Arme nach Cray aus.
»Ich will nicht ins Bett!« erklärte Cray dickköpfig und staunte im nächsten Augenblick selbst, als er feststellte, daß er gähnen mußte. Cathy lachte und reichte ihn Martha.
»Du bist müde, mein Schatz«, sagte sie und drückte ihm einen Kuß auf seine Wange. Nachdem der Junge immer noch unglücklich dreinblickte, beugte sich Jon zu ihm hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was ihn vor Freude kichern ließ. Zu Cathys Erstaunen folgten keine weiteren Proteste mehr, als Martha ihn wegbrachte.
»Was, um alles in der Welt, hast du ihm denn gesagt?« wollte sie von ihrem Mann wissen, als sie den beiden nachblickte.
»Männersache«, antwortete Jon mit einem Grinsen. Cathy konnte nur den Kopf schütteln, als sie zusah, wie die zwei auf der langen Veranda verschwanden, die an der Rückseite des Hauses verlief.
»Endlich allein!« hauchte Jon und seine Augen blitzten. Noch bevor Cathy begriff, was er vorhatte, hob er sie bereits hoch, schwang sie im Kreis herum und küßte sie dann, bis sie nach Luft schnappte.
»Jon!« protestierte Cathy lachend, als sie endlich wieder sprechen konnte. »Die Diener!« Sie blickte bedeutsam zu dem halben Dutzend offener Fenster hinüber, die die Hauswand säumten.
Jon grinste sie frech an. »Was soll das heißen, du schamloses Weib, mich mit deinen Tricks vom Essen abzuhalten?« brüllte er los, während seine Augen amüsiert tanzten, als er sah, wie unbehaglich sie sich fühlte. Als sie etwas erwidern wollte, schwang er sie herum, so daß sie auf das Haus deutete und verpaßte ihr einen kräftigen Klaps auf ihr wohlgeformtes Hinterteil. Cathy machte einen Satz und kicherte hilflos; dann ließ sie sich von ihm auf das Haus zuführen.
Einen Augenblick lang gingen sie schweigend nebeneinanderher. Cathy atmete tief ein, denn sie liebte den Duft der weißen Blüten der Magnolien, die neben der Eingangstür standen. In ihrem Arm konnte sie die Feuchtigkeit von Jons Hemd spüren, und darunter die kräftigen Muskeln seines Brustkorbs.
»Du arbeitest zu hart«, meinte sie ernst und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuß auf seine stoppelige Wange zu drücken.
»Dann belohne mich gefälligst dafür«, meinte er und blickte in das liebevolle Gesicht, das ihn so ernst anblickte. Dabei sah er etwas, was ihn eine seiner Augenbrauen heben ließ.
»Du hast Dreck auf der Nase«, sagte er und schnippte mit den Fingern danach. Cathy zog die Nase in Falten und schielte, in dem Versuch, selbst zu sehen, wo sie schmutzig war.
»Kein Wunder. Du starrst ja vor Dreck. Was hast du denn gemacht? Dich im Schlamm gewälzt?«
»Fast. Der Boden ist so trocken von der Dürre, daß wir schon beim Laufen die reinsten Staubwolken aufwirbeln. Wenn es nicht bald regnet, verbrennt uns noch die ganze Baumwolle.«
Sein Tonfall war ungewöhnlich ernst. Cathy blickte ihn besorgt an. Sie wußte, aus Woodham, das er vor zwei Jahren von seinem Vater in erbärmlichem Zustand geerbt hatte, wieder eine profitable Plantage zu machen, bedeutete Jon sehr viel. Obwohl sie selbst eine sehr wohlhabende Frau war, weigerte sich Jon dickköpfig, auch nur einen Penny von ihrem Geld anzunehmen. Er bestand darauf, für sie, Cray und die Plantage mit den Mitteln aufzukommen, die ihm noch aus seiner Zeit als Piratenkapitän verblieben waren, und die die Plantage abwarf. Zwar hatte er es nie gesagt, aber Cathy war sich durchaus bewußt, daß Jon fest entschlossen war, dafür zu sorgen, daß sie auch nach ihrer Heirat auf keinen Luxus verzichten mußte, den sie sich vorher hatte leisten können. Es war zwecklos, ihn davon überzeugen zu wollen, daß teure Kleider, Schmuck und Möbel ihr nichts bedeuteten, verglichen mit ihm oder Cray. Sein Stolz ließ es nicht zu, ihr zu glauben. Seine Dickköpfigkeit machte Cathy schwer zu schaffen. Trotzdem war sie stolz auf ihn, daß er versuchte, Woodham wieder zu neuem Leben zu erwecken.
Nachdem Cathy so lange geschwiegen hatte, sah Jon sie fragend an. Als er ihren besorgten Gesichtsausdruck bemerkte, verfluchte er sie insgeheim, weil er es zugelassen hatte, daß sie sich Sorgen machte. Sofort versuchte er, sie abzulenken, indem er sie in die Hinterbacken zwickte.
»Vergiß die Dürre«, sagte er, als sie aufschrie. »Woodham hat schon Schlimmeres überlebt, glaube mir. Wir sind noch lange nicht so weit, daß du auf all deine hübschen Sachen verzichten mußt. Andererseits würde es natürlich helfen, wenn du etwas weniger essen könntest ...«
Cathy mußte wieder kichern und beantwortete seine Frechheit, indem sie ihm ihren Ellbogen in die Rippen hieb. Er grunzte, dann packte er sie, um sie angemessen zu bestrafen. Sie wand sich aus seinem Griff, hob ihre Röcke etwas an und lief kichernd auf das Haus zu. Jon folgte ihr dicht auf.
»Dafür bezahlst du, mein Kätzchen«, drohte er und schloß auf, als sie sich durch die Hintertür zwängte und auf den Salon zurannte. Sie kreischte auf, als ihr sein warmer Atem in ihrem Genick seine Nähe verriet.
Aber es war zu spät. Seine starken Arme schlangen sich um sie, hoben sie hoch und preßten sie an seine Brust.
»Gnade! Habt Gnade, Piratenkapitän!« stieß sie zwischen Lachanfällen hervor, während er sie mit gespielter Wildheit zur Treppe trug.
»Nie!« zischte er bösartig, und während er Cathy weiterhin in seinen Armen festhielt, begann er, die breite, geschwungene Treppe hinaufzusteigen. In gespielter Furcht wand sie sich in seinen Armen, daß ihre weißen Unterröcke wie Schaumkronen auf den Wellen des Meeres unter ihrem Kleid hervorquollen. Als ihr Blick zufällig hinunter in die Halle schweifte, brachen ihre Bewegungen abrupt ab. Petersham, Jons drahtiger, kleiner Hausdiener und Hauptstütze des Haushalts, blickte mit amüsierter Resignation zu ihnen hinauf.
»Soll ich dem Koch sagen, er soll das Abendessen später servieren, Master Jon?« fragte er mit trockenem Tonfall.
»Ja!« Jon rief das Wort seinem alten Freund mit einem Augenzwinkern zu und hatte mit seiner nun regungslosen Last schon fast die Hälfte der Treppe erklommen.
»Nein!« rief Cathy schnell dazwischen. »Petersham, wage es ja nicht! Jon, wir erwarten Gäste, oder hast du das schon wieder vergessen?«
Dann, mit weitaus leiserer Stimme, murmelte sie, zu Jon gewandt: »Laß mich doch endlich runter! Was soll Petersham denn von uns denken?«
Jon grinste. »Ich bin sicher, Petersham denkt wie immer an Geld«, erwiderte er, ohne sich die Mühe zu machen, seine Stimme zu dämpfen. Dann lief er weiter die Treppe hinauf, ohne irgendwelche Anstalten zu machen, auf Cathys Verlangen einzugehen.
Cathy warf mit geröteten Wangen erneut einen Blick in die Halle und sah, daß Petersham zur Antwort nur grinste. Mit einem entrüsteten Schnauben starrte sie ihn an. Diese Männer! Wenn es um das schöne Geschlecht ging, hielten sie zusammen wie Pech!
»Ach äh – die Gäste sind für halb neun Uhr geladen, wenn ich mich recht erinnere, und jetzt ist es kurz nach sieben«, rief ihnen Petersham nach, und sein Grinsen war beim Anblick von Cathys düsterem Blick wie weggewischt. »Soll ich Wasser für ein Bad nach oben schicken, Master Jon?«
»Später, Petersham, viel später«, antwortete Jon schamlos, erreichte den oberen Treppenabsatz und eilte mit seiner schamroten Gefangenen den Gang entlang.
»Jetzt, Petersham!« rief Cathy über Jons Schulter hinweg, nahm aber bereits resigniert in Kauf, daß ihr Befehl mißachtet werden würde.
Zu ihrer Überraschung war dem jedoch nicht so. Jon hatte sich kaum seinen Weg in ihr gemeinsames Schlafzimmer gebahnt und ihr einen lustvollen Kuß gestohlen, als es auch schon leise klopfte.
»Wer zum Teufel ...?« murmelte Jon verärgert und starrte verstimmt auf die Tür. Es klopfte erneut, und nur widerwillig setzte er Cathy ab, machte die paar Schritte zur Tür und riß sie auf.
»Ja!« fauchte Jon. Der ungewöhnlich mürrische Ton brachte Tyler, den jungen, schwarzen Boy fast dazu, die dampfenden Eimer fallen zu lassen, die er in den Händen hielt. Der Anblick des riesigen, Ehrfurcht einflößenden Herren, der offensichtlich erzürnt darüber war, gestört zu werden und ihn nun böse anstarrte, ließ Tyler schlucken und einen erschrockenen Schritt rückwärts machen. Gebremst wurde er von Micah, dem anderen Boy, der, ebenso beladen, hinter ihm stand. Petersham, der hinter ihnen beiden stand, schnalzte warnend mit der Zunge, als das Wasser in den vier Eimern alarmierend hochschwappte. Jons Blick blieb an Petersham haften.
»Verzeihung, Master Jon, aber Sie wirkten in der Tat etwas schmutzig«, erklärte Petersham hastig und scheuchte die beiden Boys ins Zimmer, bevor Jon explodieren konnte. Jon wandte seinen Blick nicht von seinem Diener ab, während die beiden Boys die zierliche Porzellanwanne füllten, die hinter einer mit Seide bezogenen Trennwand in einer Ecke des Zimmers stand.
»Dies ist nicht das erste Mal, daß dich meine Frau zur Meuterei aufgehetzt hat, alter Freund. Ich bin es langsam leid.« Jon klang bedrohlich. Cathy beeilte sich, ein Lächeln zu unterdrücken. Es ging ihm immer noch nach, daß seine gesamte Schiffsbesatzung, zu der auch Petersham gehört hatte, zu Cathy übergelaufen war, kurz bevor sie den Kapitän des Piratenschiffs geheiratet hatte. Bevor sie an Bord seines Schiffes gekommen war, hatte er von der Loyalität und dem absoluten Gehorsam seiner Mannschaft ausgehen können. Er ärgerte sich noch immer, wenn er daran dachte, wie leicht sie sich von ihr hatten einwickeln lassen.
»Verzeihung, Master Jon«, wiederholte Petersham und blickte zerknirscht drein, wie es von ihm erwartet wurde. Dann, als die Boys ihre Aufgabe beendet hatten und aus dem Zimmer eilten, fügte er hinzu: »Ich werde Martha in einer Viertelstunde nach oben senden, damit sie Ihnen beim Ankleiden hilft, Miß Cathy. Ich hoffe, das ist Ihnen recht.«
»Ja, danke, Petersham«, erwiderte Cathy, bevor Jon etwas sagen konnte. Petersham, der aus langer Erfahrung die Anzeichen eines Sturms im Blick seines Herrn erkannte, beeilte sich, ebenfalls zu verschwinden. Jon starrte noch auf die Tür, nachdem er bereits verschwunden war.
»Eines Tages geht der alte Gauner zu weit«, prophezeite er düster, schnitt aber im nächsten Moment bereits wieder Grimassen, als Cathy ihr Lachen nicht länger unterdrücken konnte.
»Petersham hat recht. Du starrst vor Dreck«, sagte Cathy, als er so tat, als wollte er wieder nach ihr greifen. »Und ich muß mich anziehen. Nachher haben wir noch genug Zeit – für, äh – dafür.«
»Oh, ›dafür‹ heißt das jetzt?« Jon grinste und ignorierte ihre Versuche, ihm auszuweichen und packte sie um die Hüfte. »Und wie kommst du darauf, ich könnte dieses ›Dafür‹ überhaupt wollen?«
Cathy sah ihn durch ihre langen Wimpern an, und ein verschmitztes Grübchen erschien kurz auf ihrer Wange.
»Die Zeichen sind unmißverständlich, mein Liebling«, antwortete sie ernst und entwand sich seinem Griff mit einer schnellen Bewegung. »Aber du wirst eben warten müssen.«
»Und wenn ich nicht warten will?« fragte er herausfordernd, aber Cathy lachte nur und verschwand im Ankleideraum nebenan.
Als sie zurückkehrte, ein himmelblaues Abendkleid über den Arm gelegt, das Teil ihrer neuen Sommergarderobe war, die Jon für sie hatte anfertigen lassen, hatte er es sich bereits in der Wanne bequem gemacht. Cathy sah ihn interessiert an. Sie ließ ihren Blick über seine breiten, nackten Schultern und die behaarte Brust streifen, über seine gestählten, muskulösen Arme, die von der Arbeit in der glühenden Sonne tief gebräunt waren. Seine Knie hatte er fast bis zur Brust angezogen, damit er überhaupt in die Wanne paßte. Wassertropfen schimmerten auf seinem Haar und seiner Haut, und der Wasserspiegel in der Wanne schwappte um seine Hüften und verbarg sein interessantestes Körperteil vor ihrem Blick. Er sah fast etwas lächerlich, aber gleichzeitig liebenswert aus. Cathy lächelte ihn zärtlich an.
»Wasch mir den Rücken«, sagte er heiser, als er sah, wie sie ihn anblickte. Cathy überlegte einen Augenblick schüttelte dann aber den Kopf.
»Ich fürchte um meine Unschuld, Sir«, stichelte sie.
»Feigling«, grunzte er enttäuscht, ergab sich in das Unvermeidliche und begann, seine Brust und Arme einzuseifen. Cathy beobachtete ihn einen Augenblick und spürte, wie sie schwach wurde. Mit seinen sechsunddreißig Jahren war er noch immer der bestaussehendste Mann, den sie je getroffen hatte, größer als die meisten Männer, mit muskulösem Körper und schwarzem Haar, das ihm jetzt in nassen Locken am Kopf klebte. Seine grauen Augen waren von langen, seidenen Wimpern eingerahmt, dem einzigen, weiblichen Anstrich in dem ansonsten männlichen Gesicht. Allein der Anblick seines Mundes, wenn er sich zu einem Lächeln verzog, reichte aus, um ihr Herz höher schlagen zu lassen. Jon blickte wieder auf und interpretierte den Blick korrekt. Er lächelte breit und lehnte sich in der Wanne zurück.
»Komm her, Süßes«, sagte er leise. Cathy errötete und wendete ihren Blick ab.
»Sei nicht albern. Wir haben in weniger als einer Stunde Gäste zum Essen.« Sie beschäftigte sich damit, ihr Kleid auf dem Bett auszubreiten.
»Eine Stunde ist mehr Zeit als genug für das, was ich vorhabe. Meiner momentanen Verfassung nach zu urteilen, wird es nicht einmal eine Viertelstunde dauern.« Jon grinste sie frech an, während ihr wieder die Röte ins Gesicht stieg.
»Ich muß mich anziehen«, gab Cathy nur zurück, aber sogar sie selbst mußte zugeben, daß ihrer Stimme der nötige Nachdruck fehlte.
»Jetzt doch noch nicht.« Jon sprach die Worte aus, während er aufstand. Wasser strömte an seinem Körper hinunter und teilte sich über seiner erigierten Männlichkeit, um anschließend entlang seiner langen Beine hinunterzufließen.
Cathys Augen weiteten sich, und sie begann vor ihm zurückzuweichen, als er aus der Wanne stieg und über den polierten Holzfußboden auf sie zukam. Seine Füße hinterließen riesengroße Pfützen, während er sich ihr näherte.
»Jon, nein!« protestierte sie schwach. »Wir haben Gäste zum Abendessen! Wir haben keine Zeit! Ich will nicht ...«
»Du lügst«, sagte er leise, und seine Arme schossen nach vorne, um sie an den Oberarmen zu packen. »Du willst, und ich will, und, nachdem du meine Frau bist, habe ich vor, das auszunutzen. Also halte den Mund, Weib, und küß mich.«
Er preßte Cathy fest gegen seine nasse Brust, und sie spürte, wie die Feuchtigkeit und die Hitze seines Körpers ihr Kleid durchdrang. Mit einer Mischung aus Freude, Verärgerung und Liebe sah sie ihm ins Gesicht.
»Du bist unmöglich«, sagte sie.
»So sagt man«, murmelte er nur, ihre Lippen trafen sich, und lange Zeit konnte keiner von beiden mehr sprechen. Sein Kuß war eindringlich und zärtlich, erinnerte sie an frühere, gemeinsame Freuden und deutete noch schönere Minuten an. Cathy erwiderte den Kuß. Jeglichen Widerstand hatte sie aufgegeben, und sie verspürte nur noch Verlangen nach ihm. Einladend drängte sie ihren Körper gegen seinen größeren, nackten Körper und erbebte, als sie den Beweis seiner Leidenschaft als Druck gegen ihren Bauch verspürte. Mit geschlossenen Augen nahm sie nichts mehr wahr, außer den Lustgefühlen, die er ihr schenkte und die sie erwidern wollte. Ihre Hände strichen über seinen nackten Rücken, ihre Finger zeichneten die Linie seiner Wirbelsäule nach und liebkosten die Rundungen seines Hinterteils. Sie spürte, wie sich seine Muskeln anspannten und sich sein Atem beschleunigte. Seine Lippen lösten sich von ihren, und als Cathy die Augen öffnete, begegnete sie seinem Blick, der auch ihr Herz höherschlagen ließ.
»Du bist wunderschön«, sagte er mit belegter Stimme. Cathy lächelte.
»Du auch«, erwiderte sie ehrlich. Sofort legten sich seine Lippen wieder auf die ihren. Er hob sie mit seinen kräftigen Armen hoch und legte sie in die Mitte des Bettes. Sein Mund nahm ihren hungrig in Besitz, suchend, forschend, während seine Hände über ihren Körper wanderten und jede weibliche Rundung unter ihrem Kleid fanden. Seine Lippen wanderten jetzt über ihre Wangen, knabberten an ihrem Ohrläppchen und arbeiteten sich dann über den Hals hinunter, bis zum Ansatz ihres Busens, der gerade noch im Ausschnitt ihres Kleids sichtbar war. Cathys Arme schlangen sich um seinen Hals, und sie bedeckte seine Schultern mit einer Reihe von Küssen, während seine Finger damit beschäftigt waren, die zahlreichen Haken zu lösen, mit denen ihr Kleid am Rücken geschlossen war. Zu Anfang bereiteten sie ihm keine Probleme, aber dann schien ihn ein Haken, etwa auf der Hälfte, zu besiegen. Wortlos nahm er den Kampf auf, bis Cathy, die schließlich seine Probleme bemerkte, zu kichern anfing. Jon stützte sich ab und sah ihr ins Gesicht.
»Lachst du mich aus, du Hexe?« grollte er. »Ich werde dir gleich bessere Manieren beibringen.«
Mit diesen Worten langte er nach unten und schob mit gespielter Gewalt den Saum ihres Rockes nach oben, um ihre Hüften. Dann suchten seine Finger die Bändel ihrer spitzenbesetzten Unterhosen, lösten sie, und er begann, sie ihr herunterzuziehen.
»Jon, nicht!« protestierte Cathy. Die Art und Weise, wie er sie nehmen wollte, war ungehörig. Es gehörte sich, daß verheiratete Paare, wenn sie miteinander schliefen, so viel Würde behielten, wie es der Akt an sich zuließ, anstatt am helllichten Tage zu kopulieren, wobei die Frau auch noch halb bekleidet war, wie eine Dirne, die es im Heu mit sich machen ließ!
»Cathy, doch«, antwortete er, während er ihr die Hosen auszog. Sie war nun von der Hüfte abwärts nackt, mit Ausnahme ihrer Bluse und der seidenen Strümpfe, die mit spitzenbesetzten, blauen Strumpfbändern an ihren schlanken Oberschenkeln gehalten wurden. Ein Berg gelber Röcke und weißer Unterröcke bedeckte ihren Oberkörper. Cathy sog scharf die Luft ein und wand sich, als Jons Hand das blonde Dreieck aus Haaren zwischen ihren Beinen berührte. Dann, nachdem er nicht nachgab und seine Finger sie zärtlich zu liebkosen begannen, erbebte ihr ganzer Körper, und sie wurde still.
»Immer noch nein?« neckte er sie nach einer Weile und betrachtete dabei liebevoll ihr gerötetes Gesicht. Cathy spürte die Röte noch intensiver werden, als sie sich seines Blickes bewußt wurde, aber gleichzeitig war es ihr unmöglich, die instinktiven Bewegungen ihrer Hüfte zu stoppen.
»Ich liebe dich«, sagte sie leise, und ihre Augen öffneten sich, um seinem Blick zu begegnen. Jons Gesichtsausdruck veränderte sich, und seine Augen färbten sich vor Leidenschaft dunkler. Ein wohliges Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit.
Jon senkte den Kopf, um ihren Mund in einem Kuß zu verschlingen. Seine Zunge und seine Lippen drückten das aus, was er nicht in Worte fassen konnte. Cathy klammerte sich schamlos an ihn; ihr Körper krümmte sich unter seinem, konnte es kaum erwarten, von ihm in Besitz ergriffen zu werden. Er stöhnte bei jeder Berührung ihres weichen, lebendigen Fleisches, bedeckte ihren ganzen Körper mit seinem eigenen, und seine muskulösen Schenkel zwangen ihre Beine auseinander. Cathy öffnete sie bereitwillig, mit ihren Fingernägeln fuhr sie die Konturen seines schweißnassen Rückens nach, und sie erwiderte seine Küsse mit einer Leidenschaft, die der seinen glich. Mit einem einzigen, harten Stoß drang er in sie ein. Das erregende Gefühl ließ sie beide nach Luft schnappen. Jon begann, sich zu bewegen, schnell zunächst, dann wurde er immer langsamer, hielt inne, um sie zu necken, bis Cathy sich ungeduldig unter ihm aufbäumte, die Augen geschlossen, den Mund geöffnet und schwer atmend.
»Jon, Jon, Jon«, stöhnte sie seinen Namen wieder und wieder, ohne es selbst zu wissen. Ihre Hände preßten sich immer wieder gegen seinen Rücken, um ihn dazu zu bewegen, schneller zu werden. Schließlich, als sie schon glaubte, sie könnte es nicht länger ertragen, entzog er sich ihr fast vollständig. Cathy drängte sich gegen ihn und öffnete in stillem Protest die Augen. Er beobachtete sie, und seine Augen schienen voller Feuer, als sie ihr Verlangen wahrnahmen.
»Willst du mich?« fragte er heiser.
»Ja, o ja!« erwiderte Cathy, fast wahnsinnig vor Verlangen. Immer und immer wieder bäumte sich ihr Körper gegen seinen auf. Mit einem erstickten Stöhnen drang er wieder tief in sie ein. Cathy schrie auf, hielt ihn fest, während sich seine Arme wie eine Klammer um ihren Körper legten. Sie spürte, wie er in ihr zu beben begann und gab sich selbst ihrem Höhepunkt hin.
Es dauerte einige Zeit, bis Cathy wieder klar denken konnte. Ihr Herzschlag hatte sich langsam wieder beruhigt, und ihr Atem normalisiert. Jon lag noch immer auf ihr, und sein gewaltiger Körper erdrückte sie fast. Sein Kopf lag neben ihrem auf dem Kissen. Sie drehte ihren Kopf, um ihn anzusehen, und zeichnete seine Gesichtszüge zärtlich mit einem Finger nach. Bei der Berührung öffneten sich seine Augen und er sah sie an.
»Weib«, sagte er voller Zufriedenheit und küßte die schlanken Finger, die sie an seine Lippen legte.
Cathy lächelte ihn an und öffnete den Mund, um ihn bezüglich seines Widerwillens, die drei Worte zu sagen, die sie gerne hören würde, zu ärgern. Während der seltenen Gelegenheiten, wenn er tatsächlich schaffte, ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte, wirkte er immer fast schüchtern, ja betreten, daß er so etwas zugeben mußte. Jon gehörte in die harte, wilde Welt rauher Männer; zuzugeben, daß er ein Gefühl wie Liebe verspürte, war für ihn nicht leicht. Aber er hatte ihr seine Liebe immer wieder in Taten bewiesen, und Cathy war es genug.
»Hast du ...« begann sie, und wollte eigentlich hinzufügen: »... mir nichts zu sagen«, als es laut an die Tür klopfte. Cathy erschrak, als hätte man sie gerade bei einer unanständigen Sache ertappt. Jon grinste sie an.
»Mach dir keine Sorgen, Liebling, was wir gerade getan haben, ist absolut in Ordnung.« Damit küßte er sie noch einmal und schwang sich anschließend vom Bett. »Wir sind schließlich verheiratet, oder hattest du das schon vergessen?«
»Hör endlich auf«, sagte Cathy.
Wieder klopfte es, diesmal noch eindringlicher. Cathy ließ sich vom Bett gleiten, beeilte sich, ihre Röcke zu ordnen und hob ihre Hände in dem erfolglosen Versuch, ihr Haar etwas zu bändigen, dessen goldene Locken in alle Richtungen standen. Jon, noch immer nackt, wie am Tage seiner Geburt, und die Hände in die Hüften gestützt, beobachtete ihre Bemühungen, und ein Lächeln spielte um seinen Mund.
»Du siehst aus, als seist du gerade aufgestanden«, meinte er frech. Cathy starrte ihn an.
»Miß Cathy?« Die Stimme auf der anderen Seite der Tür gehörte Martha, wie Cathy es schon vermutet hatte. »Miß Cathy, es ist schon fast acht Uhr, und Ihre Gäste werden bald hier sein. Soll ich Ihnen beim Ankleiden behilflich sein?«
Jon mußte leise lachen, als Cathy, noch immer damit beschäftigt, ihr Haar in Ordnung zu bringen, losging, die Tür zu öffnen. Bevor sie sie erreicht hatte, war er bereits im Ankleideraum verschwunden. Während sie Martha hereinließ, hörte sie, wie er nach Petersham rief.
Marthas Augen schienen zu lachen, als sie nacheinander Cathys gerötetes Gesicht, den Zustand ihres Kleides, die halb leere Badewanne, die Pfützen auf dem Boden und schließlich das Durcheinander auf dem Bett sah. Aber diesmal besaß die Frau soviel Taktgefühl, zu schweigen. Ohne einen weiteren Blick in Cathys Richtung, ging sie hinüber zum Bett, strich die Laken wieder glatt, nahm Cathys Unterhosen und warf sie in einen Korb für Schmutzwäsche, um dann mit versteinertem Gesichtsausdruck zum Fußende des Bettes zu marschieren. Verwirrt sah Cathy zu, wie Martha sich abmühte, etwas zwischen Matratze und Fußende vorzuziehen.
»Mein Kleid!« rief sie entsetzt aus, als sie den zerknitterten Stoff erkannte, den Martha gerade ausschüttelte.
»Ich nehme nicht an, daß Sie das Kleid heute anziehen werden. Und das ist auch ganz gut so, wenn es wieder eines dieser unanständigen Kleider ist, die sie sich erst haben machen lassen.«
»Sie sind nicht unanständig!« verteidigte Cathy sicher schon zum hundertsten Male ihre Kleider. »Daß sie so tief ausgeschnitten sind, liegt an der neuen Mode! Und du brauchst dich gar nicht zu freuen, Martha. Ich ziehe einfach ein anderes meiner neuen Kleider an, und die sind alle tief ausgeschnitten!«
»Miß Cathy, manchmal sind Sie wirklich unmöglich!« schimpfte Martha, während sie das zerknitterte Kleid beiseite räumte. Cathy ignorierte sie und wusch sich Gesicht und Hände mit dem kalten Wasser aus der Karaffe, die sich auf dem Waschtisch neben dem Bett befand.
Martha schwieg verärgert, während sie Cathy beim Ausziehen half, und sie ließ sich nicht einmal dazu herab, eine Bemerkung loszulassen, daß sie bereits halb ausgezogen war. Nachdem sie Martha losgeschickt hatte, ein anderes ihrer auffälligen Kleider zu holen, setzte sich Cathy an ihren Frisiertisch und begann, ihre Haare zu bürsten. Bevor sie noch große Fortschritte gemacht hatte, kam Martha bereits mit dem Kleid zurück, breitete es auf dem Bett aus und nahm Cathy die Bürste aus der Hand. Ohne ein Wort zu sagen, begann sie, Cathys langes Haar zu bürsten.
»Cathy, hast du mein Rasiermesser gesehen? Ich kann es nirgends finden.«
Jon stand in der offenen Tür zwischen Schlafzimmer und Ankleideraum, eine Schulter lässig gegen den Türrahmen gelehnt. Er trug seinen prächtigen, roten Brokat-Morgenmantel, den Cathy ihm zu ihrem ersten Hochzeitstag geschenkt hatte. Rasierschaum bedeckte das untere Drittel seines Gesichts.
»Ich habe es mir ausgeborgt«, gestand sie schuldbewußt und drehte sich zu ihm um. Jon richtete sich auf und kam weiter ins Zimmer.
»Du hast es dir ausgeborgt? Wozu denn?« Er klang überrascht.
Cathy warf einen schnellen Blick über die Schulter zu Martha. Wenn sie jetzt die Wahrheit sagte, würde Martha noch stundenlang schimpfen; Marthas Vorstellungen davon, was sich für eine Dame aus gutem Hause gehörte, und was nicht, waren äußerst strikt. Die Frau beäugte sie bereits äußerst mißtrauisch, während Jon interessiert auf eine Antwort wartete.
»Ich habe mir die Beine rasiert.« Cathy warf jede Vorsicht über Bord und gestand es mit gesenktem Kopf. »Laut Godey’s Ladies’ Book gehört das zur neuen Mode mit den Seidenstrümpfen.«
Die Reaktion auf diese Erklärung kam augenblicklich. Martha schien förmlich zu wachsen, während Jon nur grinste.
»Ich kann nicht behaupten, einen Unterschied bemerkt zu haben«, murmelte er unverschämt, und er schien sich köstlich zu amüsieren, als er sich sein Eigentum zurückholte, das Cathy ihm entgegenhielt.
»Miß Cathy, haben Sie denn überhaupt kein Schamgefühl?« brach es aus Martha heraus, sobald sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. »Was würde Ihre Mutter nur dazu sagen? Die einzigen Damen, die so etwas tun sind – sind keine Damen!«
Jon grinste breit und verschwand wieder im Ankleidezimmer. Er fand Marthas Schimpftiraden herrlich. Und sie genießt es ebenfalls, dachte Cathy wütend.
»Martha, hör endlich auf«, fuhr sie sie schließlich an. »Ich bin jetzt eine verheiratete Frau und kann tun und lassen, was ich will.«
»Eine verheiratete Frau!« gab Martha zurück. »Ja, das sind Sie, das ist aber auch alles! Ich muß schon sagen, ich bin überrascht, daß Master Jon es zuläßt, wie Sie sich benehmen. Er verhätschelt Sie, jawohl, das ist es. Jeder anständige Ehemann würde mit der Faust auf den Tisch schlagen. Das Bad zu parfümieren ist schon genug – jawohl, Miß, ich kann es an ihnen riechen, glauben Sie also nicht, Sie könnten mich täuschen – aber daß Sie Ihre Beine rasieren ...! Aber was soll man schon anderes erwarten, wenn ich es einmal sagen darf!«
Sie lauschte dem Wortschwall schweigend, während Martha ihre Haare in Ordnung brachte. Als sie damit fertig war, schob Cathy den Stuhl zurück und erhob sich. Martha, die noch immer vor sich hin schimpfte, holte das umstrittene Abendkleid vom Bett.
»Stehen Sie still«, befahl sie Cathy und warf ihr das Kleid gekonnt über den Kopf, ohne auch nur eine Locke ihres Haars zu verschieben. Sie strich das Kleid glatt, zupfte hier und dort und stellte sich dann hinter Cathy, um es hochzustecken. Während der ganzen Zeit hielt sie die Lippen fest aufeinander gepreßt.
»Und glauben Sie ja nicht, ich wüßte nichts von ihrem Gesichtspuder im Frisiertisch«, platzte sie auf einmal heraus, gerade als Cathy geglaubt hatte, die Standpredigt sei vorbei. Cathy seufzte. Das war das Problem mit Dienstpersonal, das einen schon seit der Wiege kannte. Aber andererseits wußte sie, daß sie die Frau schrecklich vermissen würde, müßte sie je ohne sie zurechtkommen.
Als alles fertig war, begutachtete sich Cathy in ihrem großen Spiegel, während Martha ihr grimmig zusah. Cathy ignorierte Marthas Blick und inspizierte kritisch ihre Erscheinung. Das Kleid war wirklich etwas extrem, mußte Cathy sich insgeheim eingestehen, wenn es auch keinen zehn Pferden gelingen würde, ein solches Geständnis aus ihr herauszupressen. Es entblößte ihre runden Schultern, den Hals in einer geraden Linie und schien nur von den Wölbungen ihrer Brüste oben gehalten zu werden. Als Tüpfelchen auf dem i legte Cathy noch eine lange Perlenkette an, die zweimal um ihren Hals geschlungen wurde, und ein Paar dazu passende Ohrringe. Als sie einen Schritt zurück machte, dachte sie, daß sie nie hübscher ausgesehen hatte, aber trotzdem kam es ihr so vor – auch wenn sie es sich nur widerwillig eingestand – als wäre etwas zuviel Haut zu sehen.
»Eine Winzigkeit zu – äh – auffällig, meinst du nicht?« Jon hatte das Ankleidezimmer verlassen, und nun stand er hinter ihr und legte seine Hände leicht auf ihre Schultern, während er ihr Spiegelbild betrachtete. »Hast du vielleicht etwas vergessen? Möglicherweise eine Bluse?«
»Sehr witzig«, gab Cathy zurück, wobei ihr durch den Kopf ging, wie gut er in seinem formellen, dunklen Abendanzug aussah. »Du klingst von Tag zu Tag mehr wie ein braver Ehemann. Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, da hättest du dich in dieses Kleid verliebt.«
»Du hast mich falsch verstanden, Liebes. Mir – äh – gefällt das Kleid sehr gut. Was mir nicht gefällt, ist der Gedanke daran, daß unsere männlichen Gäste ihren Blick nicht von meiner Frau werden abwenden können.« Bei diesen Worten warf er einen kurzen Seitenblick auf Martha, die stumm zugehört hatte, und deren Blick mehr als tausend Worte ausdrückten, wie sehr sie seinen Worten zustimmte. »Pflichtest du mir nicht bei, Martha?«
»Um Himmels Willen, laß sie nicht schon wieder damit anfangen! Ich höre seit Wochen nichts anderes mehr von ihr!« Cathy mußte halb lachen, als sie sich vom Spiegel abwandte. »Vielleicht möchte sich Captain Hale einmal daran erinnern, daß du es warst, der darauf bestanden hat, mir eine neue Sommergarderobe anfertigen zu lassen, sogar gegen meinen Wunsch, wenn mir die Bemerkung gestattet ist. Solltest du den Stil für zu ausgefallen halten, mußt du die Schuld schon bei dir selbst suchen. Abgesehen davon, findest du nicht, daß ich hübsch aussehe?«
»Sehr hübsch«, stimmte er ihr gelangweilt zu. »Und es liegt mir fern, der Mode im Wege zu stehen. Aber bitte beklage dich nicht, wenn der alte Mr. Graves seine Suppe über sein Hemd verschüttet, nur weil er den Blick nicht von dir wenden kann.« Dabei strich er ihr mit einem Finger über den Nacken.
Cathy lachte, stellte sich auf Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuß auf den Mund.
»Na, was habe ich dir gesagt? Jon stellt sich nicht so an«, sagte sie triumphierend zu Martha gewandt. Die alte Frau rümpfte nur die Nase.
»Wie ich schon sagte, er verhätschelt Sie. Ich hoffe nur, er muß es nicht eines Tages bereuen.« Die letzte Bemerkung hatte sie nur vor sich hingemurmelt, aber, wie beabsichtigt, war sie unüberhörbar. Cathy beschloß würdevoll, sie zu ignorieren. Jon lächelte Martha an und folgte Cathys Beispiel.
Von unten waren die Stimmen der ersten Gäste zu hören. Cathy griff eilig nach ihren Handschuhen und ihrem Fächer. Dann umarmte sie Martha schnell und versöhnlich, bevor sie sich bei Jon unterhakte.
Außer von Mr. Graves, einem älteren Gentleman, dem die Plantage gehörte, die sich Woodham anschloß, wurden sie unten, im Empfangszimmer, von dessen Frau Ruth und seiner Tochter Millicent erwartet. Cathy mochte Mr. und Mrs. Graves sehr gerne, denn sie hatten alles unternommen, um es den Hales zu erleichtern, sich hier einzuleben. Millicent jedoch war ein Thema für sich. Sie war fast dreißig, völlig unscheinbar und nicht verheiratet. Sie kleidete sich wie ein junges Mädchen und lächelte ständig geziert, in dem Versuch, jugendlich zu wirken. Was Cathy jedoch am meisten ärgerte, war, daß Millicent keine Gelegenheit verstreichen ließ, Jon schmachtende Blicke zuzuwerfen. Es sprach für Jon, daß er das Ganze einfach ignorierte.
Nachdem Cathy diese ersten Gäste begrüßt hatte, trafen nach und nach auch die anderen Gäste ein. Nach kurzer Zeit war der Raum mit den Gesprächen der Leute erfüllt. Cathy und Jon trennten sich, mischten sich unter die Gäste und wechselten ein paar nette Worte mit den Neuankömmlingen.
Das Abendessen verlief ohne Zwischenfälle, obwohl Cathy ihr Lachen nur mit Mühe unterdrücken konnte, als Mr. Graves, wie Jon es vorhergesagt hatte, sich die Suppe über sein weißes Rüschenhemd kippte. Cathy blickte zu Jon hinüber, sah, wie seine Lippen zuckten und beeilte sich, wieder wegzusehen. Die nächsten paar Minuten konzentrierte sie sich auf Gerald Bates, einen Mann im Alter ihres Gatten, der zu ihrer Linken saß. Bis sie sich wieder Mr. Graves zuwenden konnte, war der Drang zu lachen verschwunden.
Nach dem Essen verließen die Damen die Gentlemen, damit diese ihre Zigarren und ihren Brandy in Ruhe genießen konnten, und zogen sich in den Salon zurück, um Tee zu trinken, und sich zu unterhalten. Etwa eine halbe Stunde später gesellten sich die Herren wieder zu ihnen. Als sie den Raum betraten, war ihnen sofort anzusehen, daß sie mehr getrunken hatten, als sich gehörte. Gerald Bates lachte eine Kleinigkeit zu lautstark, und die Gesichter einiger der anderen Gentlemen waren gerötet. Jon lächelte weltmännisch, wie immer. Cathy wunderte sich immer wieder, wieviel er vertragen konnte. Sie hatte ihn nur ein einziges Mal betrunken erlebt, und das war bei Crays Geburt gewesen. Aber laut Petersham hatte Jon damals genug Whisky in sich hineingeschüttet, um ein ganzes Pferdegespann flachzulegen, bevor es sich bei ihm bemerkbar gemacht hatte.
Cathy warf Jon einen mißbilligenden Blick zu, daß er es zugelassen hatte, daß ihre Gäste so viel getrunken hatten. Er interpretierte ihren Blick richtig und setzte im nächsten Augenblick einen so zerknirschten Gesichtsausdruck auf, daß sie unwillkürlich lächeln mußte. Er belohnte ihr Nachgeben mit einem schiefen Grinsen, von dem er wußte, daß sie ihm nicht widerstehen konnte. Als sie ihn immer noch ernst anstarrte, machte er Anstalten, auf sie zuzukommen.
»Würden Sie uns etwas vorspielen, Lady Cathy?« Gerald Bates’ laute Stimme stoppte ihn. Cathy wollte die Frage eigentlich verneinen, aber ihr fiel keine vernünftige Entschuldigung ein. Stattdessen lächelte sie ihre Gäste an, ging zu dem kleinen Flügel in der Ecke des Zimmers hinüber und setzte sich auf die gepolsterte Bank.
»Was möchten Sie denn gerne hören?« Cathy wandte den Kopf und lächelte zu der versammelten Gesellschaft hinüber. Nachdem sie ihr versichert hatten, daß ihnen alles gefallen würde, was sie spielte, begann Cathy mit den rhythmischen Klängen eines Walzers. Gerald Bates kam herüber und lehnte sich gegen den Flügel, wobei er sie unverhohlen anstarrte. Als sie spürte, wie sein Blick über die nackte Haut wanderte, die von ihrem Kleid nicht bedeckt wurde, begann sie, sich inständig zu wünschen, er möge fortgehen. Wenn er sie weiterhin so anstarrte, würde es Ärger geben. Jon war äußerst besitzgreifend, wenn es um etwas ging, was er als sein Eigentum betrachtete, und Cathy betrachtete er zweifellos als sein Eigentum. Wenn er es bemerkte – und wie konnte er es nicht bemerken? – die Art, wie Gerald sie anstarrte, würde ihm ganz und gar nicht gefallen. Und wenn er dazu gedrängt wurde, war Jon durchaus in der Lage, Gerald eins zu verpassen, ob er nun Gast im Hause war oder nicht.
Cathy beendete den Walzer, dankbar, daß er vorüber war. Aber noch ehe sie sich erheben konnte, spürte sie, wie sich weicher Kaschmir auf ihre Schultern legte. Erschrocken drehte sie sich um und entdeckte Jon hinter sich, der Gerald mit einem Lächeln ansah, das man bestenfalls als angriffslustig interpretieren konnte.
»Ich dachte mir, dir ist vielleicht etwas kühl«, sagte er und schenkte ihr seine ganze Aufmerksamkeit, nachdem er sicher war, daß Gerald begriffen hatte.
»Danke, Liebling«, erwiderte Cathy schwach, schlang den Schal fester um ihre Schultern, damit er die Blöße ihres Ausschnitts verbarg und erhob sich, als sich Gerald leise davon machte. »Es war in der Tat etwas kühl.«
Sie ergriff Jons Arm, ließ sich zu ihrem Stuhl zurückführen und beglückwünschte ihn insgeheim zu seiner Selbstbeherrschung. Er konnte ungemein eifersüchtig sein, was Cathy ihm gerne nachsah, denn sie wußte, daß es seiner tief verwurzelten Unsicherheit im früheren Umgang mit Frauen entsprang. Aber sie hoffte, daß sie ihn irgendwann davon würde überzeugen können, daß ihre Liebe für ihn unerschütterlich war. Seine Selbstbeherrschung angesichts der heutigen Provokation gab guten Anlaß zur Hoffnung.
Während der nächsten vierzig Minuten wich Jon ihr nicht von der Seite. Cathy mußte lächeln, als ihr auffiel, wie Gerald sich anstrengte, ihnen aus dem Weg zu gehen. Aber sie mußte zugeben, daß er gut beraten war, so zu handeln. Jon konnte ein gefährlicher Gegner sein.
»Miß Cathy. « Petersham stand auf einmal neben ihr. Cathy blinzelte, als sie zu ihm aufblickte. In Gedanken war sie eben meilenweit entfernt gewesen.
»Was gibt es denn, Petersham?« Cathys erster Gedanke war, Cray könnte erkrankt sein. Nichts Geringeres konnte Petersham dazu bewegen, sie zu stören, wenn sie Gäste hatten.
»Es ist ein Mann mit einem Brief für Sie eingetroffen, Miß Cathy. Er sagt, es sei dringend.«
»Ein Brief?« wiederholte Cathy und spürte, wie ihr Herz plötzlich zu pochen begann. Ein dringender Brief konnte nur schlechte Nachrichten bedeuten. Mit ein paar Worten der Entschuldigung erhob sie sich und folgte Petersham in die Halle. Wie er gesagt hatte, wartete dort ein Mann auf sie. Cathy schenkte seinen Erklärungen kaum Aufmerksamkeit, sondern nahm mit zitternden Händen den Brief entgegen, riß ihn auf und überflog den Inhalt. Während sie las, wurde sie kalkweiß im Gesicht.
»Was ist passiert, Liebling?« Jon stand in der Tür und runzelte die Stirn, als er in Cathys Gesicht zu lesen versuchte. Sie sah zu ihm auf, die Augen voller Trauer.
»O Jon, es ist – es ist Papa«, brachte sie heraus, warf sich ihm in die Arme und spürte, wie sie sich tröstend um sie schlossen. »Sie schreiben, er liegt im Sterben! Ich muß sofort zu ihm!«
England war weitaus kühler als South Carolina, das war aber auch der einzige Vorteil, den Cathy finden konnte. Es regnete, als sie durch die Straßen fuhren; es war ein ungemütliches, nicht enden wollendes Nieseln, wie es im Spätseptember typisch für London war. Cathy, die, mit Cray auf dem Schoß, Martha gegenüber in der gemieteten Kutsche saß, fröstelte es, und sie zog ihren pelzbesetzten Mantel fester um ihre Schultern. Das ständige Klappern der Hufe auf den gepflasterten Straßen, das Klatschen der Wagenräder, wenn sie durch die zahllosen Pfützen rollten, schienen ihr die einsamsten Klänge der Welt zu sein. Riecht es denn im ganzen Land nach Würmern? fragte sich Cathy trübsinnig. Sie versuchte etwas Trost zu finden, indem sie Cray noch fester an sich drückte. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als bei Jon zu sein.
Er hatte natürlich auf Woodham bleiben müssen. So kurz vor der Baumwollernte wäre es verantwortungslos von ihm gewesen, die Plantage zu verlassen. Cathy wußte das, hatte es ihm sogar selbst erklärt, als er vorgeschlagen hatte, sie zu begleiten. Aber der wahre Grund, der Grund, der Cathy dazu gebracht hatte, ihn förmlich zu beschwören, zu Hause zu bleiben, war ein anderer: In England war Jon ein entflohener Sträfling, verurteilt wegen Freibeuterei und Mord. Wenn man ihn schnappte, würde man ihn kurzerhand aufhängen.
»Die Kutsche hat angehalten, Miß Cathy.« Zum ersten Mal, seit sie sich vor fast einer Stunde von den Docks auf den Weg gemacht hatte, sprach Martha wieder. Der Klang ihrer Stimme holte Cathy in die Gegenwart zurück. Sie lehnte sich vor, um aus dem Seitenfenster zu sehen, wobei sie mit der blanken Hand über die beschlagene Scheibe wischte. Von außen sah das Stadthaus ihrer Tante Elizabeth, Lady Stanhopes, am Grosvenor Square, noch genauso aus, wie zwei Jahre zuvor. Mit seinen drei Stockwerken, den roten Ziegelsteinen und dem fein geschmiedeten, schwarz gestrichenen Zaun, der die Straße vom Grundstück trennte, war das Haus ebenso imposant wie die Lady selbst. Und Cathy konnte sich nur zu gut an den einen, früheren Besuch erinnern, bei dem sie gelernt hatte, daß es im Innern des Hauses genauso korrekt zuging, wie es von außen aussah. Formell und steif waren nicht nur die Umgangsformen, ebenso waren auch die Möbel. Cathy hatte während ihrer Schwangerschaft mit Cray hier fast drei Monate zugebracht und war sich dabei von ihrem Gatten richtig verlassen vorgekommen. Jede Erinnerung an jenen Besuch war unangenehm.
»Steigen Sie aus, Lady?« Die rauhe Stimme des Droschkenfahrers, der die Tür geöffnet hatte und dem das Wasser von der Hutkrempe tropfte, riß sie aus ihren Träumen. Sie reichte Cray, der endlich eingeschlafen war, Martha hinüber und erhob sich. Martha war sichtlich erbost über das ungehörige Benehmen des Kutschers. Cathy, die keine Lust hatte, sich auch noch einen Streit anzuhören, warnte sie nur mit einem stummen Blick.
Nachdem sie ausgestiegen waren, nahm sich der Kutscher, der darauf bestanden hatte, im Voraus bezahlt zu werden, gerade noch die Zeit, ihre Koffer auf die Straße zu werfen, bevor er wieder auf den Kutschbock kletterte und davonfuhr. Verärgert starrte Cathy den Berg Gepäck am Straßenrand an, während ihre Kleidung langsam vom Regen durchweicht wurde. Dann zuckte sie resigniert mit den Schultern, wandte sich von dem bedrückenden Anblick ab und marschierte mit festen Schritten zur Tür.
»Guten Abend, Milady«, sagte Sims, der Butler, als er auf ihr kurzes Klopfen öffnete. Er schien nicht erstaunt zu sein, sie hier zu sehen. Cathy nahm an, ihre Tante hatte vermutet, sie würde kommen und das Personal entsprechend instruiert. Sie hatte keine Zeit gehabt, den schicksalhaften Brief zu beantworten, ehe sie sich sofort auf den Weg machte.
»Guten Tag, Sims.« Cathys Antwort war ebenso gleichgültig. Der Butler öffnete die Tür weit, und sie lief an ihm vorbei und betrat den Marmorfußboden der Empfangshalle, dicht gefolgt von Martha mit Cray. Martha und Sims warfen sich eisige Blicke zu als sie aneinander vorbeiliefen. Sie hatten sich während des gesamten letzten Aufenthalts bekriegt.
»Lady Stanhope hält sich im kleinen Salon auf, Milady«, informierte Sims sie mit seiner Totengräberstimme.
»Und mein Vater?« fragte Cathy leise.
»Er ist oben, im grünen Zimmer, Milady. Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, daß sich sein Zustand nicht gebessert hat. Darf ich Ihnen sagen, wie leid es uns allen tut, daß so etwas mit Sir Thomas geschieht, Milady.«
»Danke, Sims. Ich werde sofort zu ihm hinaufgehen. Bitte zeigen Sie Martha, wo wir schlafen werden, und lassen Sie unsere Sachen hereinbringen. Ich fürchte, sie werden völlig durchnäßt sein.«
»Sehr wohl, Milady.« Mit keiner Miene ließ sich Sims seine Überraschung ob Cathys fehlender Manieren anmerken. Korrekterweise hätte sie zunächst ihre Tante, die ja schließlich ihre Gastgeberin war, begrüßen und vielleicht eine Tasse Tee mit ihr trinken müssen, bevor sie nach oben ging. Cathy war sich des Bruchs der Etikette durchaus bewußt, aber in Wahrheit fühlte sie sich im Augenblick nicht in der Lage, ihrer Tante zu begegnen. Seit Jon sie in einer verschneiten Januarnacht vor fast zwei Jahren aus dem Haus entführt hatte, war sie Lady Stanhope nicht mehr begegnet, und sie konnte sich nicht vorstellen, daß ihre Tante sehr erpicht darauf war, sie willkommen zu heißen. Nachdem sich nach der berüchtigten Entführung durch den Piraten auch noch eine Schwangerschaft angebahnt hatte, kam ihr erstes Erscheinen in der Londoner Gesellschaft einem Skandal gleich. Die Geschichte, die ihr Vater und ihre Tante in Umlauf gebracht hatten, in der sie sie zur trauernden Witwe erklärten, die bereits zum Zeitpunkt der Entführung durch die Piraten das Kind ihres verstorbenen Gatten unter dem Herzen trug, nahm ihnen keiner ab. Und dann mußte sie auch noch verschwinden, gerade als das Gerede nachzulassen begann ...! Cathys Lippen begannen zu beben, und sie mußte ein Grinsen unterdrücken. Wie hatte Lady Stanhope das wohl erklärt?
»Meine Liebe!« Cathys Vorhaben, direkt nach oben zu gehen, ohne erst ihre Tante zu begrüßen, schlug fehl, denn diese betrat gerade die Eingangshalle. Noch ehe Cathy begriff, wie ihr geschah, versank sie in einer Umarmung, die von einer Wolke von Parfüm begleitet war. Was für einen Empfang sie auch erwartet hatte, es war mit Sicherheit nicht dieser!
»Hallo, Tante Elizabeth«, murmelte Cathy höflich, als sich die Umarmung schließlich wieder löste, und gab ihrer Tante einen Kuß auf die Wange, die diese ihr zu diesem Zweck entgegenstreckte. »Es ist schön, dich zu sehen.«
»Oh, meine Liebe!« Lady Stanhopes Stimme war emotionsgeladen. Cathy blinzelte. Ihre Tante war sonst immer reserviert gewesen, eine kalte, majestätische Lady, die sich nur für zwei Dinge interessierte: ihren Sohn Harold, der nach dem Tod seines unglücklichen Vaters den Titel Lord Stanhope geerbt hatte, und ihre Stellung in der Gesellschaft. Vielleicht stand sie ihrem einzigen Bruder doch näher, als Cathy es vermutet hatte. Zumindest war das der einzige Grund, der Cathy einfiel, der eine solche Sinnesänderung verursachen konnte.
»Wie ich sehe, hast du das Kind mitgebracht.« Lady Stanhopes Gesichtsausdruck war irgendwie seltsam, als ihr zum ersten Mal Martha aufzufallen schien, die den noch immer schlafenden Cray im Arm hielt. Beim Tonfall ihrer Stimme hob sich Cathys Kinn. Für Lady Stanhope und ihren Sohn würde Cray immer eine Schande darstellen. Allein der Gedanke daran brachte Cathys Blut zum Kochen.
»Natürlich habe ich meinen Sohn mitgebracht! Sollte dir das nicht recht sein, können wir uns gerne ein Zimmer in einem Gasthof nehmen.« Ihre Stimme klang eisig. Lady Stanhope war sichtlich schockiert. Dieses selbstsichere Wesen besaß keinerlei Ähnlichkeit mit dem schüchternen, jungen Mädchen, das bereits einmal unter ihrem Dach gewohnt hatte!
»Nein, nein, davon will ich nichts hören! Du bist hier herzlich willkommen! Außerdem willst du sicherlich in Thomas’ Nähe sein!«
Cathy überlegte einen Augenblick und senkte dann den Kopf. Lady Stanhopes leichte Betonung auf dem »du«, als sie sagte, sie seien herzlich willkommen, war ihr nicht entgangen. Aber im Augenblick war das Wohlergehen ihres Vaters wichtiger als ihr Stolz.
»Danke, Tante. Und jetzt möchte ich gerne Vater sehen, wenn es dir nichts ausmacht. Und ich wäre dir dankbar, wenn du Sims bitten könntest, Martha ein Schlafzimmer zu zeigen. Wie du siehst, schläft mein Sohn bereits.«
»Aber ja, meine Liebe, natürlich«, stimmte ihr Lady Stanhope eilig zu. Dann schien sie zu zögern. »Da gibt es etwas Dringendes, was ich mit dir besprechen müßte, Cathy. Vielleicht könnten wir uns erst unterhalten, und du gehst dann zu Thomas. Schließlich gibt es nichts, was du für ihn tun könntest.«
»Ich würde lieber erst meinen Vater sehen, falls du gestattest. Ich bin sicher, es gibt nichts, was nicht noch etwas warten kann.«
»Ja, ja, ich denke, du hast recht«, murmelte Lady Stanhope, ohne große Überzeugung. »Es gibt jedoch etwas, Cathy, was du wissen solltest ...«
»Später, Tante, bitte«, erwiderte Cathy mit fester Stimme, wandte sich ab und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Martha folgte ihr mit Cray, und Sims, der erst noch einen fragenden Blick zu seiner Herrin geworfen hatte, bildete den Abschluß. Lady Stanhope blickte ihnen stirnrunzelnd nach.
»Miß Cathy! O Miß Cathy, daß Sie gekommen sind!« rief Mason, der Hausdiener ihres Vaters aus, als er die Tür zum Grünen Zimmer auf ihr Klopfen hin öffnete. Der kleine Mann strahlte, und seine Augen schimmerten verdächtig feucht, als er das Mädchen begrüßte, das er schon von seiner Wiege an kannte. »Sir Thomas wird überglücklich sein, Miß Cathy.«
»Dachtest du tatsächlich, ich würde nicht kommen, Mason?« fragte sie leise, während er zur Seite trat, um sie ins Zimmer zu lassen.
»Ich hatte keinen Zweifel daran, Miß Cathy. Es war Lord Stanhope, der dachte, Sie würden nicht kommen.«
»Nun, da hat sich Lord Stanhope getäuscht, wie so oft.« Cathys Stimme klang etwas spitz. Sie hatte Harold noch nie besonders leiden können und wußte, daß dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. »Wie geht es meinem Vater?«
»Nicht sehr gut, Miß Cathy, auch wenn ich es nicht gern sage«, meinte Mason traurig, und seine Stimme verwandelte sich in ein Flüstern, als er ihr hinterherlief und neben dem gewaltigen Bett stehenblieb. »Er hatte sich schon eine geraume Zeit lang nicht besonders gut gefühlt – er hat Sie vermißt, sagte er immer – und kam zu den Pferderennen nach London. Der Anfall kam ganz plötzlich. Hier, in diesem Raum. Seine ganze linke Seite ist gelähmt, Miß Cathy, und er ist selten länger als eine Viertelstunde am Stück wach. Es ist schlimm, einfach furchtbar.«
Cathy nickte nur und verspürte einen Kloß im Hals, der sie nicht sprechen ließ. Als sie auf die gebrechlichen Umrisse, die unter der Decke kaum auszumachen waren und zu ihrem einst gutaussehenden, kräftigen Vater gehörten, hinunterblickte, spürte sie, wie sich ihr Herz verkrampfte. Sein Haar, das früher ebenso golden wie ihr eigenes gewesen war, wies nun graue Stellen auf, und das Gesicht auf dem Kissen war eingefallen und bleich. Er sieht schrecklich alt aus, ging es Cathy durch den Kopf, und zum ersten Mal gestand sie sich die Möglichkeit ein, daß er sterben konnte. Während der ganzen Fahrt über den Atlantik hatte sie sich geweigert, überhaupt daran zu denken, hatte sie sich immer wieder eingeredet, daß es nur ihrer liebevollen Pflege bedurfte, um ihn wieder gesund zu machen. Jetzt mußte sie einsehen, daß es schlimmer um ihn stand, als sie gedacht hatte.
»O Papa!« brach es aus ihr heraus. Sie ließ sich neben dem Bett auf die Knie sinken und tastete nach der ausgemergelten Hand ihres Vaters. »Papa, ich bin es, Cathy. Ich bin hier, Papa.«
Die geschlossenen Augenlider öffneten sich einen Augenblick lang, und die leeren, blauen Augen schienen sie zu sehen.