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Eruviel liebt ihr ruhiges Leben als Heilerin. Umgeben von ihrem Haus und Garten in der idyllischen Region Nimlad, sehnt sie sich nach nichts weiter als Frieden. Doch der Frieden ist eine Illusion. Weit im Norden zieht ein Krieg gegen den dunklen Herrscher Shorath auf, und ihre Familie hat sich der Verteidigung angeschlossen. Als die Nachrichten von der Front verstummen und immer mehr verwundete Krieger in ihrer Heimat ankommen, wächst eine unerträgliche Sorge in ihr. Getrieben von der tiefen Verbundenheit zu ihren Lieben, beschließt Eruviel, alles hinter sich zu lassen und ihre Familie zu suchen. Ihre Reise führt sie in eine unbekannte Welt. Was als verzweifelte Suche beginnt, entwickelt sich schnell zu einem epischen Abenteuer. Eruviel stößt auf Geheimnisse, die den Ausgang des Krieges entscheiden könnten, und wird wider Willen zur Heldin. Die Heilerin, die sich nach Ruhe sehnte, muss lernen, eine Kämpferin zu sein – eine, die das Licht in die tiefste Dunkelheit trägt. Begleite Eruviel auf einer atemberaubenden Reise voller Magie, unvergesslicher Begegnungen und beeindruckender Landschaften. Entdecke eine Geschichte über Zusammenhalt, Nächstenliebe und den Mut, niemals aufzugeben. Eine Geschichte, die zeigt, wie wichtig es ist, niemals aufzugeben. Dies ist die Geschichte einer Frau, die nicht zur Heldin geboren wurde, doch zur Heldin werden musste. Ein High-Fantasy-Roman ohne Liebesgeschichte – dafür voller Magie, Mut und Menschlichkeit. Für alle, die Tolkien lieben, aber neue Wege beschreiten wollen. Für jene, die sich nach Hoffnung sehnen – inmitten der Dunkelheit.
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Seitenzahl: 747
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Black Tower Music & Books
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3. Überarbeitete Auflage 2025
© 2025 Andy Waldner.
Alle Rechte vorbehalten.
Verlag:
Black Tower Productions
Alte Post 1
6383 Wiesenberg
Schweiz
Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Inhaltsverzeichnis:
Kapitel 1: Der Garten des Lichts
Kapitel 2: Der Pfad nach Sélith
Kapitel 3: Die Bürde der Hoffnung
Kapitel 4: Der Weg nach Nal Doroth
Kapitel 5: Das Erbe der Verlassenen
Kapitel 6: Licht und Schatten
Kapitel 7: Unruhige Verbündete
Kapitel 8: Dor-Daereth
Kapitel 9: Der Spiegel der Wahrheiten
Kapitel 10: Blut und Dunkelheit
Kapitel 11: Ostirion
Kapitel 12: Das vergessene Erbe
Kapitel 13: Das Banner des Nordens
Kapitel 14.: Ithilwen
Kapitel 15: Vilyalómë
Kapitel 16: Der Weg zum Haldorath
Kapitel 17: Der erwachende Sturm
Kapitel 18: Die Reise zu den Gipfeln
Kapitel 19: Unter Asche und Sternen
Kapitel 20: Im Angesicht der Finsternis
Kapitel 21: Asche und Hoffnung
Kapitel 22: Der Ruf des Schicksals
Kapitel 23: Der Schatten von Vorgoroth
Kapitel 24: Das Ende des Sturms
Das große Namensregister
Andy Waldner
Die Geschichte von
Eruviel
Asche und Hoffnung
Kapitel 1:Der Garten des Lichts
Zwischen den silbrigen Strömen des Arenth und des Celin erstreckte sich eine Landschaft von außergewöhnlicher Schönheit und Harmonie, wie sie nur in den Tagen des Alten Erynmar zu finden war. Der Arenth entsprang den kühlen Quellen im Norden, in den Hügeln von Feredrim, wo das Wasser kristallklar und von einem silbrigen Schimmer erfüllt war. Er bahnte sich seinen Weg durch sanfte Hänge und schattige Täler, bevor er sich mit dem Celin vereinte. Der Celin hingegen entsprang den kargen Felshängen Haldoraths, wo der Fluss in einem geheimnisvollen, tiefen Grün begann und die Geheimnisse der Höhen und Täler in seinem Flussbett mit sich führte.
An einem Ort von seltener Schönheit, wo die beiden Ströme ineinanderflossen und ein sanftes, glitzerndes Band bildeten, begann der große Valan, der weiter gen Süden floss. Auf seinem Weg zum Meer berührte er die Ebenen von Estolan, wo die ersten Dainor siedelten, und die geheimnisvollen Sümpfe von Aeluin-thar, bevor er schließlich in der weiten Bucht von Balasir das Meer erreichte.
Der Wind trug den Duft von wilden Blumen aus den Wiesen herüber, die in leuchtenden Farben unter der Sonne erblühten, während die Flüsse glucksend ihren Weg durch das sanfte Tal suchten. In der Ferne erhoben sich die dichten Wälder Dúrials, deren uralte Bäume ein grünes Dach über den Boden spannten, das selbst in der glühenden Mittagshitze Schatten spendete. Im Westen lag Nal Doroth, ein düsterer Hain, in dessen Schatten sich Geheimnisse verbargen, die selbst die ältesten Iriël mit Ehrfurcht erfüllten.
Hier, im Herzen dieser zeitlosen Landschaft, lebte Eruviel, eine Tochter Nimlads, in einem einfachen Haus aus Holz und Steinen, das sie mit eigenen Händen errichtet hatte. Ihr Heim lag auf einer kleinen Anhöhe, von der aus sie die Ebenen überblicken konnte, während die Strahlen der aufgehenden Sonne den Arenth zum Glitzern brachten. Der Garten, der das Haus umgab, war ihr ganzer Stolz. Es war kein Garten voller Pracht und Prunk, sondern ein Ort der Hege und Pflege, in dem Lissuin und Elanor mit ihrem sanften Duft an die glücklichsten Momente ihres Lebens erinnerten. Zwischen den Blumenbeeten wuchsen auch duftende Kräuter, die sie mit Bedacht und Wissen kultivierte.
Ihr Garten war nicht nur ein Ort der Schönheit, sondern auch der Heilung. Viele, die von Schmerzen geplagt oder von den Schatten des Krieges gezeichnet waren, suchten Zuflucht bei ihr. Mit sanfter Hand und weiser Führung brachte sie ihnen Linderung, sei es durch eine Heilpflanze, ein Wort des Trostes oder die schlichte Kraft ihrer Gegenwart. Eruviels Abstammung war tief in den alten Erblinien von Dúrial verwurzelt, jenem Reich, das von Nalira der Arin und König Ilú Thanil, dem Elenquendi, behütet wurde. Ihre Familie zählte zu den treuen Dienern Thanils, die schon zu den frühen Tagen des Königreichs im Schatten von Naliras Schleier lebten, jenem mystischen Schutz, der keine Feinde in die Grenzen des Waldes ließ. Ihr Urgroßvater, dessen Name in der alten Zunge Laegomir lautete – was „Grüner Edelstein“ bedeutet –, war ein Heiler von großem Ruf. Man sagte, seine Kunst der Heilung sei nicht nur durch Geschick und Wissen vollbracht, sondern durch die Berührung der Arin selbst inspiriert worden. Es wurde erzählt, dass Laegomir in jungen Jahren oft die Hallen von Myriath aufsuchte, wo Nalira ihren Hof hielt. In den tiefen Grotten aus Stein und Perlmutt lauschte er ihren Liedern, die voller Weisheit und Geheimnis waren, und lernte die Namen der Pflanzen, die in den tiefen Wäldern Dúrials wuchsen, und die verborgenen Kräfte, die in ihnen schlummerten.
Nalira selbst war es, die ihm den Umgang mit Lissuin lehrte, jener wundersamen Pflanze aus Luminar, die Trost und Hoffnung in die Herzen der Sterblichen und Unsterblichen brachte. Obwohl Lissuin in Dúrial selten blühte, bewahrte Laegomir ein kleines Bündel dieser Blüten, getrocknet und gut gehütet, und benutzte sie nur in den schwersten Stunden, wenn alle anderen Mittel versagten.
Obwohl Laegomir den Wald und die wundervolle Stadt von Herzen liebte, erwachte in ihm doch die Sehnsucht nach Ferne. Schließlich ließ er sich in Nimlad nieder, jenseits der dunklen Haine von Nal Doroth, in einem stillen Tal nahe dem klaren Wasser des Celin.
Dort setzte er sein Werk als Heiler fort und lehrte seine Kunst auch den Vaharyn und Astilari, die sich in Nimlad angesiedelt hatten. Es heißt, dass Laegomir bis zu seinem Tod in einem kleinen Haus lebte, das von einem Garten umgeben war, der voller duftender Pflanzen wuchs – ein Abbild der Schönheit Dúrials. Eruviels Großmutter, Laegomirs Tochter Nimlos, erbte die Heilgabe ihres Vaters und führte seine Arbeit fort.Die Heilkunst Dúrials lebte in ihr weiter, ebenso wie die Lieder Naliras und die Kunde von den unvergänglichen Wundern des Königreichs. Als der Schatten Shoraths sich bereits über die stillen Weiten Erynmars legte, wurde Celethril geboren, Eruviels Mutter. Und die Lehren Naliras, weitergereicht wie ein funkelndes Erbe aus Licht, wohnten in ihrer Mutter – und lebten durch sie in Eruviel fort.
So war es, dass sie, obgleich sie Nimlad nie verließ, die Weisheit und Schönheit Dúrials in sich trug. Ihr Garten, erfüllt vom Duft der Kräuter und dem sanften Glanz der Elanor-Blüten, spiegelte die verlorene Pracht wider, während ihre geschickten Hände und ihr sanftes Herz den Schmerz und die Wunden vieler linderte. Sie war das lebendige Erbe von Nalira, eine stille Erinnerung an die Zeit, als die Arin unter den Astilari wandelte und ihre unsterbliche Weisheit mit den Sterblichen teilte. Die Sonne war noch nicht über die Hügel gestiegen, als Eruviel in ihrem Garten kniete, die zarten Blätter einer Lissuin-Pflanze prüfend. Der Duft der Kräuter umgab sie wie ein Hauch der Erinnerung, während ihre Hände sicher und geübt arbeiteten. Plötzlich durchbrach eine tiefe Stimme die morgendliche Ruhe.
„Ihr seid entweder die mutigste oder die tollkühnste Heilerin, die ich kenne, Eruviel!“ Sie wandte sich um und begegnete dem spitzbübischen Grinsen eines gutgelaunten Mannes, dessen Arm in einer improvisierten Schlinge hing. Sein Gesicht war schmutzig, doch die Augen strahlten vor lebendigem Witz.
„Und Ihr seid entweder der tapferste oder der dümmste Krieger, den ich kenne, Thavion,“ entgegnete sie mit einem Lächeln, während sie aufstand. „Nur jemand mit Eurem Mut – oder Eurer Sturheit – würde mit einem durchbohrten Arm auf dem Schlachtfeld bleiben.“
„Es war ein... strategischer Rückzug,“ antwortete er, während er sich auf einen Holzschemel setzte.
„Ihr seid also gestürzt, als Ihr davonlaufen wolltet.“
„Sagen wir einfach, der Feind war unerwartet effizient – und ich überraschend unvorbereitet.“
Eruviel lachte leise und schüttelte den Kopf, während sie ihre Kräuter und Tücher holte. Doch als sie begann, die Verletzung zu untersuchen, wurde ihre Stimme sanfter, ernsthafter.
„Ihr hattet Glück, Thavion. Ein paar Zentimeter weiter, und Ihr hättet nicht nur einen gebrochenen Arm, sondern auch eine durchbohrte Lunge.“
„Wenn ich tot wäre, müsste ich mir wenigstens keine Sorgen mehr machen, dass Ihr mir die Leviten lest,“ murmelte er.
„Das war nicht witzig.“ Ihr Ton war scharf, und für einen Moment war der Raum still.
Thavion sah zu ihr auf, doch was er in ihrem Gesicht sah, ließ ihn verstummen. Eruviel konzentrierte sich wieder auf seine Wunde, ihre Bewegungen waren so ruhig wie zuvor, doch ihre Augen schienen einen Schatten zu tragen, den selbst das Morgenlicht nicht vertreiben konnte.
„Eruviel...“ begann er zögerlich.
„Haltet still,“ unterbrach sie ihn. „Ich möchte nicht noch mehr Schaden anrichten.“
Er nickte, doch seine Augen blieben auf ihr Gesicht gerichtet. Die lockeren Strähnen ihres blonden Haares fielen ihr über die Schulter, und obwohl ihre Haltung ruhig war, erkannte er eine Spannung, die er zuvor nie wahrgenommen hatte.
„Ihr seid nicht nur eine Heilerin, sondern auch ein Rätsel,“ murmelte er schließlich. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln.
„Und Ihr seid ein Quälgeist, der mir meine morgendliche Ruhe stiehlt. Aber ich werde Euch heilen, denn jemand wie Ihr sollte der Welt noch ein paar Jahre Erheiterung schenken.
Als die Behandlung beendet war, erhob sich Thavion und grinste wieder. „Ich werde Eure Worte als Kompliment auffassen.“
„Tut das,“ erwiderte Eruviel trocken, während sie ihn zur Tür hinausbegleitete.
Doch als er fort war und die Stille zurückkehrte, ließ sie sich auf die Bank neben ihrem Kräuterbeet sinken. Sie strich mit den Fingern über eine Elanor-Blüte, und ihr Blick verlor sich in der Ferne. Für einen Moment schien die Heilerin nicht die strahlende, schlagfertige Frau zu sein, die Thavion kannte, sondern eine Seele, die etwas suchte – oder jemanden. Der Wind trug einen Hauch von Asche mit sich, und Eruviel schloss die Augen, während ein einzelnes Wort, leise und ungehört, über ihre Lippen kam.
„Elwina...“
Kapitel 2:Der Pfad nach Sélith
Das leise Flüstern der Blätter erfüllte die Luft, während ein sanfter Wind durch den Garten strich. Junge Aurelon-Bäume, deren goldene Blätter in der Sonne glitzerten, standen wie stumme Wächter um die kleine Lichtung, wo Eruviel ruhte. Sie lag auf einer weichen Decke aus feinem, gewebtem Leinen, die sie selbst aus der Wolle der Nimlad-Schafe gefertigt hatte. Ihre Hände ruhten auf ihrer Brust, und eine friedliche Stille umgab sie, als sie in tiefen Schlaf sank.
In ihrem Traum war die Welt in goldenes Licht getaucht. Die Aurelon-Bäume waren zu gigantischen Wächtern herangewachsen, ihre Kronen ragten bis zum Himmel. Kinder rannten lachend zwischen den Baumstämmen hindurch, ihre Stimmen klangen wie das Rauschen eines fröhlichen Baches. Ihre Gewänder, in Weiß und Grün gehalten, flatterten im Wind. Eruviel beobachtete sie, ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen.
Der Boden unter ihren Füßen war bedeckt mit weichen, goldenen Blättern, die wie ein Teppich aus Sternen glitzerten. Blumen wuchsen in wildem Überfluss – Elanor, Alfirin und Lissuin – und ihre Düfte vermischten sich zu einer Melodie für die Sinne. Über allem lag der süße, warme Klang eines unbekannten Liedes, das die Kinder zu singen schienen.
Eruviel schritt langsam durch die leuchtende Idylle, ihre Finger streiften die feinen Blüten, als sie an ihnen vorbeiging. Ihr Herz fühlte sich leicht an, frei von Sorgen und Schmerz. Doch dann, ganz am Rande ihres Blickfeldes, bemerkte sie eine Gestalt. Ein Mann – ein Iriël – stand dort, an den Grenzen ihres Traumes. Sein Haar war wie poliertes Silber, und seine Augen strahlten in einem tiefen, ruhigen Grau. Er trug ein einfaches Gewand, das dennoch Würde und Stärke ausstrahlte. Sein Blick war voller Sanftmut, doch als sich ihre Blicke trafen, lag ein Hauch von Dringlichkeit darin.
„Eruviel...“ Seine Stimme war leise, fast ein Flüstern, doch sie hallte durch die goldene Welt, als hätte sie die Kraft, Berge zu bewegen. Die Wiese begann zu flimmern. Die goldenen Blätter der Aurelon-Bäume fielen wie Asche von den Ästen, und das Lachen der Kinder verstummte.
„Eruviel!“ Seine Stimme war nun lauter, dringlicher. Die Welt um sie herum zerbrach wie Glas, und Dunkelheit kroch heran. Mit einem erschrockenen Atemzug öffnete Sie die Augen. Die Sonne stand tief am Himmel, und über ihr beugte sich Thavion. Sein Gesicht war bleich, seine Wangen von Schweiß glänzend. Sein Gewand war zerrissen, und dunkles, getrocknetes Blut zeichnete Striemen über seine Arme.
„Eruviel“, wiederholte er, seine Stimme rau vor Erschöpfung. „Wir brauchen dich. Es gibt unzählige Verwundete. Ohne dich werden sie sterben.“
Sie blinzelte, noch halb im Traum gefangen. Doch als sie Thavions Ausdruck sah, wurde ihr Blick schärfer. Sie setzte sich auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht.
„Führ mich zu ihnen“, sagte sie ruhig, ihre Stimme fest.
Thavion zögerte kurz, als ob er noch etwas sagen wollte, aber er entschied sich dagegen. Er half ihr auf die Füße, und gemeinsam eilten sie aus dem Garten. Hinter ihnen schwankten die jungen Aurelon-Bäume im Wind, ihre Blätter leise rauschend, als wollten sie Eruviel und Thavion ihren Segen mit auf den Weg geben.
Der Pfad, auf dem Eruviel und Thavion liefen, war schmal und von weichem Moos gesäumt, das bei jedem Schritt leicht federte. Zu beiden Seiten breiteten sich Wiesen aus, die in der Sonne glitzerten. Zwischen den Grashalmen wuchsen Wildblumen in leuchtenden Farben – Kornblumen, Sternenblüten und kleine weiße Glockenblumen, die sich sanft im Wind wiegten.
Nach einer Weile führte der Weg über eine sanfte Anhöhe, von der aus der Verlauf eines kleinen Bachs sichtbar wurde, der leise plätschernd zwischen Steinen hindurchfloss, die von weichem Moos bedeckt waren. Thavion deutete stumm auf die Brücke vor ihnen – eine einfache Konstruktion aus verwittertem Holz, deren sorgfältige Handwerkskunst von vielen Jahren treuer Nutzung zeugte.
Die Brücke über den Sélith-Bach hatte Eruviel schon unzählige Male überquert – als Kind, mit ihrem Mann oder allein, wenn sie in Gedanken versunken durch die Gegend streifte. Der Sélith-Bach entsprang in den Hängen des westlichen Nimlad und mündete schließlich in den Arenth, sein Wasser war das ganze Jahr über klar und kühl. Sie fuhr mit den Fingern über das glatte Holzgeländer, an dem sich winzige Flechten festsetzten, und lauschte dem beruhigenden Klang des Wassers, das sanft gegen die Pfeiler schlug.
Doch die Ruhe dieser vertrauten Landschaft bot ihr keinen Trost. Thavions Schritte hinter ihr waren eilig und schwer, seine Worte kamen in abgehackten Sätzen. „Die Verwundeten... Sie haben... Verbrennungen. Viele. Einige –“ Er stockte, schüttelte den Kopf, als wollte er einen besonders düsteren Gedanken verscheuchen. „Ich habe so etwas noch nie gesehen.“
Eruviel drehte sich leicht zu ihm um, ihre Augen suchten die seinen, doch er blickte starr geradeaus, sein Kiefer war angespannt. Sie hatte Thavion schon oft gesehen, doch so blass und unruhig war er ihr noch nie erschienen.
Bald tauchten die ersten Dächer des Dorfes am Horizont auf – die hölzernen Häuser, die Eruviel seit ihrer Kindheit kannte. Die Schindeldächer, in denen sich das Sonnenlicht verfing, wirkten fast wie Silber. Holzschnitzereien schmückten die Türrahmen: kunstvolle Darstellungen von Blättern und Vögeln, die schon Generationen überdauert hatten. Es waren Muster der Iriël, die sie als junges Mädchen bewundert hatte, und dennoch schien in diesem Moment ihre Schönheit von der drückenden Sorge um die Verletzten überschattet.
Als sie sich dem Dorf näherten, wurden sie von den Bewohnern bemerkt. Männer und Frauen, die in den kleinen Vorgärten arbeiteten, hoben die Köpfe und blickten ihnen mit ernsten Gesichtern entgegen. Kinder verstummten in ihrem Spiel, während ein leises, schweres Schweigen das Dorf einhüllte.
„Die Scheune“, murmelte Thavion und deutete auf ein großes Gebäude am Rand des Dorfes. Die Scheune stand zwischen alten Bäumen, deren Äste sich schützend über das Dach wölbten. Eruviel wusste, dass hier normalerweise Getreide und Heu gelagert wurden, doch heute war es ein Ort der Not geworden.
„Es sind zu viele für das Haus der Heilerin“, sagte Thavion, mehr zu sich selbst als zu ihr. „Nimloth gibt ihr Bestes, aber sie kann nicht überall gleichzeitig sein. Wir brauchen jede fähige Hand – und ich wusste, dass du kommen würdest.“
Nimloth, die Heilerin des Dorfes, war für ihre ruhige Art und ihre unermüdliche Hingabe bekannt. Mit ihren silbergrauen Haaren, die sie oft zu einem einfachen Knoten band, und ihren klaren, blauen Augen hatte sie schon in Eruviels Kindheit etwas Tröstliches ausgestrahlt. Doch selbst Nimloths Weisheit und Geschick würden nicht ausreichen, wenn so viele verletzt waren.
„Verbrennungen, Eruviel. Tiefe, schlimme Verbrennungen. Viele der Männer und Frauen können kaum atmen, ihre Haut...“ Thavion hielt inne, schüttelte den Kopf und rieb sich über die Stirn, als wollte er ein Bild vertreiben, das sich in sein Gedächtnis gebrannt hatte.
Die Scheune war ein chaotischer Ort, erfüllt von der schrecklichen Stille der Verwundeten und dem hektischen Treiben der Dorfbevölkerung, die das Unmögliche zu bewältigen versuchten. Das Licht, das durch die Ritzen in den Wänden drang, ließ die Szenerie fast irreal erscheinen, wie in einem Albtraum. Gruppen von Dorfbewohnerinnen eilten mit Eimern Wasser herbei und versuchten, die verbrannten Hautstellen der Iriël zu kühlen. Glühende, unnatürliche Muster zeichneten sich auf ihren Körpern und Gesichtern ab, wie Marmor, der von innen heraus leuchtete. Das Feuer war kein gewöhnliches. Der beißende Geruch unterschied sich von dem von Holz und Asche. In den Augen der Verwundeten lag eine Mischung aus Verwirrung und Schmerz, als könnten sie selbst nicht begreifen, was sie getroffen hatte.
Eruviel spürte den vertrauten Stich des Mitleids in ihrer Brust, doch sie wusste, dass keine Zeit war, dem nachzugeben. Nimloth, eine alte Freundin, die mit ihr in Nimlad die Heilkunst erlernt hatte, kniete über einem schwer verwundeten Mann. Seine Haut war von Verbrennungen gezeichnet, die sich stellenweise bereits abgelöst hatten. Als sie den Blick hob, flackerten ihre Augen vor Erschöpfung. „Wir haben Glück, dass du hier bist. Es sind zu viele für mich allein.“
Eruviel nickte stumm, ihre Kehle war wie zugeschnürt von der Anspannung, die in der Luft lag. Sie trat zu einer Kämpferin mit rußgeschwärztem Haar. Ihre Wunden sahen aus, als seien sie von etwas Unnatürlichem verursacht. Als Eruviel ihre Stirn, ihren Hals und die Arme prüfte, spürte sie, dass mehr als nur Feuer am Werk gewesen war. Eine seltsame, schimmernde Textur durchzog die Wunden – ein Hinweis auf Magie.
„Diese Verletzungen…“, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu Nimloth. „Kein gewöhnliches Feuer. Es muss Hexerei im Spiel sein.“
Nimloth seufzte schwer. „Das fühle ich auch. Aber was für eine Magie? So etwas habe ich noch nie gesehen. Was auch immer dahintersteckt, es ist nichts Gutes.“
Ein weiterer Verletzter wurde hereingetragen. Sein zerzaustes Haar klebte an seinem blutüberströmten Gesicht, und seine Rüstung war zerrissen. Blut sickerte aus tiefen Schnitten an seiner Seite und seinem Arm, die Haut wirkte unnatürlich blass. Eruviel kniete sich zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Bleib ruhig. Wir werden dir helfen.“
Er öffnete mühsam die Augen, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Es ist zu spät für mich. Die Dunkelheit hat mich schon berührt… aber ich danke dir.“
„Wie ist dein Name?“, fragte sie leise, während sie versuchte, sein Gesicht mit einem sauberen Tuch zu säubern.
„Caelir“, antwortete er, und ein schwacher Hauch von Stolz flackerte in seinen Augen. „Ich wollte nie so enden… aber der Kampf war groß. Meine Klinge hat viele getroffen… doch es war nicht genug.“
Eruviel hielt inne. „Es reicht, dass du gekämpft hast. Dein Mut hat andere inspiriert.“
Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen, doch es wich schnell einem Ausdruck von Schmerz. „Ich wollte noch mehr sehen… die Sterne über Haldorath, das Lachen meiner Brüder... Aber ich bin froh, dich noch einmal zu sehen.“
„Dann halte an diesen Gedanken fest“, sagte Eruviel sanft und ergriff seine Hand. „Schließe die Augen, Caelir. Fühle die Wärme, die von Veyraths’ Hallen ausgeht. Dort wirst du Frieden finden.“
Sein Atem wurde langsamer, während sie bei ihm blieb. Er schien für einen Moment den Schmerz zu vergessen, als er den Namen seiner Heimat flüsterte. Schließlich verharrte er reglos.
Eruviel senkte ihren Kopf und sprach mit sanfter Stimme: „Finde Frieden, Caelir. Deine jetzige Reise endet hier, aber dein Geist wird in Veyraths’ Hallen wandeln, bis die Zeit reif ist zurückzukehren.“ Für einen Moment spürte sie die Schwere seines Verlustes in ihrem eigenen Herzen, doch auch eine seltsame Ruhe erfüllte sie, als ob Caelirs Geist schon auf den sanften Wogen der Ewigkeit ruhte.
Plötzlich erklang von draußen das Trappeln von Hufen. Ilmarion, der Hohe König der Elyarîn, ritt durch die Tür und schwang sich aus dem Sattel. Sein Blick glitt über die Verwundeten, und seine Miene war von Ernst und Kummer gezeichnet.
„Es tut mir leid, dass ihr in solche Umstände gekommen seid“, sagte er. „Die Belagerung ist schlimmer geworden. Ein Unheil lauert im Schatten. Der Angriff kam über den Narath-Pass. Wir waren nicht darauf vorbereitet.“
Eruviel erwiderte seinen Blick mit entschlossener Ruhe, obwohl sie die Erschöpfung in ihren Gliedern spürte. „Wie viele haben wir noch verloren?“ Ihre Stimme war fest, doch die Trauer darin war unverkennbar.
Ilmarion musterte sie einen Moment lang, als ob er ihre Bedeutung erfasste, bevor er fragte: „Wie darf ich euch nennen?“
„Eruviel, nennt mich einfach Eruviel“, antwortete sie mit respektvoller Gelassenheit.
Er nickte langsam, als würde er die Last ihrer Worte spüren. „Eruviel… Wir haben zu viele verloren. Die Dunkelheit hat uns überrannt.“ „Zu viele“, wiederholte er leise, fast wie ein Gebet, bevor er den Blick hob. „Und der Weg ist noch lang.“ Seine Augen blieben auf ihr ruhen, und er fügte hinzu: „Melde dich bei mir, sobald du den Verwundeten geholfen hast. Es gibt noch einiges zu besprechen.“
Die letzten Stunden waren wie ein Rausch vergangen. Eruviel hatte keine Zeit, die Erschöpfung zu spüren, die an ihren Gliedern zerrte. Nimloth arbeitete unermüdlich an ihrer Seite, brachte Verbände, bereitete Kräutertränke vor und spendete den Verwundeten Trost, wo ihre Worte nicht reichten.
Ein flackerndes Feuer beleuchtete das provisorische Lager. Mehrere Verletzte ruhten auf einfachen Decken, die sie in Eile ausgerollt hatten. Die schlimmsten Blutungen waren gestillt, die meisten von ihnen würden die Nacht überleben. Eruviel hielt inne und strich sich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht, die an ihrer schweißnassen Stirn klebte. Ihr Blick wanderte über die Geretteten, und für einen Moment erlaubte sie sich den Hauch eines Lächelns. Sie hatten es geschafft. Die Not war nicht vorüber, doch sie hatten die Dunkelheit ein Stück weit zurückgedrängt.
„Eruviel“, sagte Nimloth, die mit einer Schale Wasser und frischen Tüchern zurückkehrte. Ihr Blick war müde, aber warm. „Ruh dich aus. Zumindest für einen Augenblick.“
„Noch nicht“, erwiderte sie leise. „Es gibt noch mehr zu tun.“
Dann hörte sie ein schwaches Stöhnen von einem der Männer, der abseits lag. Sie hatte ihn vor kurzem versorgt. Sie kniete sich erschöpft neben den Schwerverletzten, dessen Atem so flach war, dass sie fast glaubte, er sei bereits fort. Sein Körper war von Brandwunden gezeichnet, die Haut an seinen Händen rau und geschwärzt. Doch als sie seine Finger berührte, spürte sie ein Objekt, das sich von der verbrannten Haut abhob. Mit größter Vorsicht löste sie die verkohlten Finger. Eine Kette. Der Anhänger war rußbedeckt, doch als sie mit den Fingern darüberstrich, erkannte sie die Form: eine zarte Blume, die auf wundersame Weise unversehrt geblieben war.
„Elanor“, flüsterte sie. Die Blume des Lichts. Ihre Gedanken rasten. Es war die Kette ihres Sohnes. Sie hatte sie ihm selbst geschenkt, an dem Tag, als er in den Kampf gezogen war. „Das… das gehört meinem Sohn!“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Zittern.
Eruviel beugte sich über den Mann, ihre Hände zitterten vor Angst und Verzweiflung. „Woher hast du das?“ Ihre Stimme brach. „Sag mir, wo er ist! Was weißt du?“
Der Mann öffnete die Lippen, als wolle er etwas sagen, doch kein Laut kam heraus. Sein Blick war glasig, unfähig, sie anzusehen.
„Nein!“ Sie packte seinen Arm mit aller Kraft, die sie noch hatte. Tränen strömten über ihre Wangen. „Sag mir deinen Namen! Sag mir, was du weißt! Bitte!“
Der Mann schien zu flüstern, doch seine Stimme war zu schwach, als dass sie ihn verstehen konnte. Die Kette fiel aus ihrer Hand und landete auf der blutgetränkten Erde.
„Eruviel“, sagte eine leise, vertraute Stimme hinter ihr. Nimloth war gekommen. Ihre Hände legten sich sanft auf ihre Schultern, hielten sie zurück. „Es ist genug. Lass ihn ruhen.“
„Nein! Er weiß etwas, Nimloth! Ich… ich muss es wissen!“ Ihre Stimme war fast ein Schrei, ein verzweifeltes Ringen nach Antworten.
Nimloth zog sie in ihre Arme, und sie brach in ihrem Halt zusammen, die Trauer nahm ihr fast den Atem. „Er lebt noch“, flüsterte sie. „Er muss leben…“
Sie wartete einen Moment, bis ihr Schluchzen leiser wurde, und beugte sich dann zu ihrem Ohr. Ihre Stimme war sanft, fast ein Hauch. „Er heißt Calenhir.“
Eruviel sah auf, ihre Augen rot von Tränen. Der Name des Mannes war ihr fremd – doch vielleicht, nur vielleicht, barg er einen Schlüssel zur Wahrheit. Hinter ihnen flackerte das Feuer der Nacht, während die Dunkelheit immer dichter wurde.
Kapitel 3:Die Bürde der Hoffnung
Die Luft war schwer und erstickend, erfüllt vom bitteren Gestank brennenden Schwefels. Vorgoroth, das finstere Bollwerk Shoraths, spie unaufhörlich dunklen Rauch aus, der sich wie ein Schleier aus Vergessenheit über die Landschaft legte. Sterne und Mond waren nur noch blasse Schatten hinter dem toxischen Dunst. Jeder Atemzug schien die Kälte tiefer in die Lungen zu treiben, als sei die Dunkelheit selbst zu einer greifbaren, alles verschlingenden Macht geworden.
"Ich schwöre bei allen Sternen, die wir nicht mehr sehen können, dieser Rauch stinkt schlimmer als ein Troll nach drei Tagen Jagd", murmelte Calathor, ein schmaler, rotblonder Iriël, der ständig einen Spruch auf den Lippen hatte.
"Das könnte daran liegen, dass er nach dir riecht", entgegnete Thavion trocken, ohne zurückzublicken.
Thavion zog seinen schweren, mit silbernen Stickereien verzierten Umhang fester um die Schultern. Unter dem Mantel glänzte seine kunstvoll gefertigte Rüstung aus Gravon und gehärtetem Leder. Die Schulterplatten trugen das Emblem eines silbernen Baumes, ein Symbol seiner Herkunft aus den Wäldern von Neldorin. Feine Ornamente zogen sich wie gewebte Ranken über die Panzerung, und an seinen Handgelenken schimmerten Spangen aus Dúrial, die so leicht waren, dass sie die Beweglichkeit seiner Schwertführung nicht beeinträchtigten. An seiner Seite hing sein Schwert, Lindórvaeth, was auf Astilariin „Sang des Nordwindes“ bedeutete. Die Waffe war ein Meisterwerk, und ihre geschwungene Klinge spiegelte die Eleganz und Tödlichkeit ihres Trägers wider.
Die anderen Iriël trugen ähnliche Rüstungen, deren Farben von tiefem Grün bis hin zu nachtschwarzem Blau reichten, um sie mit der dunklen Landschaft verschmelzen zu lassen. Helme mit filigranen Kammverzierungen schützten ihre Köpfe, und ihre Umhänge, aus gewebtem Stoff, waren nahezu lautlos, selbst wenn sie im Wind wehten.
Der Trupp bewegte sich vorsichtig durch das unebene Gelände, die Blicke wachsam auf die Umgebung gerichtet. Jeder Schritt war bedacht, jeder Atemzug leise. Der Hügelkamm vor ihnen zeichnete sich wie ein scharfkantiger Schatten gegen die trügerische Helligkeit von Vorgoroth ab, der in der Ferne bedrohlich aufragte. Thavion führte die Gruppe, sein Schwertgriff in Reichweite, während der kalte Wind über die kargen Hügel strich. Sie alle spürten die drückende Last der Stille, die nur von dem dumpfen Rumpeln in der Ferne unterbrochen wurde.
Plötzlich hielten sie inne. Saerion, der Älteste und Erfahrenste unter ihnen, ließ seinen Blick scharf durch die Dunkelheit wandern. "Orks", flüsterte er schließlich, sein Ton sachlich, beinahe gleichgültig, als ob er eine alte Wahrheit aussprach, die niemand in Frage stellen konnte.
"Nicht viele", fügte Calathor hinzu. "Vielleicht fünfzig."
"Nur fünfzig?" Thavion drehte sich halb um und grinste. "Wenig genug, dass selbst du sie zählen kannst."
Die Iriël lachten leise, während sie in Formation gingen. Als die erste Welle der Orks heranbrach, wirkte es fast wie ein Tanz. Sie bewegten sich mit der Präzision eines eingeübten Balletts: Schwerter blitzten, Pfeile surrten, und jede Bewegung war tödlich.
Thavion war wie ein Wirbelwind. Sein Schwert schnitt durch die Orks mit einer Leichtigkeit, die beinahe unnatürlich schien. Ein gezielter Hieb zerschmetterte die Klinge eines Gegners, während ein blitzschneller Tritt den nächsten Ork von den Füßen riss. Um ihn herum taten es die anderen ihm gleich. Calathor kämpfte mit einer Mischung aus Ungestüm und Geschick, während Saerion mit der Ruhe eines erfahrenen Kriegers seine Feinde niederstreckte. Ihre Bewegungen waren so koordiniert, dass die Orks kaum eine Chance hatten, durch ihre Reihen zu brechen.
Doch die Orks kamen in Wellen. Eine zweite, größere Gruppe stürzte sich mit einem wilden Gebrüll die Anhöhe hinauf. Thavion schnitt durch ihre Reihen wie ein heißes Messer durch Butter, doch der Druck wurde spürbar. Er bemerkte den Speer zu spät. Ein Ork, der am Boden lag und tot zu sein schien, hob ihn mit letzter Kraft und schleuderte ihn mit einem röchelnden Schrei. Der Speer durchbohrte Thavions linken Oberarm, und der Schmerz ließ ihn auf die Knie sinken. Saerion war sofort bei ihm, sein Schild hoch erhoben, um die Angreifer abzuwehren. Mit einem kräftigen Ruck zog er den Speer aus Thavions Arm, während Calathor dem Ork, der ihn geworfen hatte, mit einem gezielten Schlag ein jähes Ende bereitete.
"Tja, und ich dachte, du wolltest uns aus Schwierigkeiten rausholen", rief Calathor grinsend.
"Das war der Plan", keuchte Thavion und zwang sich trotz des Schmerzes zu einem Lächeln. "Aber ich dachte, ich lasse euch zur Abwechslung auch mal gut aussehen."
Saerion schüttelte den Kopf, ein Schmunzeln auf den Lippen, bevor er Thavion auf die Beine half. "Kannst du laufen?"
"Nur, wenn Calathor nicht wieder anfängt zu singen", erwiderte Thavion trocken.
Als der letzte Ork zu Boden fiel und die Stille sich wie ein erdrückender Mantel über das Schlachtfeld legte, keuchte Thavion schwer, doch er richtete sich auf. Die Dunkelheit waberte, das Land um sie herum war erfüllt vom fauligen Gestank vergossenen Orkblutes, und der kalte Wind brachte keinen Trost. "Wir müssen uns zurückziehen", sagte Saerion leise, seine Stimme fest, aber ruhig.
"Rückzug?", entgegnete Thavion, während er sein Schwert, Lindórvaeth, zurück in die Scheide schob. "Ich nenne es einen geordneten Sieg."
Die Gruppe formierte sich, während Calathor, ein breites Grinsen auf dem Gesicht, scherzte: "Geordnet, weil du zu stolz bist, zuzugeben, dass du keine zwei Schwerter schwingen kannst, mit einem durchbohrten Arm." Thavion schenkte ihm ein schwaches Lächeln, dann nickte er. "Das stimmt. Würde ich zwei Schwerter führen, wäre keiner von euch überhaupt nötig."
Sie bewegten sich zurück, ihre Schritte lautlos und diszipliniert. Die Männer umringten Thavion, der sich trotz des brennenden Schmerzes in seinem Arm nicht anmerken ließ, dass die Verletzung seine Kräfte schwinden ließ. Jeder von ihnen wirkte wie eine Statue aus alter Zeit, mit klaren, entschlossenen Zügen, als sie die Anhöhe hinter sich ließen. In der Ferne war das dumpfe Rumpeln von Vorgoroths Feuer zu hören, wie der Herzschlag einer sterbenden Welt. Doch die Gruppe blickten nicht zurück. Jeder Schritt war ein Akt des Widerstands, jeder Atemzug ein stiller Schwur, dass sie den Schatten, der sich über Nyrassar legte, nicht kampflos hinnehmen würden.
Als sie endlich die Sicherheit eines dicht bewaldeten Hangs erreichten, legte Saerion eine Hand auf Thavions Schulter. "Ruhe dich aus! Auch Helden brauchen manchmal einen Moment des Friedens."
"Ein Moment, vielleicht", erwiderte Thavion, seine Stimme erschöpft, aber immer noch von einem Hauch Stolz getragen. "Doch nur ein Moment. Wir haben noch viel zu tun, bevor dieses Land wieder atmen kann."
Eruviel trat aus der Scheune hinaus in die kühle, klare Luft, wo gerade ein neuer Morgen anbrach. Der feuchte Geruch der Erde und das Rauschen der Blätter erinnerten sie für einen Moment an ihre Heimat. Doch der Schmutz und das Blut, die an ihr klebten, störten das Bild. Entschlossen ging sie zum Brunnen, löste ihre Zöpfe und wusch sich gründlich, bis ihre Haut prickelte. Das kalte Wasser rann über ihre Hände und ihr Gesicht, erfrischte sie und ließ sie für einen Augenblick ihre Sorgen vergessen.
Als sie sich aufrichtete und das Wasser von den Armen strich, fiel ihr Blick auf zwei Iriël vor einem Haus in der Nähe. Sie standen aufrecht in voller Kriegsrüstung, mit langen Speeren in den Händen und mächtigen Schilden an ihrer Seite. Das Wappen darauf war unverkennbar: auf einem blauen Grund mit silbernen Sternen ragten acht zackige Flammen empor, ein Symbol der Stärke und des Feuers.
Eruviels Herz schlug schneller. Sie zögerte nicht lange und trat entschlossen näher. Die beiden Wächter fixierten sie mit durchdringenden Blicken, hoben jedoch weder Speer noch Stimme. Als sie nahe genug war, sagte einer mit fester, aber höflicher Stimme: „Der König erwartet Euch. Tretet ein.“ Überrascht, aber ohne Fragen zu stellen, nickte Eruviel und trat an den beiden vorbei in das Haus.
Drinnen schlug ihr die Wärme eines Feuers entgegen, begleitet vom süßen, würzigen Duft von Pfeifenkraut. Der Raum war einfach, aber mit Bedacht eingerichtet. Eine lange, schwere Tafel aus dunklem Holz stand an einer Seite, auf der Kerzen und Pergamente lagen. An der gegenüberliegenden Wand lehnte ein kunstvoll geschmiedetes Langschwert, das sofort ihre Aufmerksamkeit fesselte.
Es war Iskald, Ilmarions legendäre Klinge, und allein ihr Anblick jagte Eruviel einen Schauer über den Rücken. Das Schwert schimmerte in einem unnatürlichen Licht, fast wie Frost, der auf kaltem Stahl lag. Die feine Gravur auf der Klinge erinnerte an das Eis, das selbst die Dunkelheit von Druugorath durchdrungen hatte, und der Griff war kunstvoll mit Silber und blauem Edelstein verziert. Es war eine Waffe, die Geschichte schrieb, und für einen Moment konnte Eruviel den Atem der Schlacht fast spüren.
In der Mitte des Raumes, auf einem schlichten Stuhl nahe dem Kamin, saß Ilmarion. Doch er war anders, als sie ihn erwartet hatte. Anstelle seiner Rüstung trug er ein einfaches, dunkelblaues Gewand, das seine silbernen Haare betonte. Sein Blick war ruhig und freundlich, doch in seinen Augen lag eine Tiefe, die von Erfahrungen sprach, die weit über das hinausgingen, was Eruviel sich vorstellen konnte.
Zwischen seinen Fingern hielt er eine kunstvolle Pfeife, deren Rauchkringel in die Luft stiegen und sich im Licht der Flammen verloren. Als sie eintrat, sah er auf, nickte ihr zu und sprach mit einer sanften Stimme: „Eruviel von Nimlad, setzt Euch. Wir haben viel zu besprechen.“
Der Raum war erfüllt vom leisen Knistern des Feuers, das seinen Schein auf die schlichten, aber kunstvoll gefertigten Möbel warf. Der Stuhl, auf den Eruviel sich setzte, war aus dunklem Holz mit filigranen Schnitzereien, die an die Sterne Luminars erinnerten. Eine weiche Decke aus grauem, fein gewebtem Stoff lag über der Lehne, vermutlich, um den rauen Nächten zu trotzen.
Sie spürte die Wärme des Feuers und die mächtige Präsenz Ilmarions, die den Raum ausfüllte wie ein stiller, aber unaufhaltsamer Strom. Seine Haltung war ruhig, fast entspannt, doch in seinen Augen lag ein scharfer, durchdringender Blick, der sie erfasste, als wollte er ihr Innerstes erkennen. „Du bist weit gekommen, Eruviel,“ begann er, seine Stimme war tief und sanft. Sie schluckte, von der plötzlichen Bedeutung des Moments überwältigt, und nickte leicht.
„Ich habe Berichte erhalten,“ fuhr Ilmarion fort, sein Blick wanderte zum Feuer, dessen Licht auf seinen silbernen Haaren tanzte. „Von Flammen, die ganze Wälder, Stein und Körper gleichermaßen versengen. Eine zerstörerische Kraft, die weit über das hinausgeht, was wir bisher kannten. Die Strategie des Feindes hat sich verändert.“
Er hielt inne, die Pfeife in seiner Hand ruhelos drehend, bevor er sie beiseitelegte. „Sag mir, was hältst du davon? Du hast die Verwundeten behandelt!“
Eruviel atmete tief durch, ihre Hände umfassten die Lehne ihres Stuhls. „Ja, mein Herr,“ begann sie, ihre Stimme zitterte leicht, doch sie wurde rasch fester. „Die Verwundeten, die ich behandelt habe, sprachen von einer Hitze, die nicht nur Haut und Fleisch verbrannte, sondern auch den Geist lähmte. Es ist, als ob dieses Feuer selbst eine dunkle Macht trägt, die weit über unsere Vorstellung hinausgeht.“
Ilmarion lauschte, sein Gesicht reglos, doch seine Augen funkelten, als ob er jedes ihrer Worte abwog.
„Ihr seid eine Heilerin von großem Können,“ sagte er schließlich, „und eure Gabe, nicht nur den Körper, sondern auch die Seele zu heilen, ist unersetzlich. Doch sagt mir: Glaubt ihr, dass wir es mit einer neuen Magie zu tun haben? Oder ist es nur die Macht des Feuers selbst, verstärkt durch den Willen Shoraths?“
Sie zögerte. „Mein Herr, ich bin keine Gelehrte der dunklen Künste. Aber was ich gesehen habe, lässt mich glauben, dass dies kein gewöhnliches Feuer ist. Es brennt mit einer Intensität, die unnatürlich erscheint. Und die Verwundeten, die ihm ausgesetzt waren, scheinen... verändert. Nicht nur ihre Körper, sondern auch ihr Geist ist verwundet, als ob etwas Dunkles sie verfolgt.“
Ilmarion legte die Finger an sein Kinn, nachdenklich, sein Blick auf die tanzenden Flammen gerichtet. „Das passt zu dem, was meine Kundschafter berichtet haben. Shorath erschafft etwas Neues, etwas, das wir noch nicht verstehen.“
Eruviel wagte es, ihn anzusehen. „Wenn ich es wagen darf, mein Herr – glaubt Ihr, dass dies ein Vorzeichen ist? Etwas, das größer ist als das, was wir bisher gekannt haben?“
Er sah sie an, und in seinen Augen lag ein Hauch von Trauer, aber auch unerschütterliche Entschlossenheit. „Vielleicht. Doch wir werden vorbereitet sein, so gut es geht. Und eure Fähigkeiten, Eruviel, könnten entscheidend sein. Nicht nur, um die Verwundeten zu heilen, sondern auch, um zu verstehen, womit wir es zu tun haben.“ Er trat zum Fenster, das in die Morgendämmerung hinausblickte, und sprach mit leiser Stimme, als ob er mehr zu sich selbst als zu ihr sprach. „Die Dunkelheit mag wachsen, aber wir werden ihr entgegentreten. Es bleibt keine andere Wahl.“
Der Moment war kurz, aber Eruviel spürte, dass Ilmarion sich nicht nur an sie wandte, sondern an alle, die bereit waren, gegen die Schatten zu kämpfen. Und für einen Augenblick fühlte sie sich nicht nur wie eine Heilerin, sondern wie ein Teil von etwas Größerem – eines Kampfes, der die Welt verändern könnte.
Eine Stille trat ein, die nur vom leisen Knistern des Feuers unterbrochen wurde. Eruviel senkte den Blick, die Worte des Königs hallten noch in ihrem Geist nach. Es war eine gespannte Ruhe, die sich im Raum ausbreitete. Langsam erhob sie den Kopf und sah Ilmarion mit festem Blick an.
„Herr… Darf ich Euch etwas fragen?“ Ihre Stimme klang ruhig, doch ein Hauch von Unsicherheit schwang in ihr, als sie die Worte fand. Sie wusste, dass ihre Frage viel Gewicht trug, doch sie musste es wissen. „Kennt Ihr den Krieger namens Calenhir?“
Ilmarion drehte sich zu ihr, hob eine Augenbraue, und seine Augen, die nun die Flammen des Feuers widerspiegelten, ruhten auf ihr. „Calenhir?“ wiederholte er nachdenklich, als ob er den Namen abwägen wollte. „Ja, ich kenne ihn. Ein tapferer Krieger, ein erfahrener Kämpfer. Doch was weißt du von ihm, Eruviel?“
„Ich habe ihn gestern verarztet,“ begann sie, der Gedanke an die Verwundungen des Kriegers ließ ihr Herz einen Moment schneller schlagen. „Er ist schwer gezeichnet. Die Wunden… sie sind anders als alles, was ich bisher gesehen habe. Der Schmerz in seinen Augen… es war mehr als nur körperliche Qual.“
Sie verstummte für einen Moment, als die Erinnerung an die Szene sie erneut ergriff. „Aber es sind nicht die Wunden, die meine Seele trüben, Herr. Calenhir hielt eine Kette in seiner verbrannten Hand. Eine Kette mit einer Blume. Sie gehört meinem Sohn…‘“ Ihre Stimme brach einen Moment, bevor sie weitersprach. „Was könnt Ihr mir darüber sagen?“
Ilmarion schaute ihr lange in die Augen, als wolle er ihre tiefste Seele ergründen. Dann sagte er ruhig: „Kommt, lasst uns ein paar Schritte gehen.“
Die Luft war erfüllt vom Duft blühender Immerweiß und den zarten Aromen der Hithlain-Ranken, die sich an kunstvoll geformten Bögen emporwanden. Ein sanftes goldenes Licht glitt über die Gärten, als die Sonne über den Horizont stieg, ihre ersten Strahlen spielten mit den Tautropfen, die auf den Blättern glitzerten wie Diamanten. Die schlichte Eleganz der Gärten, gepflegt mit der Geduld und dem Geschick der Iriël, erstrahlte in diesem warmen Glanz und ließ die Farben von Elanor und Lorien-Tulpen noch lebendiger wirken.
Ilmarion, groß und erhaben wie immer, schritt gemessenen Schrittes neben Eruviel. Seine königliche Haltung fing das goldene Licht ein, das in seinen Haaren schimmerte, und sein Blick wanderte neugierig über die harmonisch angelegten Rabatten. Neben ihm wirkte Sie wie eine Blüte des Gartens selbst, umgeben von dieser friedlichen und doch zeitlosen Schönheit.
„Eruviel,“ begann er, seine Stimme weich, „diese Gärten sind ein Wunder. Ihre Harmonie lässt mich beinahe vergessen, dass diese Welt vom Schatten bedroht wird.“
Sie lächelte flüchtig, doch der Schmerz in ihren Augen blieb nicht verborgen. Sie streckte die Hand aus und ließ ihre schlanken Finger über die schimmernden Blätter eines Eglantine-Strauchs gleiten, dessen Blüten zart nach Frühsommer dufteten. „Die Pflanzen sprechen oft mehr von Hoffnung, als Worte es vermögen. Und doch...“ Sie hielt kurz inne, bevor sie weitersprach. „Diese Hoffnung fühlt sich manchmal fern an.“
Ilmarion blieb stehen und drehte sich zu ihr, seine blauen Augen forschend. „Hoffnung mag fern sein, aber sie lebt in dir, Eruviel. Erzähl mir, was auf deinem Herzen lastet.“
Sie gingen ein paar Schritte weiter, bis sie an einen kleinen, plätschernden Brunnen kamen. Eruviel setzte sich auf den Rand aus hellem Stein und ließ ihre Finger über die kühle Wasseroberfläche gleiten.
„Es sind meine Gedanken an sie...“ begann sie langsam. „An meinen Mann, meine Kinder. Es ist jetzt zweiundfünfzig Jahre her, seit sie mit dem vereinten Heer der Astilari und Vaharyn nach Loth-Galor gezogen sind, um die Belagerung gegen Shorath zu verstärken. Anfangs... Anfangs kamen noch Nachrichten. Regelmäßig sogar.“
„Und jetzt nicht mehr?“ Ilmarion nahm ebenfalls Platz, sein Blick fest auf sie gerichtet.
Sie schüttelte den Kopf, und ihre Stimme wurde leiser, als sie fortfuhr: „Ich weiß nur noch das, was ich damals gehört habe. Meine zwei Söhne, Ríannor und Nivion, sind nach Haldorath gegangen, um Eldhros und sein Heer zu unterstützen. Mein Mann, Lúthendil, und meine Tochter, Elwina, zogen nach Feredrim, um an der nördlichen Grenze über Shorath zu wachen. Dort sollten sie sein, zusammen mit Baldric und den Seinen.“
Ilmarion nickte nachdenklich. „Das Land Feredrim ist wahrlich wunderschön, doch ich kenne die Gefahren, die dort lauern. Viele unserer tapfersten Krieger haben wir entsandt, um es zu schützen. Gemeinsam mit den Dainor aus dem Hause Ysivarn stehen sie Seite an Seite gegen die Dunkelheit. Doch sag mir, was bedrückt dich so sehr, dass selbst die Hoffnung in deinem Herzen zu schwinden droht?“
Eruviel zögerte, als suchte sie nach den richtigen Worten. „Es ist die Stille, Ilmarion. Die endlose Stille. Ich habe keine Nachricht mehr von ihnen. Weder von Haldorath noch von Feredrim. Es sind vierzig Jahre vergangen, und ich fürchte...“
Ilmarion legte ihr eine Hand auf die Schulter, eine Geste voller Mitgefühl. „Ich kenne den Schmerz des Wartens, Eruviel. Aber glaube mir, solange wir hier stehen, solange Shorath noch nicht über uns triumphiert hat, gibt es Hoffnung. Deine Familie ist stark, so wie du es bist.“
Sie sah ihn an, ein Funke von Dankbarkeit in ihren Augen, auch wenn sie immer noch schwer atmend vor Sorge war. Sie stand auf, streckte die Hand aus, um den Ast einer Eibe zu berühren, und ließ den Blick über den Garten schweifen. „Vielleicht hast du recht,“ sagte sie schließlich. „Doch manchmal denke ich, dass ich meine Antworten nicht in der Stille finden werde, sondern auf dem Weg, der vor mir liegt.“
„Eruviel,“ Ilmarion erhob sich ebenfalls, „was auch immer geschieht – du bist nicht allein. Und wenn der Tag kommt, an dem du Antworten suchst, weißt du, dass wir an deiner Seite stehen werden.“
Sie nickte und lächelte schließlich, ein Ausdruck, der sanft und doch voller Stärke war.
Die Dämmerung des Morgens war bereits fast vollständig verstrichen, und die ersten Strahlen der Sonne fluteten den Garten mit goldenem Licht. Doch für Eruviel war der Glanz, der durch die Bäume brach, nur ein ferner Hauch von Hoffnung, der sie kaum erreichte. Ihre Gedanken waren bei den Worten, die sie eben mit Ilmarion gewechselt hatte, und bei den Ängsten, die nun wie schwere Ketten auf ihrem Herzen lasteten.
„Ich weiß nicht, ob wir noch rechtzeitig sind“, murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu Ilmarion, während sie in den Garten hinaustrat und die frische Luft einatmete. „Wie lange können sie dem Feuer noch standhalten?“
Ilmarion trat neben sie, seine silbernen Augen voll Sorge. „Die Sonne ist noch jung. Lass uns gemeinsam mit Calenhir sprechen. Vielleicht gibt es etwas, das er uns sagen kann.“ Er sah sie mit einer Mischung aus Mitgefühl und königlicher Autorität an, als er den Vorschlag unterbreitete.
„Aber Calenhir…“, begann Eruviel, die Stimme zitternd vor Unruhe. „Er ist schwer verletzt. Er wird nicht sprechen können.“
„Doch, er wird“, erwiderte Ilmarion ruhig, seine Stimme fest. Ich werde ihn nicht bedrängen, doch vielleicht können wir wenigstens einen Funken Hoffnung in seinen Worten finden.“
Mit einem letzten Blick auf den aufgehenden Tag, als wollte er sich von dem gleißenden Licht noch einmal stärken, machte sich Ilmarion auf den Weg zur Scheune. Eruviel folgte ihm, ihre Schritte zögerlich und gehetzt. Der Gedanke an die verlorenen Söhne quälte sie immer mehr. Ihr Puls raste, und jeder Schritt fiel ihr schwerer, als würde sie den Boden unter ihren Füßen verlieren.
Als sie die Scheune erreichten, war der Geruch von verbranntem Holz und Rauch noch immer in der Luft. Calenhir lag auf weichem Stroh, bedeckt mit Tüchern, die seine Verletzungen nur teilweise verbargen. Sein Gesicht war blass, und die Narben, die von dem Feuer zeugten, waren tief und hässlich. Doch in seinen Augen war noch ein Funken Leben, ein schmerzhafter, aber klarer Blick, der in Eruviels Seele schnitt.
Ilmarion trat näher, und seine Anwesenheit schien die Luft zu verändern. „Calenhir“, sagte er leise, „du hast in den letzten Stunden mehr durchlitten als viele in einem ganzen Leben. Ich bitte dich, sprich mit uns. Es gibt Fragen, die nur du beantworten kannst.“
Der verwundete Krieger blinzelte, als würde er den König zum ersten Mal wahrnehmen. Langsam öffnete er seinen Mund, als ob jede Bewegung eine unendliche Anstrengung war. Schließlich brachte er einen Ton hervor, der kaum mehr als ein Hauch war: „Nivion… er lebt.“
Eruviel hielt den Atem an, ihr Herz sprang vor Hoffnung. „Nivion lebt? Aber was ist mit ihm geschehen? Was hast du gesehen?“
Calenhir schloss kurz die Augen, als würde er sich an den Moment zurückerinnern. „Nivion…“, wiederholte er schwach. „Er trug die Kette. Ich zog ihn aus dem Feuer, doch… als der Rauch und der Staub alles verschlang, habe ich ihn aus den Augen verloren. Die Kette… ich habe sie abgerissen, als ich ihn aus den Flammen zog. Doch in dem Moment, als ich ihn losließ, war er fort. Der Rauch war so dicht, ich konnte nicht mehr sehen. Ich… wurde verbrannt.“ Sein Atem stockte, und Eruviel konnte die Schmerzen förmlich spüren, die in seiner Stimme mitschwingen.
„Du hast ihn aus dem Feuer gerettet?“ fragte sie, die Augen mit Tränen erfüllt.
„Ich… ich konnte ihn nicht halten“, murmelte Calenhir. „Ich konnte ihn nicht finden, als der Rauch sich legte…“
„Was ist mit Ríannor?“, fragte Ilmarion ruhig, seine Stimme fest, aber voller Sorge. „Was weißt du über ihn?“
Calenhir schüttelte langsam den Kopf. „Er… er war nicht bei uns, er war in einer anderen Gruppe. Er kämpfte bei Eldhros, in Eldhros' Mark. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Die Vaharyn hatten ein großes Heer dort, aber ich… konnte nichts mehr sehen. Der Staub, der Rauch… alles verschwamm vor meinen Augen.“
Ilmarion trat einen Schritt zurück, sein Blick war nachdenklich, doch auch besorgt. Er sah zu Eruviel. Ihre Miene war verzerrt vor Anspannung. „Das sind keine guten Nachrichten“, sagte er, seine Stimme beinahe sanft, als er das Gewicht der Worte auf sie legte. „Aber es gibt noch Hoffnung für Nivion. Vielleicht ist er noch am Leben, irgendwo im Rauch.“
Eruviel fühlte, wie ihre Beine zitterten. Ihre Gedanken waren ein wirbelnder Sturm, der ihr den Atem nahm. Ohne einen weiteren Gedanken an die Gefahren der Reise zu verschwenden, trat sie schnell vor, ihre Stimme eine Mischung aus Angst und Entschlossenheit.
„Ich muss los! Ich muss ihn finden! Ich werde ein Pferd nehmen und sofort aufbrechen. Wo ist ein Pferd?“
Ilmarion legte eine Hand auf ihre Schulter, ruhig, aber bestimmt. „Eruviel, warte. Du kannst nicht einfach in den Morgen reiten, ohne zu wissen, wohin du gehst. Die Welt ist nicht mehr sicher, und du bist in einem Zustand, der dich gefährden könnte.“
„Ich kann nicht warten!“ Ihre Stimme war fast ein Schrei. „Was, wenn er stirbt, bevor ich ihn finde? Was, wenn es zu spät ist? Ich muss gehen, jetzt sofort!“
Ilmarion trat einen Schritt näher, blickte ihr tief in die Augen. „Du wirst ihn nicht finden, wenn du dich selbst zerstörst. Du musst Ruhe finden. Das Feuer, das dich verbrennt, ist das in deinem eigenen Herzen. Beruhige dich. Atme. Ich gebe dir mein Wort, dass wir Nivion finden werden. Aber zuerst musst du dich selbst heilen, um zu helfen.“
Eruviel spürte, wie die Worte des Königs in ihre erschöpften Gedanken sickerte, und langsam, widerwillig, ließ sie sich von seiner ruhigen Stärke einfangen. Ihre Brust hob sich und senkte sich, der heiße Atem begann sich zu beruhigen.
Ilmarion führte sie sanft zur Seite und sprach leise: „Komm, Eruviel. Du wirst dich jetzt ausruhen. Lass die Sorge für einen Moment los. Es gibt nichts, das du tun kannst, wenn du dich selbst zugrunde richtest.“
Sie ging mit ihm, ihre Schritte müde und langsam. Als sie das weiche Bett erreichte, zögerte sie nicht lange. Ihr Körper sank in die Decken, und obwohl ihre Gedanken weiterhin um Nivion und Ríannor kreisten, spürte sie, wie der Schlaf sie einhüllte, ruhig und traumlos, als ob der Frieden der Nacht sie sanft in seine Arme schloss. Und für den Moment, für diesen einen Moment, war der Sturm in ihrem Inneren verschwunden.
Alles war still. Nur das leise, gleichmäßige Geräusch ihres Atems begleitete ihre Träume. Es war ein weiches Rauschen, als ob der Wind durch die Bäume der Wälder von Nimlad wehte, sanft und beruhigend. Ihre Gedanken schwebten in einem Nebel, irgendwo zwischen der klaren Welt des Wachseins und der flimmernden Unschärfe der Träume. Bilder zogen an ihr vorüber – vertraute Gesichter, helle Landschaften, die Melodien von längst vergangen Tagen. Es war, als würde sie durch einen weiten, unendlichen Raum gleiten, ohne festen Boden unter den Füßen, nur getragen von der Stille der Nacht.
Doch dann, leise wie ein ferner Hauch, begannen Geräusche an ihre Sinne zu dringen. Zuerst war es kaum mehr als ein Flüstern, das mit der Zeit immer deutlicher wurde. Das Gefühl war wie ein sanfter Ruck, der sie aus der Ruhe zog, als ob etwas unsichtbares, aber mächtiges an ihr zerrte. Es war der Klang von Hufen, die gegen den Boden schlugen, ein rhythmisches Stampfen, das durch das Zimmer hallte und die Stille mit einer wachsenden Bestimmtheit füllte. Die Hufe von Pferden – stark, schnell und fest.
Zunächst war es nur ein einzelner Huf, dann ein paar, bis die ganze Gruppe von Pferden in einem nahezu gleichmäßigen Takt zu hören war. Der Klang wurde schärfer, unmissverständlicher, ein Zeichen, dass die Welt draußen in Bewegung war, dass sich etwas Wichtiges und Unaufhaltsames vorbereitete.
Eruviel nahm einen tiefen Atemzug, als der Klang immer näher kam. Die Geräusche durchbrachen ihre Träume, wurden schärfer, realer. Sie konnte den schweren, fast ehrfurchtsvollen Tritt der Pferde hören, die vor und hinter dem Haus vorbeizogen, als bereiteten sich die Reiter auf etwas Großes vor. Ihre Augen blinzelten, doch der Nebel, der ihre Gedanken noch immer einhüllte, schien sich hartnäckig zu weigern, sie vollständig in die Welt der wachen Sinne zu entlassen.
Mit jedem Augenblick, der verstrich, kamen die Geräusche klarer und näher. Eruviel nahm nun auch die ersten Worte wahr – Rufe, durch die dicken Wände des Hauses gedrungen. Unverständliche Anweisungen, Worte, die sich in der Luft verloren, aber deren Tonfall etwas anderes sagten. Es war nicht nur der übliche Aufbruch. Nein, hier war etwas anderes. Etwas, das die Luft selbst schwerer machte, als ob die Welt sich auf etwas vorbereitete, das größer war als sie es sich je hätte vorstellen können.
Langsam, zögerlich, begann sie ihre Augen zu öffnen. Zuerst nur einen Spalt weit, als ob sie den Raum, der sich um sie herum ausdehnte, noch nicht ganz begreifen konnte. Das erste, was sie sah, war der weiche, verschwommene Schein des Lichts, das durch das Fenster sickerte und die Wände mit einem sanften Glanz überzog. Es war alles verschwommen, als ob die Realität selbst noch in den Schleiern des Schlafs gefangen war.
Die Geräusche drangen weiter zu ihr durch, wurden klarer. Jetzt konnte sie die Stimmen der Männer hören, die draußen standen, die kommandierten und sich verständigten. Sie konnte das Rasseln von Rüstungen und das Klirren von Waffen hören, das Zischen von Leder und das Knarren von Sätteln, die auf die Rücken der Pferde geschnallt wurden.
Langsam öffnete sie die Augen weiter, der Nebel ihrer Träume begann zu weichen, und die Welt nahm immer mehr Gestalt an. Ihre Umgebung trat in den Vordergrund – der vertraute Raum, der sie umgab, die Wände aus Holz, die sanfte Polsterung des Bettes, der weiche Duft der Kissen und der flimmernde Schein des Lichts, das durch das Fenster drang.
Und dort, am Fenster, stand er. Ilmarion. Er blickte hinaus in die noch dämmernde Morgenwelt, und der Glanz seiner königlichen Rüstung ließ ihn fast unnahbar erscheinen, ein Wächter der Grenze zwischen der Nacht und dem Erwachen des neuen Tages. Das Schwert „Iskald“ hing an seiner Seite, ruhig und still, als ob es sich der kommenden Schlacht bereits bewusst war.
In der Ecke des Raumes saß Thavion. Sein Gesicht, normalerweise von einem humorvollen Lächeln geprägt, war jetzt ernst, seine Augen blickten ins Leere, verloren in Gedanken. Der Raum schien durch die Mischung aus den Geräuschen draußen und der Ruhe des Augenblicks in einen Zustand zwischen Erwartung und Bedrohung zu geraten. Eruviel blinzelte noch einmal, der Schleier des Schlafes löste sich vollständig von ihr, und sie war bereit, dem Moment, der auf sie wartete, ins Auge zu blicken.
Ilmarion bemerkte das Erwachen von Eruviel und trat sofort an ihr Bett. „Du hast dich ausgeruht“, sagte er, seine Stimme ruhig, aber mit einem unmissverständlichen Hauch von Entschlossenheit.
„Ich konnte in der Zwischenzeit nachdenken. Die Lage ist ernst. Ich werde umgehend nach Haldorath reiten und alle, die eine Waffe führen können, mitnehmen. Die Dunkelheit rückt näher, und Shorath spielt ein finsteres Spiel. Wir müssen bereit sein, die Flut aufzuhalten, bevor sie uns verschlingt.“
Eruviel fühlte sich benommen, aber eine Klarheit begann sich in ihr zu regen, als sie in Ilmarions Augen blickte. Doch die Worte, die er nun sprach, ließen ihr Herz schneller schlagen.
„Du, Eruviel, bekommst eine weitaus wichtigere Aufgabe“, fuhr Ilmarion fort. „Eine Aufgabe, die nicht nur deiner Familie helfen wird, sondern auch den Ausgang des Krieges beeinflussen könnte. Du musst nach Nal Doroth reisen. Suche nach Sylvarin. Er besitzt etwas, das uns allen helfen kann – dir, uns, den Iriël und den Dainor gleichermaßen.“
Eruviel setzte sich langsam auf, die Decke rutschte von ihr, und ihre Hände fühlten sich schwer an. „Sylvarin?“, wiederholte sie leise. „Was ist es, das er besitzt?“ Ilmarion sah sie mit ernster Miene an, als würde er über jedes Wort nachdenken müssen, bevor er sprach. „Es ist etwas, das tief in der Vergangenheit verborgen ist. Doch wenn du es findest, könnte es der Schlüssel sein, den Sieg zu erringen und den Schatten zurückzudrängen. Es ist nicht nur für uns, sondern auch für die Zukunft deiner Familie von Bedeutung.“
Thavion erhob sich aus seiner Ecke und trat näher an das Bett. „Eruviel, du wirst nicht allein reisen“, sagte er, seine Stimme fest. „Ich werde dich begleiten und auf dich aufpassen.“
Eruviel wollte etwas sagen, doch die Worte stockten in ihrem Hals. Der Gedanke an die bevorstehende Reise lastete schwer auf ihr, doch sie wusste, dass sie keine Wahl hatte. Ilmarion legte sanft eine Hand auf ihre. „Wartet nicht, Eruviel. Brecht gleich auf. Die Zeit drängt.“ Sein Blick war fest und ruhig, aber die Intensität seines Blickes konnte sie nicht täuschen. „Noch bevor der Schatten ganz über die Welt bricht, werden wir uns wiedersehen, da bin ich mir sicher.“
Er nahm ihre Hand und küsste sie sanft. Ihre Augen trafen sich in einem stillen Moment, der mehr sagte als alle Worte. „Pass gut auf dich auf, Eruviel von Nimlad“, flüsterte er leise, fast so, als wolle er diese Worte in ihr Herz einprägen. Dann, ohne ein weiteres Wort, drehte er sich um und ging aus dem Raum.
Draußen, im Nebel des Morgens, hörte sie die Pferde. Sie spürte, wie der Boden unter ihren Füßen zu vibrieren begann, als die Reiter aufbrachen. Hufe trugen sie fort, die Sonne kämpfte sich durch den Dämmernebel und ließ das silberne Licht auf dem Stahl und den Rüstungen der Soldaten blitzen.
Langsam hob Eruviel ihren Blick von der weichen Decke. Ihre Hand glitt über das Leinen, als sie sich aufsetzte, der schwere Schlaf von ihr abfallend. Das Licht, das durch das Fenster strömte, vertreibend die letzten Schatten der Nacht, erweckte die Welt draußen zu neuem Leben. Sie atmete tief ein, spürte das Knistern der Morgenluft und die unbändige Sehnsucht, sofort aufzubrechen.
Die Geräusche der Pferde und das Rufen der Anweisungen hallten noch immer in der Ferne. Es war kein gewöhnlicher Tag. Sie war bereit, sich der Reise zu stellen, die vor ihr lag. Ohne ein weiteres Zögern schwang sie sich aus dem Bett, die Entschlossenheit in ihren Augen spiegelte sich im Licht des anbrechenden Morgens wider. Es gab kein Zurück mehr.
Kapitel 4:Der Weg nach Nal Doroth
Der Morgentau schimmerte wie feinster Kristall auf dem Gras, während Ilmarion und seine Krieger gen Osten ritten, die Klingen ihrer Speere funkelnd im ersten Licht. Der Wind trug einen Hauch von Ferne mit sich, einen kühlen, unbestimmten Atem, der von kommenden Prüfungen sprach. Die Vögel stimmten ihre Lieder an, doch selbst in ihrem Gesang lag eine leise Unruhe, wie ein Nachhall jener Schritte, die das Land hinterließen. Die Sonne erhob sich am Horizont, doch ihr Licht schien gedämpft, als würde es zögern, den Tag zu segnen.
Eruviel stand vor der Tür der Scheune, in der sie die Verletzten verarztet hatte. Von den Feldern drang das leise Summen der Alten, die sich über das Getreide beugten – eine mühsame Arbeit, die ihnen nicht fremd war, aber heute schwerer schien. Die Jüngeren waren fort. Ilmarion hatte sie mitgenommen, um die Belagerung von Druugorath zu stärken. Die Stille zwischen den Stimmen wirkte wie ein Schatten. Sie wussten, dass auch für sie bald die Zeit kommen würde, aufzubrechen. Wohin? Niemand konnte es sagen.
Thavion, der sich mit schnellen, geübten Händen die letzten Taschen schnappte, wandte sich mit einem freudigen Lächeln zu ihr. „Ach, was braucht man schon für ein Abenteuer?“, sagte er, als er einen Zeltstoff in seinen Rucksack stopfte. „Vielleicht ein paar Faltkarten, ein bisschen Trockenfleisch und ein guter Witz, um die Dunkelheit des Waldes zu vertreiben!“
Eruviel sah ihm nur kurz an, ihre Gedanken weit entfernt. Sie konnte sich kaum auf seine Scherze konzentrieren. Der Wald von Nal Doroth war nicht weit entfernt – ein Ort, den niemand freiwillig betreten würde. Sie kannte die Geschichten – düstere Erzählungen über das Reich von Vyörn, die finsteren Iriël und das Schicksal, das diesen Ort umhüllte. Ein Ort, der von Geheimnissen und gefährlichen Kreaturen durchzogen war. Aber der Ostpfad, der nun ihr Ziel war, führte sie genau dorthin. „Wäre schön, wenn der Wald uns statt Dunkelheit wenigstens etwas Licht brächte“, sagte sie, mehr zu sich selbst, ihre Stirn in Falten gelegt. „Und vielleicht auch eine Ahnung, wonach wir suchen.“
Thavion lachte und schüttelte den Kopf. „Ach, Eruviel, du bist wirklich die Meisterin der Motivation! Vielleicht ist das Schicksal, wonach wir suchen – das von uns aber nicht gefunden werden will.'“
Sie zog eine Augenbraue hoch, aber ihre Lippen zuckten leicht. „Das wäre definitiv möglich.“
Thavion grinste breit, bevor er dramatisch eine Hand auf die Brust legte. „Aber keine Sorge, du hast den besten Kämpfer der Elyarîn bei dir… mich! Und die Sonne ist über uns. Was kann da schon schiefgehen?“
Der Witz verhallte schnell, als er Eruviels ernsten Blick sah, doch der Hauch eines Lächelns blieb auf ihrem Gesicht. Doch sie war weit entfernt. Ihre Gedanken wanderten zurück zu den Gesichtern, die sie im Lager zurückgelassen hatte. Zu den Schmerzen und den Toten, die sie auf ihrem Weg noch begleiten würden. „Humor ist nicht gerade mein bester Begleiter heute“, antwortete sie leise, die Weite der Landschaft vor ihr anstarrend.
