Die Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd - Benedikt Terzer - E-Book

Die Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd E-Book

Benedikt Terzer

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Beschreibung

Die Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Bereich Jagd wird in diesem Buch erstmals in juridischer Hinsicht aufgearbeitet. Auf die verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Grundlagen aufbauend, stellt der Autor Entwicklung und status quo der Gesetzgebungskompetenz des Landes Südtirol im Jagdsektor dar. In der Folge wird das Spannungsfeld zwischen staatlicher Gesetzgebung und Landesgesetzgebung auch unter Heranziehung einschlägiger Judikatur des italienischen Verfassungsgerichtshofs beleuchtet. Ein rechtsvergleichender Teil sowie Ausblicke in die Zukunft runden das Buch ab.

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Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Zu diesem Buch

1. Verfassungsrechtliche Grundlagen

1.1. Autonomiestatut 1972

1.2. Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut 1972

1.2.1. Theoretische Aspekte

1.2.2. Durchführungsbestimmung für den Sachbereich

Jagd

1.3. VerfGes Nr. 3/2001

1.3.1. Grundsätzliches

1.3.2. Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001

1.3.3. Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001 und der Sachbereich

Jagd

1.3.4. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Staates im Sachbereich

Schutz der Umwelt und des Ökosystems

1.4. Umsetzung von EU-Recht

1.4.1. Grundsätzliches

1.4.2. Zuständigkeit der Autonomen Provinz Bozen zur Vollziehung von EU-Recht

1.4.3. Staatliche Ersatzgewalt bei Nichtbeachtung des Unionsrechts durch den Landesgesetzgeber

2. Unionsrechtlicher Einfluss auf den Sachbereich

Jagd

2.1. Richtlinie 2009/147/EG

2.2. Richtlinie 92/43/EWG

3. Landesjagdgesetz

3.1. Zur Entstehung des Landesjagdgesetzes

3.2. Zentrale Bestimmungen des Landesjagdgesetzes

3.2.1. Zielsetzung des Landesjagdgesetzes

3.2.2. Begriff

Wild

3.2.3. Begriff Hege

3.2.4. Begriff

Jagdausübung

3.2.5. Jagdzeiten und jagdbare Wildarten

3.2.5.1. Vergleich der Jagdzeiten hinsichtlich Reh-, Rot- und Gamswild

3.2.5.2. Vergleich der Jagdzeiten hinsichtlich der restlichen Wildarten

3.2.5.3. Fazit des Vergleichs

3.2.5.4. Urteil des Staatsrates Nr. 4172/2013

3.2.6. Sonderabschussermächtigungen

3.2.6.1. Definition

3.2.6.2. Entnahme nicht jagdbarer Wildarten

3.2.6.3. Entnahme jagdbarer Wildarten

3.2.6.4. Murmeltierentnahmen

3.2.6.5. Steinmarderentnahmen

3.2.6.6. Steinwildentnahmen

3.2.6.7. Resümee

3.2.7. Wildbezirke

3.2.7.1. Jagdreviere kraft Gesetzes

3.2.7.2. Eigenjagdreviere

3.2.7.3. Wildschutzgebiete

3.2.7.4. Schongebiete

3.2.7.5. Zonen des europäischen Schutzgebietsnetzes

3.2.8. Jagderlaubnisschein

3.2.8.1. Jahres- und Gastkarte

3.2.8.2. Tages- und Wochenkarte

3.2.9. Jagdwaffen

3.2.10. Verbote

3.2.11. Südtiroler Jagdverband

4.Staatliche Rechtsnormen im Sachbereich

Jagd

4.1. Zivilrechtliche Regelungen

4.2. Staatliches Jagdrahmengesetz Nr. 157/1992

4.2.1. Zur Entstehung des staatlichen Jagdrahmengesetzes

4.2.2. Zentrale Bestimmungen des staatlichen Jagdrahmengesetzes

4.2.2.1. Eigentumsfrage

4.2.2.2. Begriff

Wildtierfauna

4.2.2.3. Verwaltungsbefugnisse im Jagdsektor

4.2.2.4. Faunistisches Gebiet der Alpen

4.2.2.5. Wahl der Jagdform

4.2.2.6. Mittel zur Jagdausübung

4.2.2.7. Programmierte Jagdausübung

4.2.2.8. Verbote

4.2.2.9. Jagdbare Wildarten und Jagdzeiten

5.Rechtsvergleich bezüglich der Gesetzgebungskompetenz im Sachbereich

Jagd

5.1. Sonderautonomien

5.1.1. Autonome Provinz Trient

5.1.1.1. Untergliederung der Landesfläche

5.1.1.2. Jagderlaubnisscheine

5.1.1.3. Wahl der Jagdform

5.1.1.4. Jagdwaffen

5.1.1.5. Jagdzeiten und jagdbare Wildarten

5.1.1.6. Judikatur des VerfGH

5.1.1.7. Resümee

5.1.2. Autonome Region Sardinien

5.1.2.1. Eigentumsfrage und Definition der Wildtierfauna

5.1.2.2. Jagdwaffen

5.1.2.3. Untergliederung der Landesflächen

5.1.2.4. Jagdzeiten und jagdbare Wildarten

5.1.2.5. Judikatur des VerfGH vor der Reform mit VerfGes Nr. 3/2001

5.1.2.6. Judikatur des VerfGH nach der Reform mit VerfGes Nr. 3/2001

5.1.2.7. Resümee

.

5.2. Regionen mit Normalstatut

5.2.1. Primäre Gesetzgebungszuständigkeit

versus

Residualzuständigkeit

5.2.2. Günstigkeitsklausel

5.2.3. Gesetzliche Verankerung der Jagdzeiten

versus

Jagdkalender

5.2.4. Resümee

6. Judikatur des VerfGH im Sachbereich

Jagd

vor und nach dem VerfGes Nr. 3/2001

6.1. Vorbemerkung zum Gesetzgebungsverfahren

6.2. Judikatur des VerfGH vor dem VerfGes Nr. 3/2001

6.3. Judikatur des VerfGH nach dem VerfGes Nr. 3/2001

6.4. Vergleich der Kompetenzlage

7.VerfGH Urteil Nr. 278/2012

7.1. Ausgangsfall

7.2. Argumente des Beschwerdeführers

7.3. Argumente des Beschwerdegegners

7.4. Entscheidung des VerfGH

7.5. Bewertung des Urteils Nr. 278/2012 und dessen Auswirkungen auf das Landesjagdgesetz

7.5.1. Schranken

7.5.2. Das Jagdrahmengesetz Nr. 157/1992 als zwischengeschaltete Norm

7.5.3. Verwilderte Haustauben

7.5.4. Jagdzeiten

7.5.5. Jagderlaubnisschein

7.5.6. Wahl der Jagdform

7.5.7. Regulierung der Nutria

8. Zusammenfassende Schlussfolgerungen

9. Ausblick in die Zukunft

Literaturverzeichnis

Vorwort

Sich selbst die Gesetze geben zu dürfen, das eigene Land selbst zu verwalten, das waren die Erwartungen, Wünsche und Ziele der Mehrheit der Südtiroler.

Nach dem Pariser Vertrag hat es einige Zeit gedauert, bis die zugesicherte Autonomie einigermaßen den Vorstellungen der Südtiroler entsprach. Anstatt einer echten Landesautonomie gab es zunächst eine Regionalautonomie, in welcher die Regionalregierung in Trient alle wesentlichen Kompetenzen innehatte. Erst mit dem zweiten Autonomiestatut von 1972 wurden wichtige Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse an die Autonomen Provinzen Trient und Bozen übertragen. Der Weg war aber noch lange nicht geebnet, was sich auch und vor allem in den Bereichen Umwelt, Natur und Jagd gezeigt hat und sich bis heute zeigt.

Benedikt Terzer zeichnet in seiner Diplomarbeit, eingereicht bei Univ. Prof. Dr. Esther Happacher an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Meilensteine der jagdlichen Autonomie in unserem Land nach. Er verweist auf Schwierigkeiten, Interpretationen und Gerichtsurteile und liefert schlussendlich auch eine Vision für die Zukunft.

Die nun als Buch vorliegende Diplomarbeit wird die Literatur über ein wichtiges Thema unserer Südtiroler Identität erweitern. Es wendet sich an Interessierte, Studierende, aber auch an die Jägerschaft, die verstehen möchte, warum wir in Südtirol das häufige Murmeltier nicht bejagen dürfen, die Feldlerche aber vom Staat aus ohne Weiteres in die Liste der jagdbaren Tiere unseres Landes aufgenommen werden könnte.

Die Aussagen sind klar, der Stil verständlich, die Botschaft deutlich.

Ich gratuliere dem Autor zu diesem Buch, bedanke mich beim Verlagshaus Athesia für die Veröffentlichung und wünsche dem Werk eine gute Verbreitung.

Berthold Marx

Landesjägermeister

Abkürzungsverzeichnis

ABl Eu

Amtsblatt der Europäischen Union

ABl R

Amtsblatt der Region

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

BGBl

Bundesgesetzblatt der Bundesrepublik Deutschland

D LH

Dekret des Landeshauptmanns

DPR

Dekret des Präsidenten der Republik

EUV

Vertrag über die Europäische Union

GA

Gesetzesanzeiger

GA KrI

Gesetzesanzeiger des Königreichs Italien

GvD

Gesetzesvetretendes Dekret

GD

Gesetzesdekret

iVm

in Verein mit

Kgl D

Königliches Dekret

LG

Landesgesetz

OBl

Ordentliches Beiblatt

Rdnr

Randnummer

RE

Rechtliche Erwägungen

RG

Regionalgesetz

RGBL

Reichs- Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaisertum Österreich

SV

Sachverhalt

Verf

Verfassung der Republik Italien

VerfGes

Italienisches Verfassungsgesetz

VerfGH

Italienischer Verfassungsgerichtshof

VwG

Verwaltungsgericht

ZGB

Zivilgesetzbuch der Republik Italien

Zu diesem Buch

In diesem Buch wird erstmals die Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd aufgearbeitet.

Die Autonome Provinz Bozen verfügt im Bereich der Jagd seit dem Jahr 1972 über primäre Zuständigkeit. Nichtsdestotrotz konnte der Landesgesetzgeber über zentrale Aspekte des Jagdsektors nie frei bestimmen und musste nach und nach weitreichende Einschnitte in seine Befugnisse hinnehmen.

Der Autor zeigt die Gründe hierfür auf, skizziert den aktuellen Umfang der Kompetenzen des Landesgesetzgebers im Bereich der Jagd und schlägt Lösungsansätze für die Wiederherstellung bzw. den Ausbau der jagdlichen Autonomie vor.

Dieses Buch ist an die Diplomarbeit „Die Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd“ angelehnt. Die Arbeiten wurden mit 31. Mai 2015 abgeschlossen, spätere Rechtsprechung, Gesetzgebung und Literatur konnten nur vereinzelt berücksichtigt werden. 1

1Herzlich bedanken möchte ich mich in erster Linie bei Frau ao. Univ.- Prof. Dr. Esther Happacher für die äußerst gewissenhafte wissenschaftliche Begleitung. Ein weiteres Dankeschön geht an Herrn Heinrich Aukenthaler, Geschäftsführer des Südtiroler Jagdverbandes, der mir wichtige Unterlagen zur Verfügung gestellt hat sowie Anregungen und Empfehlungen mit auf den Weg gab. Danke sagen möchte ich auch Herrn Dr. Heinrich Erhard, Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei der Autonomen Provinz Bozen a.D., der mir Kontakte vermittelte und ebenfalls Unterlagen zur Verfügung gestellt hat. Auch bei Herrn RA Dr. Adolf Auckenthaler, Generaldirektor der Südtiroler Landesverwaltung a.D., möchte ich mich bedanken. In seinen Vorlesungen zum besonderen Verwaltungsrecht der Autonomen Provinz Bozen an der Universität Innsbruck im Wintersemester 2013/14 hat er unter anderem wichtige Aspekte der Südtiroler Jagdautonomie behandelt und mit seinem Skriptum einen hilfreichen Beitrag für dieses Buch geleistet.

1. Verfassungsrechtliche Grundlagen

1.1. Autonomiestatut 1972

Die Autonome Provinz Bozen verfügt gemäß Autonomiestatut (im Folgenden: Autonomiestatut 1972), das im DPR Nr. 670 vom 31. August 1972 2 enthalten ist, über primäre, sekundäre und tertiäre Gesetzgebungskompetenzen. 3 Der Sachbereich „Jagd und Fischerei“ liegt laut Art. 8 Nr. 15 Autonomiestatut 1972 in der primären Zuständigkeit der Autonomen Provinz Bozen. Bis zum Inkrafttreten des so genannten zweiten Autonomiestatuts im Jahr 1972 war die primäre Zuständigkeit im Bereich der Jagd auf Grundlage des Verfassungsgesetzes (in der Folge: VerfGes) Nr. 5 vom 26. Februar 1948 4 der Region Trentino/Südtirol zugeordnet. Durch das VerfGes Nr. 1 vom 10. November 19715 wurde die primäre Zuständigkeit im Bereich Jagd, in Umsetzung der Paket-Maßnahme 6 Nr. 3, den Autonomen Provinzen Bozen und Trient übertragen.7

Die primäre Gesetzgebungskompetenz wird auch als „alleinige“,8 „ausschließliche“ oder „volle“ Gesetzgebungskompetenz bezeichnet, da in den in Art. 8 Autonomiestatut 1972 enumerierten Kompetenztatbeständen der Landesgesetzgeber über die „volle“ Kompetenz verfügt, d. h. sie nicht mit dem Staat teilen muss.9 Neben den Autonomen Provinzen Bozen und Trient, die gemeinsam die Autonome Region Trentino – Alto Adige/Südtirol bilden,10 verfügen vier weitere Regionen mit Sonderstatut im Sachgebiet „Jagd und Fischerei“ über primäre Gesetzgebungsbefugnis: Friaul – Julisch Venetien,11 Sardinien,12 Sizilien13 und Aostatal/Vallée d’Aoste.14 Art. 16 Abs. 1 Autonomiestatut 197215 bestimmt zudem in Anwendung des Prinzips des Parallelismus,16 dass der Autonomen Provinz Bozen neben der Gesetzgebungsbefugnis auch die Verwaltungsbefugnis im Sachbereich Jagd und Fischerei zusteht.

Primäre Gesetzgebungsbefugnis im Bereich Jagd und Fischerei bedeutet zwar, dass der Landesgesetzgeber über die ausschließliche Zuständigkeit verfügt, jedoch wird diese von so genannten Schranken begrenzt. Funktion der Schranken ist es, den „Raum an autonomer Entscheidungsmöglichkeit, über den der Landesgesetzgeber im Verhältnis zur staatlichen Gesetzgebung verfügt“,17 abzugrenzen. Aus methodischer Sicht erscheint es angebracht, zwischen den Schranken, die das Autonomiestatut per se vorsieht, und den Auswirkungen des VerfGes Nr. 3 vom 18. Oktober 2001,18 zu unterscheiden.19

Der primären Gesetzgebungsbefugnis werden von Art. 4 Autonomiestatut 1972 folgende Schranken gesetzt:

Übereinstimmung mit der Verfassung;

Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Rechtsordnung der Republik;

Achtung der internationalen Verpflichtungen;

Achtung der der nationalen Interessen, in welchen jenes des Schutzes der örtlichen sprachlichen Minderheiten inbegriffen ist;

Achtung der grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen der Republik.

Während die Schranken der Verfassung, der Grundsätze der Rechtsordnung der Republik, der grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen und der internationalen Verpflichtungen Italiens technisch-juristischer Natur sind, ist die Schranke der nationalen Interessen eher politischer Natur.20

Die Schranke der Grundsätze der Rechtsordnung der Republik wurde erstmals im Jahr 1956 vom Verfassungsgerichtshof (in der Folge: VerfGH) interpretiert.21 Im Urteil Nr. 6/1956 wies der VerfGH darauf hin,22 dass man unter Grundsätzen der Rechtsordnung jene Ausrichtungen und Richtlinien verstehen müsse, die allgemeingültigen und fundamentalen Charakter aufweisen und die man aus der systematischen Verknüpfung und aus der Koordinierung der innersten Zweckmäßigkeit der Normen bildet, die in einem bestimmten Augenblick zusammenwirken, um das Gerüst einer Rechtsordnung zu formen.23

Aufgrund der Schranke der Achtung der internationalen Verpflichtungen ist die Autonome Provinz Bozen verpflichtet, das Völkerrecht und das Recht der Europäischen Union als verbindliches Recht zu beachten24 sowie für die Anwendung und Durchführung von völkerrechtlichen Abkommen und Rechtsakten der Europäischen Union zu sorgen.

Der Schranke der Achtung der nationalen Interessen wurde im Rahmen der Paketumsetzung die Präzisierung, dass auch der Schutz der örtlichen sprachlichen Minderheiten in die Schranke inbegriffen ist, angefügt.25 Daraufhin brachte der Staat die Verletzung dieser Schranke weitaus seltener vor, sodass sie kaum mehr die Gesetzgebungs- und Verwaltungsautonomie Südtirols einschränkte.26

Die Schranke der Achtung der grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen ist die einschneidendste statutarische Schranke der primären Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd. Bis zum VerfGH Urteil Nr. 406/1995 wurde sie vom staatlichen Gesetzgeber extensiv ausgelegt, indem bereits im Jahr 1990 das gesamte staatliche Jagdrahmengesetz Nr. 968 vom 27. Dezember 1977 27 als grundlegendes Reformgesetz eingestuft wurde.28 Häufig versah der staatliche Gesetzgeber Gesetze mit einer Schlussbestimmung, die das ganze Staatsgesetz als „grunlegende Bestimmung“ bezeichnete 29 und dadurch zur Schranke laut Art. 4 Autonomiestatut 1972 wurde. Dieser Praxis schob das eben zitierte Urteil einen Riegel vor, indem es u. a. feststellte, dass nur jene Bestimmungen, die „auf die Kategorie der wirtschaftlich-sozialen Reformen rückführbar sind, weil sie tiefgehende Neuerungen aufweisen oder Sektoren betreffen, die für das Leben der Allgemeinheit von grundlegender Bedeutung sind“,30 eine Schranke darstellen können.

1.2. Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut 1972

1.2.1. Theoretische Aspekte

Die Durchführungsbestimmungen gelten als das wichtigste Instrument zur Umsetzung der Südtiroler Autonomie 31 und dienen in erster Linie der Vervollständigung des Sonderstatuts.32 Die rechtliche Grundlage zum Erlass von Durchführungsbestimmungen ist in Art. 107 ff Autonomiestatut 1972 enthalten. Sie werden von der Regierung in Form eines gesetzesvertretenden Dekrets (in der Folge: GvD) verabschiedet und vom Präsidenten der Republik erlassen.33

Dadurch, dass Durchführungsbestimmungen eine „Abgrenzung zwischen staatlichen und autonomen Kompetenzbereichen“34 vornehmen, dienen sie der Detailgestaltung der Autonomie.35 Die Durchführungsbestimmungen dienen aber nicht nur einer Durchführung des Statuts secundum legem, sondern auch einer Ergänzung desselben praeter legem,36 sofern sie ihm „sprachlich, inhaltlich und logisch“37 entsprechen. Keinesfalls dürfen sie jedoch contra legem sein, d. h. gegen die Bestimmungen des Sonderstatuts verstoßen, da diese Rechtsquelle hierarchisch höhergestellt ist.38 Steht also eine Durchführungsbestimmung im Widerspruch zu einer Norm des Autonomiestatuts, führt dies zur Verfassungswidrigkeit,39 die der VerfGH feststellen kann. „Durchführungsbestimmungen können so lange erlassen werden, wie Bedarf zur Umsetzung des Autonomiestatuts besteht“,40 und gelten, solange die Bestimmungen des Autonomiestatuts, die sie ausführen und ergänzen, in Kraft sind.41

Die Lehre bezeichnet die Durchführungsbestimmungen als Bestimmungen bzw. Rechtsquellen mit verstärkter Gesetzeskraft.42 Unter verstärkter Gesetzeskraft ist der Vorrang gegenüber ordentlichen Gesetzen, d. h. primären Rechtsquellen zu verstehen, weshalb Durchführungsbestimmungen keinesfalls durch einfachgesetzliche Bestimmungen, sondern nur „durch ebensolche Durchführungsbestimmungen oder Verfassungsbestimmungen abgeändert, aufgehoben oder eingeschränkt werden können.“43 Außerdem werden Durchführungsbestimmungen als „Parameter für die Verfassungswidrigkeit von ordentlichen Gesetzen herangezogen.“44

1.2.2. Durchführungsbestimmung für den Sachbereich Jagd

Die Durchführungsbestimmung zum Sonderstatut der Autonomen Provinz Bozen, die den Bereich Jagd betrifft, ist das DPR Nr. 279 vom 22. März 1974.45

Art. 1 Abs. 1 DPR Nr. 279/1974 bestimmt, dass die Befugnisse der Staatsverwaltung und der Region Trentino-Südtirol, die das Sachgebiet Jagd und Fischerei betreffen, von den beiden Autonomen Provinzen Trient und Bozen ausgeübt werden. Allerdings behält sich der Staat die Ausstellung des Waffenpasses zum Jagdgebrauch (Jagdgewehrschein) weiterhin vor.46 Die Regelung dazu ist in Art. 42 des Einheitstextes der Gesetze über die öffentliche Sicherheit 47 Nr. 773 vom 18. Juni 193148 enthalten, der die Ausstellung des Jagdgewehrscheins durch den Quästor vorsieht.

Dem Staat bleiben im Sachbereich Jagd außerdem die Zuständigkeiten im Hinblick „auf die internationalen Beziehungen und auf die Beziehungen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, auf die Anwendung von Verordnungen und anderen Rechtsakten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Preis- und Marktpolitik, auf die Forschung und wissenschaftlichen Versuche von gesamtstaatlichen Interesse in Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei (…)“49 vorbehalten.50

Nach Bronzetti ist in der Zwischenzeit durch Art. 9 der Durchführungsbestimmung DPR Nr. 526/1987 auch die Verwaltungsbefugnis bezüglich Forschung und wissenschaftlichen Versuchen von gesamtstaatlichem Interesse im Bereich Jagd auf die Autonome Provinz Bozen übertragen worden.51 Mit dieser Durchführungsbestimmung wurden nämlich die Verwaltungsbefugnisse gemäß DPR Nr. 616/1977 auf die Sachgebiete, in denen die Autonome Provinz Bozen über primäre und sekundäre Gesetzgebungskompetenz verfügt, übertragen.

Bemerkenswert erscheint der normative Inhalt von Art. 1 Abs. 2 des DPR Nr. 279/1974:„Die Standards zum Schutz der Fauna werden mit Landesgesetz geregelt, in welchem der Jagdkalender und die jagdbaren Tiere in Beachtung der Schutzrichtlinien festgelegt sind, die aus den in die staatliche Rechtsordnung eingeführten internationalen Abmachungen und EG-Bestimmungen 52 hervorgehen.“ 53

Dieser Absatz wurde dem DPR Nr. 279/1974 erst durch Art. 5 des GvD Nr. 267 vom 16. März 199254 angefügt. Diese Durchführungsbestimmung wurde erlassen, um in der Gesetzgebungsbefugnis der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd jenen Freiraum zurückzugewinnen, der bis zu einem VerfGH-Urteil aus dem Jahr 199055 bestanden hatte.56 Der VerfGH hatte nämlich mit Urteil Nr. 577/1990 57 das LG Nr. 14 vom 17. Juli 1987 58 (in der Folge: Landesjagdgesetz) in jenem Teil für verfassungswidrig erklärt, in dem es die Bejagung von vier Wildarten59 erlaubte, die nicht im Katalog der jagdbaren Wildarten des damaligen staatlichen Jagdrahmengesetzes Nr. 968/1977 enumeriert waren. Das GvD Nr. 267/1992 wurde wenige Wochen vor der Streitbeilegungserklärung erlassen, weshalb es gemeinsam mit dem Paket vom Jahr 1969, dem Autonomiestatut 1972 und den anderen erlassenen Durchführungsbestimmungen bei den bedeutenden internationalen Organen sowie in Wien im Jahr 1992 offiziell hinterlegt wurde und dadurch international verankert und justiziabel ist.60

Daraus ergibt sich für den Staat das völkerrechtliche Verbot einer einseitigen Abänderung all jener Autonomiebestimmungen, die zum Zeitpunkt der Streitbeilegungserklärung im Jahr 1992 hinterlegt wurden.61

Obwohl Art. 1 Abs. 2 DPR Nr. 279/1974 klar bestimmt, dass die Autonomen Provinzen Bozen und Trient, unter Berücksichtigung der internationalen Abmachungen und gemeinschaftlichen (nunmehr: unionsrechtlichen) Bestimmungen, die in die staatliche Rechtsordnung eingeführt wurden, für die Regelung der Standards zum Schutz der Fauna zuständig sind, hat er dem Landesgesetzgeber nicht zum erhofften Durchbruch62 verholfen. Der Grund hierfür kann hauptsächlich in der Judikatur des VerfGH ausfindig gemacht werden.63 Dieser teilte nämlich nicht die u. a. von Borgonovo Re vertretene Auffassung, wonach die primäre Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd aufgrund Art. 1 Abs. 2 DPR Nr. 279/1974 nur den Bestimmungen der internationalen und gemeinschaftlichen Rechtsordnung (nunmehr: Unionsrechtsordnung) untersteht.64

Aus heutiger Sicht kann jedenfalls die Ansicht von Reggio D’Aci, wonach den Autonomen Provinzen Trient und Bozen alle Zuständigkeiten im Sachbereich Jagd, mit Ausnahme von Art. 8 lit. a), b), c) und i) des DPR Nr. 279/1974 zustehen, nicht mehr geteilt werden.65

1.3. VerfGes Nr. 3/2001

1.3.1. Grundsätzliches

Mit VerfGes Nr. 3/2001 wurde der V. Titel des II. Teils der Verf grundlegend abgeändert. Art. 117 Abs. 1 Verf verfügt zunächst, dass die Gesetzgebungsbefugnis von Staat und Regionen unter Wahrung der Verfassung sowie der Schranken, die aus der gemeinschaftlichen (nunmehr: unionsrechtlichen) Rechtsordnung und aus den internationalen Verpflichtungen erwachsen, ausgeübt wird. Auf diesen Grundsatz folgt eine Enumerierung der Sachbereiche, in denen der Staat über ausschließliche Gesetzgebungskompetenz verfügt.66

In all jenen Bereichen, die der staatlichen Gesetzgebung nicht explizit vorbehalten sind, steht dagegen laut Art. 117 Abs. 4 Verf den Regionen die Gesetzgebungsbefugnis zu. Hieraus ergibt sich, dass das VerfGes Nr. 3/2001 das traditionelle Aufteilungskriterium umgekehrt hat und nun nicht mehr die gesetzgeberischen Zuständigkeiten der Regionen, sondern, nach bundesstaatlichem Vorbild,67 jene des Staates taxativ aufgezählt werden.

Die Gesetzgebungskompetenz der Regionen dehnt sich somit ausnahmslos, in Anwendung des Grundsatzes der Residualität, auf alle nicht benannten Kompetenzbereiche aus.68 Da der Sachbereich Jagd weder im ausschließlichen Kompetenzkatalog des Staates aufscheint noch, wie vor der Verfassungsreform,69 zur konkurrierenden Gesetzgebung zählt, fällt er in die Residualzuständigkeit der Regionen.

Nach Panunzio stellen die ausschließlichen Kompetenztatbestände des Staates gemäß Art. 117 Abs. 2 Verf eine Derogation des allgemeinen Grundsatzes der Gesetzgebungszuständigkeit der Regionen im Sinne von Art. 117 Abs. 4 Verf dar, weshalb sie restriktiv ausgelegt werden müssten.70 Diese Auffassung setzte sich jedoch in der Judikatur des VerfGH nicht durch.

Unter den ausschließlichen Kompetenzen des Staates laut Art. 117 Abs. 2 Verf nehmen die transversalen Kompetenzen71 eine besondere Rolle ein.72 Dieser Kompetenztypus ist allerdings nicht in der Verfassung explizit vorgesehen, sondern stellt eine Schöpfung des VerfGH dar, die im Zuge der Grenzziehung zwischen den ausschließlichen Kompetenzen des Staates und den primären Kompetenzen der Regionen mit Sonderstatut vorgenommen wurde. Insofern können die transversalen Kompetenzen des Staates als implizite Schranke bezeichnet werden.73 Für den VerfGH sind die transversalen Kompetenzen nicht Sachgebiete im engeren Sinn, sondern Zuständigkeiten des Staates, die imstande sind, aufgrund des Erfordernisses einheitlicher Regelung, alle Kompetenzen des regionalen Gesetzgebers zu tangieren74 und somit die Zuständigkeiten der nachgeordneten Gebietskörperschaften schmälern.75

Die Lehre steht den transversalen Werten aus mehreren Gründen skeptisch gegenüber:

Sie stellen eine versteckte Neuauflage der Schranke des nationalen Interesses dar, das mit der Verfassungsreform aus dem Jahre 2001 aus dem Verfassungsgefüge verbannt wurde.

76

Sie führen zu Rechtsunsicherheit, da nirgendwo festgelegt ist, wie weit die transversalen Werte die regionalen Zuständigkeiten einschränken können.

77

Sie stehen im Widerspruch zu Art. 116 Abs. 3 Verf, der bestimmt, dass den interessierten Regionen mit Staatsgesetz weitere Formen und besondere Arten der Autonomie zuerkannt werden können.

78

Eine typische transversale Kompetenz stellt der Schutz der Umwelt und des Ökosystems dar, welcher durch die Verfassungsreform in den ausschließlichen Zuständigkeitskatalog des Staates aufgenommen wurde.79

Auch wenn das nationale Interesse nach der Reform durch VerfGes Nr. 3/2001 nicht mehr expressis verbis als Schranke im Verfassungsgefüge auftaucht,80 kann festgehalten werden, dass die transversalen Werte eine Neuauflage des nationalen Interesses, wenn auch in gewandelter Form, darstellen.81 Unter Berufung auf die Schranke der transversalen Kompetenzen hat der VerfGH die Regelung zu zahlreichen Aspekten, die de facto laut Kompetenzkatalog den Regionen mit Sonderstatut zugestanden wären, dem Staat zugesprochen, weshalb in der Lehre auch von einer „Entmaterialisierung der Kompetenzen“ gesprochen wird.82 Es bleibt festzustellen, dass die Entmaterialisierung immer zu Lasten der Regionen und somit zu Gunsten einer Kompetenzanreicherung des Staates erfolgt.83

Art. 117 Abs. 1 Verf führt die „gemeinschaftliche Rechtsordnung“ (nunmehr: Unionsrechtsrechtsordnung) explizit als Schranke für die Gesetzgebung von Staat und Regionen ein. Die Gesetzgebungsbefugnis der Autonomen Provinz Bozen unterlag jedoch schon vor dem VerfGes Nr. 3/2001 der Schranke der gemeinschaftlichen Rechtsordnung. Nach Ansicht des VerfGH implizierte nämlich die statutarische Schranke der internationalen Verpflichtungen auch jene Verpflichtungen, die aus der gemeinschaftlichen Rechtsordnung resultierten.84

Die Schranke der grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen bleibt nach Ansicht des VerfGH auch nach der Verfassungsreform durch das VerfGes Nr. 3/2001 für die Regionen mit Sonderstatut aufrecht.85 Dies hat der VerfGH auch in zwei Urteilen bekräftigt, die die primäre Gesetzgebungskompetenz der Autonomen Region Sardinien und der Autonomen Provinz Trient im Sachbereich Jagd schmälern.86

Ficht der Staat ein Landesgesetz wegen Verletzung des Art. 117 Abs. 1 Verf an, so verwendet der VerfGH im Rahmen einer direkten Verfassungsbeschwerde auch nach der Reform durch das VerfGes Nr. 3/2001 die unionsrechtlichen Normen als zwischengeschaltete Parameter zu Art. 117 Abs. 1 und zu Art. 11 Verf.87

1.3.2. Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001

Um die Autonomen Provinzen Trient und Bozen sowie die Regionen mit Sonderstatut an der Reform durch VerfGes Nr. 3/2001 zu beteiligen,88 wurde mit Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001 ein eigener Passus eingefügt, der Folgendes bestimmt: „Bis zur Anpassung der jeweiligen Statute finden die Bestimmungen dieses Verfassungsgesetzes auch in den Regionen mit Sonderstatut und in den Autonomen Provinzen Trient und Bozen Anwendung, und zwar für jene Teile, in denen Formen der Autonomie vorgesehen werden, welche überdie bereits zuerkannten hinausgehen.“89 Ziel dieser als Günstigkeitsklausel bekannten Regelung ist, die Sonderautonomien in die Lage zu versetzen, bereits ab Inkrafttreten der Verfassungsreform an jenen weitergehenden Formen der Autonomie zu partizipieren, die in der Neuordnung der Beziehungen zwischen Staat und Regionen für die regionale Ebene begünstigend sind.90 Ursprünglich als Übergangslösung eingefügt, sind inzwischen mehr als elf Jahre vergangen, ohne dass ein einziges Sonderstatut ans VerfGes Nr. 3/2001 angepasst worden wäre.91 Der VerfGH hat sich mehrmals mit den Auswirkungen des Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001 befasst und u. a. betont, dass diese Bestimmung von „absoluter Spezialität“ geprägt sei, weshalb hinsichtlich ihrer Anwendung weder eine extensive noch eine analoge Interpretation zulässig sei.92 Ebenso betonte der VerfGH, dass der Verfassungsgesetzgeber mit dieser Bestimmung das Entstehen einer Lücke zwischen den Regionen mit Normalstatut und jenen mit Sonderstatut verhindern wollte.93 Nach D’Atena manifestiert sich der Kompetenzzuwachs durch die Günstigkeitsklausel entweder als neuer Sachbereich oder als Erweiterung eines vorhandenen Kompetenztatbestandes.94 Konkret bedeutet dies im ersteren Fall, dass die Regionen mit Sonderstatut und die Autonomen Provinzen Trient und Bozen Gesetzgebungskompetenz in Sachbereichen erhalten, in denen sie laut Sonderstatut keine Rechtssetzungsbefugnis haben, die aber gemäß Art. 117 Abs. 3 und Abs. 4 den Regionen mit Normalstatut zustehen. Eine Erweiterung des Kompetenztatbestandes, auch upgrading genannt, liegt hingegen dann vor, wenn die Regionen mit Normalstatut in diesen Sachbereichen über eine breitere Zuständigkeitssphäre verfügen.95 Die Günstigkeitsklausel rechtfertigt jedoch keinen Kompetenzzuwachs der Regionen mit Sonderstatut und der Autonomen Provinzen, der über die Bestimmungen des reformierten Titel V Verf hinausgeht.96

Hinsichtlich ihrer Anwendung birgt die Günstigkeitsklausel Tücken in sich: Die Praxis zeigt nämlich, dass der Vergleich zwischen dem status quo, d. h. der rechtlichen Lage gemäß Autonomiestatut und der Kompetenzlage laut reformiertem Titel V Verf sowie die Bewertung, ob „weitergehende Formen der Autonomie“ vorliegen, nicht unproblematisch sind.97 Von Anfang an gab es Interpretationsschwierigkeiten, in welchem Umfang Bestimmungen des VerfGes Nr. 3/2001 durch die Günstigkeitsklausel auf die Regionen mit Sonderstatut übertragen werden könnten, da von „Bestimmungen“, „Teilen“ und „Formen“ die Rede ist.98 Bevor sich der VerfGH klärend mit diesen Fragestellungen auseinandersetzte, wurde teilweise vermutet, dass jeder beliebige Teil des VerfGes Nr. 3/2001, der im Vergleich zu den bestehenden Sonderstatuten vorteilhafter war, auf die Sonderautonomien übertragen werden könnte.99

Aus einer Analyse der Judikatur des VerfGH lassen sich diesbezüglich zwei verschiedene Interpretationsstränge ableiten. Einerseits das so genannte System der Zweigleisigkeit, andererseits die Theorie der Durchlässigkeit der Schrankensysteme.100 Nach der Theorie der Zweigleisigkeit verlaufen die Kompetenzordnungen gemäß Sonderstatut und laut VerfGes Nr. 3/2001 auf getrennten, aber parallelen Schienen.101 Sobald die Bestimmung, die für die Regionen mit Sonderstatut bzw. die Autonomen Provinzen im Konkreten vorteilhafter ist, eruiert wurde, muss sie in toto, d. h. auch hinsichtlich der Schranken angewendet werden. Dieses Prinzip bestätigte der VerfGH im Urteil Nr. 370/2006: „Wenn die Gesetzgebungskompetenz einer Region mit Sonderstatut auf den Normen des Verfassungsgesetzes Nr. 3/2001 beruht – weil diese im Vergleich zum Statut eine „umfassendere“ Gesetzgebungsbefugnis zuweisen – finden die im Titel V enthaltenen Bestimmungen vollumfänglich Anwendung.“102

Nach der Theorie der Durchlässigkeit der Schrankensysteme finden dagegen sowohl Bestimmungen als auch Schranken Anwendung, die für die Regionen mit Sonderstatut nachteilig sind.103 In einigen Fällen hat der VerfGH den Regionen mit Sonderstatut gegenüber, neben den herkömmlichen Schranken, auch solche angewendet, die sich aus dem VerfGes Nr. 3/2001 ergeben: Betrachtet man diesen Vorgang im Lichte des favor specialitas laut Günstigkeitsklausel, ist klar ersichtlich, dass diese Auslegung nicht zulässig wäre.104

Summa summarum stehen die beiden analysierten Interpretationsstränge im Widerspruch zu einer wörtlichen Auslegung der Günstigkeitsklausel, die der VerfGH jedoch immer verwehrt hat.105 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der VerfGH einerseits auf die Regionen mit Sonderstatut neue Schranken laut VerfGes Nr. 3/2001 angewandt hat, während er sich andererseits stets weigerte, die statutarischen Zuständigkeiten im Lichte der weniger strikten Schranken laut Verfassungsreform Nr. 3/2001 zu betrachten.106

1.3.3. Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001 und der Sachbereich Jagd

Die Anwendung der so genannten Günstigkeitsklausel gemäß Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001 auf die primäre Gesetzgebungskompetenz der Sonderautonomien im Sachbereich Jagd war kurz nach Inkrafttreten der Verfassungsreform von 2001 Gegenstand des VerfGH Urteils Nr. 536/2002.

Nach Inkrafttreten des VerfGes Nr. 3/2001 führte die Region Sardinien mit einer Gesetzesnovelle im Jahre 2002 einen Passus ins sardische Jagdgesetz ein, welcher die Jagdausübung für einen längeren Zeitraum als das staatliche Jagdrahmengesetz Nr. 157 vom 11. Februar 1992 107 (in der Folge: staatliches Jagdrahmengesetz Nr. 157/1992) zuließ.108

Da der Präsident des Ministerrates gegen diese Gesetzesbestimmung direkte Verfassungsbeschwerde einreichte, wurde sie zum Gegenstand einer vielbeachteten Nagelprobe hinsichtlich der Auswirkungen des VerfGes Nr. 3/2001 auf die Gesetzgebungskompetenz der Regionen mit Sonderstatut und der autonomen Provinzen im Sachbereich Jagd.

Die Frage, ob die Regionen mit Sonderstatut sowie die Autonomen Provinzen Trient und Bozen aufgrund der Günstigkeitsklausel 109 laut Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001 künftig im Sachbereich Jagd die Schranken gemäß Art. 117 Abs. 1 Verf anstelle der statutarischen Schranken beachten müssen, beantwortete der VerfGH widersprüchlich. Zunächst räumte der VerfGH nämlich ein, dass die Günstigkeitsklausel zwar unmittelbar anwendbar ist, im Zuge seiner Schlussfolgerung stritt er die Anwendbarkeit jedoch ab: „Die Günstigkeitsklausel gemäß Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001 impliziert nicht, dass falls sich ein Sachbereich, der in der Kompetenzsphäre der Regionen mit Sonderstatut liegt, mit ausschließlichen Zuständigkeitsbereichen des Staates überlagert, die Region mit Sonderstatut ohne Beachtung der statutarischen Schranken der Achtung der internationalen Verpflichtungen und der grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen der Republik gesetzgeberisch tätig werden kann.“ 110

Somit hat der VerfGH, in Missachtung desfavor specialitas111 der Günstigkeitsklauselex Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001, gleichzeitig sowohl die statutarischen Schranken als auch die Schranken laut VerfGes Nr. 3/2001 angewendet.

Diese paradox anmutende Interpretation wurde von der herrschenden Lehre 112 scharf kritisiert. Morrone sprach etwa von einer Fehlinterpretation des Art. 10 VerfGes Nr. 3/2001 durch den VerfGH, der sich darauf beschränkt habe, nicht von seiner Entscheidungslinie abzuweichen, anstatt die Bestimmung im Lichte eines gewandelten verfassungsrechtlichen Kontexts auszulegen,113 während De Santis betonte, dass die Günstigkeitsklausel keine Wahlmöglichkeit lasse und folglich dem Wortlaut nach Anwendung finden müsse.114

Aus Sicht der Sonderautonomien ist dieser Präzendenzfall besonders negativ zu bewerten, da die Günstigkeitsklausel in malam partem verkehrt wurde und somit bereits kurz nach Inkrafttreten der Verfassungsreform von 2001 einer möglichen Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz der Sonderautonomien im Bereich Jagd ein Riegel vorgeschoben wurde.

1.3.4. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Staates im Sachbereich Schutz der Umwelt und des Ökosystems

Mit der Reform durch VerfGes Nr. 3/2001 wurden die Kompetenztatbestände Schutz der Umwelt und des Ökosystems in den ausschließlichen Zuständigkeitskatalog des Staates, d. h. in Art. 117 Abs. 2 Verf aufgenommen.

Obwohl diese Bereiche bis dahin in der Verfassung nicht expressis verbis enthalten waren, griff der VerfGH bereits ab Beginn der Siebzigerjahre sporadisch den Aspekt des Naturschutzes auf.115 Im Jahre 1987 hat der VerfGH,116 unter Berufung auf Art. 9 Abs. 2 Verf und Art. 32 Verf,117 erstmals eine eigenständige Definition von Umweltschutz geliefert.118

Art. 9 Abs. 2 Verf wurde vom VerfGH hauptsächlich im Bereich des Landschaftsschutzes herangezogen, jedoch reichte er de facto nicht aus, um einen umfassenden Umweltschutz zu gewährleisten.119 Mit Art. 32 Verf, der sich dem Schutz der Gesundheit widmet, konnte zwar das subjektive Recht auf ein gesundes Umfeld begründet werden, jedoch konnte unter Berufung auf diese Norm der Umweltschutz nur auf jene Aspekte ausgedehnt werden, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Schutz der Gesundheit stehen.120

Ursprünglich wurde der Umweltschutz vom VerfGH nicht als eigenständiger Sachbereich, sondern in erster Linie als verfassungsmäßig geschützter Wert betrachtet.121 Nach Ansicht des VerfGH waren unter Umweltschutz jedenfalls in erster Linie die Erhaltung und die Verbesserung der Lebensräume zu verstehen.122

Als dann mit dem VerfGes Nr. 3/2001 die Sachbereiche Schutz der Umwelt und des Ökosystems in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Staates gezogen wurden, gab es zunächst Unklarheit über die genaue Definition und die Reichweite dieser Sachbereiche, da das Verfassungsgefüge keinerlei präzisierende Angaben enthält. Dass die Aufwertung der Kultur- und Umweltgüter im Zuge derselben Reform als Sachgebiete der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 117 Abs. 3 Verf erklärt wurden, erschwerte die Abgrenzungsversuche zusätzlich.

In der Lehre wird betont, dass im Hinblick auf den Terminus Umwelt drei Dimensionen berücksichtigt werden müssen: die Beziehungen zwischen Umweltfaktoren untereinander, die räumliche, d. h. territoriale sowie die zeitliche Komponente.123 Nach Cecchetti ist unter Umweltschutz der Schutz des ökologischen Gleichgewichts der Biosphäre oder der Ökosysteme zu verstehen.124 Der Terminus Umwelt ist auf jeden Fall umfassender als der Begriff Landschaft, weshalb der Landschaftsschutz als im Umweltschutz enthalten erachtet werden muss.125 Hieraus ergibt sich laut Parisi, dass die Zuständigkeit der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Landschaftsschutz gemäß Art. 8 Nr. 6 Autonomiestatut 1972 unter dem Deckmantel des Umweltschutzes verschwindet.126 Dieser Auffassung kann jedoch das VerfGH Urteil Nr. 226/2009 127 entgegengehalten werden, in welchem der VerfGH feststellte, dass die in Art. 117 Abs. 2 lit. s) Verf enthaltene ausschließliche staatliche Zuständigkeit im Sachbereich Umweltschutz nicht gegenüber der Autonomen Provinz Trient im Hinblick auf den Landschaftsschutz greife, da dieser Sachbereich der primären Gesetzgebungsbefugnis der autonomen Provinzen vorbehalten sei.128 In den Augen des VerfGH bezieht sich der Landschaftsschutz auf den sichtbaren Bereich der Umwelt und umfasst die Morphologie des regionalen Gebiets.129

Was dagegen den Schutz des Ökosystems anbelangt, dient dieser nach Ansicht von Cecchettiin primis der Vervollständigung und Präzisierung des Konzeptes des Umweltschutzes.130 Eine andere Lehre stuft dagegen den Schutz des Ökosystems als zusätzliche Auflage des Umweltschutzes ein, da er die Maßnahmen in diesem Sachbereich dem Aspekt des ökologischen Gleichgewichts unterstellt.131Summa summarum können die Charakteristika des Umweltschutzes in vier Schlüsselaspekten zusammengefasst werden:

der Umweltschutz hat einen finalistischen Ansatz, da er auf den Erhalt der Umwelt abzielt;

in puncto Umweltschutz wirken mehrere Zuständigkeiten zusammen, deren Ziele in staatlichen oder regionalen Rechtsquellen festgelegt sind;

die staatliche Zuständigkeit im Umweltschutz stellt eine Schranke für die regionale Gesetzgebung dar;

die Regionen können, solange sie im Rahmen ihrer Kompetenztatbestände bleiben, strengere Schutzstandards festlegen.

132

Der VerfGH unterstrich im Urteil Nr. 407/2002,133 dass nicht alle Sachbereiche des Art 117 Abs. 2 Verf als „Bereiche“ im engeren Sinne bezeichnet werden können, da es sich vereinzelt um Zuständigkeiten des staatlichen Gesetzgebers handle, die aufgrund ihrer Charakteristika imstande seien, mehrere Sachbereiche zu tangieren.134 Auf diese Prämisse aufbauend, argumentierte der VerfGH, dass der Umweltschutz nicht als spezifischer Sachbereich dargestellt werden könne, da er nicht präzise umschrieben bzw. abgegrenzt und somit unentwirrbar mit anderen Bereichen verknüpft sei.135 Der VerfGH betonte im Urteil Nr. 407/2002, dass es die Absicht des Reformgesetzgebers gewesen sei, dem Staat im Sachbereich Umweltschutz die Zuständigkeit vorzubehalten, einheitliche Schutzstandards auf dem gesamten Staatsgebiet festzulegen, ohne jedoch regionale Zuständigkeiten auszuschließen, die mit dem Umweltschutz funktionell verbunden sind.136 Er verwies weiters darauf, dass aus der Judikatur vor der Reform durch VerfGes Nr. 3/2001 die Einstufung des Umweltschutzes als verfassungsmäßig geschützter Wert mit transversalem Charakter hervorgehe.137

Die Meinung,138 dass die Einschränkung der regionalen Gesetzgebungskompetenzen durch die transversalen Werte im Endeffekt nicht so bedeutsam sei, weil ohnehin das Unionsrecht die Grundzüge des Schutzes der Umwelt und des Ökosystems determiniere, kann, zumindest was den Jagdsektor anbelangt, nicht geteilt werden. Aus der Judikatur des VerfGH ist nämlich klar ersichtlich, dass der VerfGH zahlreiche einheitliche Schutzstandards festlegt, die dem Unionsrecht gänzlich unbekannt sind.139

Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Staates in den Sachbereichen Schutz der Umwelt und des Ökosystems wird von einem Teil der Lehre 140 auch aufgrund einer Widersprüchlichkeit kritisiert: Während nämlich einerseits der Staat die besagten Bereiche in seinen ausschließlichen Zuständigkeitsbereich gezogen hat, wurden gleichzeitig mehrere Sachbereiche, die unweigerlich mit dem Umweltschutz eng verflochten sind, der konkurrierenden Gesetzgebung zugeordnet. Man denke etwa an den Gesundheitsschutz, an die Häfen und Zivilflughäfen, an die großen Verkehrs- und Schifffahrtsnetze, an die Produktion, den Transport und die gesamtstaatliche Verteilung von Energie und an die Aufwertung der Kultur- und Umweltgüter.

Aus diesen Ausführungen ist klar ersichtlich, dass sich die ausschließliche Zuständigkeit des Staates im Sachbereich Schutz der Umwelt und des Ökosystems mit der primären Gesetzgebungsbefugnis der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd überschneidet.141 Der VerfGH hat in mehreren Urteilen142unterstrichen, dass der Sachbereich Jagd der transversalen Kompetenz des Schutzes der Umwelt und des Ökosystems unterliegt,weshalb dem Staat u. a. in diesem Bereich zuerkannt werden muss, „einheitliche Standards für das gesamte Staatsgebiet“ festzulegen.143

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich der Grenzverlauf zwischen ausschließlicher staatlicher Gesetzgebungskompetenz in puncto Schutz der Umwelt und des Ökosystems und den diese Bereiche tangierenden Gesetzgebungszuständigkeiten der Regionen und autonomen Provinzen a priori nicht genau festlegen lässt.144 Hieraus resultiert schlussendlich die beträchtliche Anzahl an Verfahren vor dem VerfGH, die sich dieser Problematik widmen. Aus verfassungsverfahrensrechtlicher Sicht steht fest, dass der Präsident des Ministerrates bei der Anfechtung von Gesetzesbestimmungen der Regionen und autonomen Provinzen sich nicht darauf beschränken kann, die Normen des Art. 117 Abs. 2 Verf einzuwenden, sondern begründen muss, weshalb diese auf den konkreten Sachverhalt angewandt werden sollten.145

1.4. Umsetzung von EU-Recht

1.4.1. Grundsätzliches

Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon146 am 1. Dezember 2009 ist die Europäische Union an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft getreten.147 Durch den Vertrag von Lissabon wurde der Terminus „Gemeinschaft“ durch „Union“ ersetzt, weshalb es seit dem 1. Dezember 2009 nur mehr Unionsrecht gibt.148

Das Unionsrecht determiniert momentan etwa 60% des Rechts der Mitgliedsstaaten, was verdeutlicht, welchen Einfluss es auf die Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten hat und wie viel an Souveränität diese inzwischen auf die Union übertragen haben.149 Der Kompetenzverlust der Mitgliedsstaaten, der eine natürliche Begleiterscheinung des europäischen Integrationsprozesses darstellt, betrifft nicht nur die Mitgliedsstaaten per se, sondern erstreckt sich auch auf die nachgeordneten Gebietskörperschaften.150 Die Autonome Provinz Bozen ist unter anderem im Sachbereich Jagd und Fischerei davon betroffen. Art. 4 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union151 (in der Folge: AEUV) führt elf Hauptbereiche an, die in die geteilte Zuständigkeit der Europäischen Union fallen. Die Betitelung „Hauptbereiche“ deutet darauf hin, dass die Aufzählung nicht taxativ, sondern lediglich demonstrativ ist.152 Gemäß Art. 2 Abs. 2 AEUV können im Bereich der geteilten Zuständigkeit sowohl die Union als auch die Mitgliedsstaaten gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen. Allerdings sind die Mitgliedsstaaten nur dann zur Gesetzgebung befugt, wenn die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat.153 In der demonstrativen Aufzählung der geteilten Zuständigkeiten von Art. 4 Abs. 2 AEUV scheint u. a. der Hauptbereich Umwelt auf. Es ist evident, dass sich dieser Hauptbereich mit der primären Gesetzgebungskompetenz des Landes Südtirol im Sachbereich Jagd überschneidet. Es lässt sich folglich festhalten, dass die Europäische Union die Rechtssetzungsbefugnis der Autonomen Provinz Bozen im Sachbereich Jagd hinsichtlich der damit verbundenen Umweltaspekte inhaltlich determiniert.154

Der Rechtsakt, dessen sich die Union dabei bedient, ist hauptsächlich die Richtlinie. Laut Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die „Richtlinie für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“155 Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, das zu erreichende Ziel, das treffender als Ergebnis bezeichnet werden könnte, innerhalb einer bestimmten Frist zu erreichen.156 Darüber hinaus enthalten die Schlussbestimmungen der Richtlinien die Verpflichtung für die Mitgliedsstaaten bzw., je nach innerstaatlicher Kompetenzverteilung, auch für die nachgeordneten Gebietskörperschaften, auf die Umsetzung entweder in der Umsetzungsnorm selbst oder alternativ mittels Umsetzungshinweis bei der Veröffentlichung hinzuweisen.157 In der Wahl der Mittel zur Erreichung des Ziels einer Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU „diejenigen Formen und Mittel zu wählen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinie am besten geeignet sind („Ziel-Mittel-Optimierung“).“ 158

Der Begriff Umsetzung muss klar von der Durchsetzung unterschieden werden.159 Während die Umsetzung den legislativen Vollzug einer mittelbar anwendbaren EU-Norm, d. h. EU-Richtlinien und mittelbar anwendbare Verordnungen,160 umschreibt, ist die Durchsetzung „Teil des judikativen Vollzugs durch die Gerichte.“161 Als Sammelbegriff für die Tätigkeiten der Umsetzung und Durchsetzung wird der Terminus Vollzug eingesetzt.162