Die geprellte Gesellschaft - Bastian Brinkmann - E-Book

Die geprellte Gesellschaft E-Book

Bastian Brinkmann

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  • Herausgeber: DVA
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Google, Apple, Hoeness & Co. - Wie Steuerflucht unsere Gesellschaft untergräbt

Mit schöner Regelmäßigkeit werden prominente Steuersünder enttarnt. Doch diese Fälle sind harmlos im Vergleich zum Verhalten von Konzernen wie Google, Amazon & Co., die Steueroasen in der Schweiz oder der Karibik nutzen, während in den Ländern, in denen sie ihre Umsätze erwirtschaften, das Geld für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur fehlt. Die sogenannte Steuergestaltung ist ein Millionenspiel, das sehr wenige reich macht – und den großen Rest ärmer. Damit muss Schluss sein, meint Bastian Brinkmann. In seinem Buch enthüllt der Wirtschaftsjournalist die Tricks der Reichen und Konzerne und zeigt auf, warum der Staat nicht länger tatenlos zuschauen darf, wie er um sein Geld geprellt wird. Denn, so Brinkmann, schwerer als der finanzielle Schaden wiegen die ideellen Kosten: Massenhafte Steuerflucht stellt das Fundament unserer Gesellschaft in Frage.

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Seitenzahl: 320

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Bastian Brinkmann

DIE GEPRELLTE GESELLSCHAFT

Warum wir uns mit der Steuerflucht von Reichen und Konzernen nicht abfinden dürfen

Deutsche Verlags-Anstalt

1. AuflageCopyright © 2014 Deutsche Verlags-Anstalt, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHAlle Rechte vorbehaltenTypografie und Satz: Brigitte Müller/DVAGesetzt aus der GaramondISBN 978-3-641-13706-9www.dva.de

INHALT

Auftakt

Kapitel 1 DIE REICHEN

Kapitel 2 DIE KONZERNE

Kapitel 3 DIE STEUEROASEN

Kapitel 4 DIE POLITIK

Kapitel 5 GEGENSTEUERN

Schluss

Auftakt

Beamte stoppen das kleine Auto an der Grenze. Sie inspizieren den Wagen und finden die noch heiße Ware: Pizza. Sie lassen den Fahrer mit einer Verwarnung davonkommen, beim nächsten Verstoß droht eine Strafe von 250 Franken. Die Schweiz hat Angst vor Steuerhinterziehern. Sie fahren Motorroller oder Kompaktklasse und liefern Essen aus, das aus deutschen Küchen stammt. Im Februar 2014 untersagt deswegen die Eidgenössische Zollverwaltung, dass bestelltes Essen einfach so über die Grenze gefahren werden darf. Die muss nun ordentlich als Handelsware angemeldet werden. Betroffen sind »Pizza, Kebab, Thai-Food, Sushi usw.«, teilt die Verwaltung trocken mit. Der Essenslieferant muss nun zuerst zum Zoll fahren und kann dann erst zum hungrigen Kunden. Allerdings macht beispielsweise das Zollinspektorat Rheinfelden schon um 17 Uhr zu. Am Wochenende öffnet es erst gar nicht. Der Lieferant Venedig Pizza Heimservice aus Bad Säckingen will das nicht hinnehmen. Sein Geschäftsführer kündigt an, weiter in die Schweiz zu liefern. Vierzig Prozent seiner Kunden wohnten dort, sagt er. Er lasse sich nicht ruinieren. Man wisse, dass Pizzakuriere auch unbesetzte Zollstraßen benutzen, betont die Schweizer Zollverwaltung. Wenn man die Kuriere dort beim Grenzübertritt erwischt, drohe ein Strafverfahren. Die Boulevardzeitung Blick schreibt vom »Pizza-Krieg«.

Nun lernen es auch die Schweizer, und dann gleich noch auf die ganz harte Tour: Steueroasen sind schädlich. Diesmal sitzen die Täter auf der deutschen Seite und verkaufen billige Pizzen. Die Opfer sitzen auf der Schweizer Seite und bleiben hungrig.

Steueroasen schaden allen. Sie entziehen unseren Gesellschaften Geld, das wir eigentlich dringend in die Zukunft investieren müssten. Steueroasen verzerren den Wettbewerb. Je fieser und unmoralischer ein Konzern Gesetzeslücken ausnutzt und Steuergesetze prellt, desto höher sein Gewinn. Wer sauber bleiben will oder sich keine teuren Berater leisten kann, der alle Tricks kennt, bleibt auf der Strecke. Steueroasen sind gefährlich. Sie schützen die Geschäfte von Kriminellen und setzen die Politiker in entwickelten Ländern unter Druck, auch hierzulande die Standards zu schleifen. Auch die Bundesregierung hat schon Gesetze geändert, weil die Offshore-Lobby das so wollte.

Steuerfragen sind Machtfragen. Schon 1773 bei der Boston Tea Party ging es den Bewohnern der nordamerikanischen Kolonien nicht nur um einen Steuerprotest, sondern auch um demokratische Mitsprache. Zu schade, dass der Markenname der Tea Party von Rechtspopulisten übernommen wurde, denen es nicht um die Demokratie geht.

Wer schreibt heute die Steuergesetze: die Menschen oder das Kapital? In jeder Steuererklärung zeigt sich auch ein Staatsverständnis. Die einen zahlen gern, die anderen zähneknirschend, manche leidenschaftslos, andere hasserfüllt. Steuerpolitik betrifft alle Bereiche unserer Gesellschaft. Sie erzählt gute und böse Geschichten, sie definiert Staat, Bürger, Macht und Vertrauen. Und die Steuer bestimmt, ob ich nachher noch genug Geld habe, um mir einen Urlaub oder einen Tabletcomputer leisten zu können, oder ob ich noch sparen muss – oder schwarzarbeiten am Wochenende.

Klar ist: Beim Thema Steuern läuft vieles schief. Mikrostaaten fördern ihre sogenannten Offshore-Dienstleister und scheren sich einen Dreck darum, ob sich die europäischen Wohlfahrtsstaaten noch finanzieren können, wenn ihre wichtigsten Steuerzahler ihr Geld ins Ausland tragen. Die Jagd nach immer besseren Quartalszahlen treibt multinationale Konzerne dazu, den Finanzämtern aggressiv auch noch den letzten Cent aus der Tasche zu ziehen. Selbst staatlich kontrollierte Firmen lassen sich in Steueroasen nieder. Und immer wieder finden Reiche, dass sie über dem Gesetz stehen und am besten selbst entscheiden, wie viele Steuern sie eigentlich zahlen möchten und wie viel Geld sie dem Fiskus vorenthalten. Droht etwas schiefzugehen, rollt ihnen die Politik mit der Selbstanzeige den roten Teppich aus.

Aber es tut sich etwas. Der Internationale Währungsfonds sieht gerade eine Jahrhundertchance, das Steuersystem zu reformieren. Strafverteidiger sprechen davon, dass es früher oder später jeden Steuerhinterzieher erwischen werde. Erste Offshore-Banken werden vom globalen Finanzsystem abgeschnitten, Steuerflüchtlinge können plötzlich nichts mehr überweisen. Deutsche Finanzbeamte berichten, dass sie seit den Medienberichten zu »Offshore-Leaks«, der Enttarnung des weltweiten Systems von Steueroasen, das Gefühl haben, nun als Arbeiter für die Gerechtigkeit wahrgenommen zu werden.

Wir entscheiden, wie unsere Gesellschaft aussehen soll. Welche Regeln gelten und wie wir ihnen Geltung verschaffen wollen. Man muss sich mit dem Status quo nicht abfinden. Man darf sich wundern. Man darf sich empören. Man darf auch selbst entscheiden, ob man versucht, dieses Buch von der Steuer abzusetzen. Aber das machen Sie doch nicht. Oder?

Kapitel 1 DIE REICHEN

Warum sie die Gesellschaft spalten

Es gibt Menschen, die setzen sich in eine Hotelbar und sagen dann: »Ich habe seit 1998 keine Steuern mehr gezahlt.« Der Satz soll ausstrahlen: Hier sitzt ein Held. Einer, der sein Geld, sein Leben in seine eigene Hand nimmt. Der es beschützt vor dem bösen Finanzamt. Der Tricks gefunden hat, die der trottelige Staat nicht kennt.

Keine Steuern zahlen oder es zumindest probieren, die Rechnung zu drücken. Und stolz darauf sein. Was treibt Menschen dazu? Was sind das für Typen?

Es gibt vier Gründe, warum reiche Menschen Steueroasen nutzen: Im offensichtlichen Fall wollen sie Steuern hinterziehen, also per Gesetzbruch die Gemeinschaft prellen. Entweder haben sie das Geld schon illegal erworben, aus Schwarzarbeit oder anderen kriminellen Geschäften, und müssen es irgendwo einzahlen, wo niemand nach der Herkunft fragt. Oder es ist brav versteuertes Geld, das sich nun vermehren soll, ohne dass der Staat mitkassiert.

Friedrich Schneider, Professor an der Linzer Universität, erforscht das Universum der Steuerhinterziehung. Er nähert sich dem Thema mit Umfragen, wertet Statistiken zu Steuer-CDs und Selbstanzeigen aus. Aufgrund seiner Arbeit teilt er die Steuerhinterzieher in drei Gruppen ein. Da gibt es die, die nur ein bisschen zur Seite schaffen wollen, falls mal etwas passiert. Die vielleicht Handwerker sind oder eine kleine Firma haben und die erst mal nur 50000 Euro über die Grenze bringen, keine großen Summen. Wenn das kein Schwarzgeld, sondern schon ordentlich versteuert wurde, kommen bei moderater Verzinsung nur ein paar Hundert Euro Zinsen dazu, die steuerrechtlich relevant wären. Diese Leute können dann aber tiefer in die Hinterziehung hineinrutschen, wenn sie merken, dass ihre Tat unentdeckt bleibt. Dann stocken sie das Konto nach und nach auf. Schneider schätzt, dass vierzig Prozent der Steuerhinterzieher in diese Kategorie fallen. Ebenso groß sei der Anteil derer, die rational und kühl an die Sache herangehen. Sie hinterziehen mit Vorsatz und kennen die Gesetze genau. Sie betreiben Steuerhinterziehung, als wäre es ein Geschäft. Der Rest, zwanzig Prozent der Fälle, sind laut Schneider Spielertypen, die Steuerhinterziehung betreiben wie ein Glücksspiel im Casino. Typischer Satz: »Wenn ich aufpasse, erwischen die mich nicht.« Sie hätten Freude am Betrügen.

Zweite Möglichkeit, warum Reiche auf Steueroasen setzen: Sie begehen Steuerflucht, nutzen also ganz legal die Möglichkeiten, die reiche Menschen haben, um den Fiskus auszuspielen. Diese Fälle werfen weniger strafrechtliche Fragen auf als moralische und politische: Darf man alles machen, was geht? Und warum lassen wir zu, dass es noch geht? So wie große Konzerne Gewinne auf der Welt verschieben, um Steuern zu sparen, basteln sich Reiche ähnliche Konstruktionen. Das lohnt sich, wie bei Firmen, in der Regel erst ab einer gewissen Summe. Der Verwaltungsaufwand ist hoch, man muss Spezialisten beauftragen: Steuerberater und Juristen, die die Situationen des Mandanten und die zwischen den Zeilen der Gesetzestexte versteckten Möglichkeiten genau kennen. Der Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs etwa, Alexander Dibelius, nutzte zwei Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln, um eine millionenschwere Immobilie in London zu kaufen. Das ist eine beliebte Steuersparkonstruktion der High Society: Der britische Staat verlangt eigentlich eine Steuer, wenn eine Wohnung den Besitzer wechselt. Deswegen gehören viele Londoner Luxusheime auf dem Papier nicht Menschen, sondern anonymen Firmen im Ausland. Wenn man dann die Wohnung weiterkaufen will, veräußert man nur die Briefkastenfirma, nicht die Immobilie selbst. Die entsprechende Steuer entfällt, weil auf dem Papier der Besitzer – die Firma – gleich bleibt.

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