Die Geschichte der Herrenunterwäsche - Shaun Cole - E-Book

Die Geschichte der Herrenunterwäsche E-Book

Shaun Cole

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Die Geschichte der Herrenunterwäsche

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Shaun Cole

Die Geschichte der

HERRENUNTERWÄSCHE

Für meine Mutter und meinen Vater,

Autor: Shaun Cole

Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl

Layout:

Baseline Co. Ltd

61A-63A Vo Van Tan Street

4. Etage

Distrikt 3, Ho Chi Minh City

Vietnam

© 2010 Confidential Concepts, worldwide, USA

© 2010 Parkstone Press International, New York, USA

© 1911 – Fotolia.com, S. 117

© aussieBum, S. 119, 120, 124, 134, 135, 198, 203, 204, 223

© Aertex, S. 72

© Andrew Christian, S. 108, 136, 137, 138, 139, 213, 222, 233

© Athos Fashion/ Fotograf: Patrick Mettraux (http://www.patrickmettraux.com), S. 126

© Bexley (http://www.bexley.com), S. 185

© Bleu Forêt, S. 184

© Bruno Banani, S. 104, 110, 111, 122, 123

© Brynje Trikotasjefabrikk AS., S. 73

© Fotos von Klaus H. Carl, S. 38, 39, 46, 69, 95, 161, 164, 166, 172

© Jockey International, Inc., COOPERS and JOCKEY images provided courtesy of Jockey International, Inc., S. 65, 77, 79, 80, 82, 83, 114, 186, 191, 219

© Dim, S. 107, 118, 121, 129, 140, 142, 218

© Dreamstime.com

© Ginch Gonch, S. 105, 116, 125, 132, 145, 210, 211, 231

© Gregg Homme, S.144, 202

© Hom, S. 96, 97, 130, 193

© Ernest Collins pour L’Homme Invisible®, S. 109, 201

© JIL, S. 147, 190, 192, 194, 197, 205, 217, 226, 229, 234

© Justus Clothing Company, S. 221

© Les3photo8 | Dreamstime, S. 6

© microimages, S. 115

© Munsingwear, S. 64, 206

© Musées d’Art et d’Histoire de Troyes, Frankreich/ Fotos: Jean-Marie Protte, S. 70, 71, 75, 168, 169

© Musée de la Chemiserie d’Argenton, Argenton, S. 52

© Museum of London, London, S. 16, 17, 48, 68, 84, 90, 93

© QZ – Quadridgae Zeus, S. 127, 133, 207

© Shreddies Ltd., S. 208, 209

© Tomasz Trojanowski, S. 148

© Estate of Walter Wilkins, S. 92

© Wolsey, S. 61, 86, 89, 99, 177, 180, 225, 227, 230, 232

© Zimmerli, S. 103, 141

Weltweit alle Rechte vorbehalten. Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

ISBN: 978-1-68325-489-8

Inhalt

Einleitung

I. Ein festes Fundament – vom Mittelalter bis 1799

II. Die Unaussprechlichen–zwischen 1800 und 1899

III. Die Mode zwischen 1900 und 1980

IV. Tighty-Whities und mehr – 1980 bis heute

V. Zeigt her eure Füße: Socken, Strümpfe und Strumpfwaren

VI. Die Vermarktung im großen Stil – Werbung für Unterwäsche

Conclusio

Glossar

Bibliographie

Danksagungen

Anmerkungen

Grauer Unterwäsche-Torso.

Einleitung

Es hat schon viele Bücher über die Geschichte und Bedeutung der Unterwäsche gegeben, die einen, die sich auf deren besondere Aspekte konzentrierten und andere wiederum, die eine historische Übersicht anbieten. In diesen Arbeiten ist die Unterwäsche der Männer oft in den Hintergrund gerückt worden. Wenn sie denn doch einmal angesprochen wurde, war es überwiegend hinsichtlich der sozialen oder technischen Entwicklung und als Vergleich zur Damenunterwäsche. Geschichten über die Damen- und Herrenmode neigen dazu, die Entwicklung der Herrenwäsche zu marginalisieren oder sogar völlig zu ignorieren. Die wesentlichen Gründe dafür lagen - im Vergleich zur Damenwäsche - zum einen in deren vergleichsweiser Schlichtheit und zum anderen im Nützlichkeitsaspekt.

Veröffentlichungen, die sich ausschließlich der Herrenunterwäsche widmeten, haben das Thema häufig als eine humorvolle Aufgabe verstanden und spiegelten auf Darstellungen von Männern den Weg wider, der in der populären Kultur für den komischen Effekt sorgt, etwa durch den Schauspieler Rhys Ifans, der sich in der romantischen englischen Filmkomödie Notting Hill (1999) in sackartiger grauer Unterwäsche mit ‘Y’-Eingriff präsentierte. Aber Gaetano Savini-Brioni vom italienischen Modelabel Brioni hat schon 1961 gefragt: „Warum sollte ein Mann in seiner Unterwäsche wie ein Clown aussehen? […] Ein Mann sollte in seiner Unterwäsche mit ebenso viel Sorgfalt gekleidet sein wie eine Frau.“[1]

Die Unterwäsche der Männer verdient es aber, weniger humoristisch und, wegen ihrer Bedeutung in der Mode und der Kulturgeschichte, mit der ganzen Aufmerksamkeit eines Basisartikels in der Garderobe jedes Mannes angesehen zu werden. Die Zeitschrift Herrenbekleidung bemerkte im April 1933: „… Unterwäsche sollte die Anmut von Apollo, die Romantik von Byron, die Würde von Lord Chesterfield und die Bequemlichkeit, die Nüchternheit und den Komfort von Mahatma Gandhi (1869 bis 1948) haben“.[2]

Geschichten der Damenunterwäsche haben deren Rolle in der Verführung und ihre Aufgabe als Blickfang für die Männer aufgezählt. Der Modehistoriker und Museumsdirektor Richard Martin (1947 bis 1999) bemerkte dazu, dass die Kleidung von Männern ein „… Zeichen und Register des Modernen“ sei.[3]

Betrachtet man diese beiden Punkte, so führt dies hinsichtlich der Herrenunterwäsche zu mehreren Fragen: Nach welchen Kriterien wählen Männer ihre Unterwäsche aus? Ist es nur wegen des Nutzens und der Bequemlichkeit oder auch für den Moment, in dem sie gezeigt oder präsentiert wird? Wählen und kaufen Männer ihre Unterwäsche für sich selbst oder übernehmen das Frauen, Mütter oder Freundinnen? (nachzulesen bei der Kulturhistorikerin Jennifer Craik im Satz der Verleugnungen „… dass Frauen Männer anziehen und Kleidung für Männer“ kaufen und dass sich „… die Männer nach Passform und Bequemlichkeit, aber nicht nach der Mode anziehen.“)[4] Spiegelt die Unterwäsche der Männer Modernität und die Änderungen im Bild der Männlichkeit wider? Ist Unterwäsche tatsächlich privat? Dient in einem Alter, in dem der männliche Körper ein Gegenstand sexueller und sozialer Betrachtung ist, die Unterwäsche zur Präsentation des bekleideten Körpers vor Frauen oder ist es homoerotisch oder homosozial?

Kleidung verbirgt den Körper, lenkt aber auch Aufmerksamkeit auf ihn. Der Teil des Körpers, der aus Gründen des Schutzes oder der Befangenheit gewöhnlich zuerst bedeckt wird, ist der Genitalbereich, aber, wie die Anthropologen demonstriert haben, wird er auch schon mal von den Kleidungsstücken verborgen, um die Aufmerksamkeit auf den unteren Teil des Körpers zu lenken. In seiner Studie des Lendenschurzes berichtete der Anthropologe Otto Steinmayer (Universität Malaya) dass „… Naturvölker gefunden haben, dass sie die Sexualorgane nur symbolisch und unverfänglich mit etwas bedecken oder dekorieren […] oder es als Verzierung ansehen, es menschlich gestalten und sozialisieren sollten“,[5] und die Kuratorin und Modehistorikerin Valerie Steele glaubt, dass eine solche Verzierung „… vorausging und den Vorrang hatte vor Wärme, Bedeckung und sexueller Verschämtheit.“[6]

Postkarte mit Spruch: „I - er - want one of those ‘Howdyer-doos’ with long sleeves“ - „Miss Smith, show this gentleman some thingamebobs“ („Ähhh ich…hätte gerne eine von diesen, Na wie geht’s- Teilen’ mit langen Ärmeln“ - „Fräulein Smith, bitte zeigen Sie dem Herrn doch bitte ein paar von diesen Dingern“), 1932. Privatsammlung, London.

Die Unterkleidung umfasst alle getragenen Kleidungsstücke, die entweder ganz oder überwiegend durch eine Außenschicht der Kleidung verborgen sind: So wie eine Unterwäsche tragende Person „… gleichzeitig angezogen und nicht angezogen“[7] ist, so kann Unterwäsche sowohl privat und geheim als auch eine öffentliche Form der Bekleidung sein. Bis zum 20. Jahrhundert war die Entwicklung der Männerunterwäsche allgemein verstohlen, und die vorherrschende Einstellung war „… aus den Augen, aus dem Sinn.“ Es war, wie Jennifer Craik schrieb, als „… könnte die Männerunterwäsche den männlichen Körper einfach und funktionell wie eine Festung gegen die ungehemmte Sexualität sichern.“[8] Das stellt jedoch die Dynamik der stilistischen und technologischen Änderung absolut falsch dar. Im Laufe der letzten einhundert Jahre ist die Männerunterwäsche immer sichtbarer und öffentlicher geworden, auch wenn nicht alle Männer über diese Entwicklung glücklich waren, wie es 1967 durch den Journalisten Rodney Bennet-England demonstriert wurde: „… Was er unter seinen Hosen trägt oder nicht trägt, ist größtenteils seine eigene Angelegenheit.“[9]

Männer- (und Frauen-) Unterwäsche hat unterschiedlichen Zwecken gedient: zunächst als Schutz, dann für die Moral, für die Sauberkeit und das Wohlgefühl, aber auch, um die Art der äußeren Bekleidung zu unterstützen und damit als Hinweis auf den sozialen Status sowie auf erotisches oder sexuelles Begehren. Unterwäsche bietet dem Körper in zweierlei Hinsicht Schutz: Die zusätzliche Schicht dient als Temperaturregler, sie stellt entweder Extrawärme zur Verfügung und schützt so den Körper vor Kälte oder sie bewahrt den kühlen Körper, und bei rauen Stoffen minimiert sie Hautirritationen. Gleichzeitig schützt die Unterkleidung aber auch die äußeren Bekleidungsstücke vor Körpergeruch und Unsauberkeit und stellt eine hygienische und leichter zu reinigende Schicht zur Verfügung.

Häufiger Wechsel der Unterwäsche ist somit ein Weg zur persönlichen Hygiene, und er war es besonders in einer Zeit, als das regelmäßige Baden noch nicht üblich, nicht möglich oder nicht gefordert war. Konzepte wie innen und außen ‘sauber’ und ‘schmutzig’ spielten in der der Unterwäsche zugeteilten Aufgabe eine wesentliche Rolle in den - teilweise auch religiösen - Lehren über den Körper und die Moral. Verwandt mit den Begriffen der Moral sind diejenigen der Genügsamkeit. Weil der nackte Körper häufig für nicht akzeptabel gehalten wurde, agierte die Unterwäsche als eine Möglichkeit, gewisse Bereiche zu bedecken, um jeglicher Unbehaglichkeit seitens des Trägers und möglicher Zuschauer vorzubeugen.

Während Damenunterwäsche häufig eine lebenswichtige Rolle in der Unterstützung der Art der äußeren Bekleidung spielte, war dies für die Männerunterwäsche weniger wichtig. Vor dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch von Männern das Auspolstern und der Einsatz von Miederwaren eingesetzt, um unter der äußeren Bekleidung eine ideale modische Körperform zu schaffen. Obwohl die Männerunterwäsche vorwiegend unsichtbar gewesen ist, gab es doch bestimmte sichtbare Teile, deren Sauberkeit als ein Hinweis auf die Klasse und den sozialen Status des Trägers galt. Historisch gesehen, war die Herrenunterwäsche überhaupt nicht dazu gedacht, erotisch oder ähnlich der Damenunterwäsche sexuell verführerisch zu sein.

Im Gegensatz zur Theorie des britischen Modehistorikers James Laver über die wechselnden erogenen Zonen bezeichnete Valerie Steele die Sexualorgane als Mittelpunkt der männlichen Sexualität.[10] Wie man daran sehen kann, erhöht und spiegelt die Männerunterwäsche sowohl die Sinnlichkeit als auch die Sexualität, besonders wenn man außerdem berücksichtigt, dass das Verbergen in der Erotik der Kleidung eine wichtige Rolle spielt: der Ruf nach Aufmerksamkeit für das, was unter der Kleidung ist. Die Männerunterwäsche und die zunehmende öffentliche Darstellung der Körper der nur mit Unterwäsche bekleideten Männer spielen im sexuellen Reiz und der sexuellen Anziehungskraft eine Rolle und stellt sicher, dass die Unterwäsche nicht vom Träger allein genossen wird.

In der Geschichte des Schreibens und der Dokumentation der Männerunterwäsche wurde im Laufe der letzten fünfzig Jahre eine Verschiebung in den Disziplinen festgestellt. Anfangs wurde es als ein Teil der Modegeschichte angesehen, wie in den Untersuchungen von C. Willet und Phillis Cunnington Die Geschichte der Unterkleidung (1951) und der Socken und Strümpfe von Jeremy Farrell (1992), die beide für die Forschungen dieses Buches entscheidend waren. Aber in den letzten Jahren näherte man sich in kulturellen Studien über die Bekleidung mit einer wesentlich besseren Bewertung und einem breiteren Verständnis der kulturellen und sozialen Zusammenhänge an, einschließlich der Präsentation und der Verkaufsstrategie der Männerunterwäsche. Deshalb kann ihre Geschichte, wie Richard Martin bemerkte, „… als ein Fortschritt in der Technologie, der Erfindung und der kulturellen Definition“ angesehen werden.[11]

Paris Underflair, 1973. Privatsammlung, London.

Dieses Buch diskutiert alle Arten von Bekleidungsstücken, die jemals als Unterwäsche getragen worden sind, einschließlich einiger wie Socken und Trikotagen, die von der Geschichte der Unterwäsche oft genug ausgeschlossen wurden. Das Hauptaugenmerk des Buches liegt auf der Unterwäsche in westlichen Ländern, betrachtet aber auch, wo es der Geschichte dient, die Unterwäsche in nicht-westlichen Ländern. Im Lauf der Geschichte der Männerunterwäsche sind einige Kleidungsstücke, wie etwa Hemden, Unterhemden und T-Shirts, zur Oberfläche gewandert und haben sich zur äußeren Bekleidung gewandelt. Andere Kleidungsstücke sind den umgekehrten Weg gegangen, so wie es etwa mit den angelsächsischen ‘Breeches’, den Kniehosen, der Fall war, die, durch Tuniken verdeckt, zu Unterhosen wurden. Dieser Wechsel in den Bekleidungsschichten hat natürlich Auswirkungen auf die Bezeichnungen der Kleidungsstücke gehabt. So wie sich die Kleidungsstücke entwickelten, änderten sie auf unterschiedliche Art auch ihre Bezeichnungen, die, etwa am Anfang des 19. Jahrhunderts, kürzer wurden, so wie etwa die Bezeichnung ‘pantalons’ für Herrenhosen zu ‘pants’ verkürzt wurde.

Die ersten vier Kapitel dieses Buches bieten einen chronologischen Überblick über die Entwicklung der Männerunterwäsche und enthält sowohl die stilistischen Änderungen wie auch Probleme der technischen Innovationen, der männlichen Identität, des Geschlechts und der Sexualität. Das fünfte Kapitel ist in ähnlicher Art der Entwicklung der Herrensocken und den Trikotagen gewidmet. Das letzte Kapitel schließlich beschäftigt sich mit der Werbung und mit der Art und Weise, wie seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Männerunterwäsche verkauft worden ist.

Giovanni Boldini, Graf Robert de Montesquiou-Fezensac, 1897. Öl auf Leinwand, 116 x 82,5 cm. Musée d’Orsay, Paris.

II. Die Unaussprechlichen–zwischen 1800 und 1899

Vor dem Ende des 18. Jahrhunderts war Unterkleidung vor allem ein Thema im Bereich von Humor und Witzen - ein untrennbarer Teil der Geschlechterkomödie. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts herrschte Prüderie vor jedem Ausdruck oder Gegenstand, der auch nur im Entferntesten den Anschein erweckte, etwas mit Sex zu tun zu haben. Infolgedessen war Unterkleidung etwas, worüber nicht gesprochen wurde und die „… in einem moralischen Nebel der Verschwiegenheit verschwand.“[60] Auch die den Körper und die Kleidung beschreibende Sprache war davon betroffen, sie wurde immer verbergender und medizinischer; so wurden die Beine zu ‘Gliedern’, die Männerunterhosen 1805 zu den ‘Unaussprechlichen’ und später zu den ‘Unterhüllen’ und die gesamte Unterkleidung wurde ganz allgemein nur als ‘Wäsche’ beschrieben.

Das frühe 19. Jahrhundert sah den Beginn des Trends, der von den maskulinen Verzierungen an der Bekleidung und dem Stolz auf die männliche Körperlichkeit wegführte, der dann auch noch die zweite Hälfte des 19. und die erste Hälfte der 20. Jahrhunderts kennzeichnen sollte. Der englische Psychologe, John Carl Flügel (1884 bis 1955) beschrieb dies als den „… großen männlichen Verzicht“: „… Die Männer gaben ihr Recht auf alle helleren, vielleicht etwas homosexuellen, auf ausgeprägtere und unterschiedlichere Formen der Verzierung auf, um sie völlig der Anwendung durch die Frauen zu überlassen und machten dadurch den Zuschnitt für sie zum strengsten und asketischsten der Künste. […] So weit Kleidung für Männer wichtig blieb, konnten ihre äußersten Bemühungen nur in die Richtung gehen, korrekt gekleidet zu sein und weniger auf Aufwand oder Eleganz zu achten.“[61]

Beau Brummell und der Dandy

Etwa gegen Ende des 18. Jahrhunderts und verstärkt im 19. Jahrhundert änderten sich die einen Einfluss auf die Ober- und Unterkleidung in Europa und ganz besonders in England ausübenden sozialen Gewohnheiten, vor allem hinsichtlich der Einstellung zu den Begriffen der persönlichen Sauberkeit, die parallel zu den Entwicklungen in den Säuberungstechniken lief. Der englische Dandy George ‘Beau’ Brummell (1778 bis 1840) führte nicht nur die Bewegung des Untertreibens an und den ‘Dandy-Stil’ ein, der im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts die Standards der Herrenbekleidung setzte, sondern war auch für die englische Bedeutung dieser neuen ‘Mode’ in der Sauberkeit verantwortlich, die für Brummell das Merkmal eines Herren war. Brummell plädierte für „… sehr viel und sehr feine Wäsche, und sie muss wie auf dem Land gewaschen sein,“[62] und in seinem Leben des Brummell (1844) bemerkte William Jesse, dass „… Sauberkeit der Prüfstein war, auf den die Bekanntschaften [von Brummell] unaufhörlich untersucht wurden.“[63]

Scrope Davies (1782 bis 1852), ein Freund Brummells, verwies auf kleine, als Winkelstücke bekannte oder keilförmig zugeschnittene Stoffdreiecke, die in die Achselhöhlen seiner Hemden genäht wurden, so dass sie, wenn sie verschwitzt waren, leicht ersetzt werden konnten.[64] Brummells Lob der weißen Baumwolle und der Leinenbekleidung wuchs sich zu einem alle Klassen der Gesellschaft betreffenden Phänomen aus und legte neue soziale Maßstäbe und Unterscheidungsmerkmale fest. Sein Einfluss wurde am deutlichsten bei den von ihm getragenen Halstüchern, „… die sich, ohne sich irgendwie zu versteifen, an der Vorderseite in einer Rolle bis zum Kinn hochschoben.“ Der an seinem Hemd befestigte Kragen war „… so groß, dass er, bevor er heruntergeklappt wurde, seinen Kopf und sein Gesicht völlig verbarg. … [Und der] erste coup d’archet, die erste wichtige Entscheidung, traf den Hemdkragen, den Brummell zu seiner richtigen Größe herunterklappte.“[65] Ein Anhänger von Brummells dandyhaftem Stil schrieb:

Mein Halstuch ist natürlich meine wichtigstes Anliegen,

Weil wir dadurch Kriterien der Anmut festlegen,

Und das mich jeden Morgen einige Stunden Aufregung kostet,

Um es so aussehen zu lassen, als sei es eilig gebunden worden.[66]

Desrais (Zeichnung), Dupin (Druck), La Galerie des Modes 1778-1787, Bildtafel 67. Musée Galliera, Paris.

Desrais (Zeichnung), Dupin (Druck), La Galerie des Modes 1778-1787, Bildtafel 279. Musée Galliera, Paris.

Das von Brummell initiierte ‘vornehme’ Modell eines Dandys und das „… vielschichtige Bild, das er verkörperte“[67] wurde auch von den Entwicklungen in den industriellen Produktionsmethoden und durch neue Schneiderei-Techniken berührt und schuf ein neues materielles Umfeld sowohl für seinen Einsatz als auch für den Schnitt der Wäsche und der feinen Wollstoffe. Sauberkeit und die durch die saubere Kleidung veränderte äußere Erscheinung verlangten nach einem häufigeren Wechsel der Unterkleidung und damit auch nach einem größeren Vorrat. Der für die Unterkleidung auszugebende Betrag stieg deshalb, und die Fähigkeit und Gewohnheit, sich dies leisten zu können, wurden ein Kennzeichen für Freizeit und Reichtum, wurde signifikant für feine, vornehme Leute.

Ein London besuchender deutscher Prinz schrieb, dass, um ein Londoner Dandy zu sein, „… zwanzig Hemden, vierundzwanzig Taschentücher, […] dreißig Halstücher notwendig seien (es sei denn, man trüge schwarze), ein Dutzend Westen und Strümpfe nach ‘Taktgefühl’.“[68] Die Sauberkeit eines Hemdenkragens blieb während des ganzen 19. und 20. Jahrhunderts weiterhin das Markenzeichen eines Herren, und Romanschriftsteller, etwa wie Arnold Bennett (1867 bis 1931), verwendeten häufig Beschreibungen, um Kommentare zu deren Charakter oder sozialer Situation zu geben. Der Geschäftsmann Gerald Scales, der „… einen Kragen mit großer, geformter Vorderseite hat und Manschetten, die die unauslöschlichen Merkmale der billigen Wäscherei tragen, widerspiegelt den Schatten der drohenden Katastrophe.“[69]

Folgt man Brummells Reise nach Paris (1817), wurde dieser Drang zur Sauberkeit auch im modischen Paris und von denjenigen, die nach diesem stutzerhaften englischen Stil strebten, bemerkt. Ein eleganter Mann aus der Provinz, der zum ersten Mal eine Woche in Paris verbringen wollte, packte zwar drei Paar Hosen, aber nur ein Paar seidene Kniehosen zusammen mit zwei Mänteln, zwölf Hemden (alle mit einem Jabot), „… drei Halstücher mit einem Paket Taschentüchern, seidene und baumwollene Strümpfe und ein halbes Dutzend Paar Unterhosen ein.“[70] Der Historiker Arthur Bryant (1899 bis 1985) beschrieb die Kleidung des Dandys als „… ein exquisit kurzer, weit geöffnet getragener Mantel, um die gelbe oder roséfarbene Weste aus Büffelleder und das schneeweiße, gestickte Batisthemd zu zeigen.“[71]