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Hochzeitsbälle, Intrigen und Geheimnisse. Die gestaltwandelnden Bewohner der Königreiche Kender, Ferlen und Andalier werden durch die politischen Auseinandersetzungen untereinander fortwährend auf die Probe gestellt. Alle Augen sind auf die Königshäuser gerichtet. Wer wird dort den Mut aufbringen, um die Raubkatzen vor sich selbst zu bewahren? Zu diesen schweren Zeiten müssen sich Gestaltwandlerinnen wie die adligen Leopardinnen Viktoria und Cassandra, die Tigerprinzessin Silayla und die Löwenkönigin Annabella ihren Schicksalen stellen und ungeahnte Lasten auf sich nehmen, um sowohl Frieden als auch Liebe für sich zu finden. Der Sammelband beinhaltet die Bände Leopardentränen, Tigerseelen und Löwenmächte.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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M. J. Martens
Die Gestaltwandler von Korsua
Sammelband
Buchbeschreibung:
Hochzeitsbälle, Intrigen und Geheimnisse.
Die gestaltwandelnden Bewohner der Königreiche Kender, Ferlen und Andalier werden durch die politischen Auseinandersetzungen untereinander fortwährend auf die Probe gestellt. Alle Augen sind auf die Königshäuser gerichtet. Wer wird dort den Mut aufbringen, um die Raubkatzen vor sich selbst zu bewahren?
Zu diesen schweren Zeiten müssen sich Gestaltwandlerinnen wie die adlige Leopardin Viktoria, die Tigerprinzessin Silayla und die Löwenkönigin Annabella ihren Schicksalen stellen und ungeahnte Lasten auf sich nehmen, um sowohl Frieden als auch Liebe für sich zu finden.
Der Sammelband beinhaltet die Bände Leopardentränen, Tigerseelen und Löwenmächte.
Über die Autorin:
M. J. Martens alias Ella Nikolei hat es schon immer geliebt, in Geschichten einzutauchen. Bereits in der Grundschule hat sie kleine Geschichten, Gedichte und Liedtexte für sich selbst verfasst. Wenn sie nicht gerade schreibt, liest sie ein gutes Buch oder greift zu Stift und Papier und drückt ihre Kreativität in Bildern aus.
Der Name M. J. Martens steht für Bücher aus dem Bereich Fantasy. Dabei findet sich in ihrem Repertoire sowohl High Fantasy, als auch Sword and Sorcery und Urban Fantasy.
Unter Ella Nikolei veröffentlicht die Autorin überwiegend Bücher in den Genres Romace und Crime, gerne auch miteinander verwoben.
M. J. Martens
Die Gestaltwandler von Korsua
Sammelband
1. Auflage, 2025
© 2025 M. J. Martens
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Leopardentränen:
Lektorat: Martina König
Umschlaggestaltung : Giusy Ame/Magical Cover
Bildquelle: Despositphoto
Kapitelschmuck von Despositphoto
Tigerseelen:
Lektorat: Martina König
Umschlaggestaltung : Giusy Ame/Magical Cover
Bildquelle: Despositphoto
Kapitelschmuck von Despositphoto
Löwenmächte:
Lektorat: Martina König
Umschlaggestaltung : Giusy Ame/Magical Cover
Bildquelle: Despositphoto
Kapitelschmuck von Despositphoto
Impressum:
M. J. Martens
c/o COCENTER
Koppoldstr. 1
86551 Aichach
ella-schreibt.com
Inhaltsverzeichnis
Karte von Korsua8
Kapitel 1, Verion12
Kapitel 2, Viktoria20
Kapitel 3, Jared29
Kapitel 4, Jared40
Kapitel 5, Viktoria51
Kapitel 6, Viktoria60
Kapitel 7, Cassandra75
Kapitel 8, Verion89
Kapitel 9, Viktoria100
Kapitel 10, Viktoria109
Kapitel 11, Cassandra121
Kapitel 12, Viktoria129
Kapitel 13, Viktoria141
Kapitel 14, Cassandra145
Kapitel 15, Viktoria154
Kapitel 16, Viktoria167
Kapitel 17, Jared185
Kapitel 18, Viktoria195
Kapitel 19, Cassandra206
Kapitel 20, Cassandra216
Kapitel 21, Verion230
Epilog, Cassandra235
Prolog, Grenna239
Kapitel 1, Silayla245
Kapitel 2, Dorian252
Kapitel 3, Silayla258
Kapitel 4, Silayla270
Kapitel 5, Grenna278
Kapitel 6, Silayla287
Kapitel 7, Silayla296
Kapitel 8, Silayla306
Kapitel 9, Dorian320
Kapitel 10, Silayla329
Kapitel 11, Silayla342
Kapitel 12, Silayla351
Kapitel 13, Silayla361
Kapitel 14, Grenna371
Kapitel 15, Silayla381
Kapitel 16, Dorian394
Kapitel 17, Dorian402
Kapitel 18, Silayla410
Kapitel 19, Silayla417
Kapitel 20, Silayla430
Kapitel 21, Silayla442
Kapitel 22, Dorian455
Kapitel 23, Silayla464
Epilog, Silayla473
Kapitel 1, Annabella479
Kapitel 2, Ilya489
Kapitel 3, Marlen500
Kapitel 4, Annabella516
Kapitel 5, Marlen524
Kapitel 6, Ilya538
Kapitel 7, Marlen548
Kapitel 8, Annabella559
Kapitel 9, Annabella570
Kapitel 10, Annabella575
Kapitel 11, Marlen587
Kapitel 12, Marlen598
Kapitel 13, Marlen614
Kapitel 14, Annabella627
Kapitel 15, Annabella635
Kapitel 16, Marlen642
Kapitel 17, Annabella648
Kapitel 18, Annabella656
Kapitel 19, Marlen668
Kapitel 20, Ilya679
Kapitel 21, Annabella685
Kapitel 22, Annabella695
Kapitel 23, Alsejer706
Epilog, Annabella716
Karte von Korsua
Über die Welt Korsua
Korsua ist eine von der Autorin erfundene Welt, in der euch kein einziger Mensch begegnen wird, dafür aber viele Gestaltwandler. Jeder von ihnen kann die Gestalt einer Raubkatze annehmen. Vom kleinen Ozelot bis zum großen Tiger ist jede Art vertreten. Auch auf schwarze Panther werdet ihr stoßen. Diese sind jedoch keine eigenständige Rasse, sondern schwarze Leoparden oder Jaguare.
Für alle, die mutig genug sind, ihre Masken fallenzulassen.
Kapitel 1, Verion
Mein Fell ist völlig durchnässt, als ich mit meinem Gefolge das Schloss von König Iramon erreiche. Die sonst so glänzenden weißen Steine der Fassade sind von einem tristen grauen Nebel umhüllt. Drei Tage lang hat es durchgeregnet. Die schlammige Erde haftet an meinen Pfoten und hinterlässt dunkle Abdrücke auf den hellen Pflastersteinen der Straße.
Meine Armee und ich hatten kaum unser Lager auf einer freien Wiese hinter Oberkenders Hauptstadt aufgeschlagen, da erreichte uns auch schon ein Bote Iramons und teilte uns mit, sein König habe ein Friedensangebot für uns. Lange habe ich mit meinen Männern darüber diskutiert, ob wir Iramon anhören oder an unserem Plan festhalten und die Stadt Tiweh angreifen. Statt der üblichen Tagesreise sind wir fast doppelt so lange unterwegs gewesen, obwohl wir uns nicht an die verschlungene Hauptstraße halten mussten und Abkürzungen durch Wälder und Wiesen genommen haben. Doch aufgrund des Regens mussten wir unsere Reise immer wieder unterbrechen, ein Zwischenlager aufbauen und warten, bis der Niederschlag nachgelassen hatte. Bei Beginn dieses Unwetters hatte bereits der halbe Weg hinter uns gelegen, weswegen eine Rückkehr nicht infrage kam.
Und nun laufe ich mit einem Geleit von Iramons Soldaten durch die Stadt, die Generationen meiner Familie einzunehmen versuchten. Ehrfürchtig sehe ich auf das große Eisentor, welches das Schloss von der restlichen Stadt trennt. Zahlreiche Kratzer zeugen noch heute von dem Tag, an dem mein Vater versucht hat, in das Schloss einzudringen, um den damaligen König zu stürzen und das gespaltene Land unter seiner Alleinherrschaft wieder zu vereinen. An jenem Tag haben sowohl Iramon als auch ich unsere Väter verloren und unsere Herrschaft begann. Mit gerade einmal neunzehn Jahren haben wir die Throne von Ober- und Unterkender bestiegen, mit dem Versprechen an unsere Väter, dass wir alles unternehmen würden, um den jeweils anderen Teil von Kender zu unterwerfen und so die Alleinherrschaft des vereinten Königreiches an uns zu reißen.
Unter einem lauten Rumoren öffnet sich das Tor und gibt den Blick auf das Schloss frei. Erst jetzt ist die Pracht der weißen Steine wirklich zu erkennen und stellt damit ein Gegenbild zu den dunklen Steinen meines Schlosses in Jola dar. Dennoch wirkt es trostlos und wenig einladend.
Bis auf die Soldaten befindet sich keine einzige Seele auf dem Hof. Doch rechts bei den Stallungen kann ich sehen, wie uns einige Wandler an die Wände gepresst beobachten. Unsere Völker leben schon so lange im Krieg, dass sich die Angst vor einem jederzeitigen Angriff tief in ihnen verankert hat.
Zwei Soldaten öffnen die breite Eingangstür des Schlosses. Das Wasser tropft von meinem Fell auf den hellen Marmorboden, als ich eintrete und durch die breiten Gänge laufe. Es wirkt von innen genauso ungemütlich wie von außen. Die weißen Steine verkleiden das Schloss, hier drinnen ist alles wesentlich dunkler, karg und steril. Die einzige Dekoration sind die Wachen, die wie versteinert in einigen Metern Abstand voneinander stehen. Ihre graue Kleidung wird beinahe eins mit den Steinen.
Wir folgen Iramons Soldaten den Gang entlang, vorbei an zahlreichen dunklen Holztüren, bis wir vor dem Thronsaal stehen bleiben. Zwei der Wachen öffnen uns die Tür. Der Schlamm fällt noch immer von meinen Pfoten, als ich die vier Stufen hinaufsteige. Keine einzige Vase oder Blume schmückt den riesigen Raum, der dadurch kalt und ungemütlich erscheint. Alles hier wirkt so trostlos. Nicht einmal ein bisschen Sonne scheint durch die großen Fenster. Der Himmel ist noch immer mit grauen Wolken verhangen. Nur die vielen Kerzen in den Kronleuchtern sorgen für ein wenig Wärme.
Meine sechs besten Krieger bleiben dicht neben mir, allen voran mein engster Vertrauter Jared. Jaguare sind unter den Raubkatzen in ihrer Gestalt etwas größer und kompakter als wir Leoparden, aber Jared übertrifft jeden seiner Art, der mir bisher begegnet ist. Seine breiten Schultern und der muskulöse Körperbau wirken bedrohlich. Er ist der geschickteste Krieger, den ich kenne, sowohl in seiner menschlichen Gestalt als auch als Raubkatze. Seine gelbbraunen Augen sind auf König Iramon gerichtet und seine Haltung ist leicht geduckt. Er ist bereit, jederzeit anzugreifen, wenn dies hier eine Falle sein sollte.
Seit ich denken kann, steht mein Königreich mit dem von Iramon im Krieg. Seit unser Urgroßvater Armon das Königreich vor vielen Jahren geteilt hat, bekriegen sich seine Erben, um über das gesamte Land zu herrschen. Armon konnte sich nicht entscheiden, welchem seiner beiden Söhne er seinen Thron vermachen soll. Um beiden gleichermaßen gerecht zu werden, ließ er sie jeweils über eine Hälfte des Landes herrschen. Doch keiner von beiden wollte sich damit zufriedengeben. Die Gier, die Alleinherrschaft über das gesamte Land an sich zu reißen, wurde ihren Erben bereits in die Wiege gelegt.
Auch mein Vater hat immerzu Krieg mit dem Herrscher von Oberkender geführt. Sechs Jahre ist er nun schon tot und meine Herrschaft besteht fast ausschließlich darin, Krieg zu führen.
Vor Kurzem hielt ich es noch für unmöglich, dass uns ein Friedensangebot erreichen würde. Iramon war nahezu besessen vom Kampf. Und das hat seine Spuren hinterlassen. Heute steht er dem Tod näher als dem Leben. Dennoch habe ich nicht erwartet, dass er wahrhaft an einem Friedenspakt interessiert sein könnte.
Der König streckt seine Leopardengestalt auf einem breiten schwarzen Samtkissen aus, das ihm als Thron dient. Im ganzen Land erzählt das Volk sich, dass er so gut wie gar nicht mehr seine menschliche Gestalt annimmt.
Ich kann mein Entsetzen kaum unterdrücken, als ich ihm näher komme. Sein Fell ist stumpf und matt, sein Körper abgemagert. Er hat Mühe, seinen Kopf aufrecht zu halten.
Ich kenne Iramon nur als einen sehr stolzen und starken Leoparden. Umso mehr schockiert es mich, dieses armselige Abbild seiner selbst zu betrachten. Obwohl wir im selben Jahr geboren sind, wirkt er im Vergleich zu mir wie ein sehr alter Wandler. Welche Krankheit plagt ihn wohl, die ihn so auszehrt?
Meine Soldaten und ich bleiben einige Meter vor ihm stehen. »König Iramon«, begrüße ich ihn auf der mentalen Ebene, die alle Gestaltwandler benutzen.
»König Verion.« Seine Gedanken sind genauso langsam und beschwerlich wie sein Versuch, sich zu erheben. »Es freut mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid.«
»Ihr wollt mir also ein Friedensangebot unterbreiten?«, frage ich direkt, während ich einen Blick auf die vielen Wachen neben ihm werfe. Einige halten ihre Hände nah bei ihren Schwertern. Die anderen haben sich verwandelt und beobachten uns in ihrer Puma- oder Löwengestalt ganz genau.
»So ist es.«
Meine Muskeln spannen sich immer fester an. Irgendetwas in mir kann einfach nicht glauben, dass sich alles zum Guten wenden soll. Mein Blick haftet kurz an dem kräftigen Löwen neben Iramon, der mich ganz genau beobachtet. Die Anspannung liegt so deutlich in der Luft, dass ich fast glaube, sie greifen zu können. »Und wie soll dieses aussehen?«
»Es ist kein Geheimnis, dass ich bald sterben werde. Seht, was der Krieg aus mir gemacht hat.« Mit einem gequälten Ausdruck erhebt Iramon sich mühselig. Seine Vorderbeine zittern, als er sie durchstreckt. In seiner sitzenden Position wird das Ausmaß seiner Krankheit noch deutlicher. Einige Stellen an seinem Bauch sind völlig kahl und jede seiner Rippen zeichnet sich unter seinem lichten Fell ab. Er schluckt schwer, bevor er in Gedanken weiterspricht. »Ich habe mir die schlimmsten Krankheiten eingefangen und bin so schwach, dass ich kaum noch allein aufstehen kann. Mein Ende ist nah, sehr nah, und ich werde ohne einen Erben sterben. Immerzu muss ich daran denken, was passiert, sobald ich tot bin.«
Iramon hat weder Frau noch Kinder. Fürs Heiraten hat er sich nie die Zeit genommen. Er war genau wie ich zu sehr damit beschäftigt, Krieg zu führen. Seine beiden Brüder sind im Kampf gefallen und auch sonst hat er keine näheren lebenden Verwandten mehr.
»Und?«, frage ich nach einem kurzen Blick aus dem Fenster. »Wie seht Ihr die Zukunft Eures Landes?«
»Es wird in seinem eigenen Krieg um den Thron versinken. Ich kann die Häuser bereits brennen sehen und die Frauen schreien hören. Soll das etwa mein Vermächtnis sein?«
»Das hoffe ich nicht.«
Er nickt beschwerlich und schnauft so laut, als habe er gerade ein Wettrennen bestritten. »Aus diesem Grund habe ich eine Entscheidung getroffen. Ich vermache Euch mein Land. Somit werdet Ihr alleiniger Herrscher über ganz Kender.«
Ich kneife ungläubig meine Augen leicht zusammen. Wieso sollte er das tun? »Einfach so? Verzeiht mir, wenn ich dies nicht recht glauben kann.«
Iramon kann sich nicht mehr auf seinen Beinen halten und lässt sich laut ächzend zurück auf das Kissen sinken. »Nicht einfach so. Eine Bedingung gibt es.«
Habe ich es mir doch gedacht. »Und die wäre?«
»Heiratet eine Frau aus meinem Reich, aus meiner Geburtsstadt Tiweh.«
Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht mit einer Vermählung. Alles in mir sträubt sich gegen solch einen Pakt. »Nein«, antworte ich sofort und lasse meinen aufsteigenden Zorn auf der mentalen Ebene mitschwingen. »Schon mein Vater vermochte es nicht, mich zu verheiraten, und Ihr werdet das auch nicht.«
Was habe ich es gehasst, wenn er wieder einmal Adlige mit ihren Töchtern zu uns auf das Schloss eingeladen hatte. Außer einer ansehnlichen Hülle hatten diese Damen leider nie etwas zu bieten. Sofort spüre ich wieder dieses beklemmende Gefühl und sehe mich mit den heillos überschminkten und parfümierten Damen an einem Tisch sitzen. Eine schriller lachend als die andere. Bei diesem Gedanken stellt sich mein Fell auf.
Iramon schnauft. »Überlegt es Euch gut. Ihr könntet den Krieg damit ein für alle Male beenden.« Sein müder Blick schweift über meine Soldaten. »Es muss nie wieder unnötig Blut vergossen werden.«
Ich lasse mir Zeit mit meiner Antwort. Für mich kommt eine Hochzeit unter solchen Umständen nicht infrage. Wenn ich heirate, dann wähle ich eine Frau, die mich um meinetwillen liebt, und nicht, weil sie durch mich Königin von ganz Kender wird. Aber wie soll ich unter diesen Umständen solch eine Wandlerin finden?
»Ich lasse mir keine Frau aufzwingen!«, entgegne ich und gebe ihm damit die gleiche Antwort, die auch mein Vater von mir zu hören bekam.
»Ich werde Euch niemanden aufzwingen.« Nach einer kurzen Atempause blickt Iramon mir direkt in die Augen. Seine Worte sind nur Gedanken und kosten ihn dennoch alle Kraft. »Ihr könnt sie Euch selbst aussuchen.«
Und das soll es besser machen?
Ich höre ein deutliches Knurren und mache die Quelle dafür schnell ausfindig. Es ist der Löwe, der direkt neben Iramon steht. Ihm ist deutlich anzusehen, wie gern er sich mitteilen würde, doch er hält sich zurück.
»Dies ist nicht die richtige Zeit, um nur an Euch selbst zu denken«, fährt Iramon fort, dem das Knurren seines Wächters ebenfalls nicht entgangen ist. »Ihr tragt die Verantwortung für Euer gesamtes Volk. Familien wurden durch den Krieg getrennt, der Handel eingeschränkt. Weiter als bis zum Fluss, der unsere beiden Königreiche trennt, traut sich das Volk nicht zu reisen. Wollt Ihr ihm wirklich die Möglichkeit verwehren, das alles hinter sich zu lassen und in Frieden zu leben?«
So krank Iramon auch ist, so geschickt wählt er seine Worte. Aber ist dies tatsächlich der einzige Weg? Kann er nicht etwas anderes fordern? Doch wenn ich ehrlich bin, ist mir die Taktik hinter seiner Forderung durchaus bewusst. Er will den dauerhaften Frieden durch diese Verbindung sichern. Aber warum muss dies ausgerechnet auf meine Kosten geschehen?
»So Zerios es will, werdet Ihr ein langes Leben haben«, fügt Iramon hinzu. »Ihr könnt eine Familie gründen und Eure Kinder in einer sicheren Umgebung aufwachsen sehen. Ihr Leben muss nicht aus Krieg bestehen, so wie unseres.«
So langsam beginne ich an meiner starren Haltung zu zweifeln.
»Was denkst du?«, erreicht nur mich allein Jareds Stimme. Gestaltwandler mit einer tiefen, emotionalen Bindung können eine eigene mentale Ebene zur Kommunikation erschaffen, auf der niemand sie belauschen kann. Seit Jared mir vor vier Jahren das Leben gerettet hat, verfügen wir über eine solche Ebene.
»Ich will gewiss nicht irgendeine Wandlerin heiraten, die ich nicht kenne«, antworte ich ihm. »Aber Iramon hat recht. Ich habe die Möglichkeit, diesen Krieg endlich zu beenden. Zu viele Wandler haben hierfür schon ihr Leben gelassen. Das muss aufhören.«
Iramon sieht uns mit müden Augen an. »Ich weiß, dass dieses Angebot sehr überraschend kommt, aber ich habe sehr lange darüber nachgedacht. Ich würde Euch gern mit jemandem aus meinem Haus verheiraten, doch da gibt es niemanden. Deswegen lautet meine einzige Forderung, dass eine Frau aus Tiweh an Eurer Seite herrschen soll.« Erneut braucht Iramon eine Atempause. »Ich bitte Euch, genau zu überlegen und dabei an unser aller Wohl zu denken. So ist das Schicksal von uns Königen nun einmal. Wir können und dürfen nicht nur an uns denken.«
Iramons Worte bereiten mir ein deutliches Unbehagen in meiner Magengegend. Noch immer bin ich nicht gewillt, ihm zuzustimmen, aber was wäre ich für ein König, dieses Friedensangebot abzulehnen? Es würde niemals ein Geheimnis bleiben und ich kann bereits die durchbohrenden und strafenden Blicke des Volkes spüren, wenn ich nach Jola zurückkehre. Es würde mich für diese Entscheidung verachten und hätte auch jeden Grund dazu.
»Also gut.« Die Worte verlassen nur widerwillig meine Gedanken. »Um des Friedens willen werde ich das Angebot annehmen.«
Iramon schließt für einen kurzen Moment seine Augen. Ihm scheint ein großer Stein vom Herzen zu fallen. »Dann sehe ich vor meinem Tod wenigstens einen Lichtblick«, seufzt er. »So werde ich morgen Abend einen Ball veranstalten lassen, zu dem wir die potenziellen Ehekandidatinnen einladen. Es soll eine reinrassige Leopardin sein.« Mühselig dreht er seinen Kopf zu dem Löwen neben sich. »Geh sofort zum Marktplatz und verkünde es.«
Aus meinen Augenwinkeln kann ich sehen, wie Jared seinen Kopf schüttelt. Er weiß, dass ich derartige Bälle nicht besonders schätze.
Der Löwe will gerade den Raum verlassen, als ich der Anweisung noch etwas beifüge.
»Verkünde, dass es ein Maskenball wird.«
Kapitel 2, Viktoria
Wie sie alle künstlich lachen. Eng eingeschnürt in ihre Korsagen, um noch schlanker zu wirken, stehen die Wandlerinnen in ihren feinsten Kleidern da. Ihre Haare sind aufwendig frisiert und ihre Gesichter mit Schminke bedeckt. Wie auf einer Treibjagd scharen sie sich vor den Stufen des Throns, auf denen König Verion steht. Das schwarze Samtkissen hinter ihm ist leer. Auch wenn es König Iramon gewesen ist, der zu dem Ball in seinem Schloss geladen hat, bleibt er der Veranstaltung fern. Mich wundert das nicht. Im ganzen Land wird erzählt, er sei sehr krank und nur noch ein Schatten seiner selbst. An seiner Stelle würde ich mich wohl auch lieber zurückziehen.
Dafür hat König Verion jetzt die volle Aufmerksamkeit. Die adligen Damen versuchen vehement, sein Interesse zu wecken. Keine von ihnen kennt ihn näher, sie wollen ihn nur heiraten, um Königin zu werden.
Kopfschüttelnd beobachte ich ihr Treiben. Die schwarze Maske mit dem goldenen Rand verhüllt die obere Hälfte meines Gesichtes. Meine Augen sind auf eine junge Wandlerin gerichtet. Sie achtet beim Tanz lieber auf den König anstatt auf den Adligen ihr gegenüber und tritt ihm ständig auf die Füße. Der junge Wandler ist nur ein Statist. Die eingeladenen männlichen Adligen haben heute lediglich die Aufgabe, uns junge Wandlerinnen hübsch in Szene zu setzen.
Auf dem Marktplatz herrschte gestern das reinste Chaos, nachdem ein Soldat des Königs verkündet hatte, dass am heutigen Abend ein Maskenball stattfinden würde, auf dem König Verion eine Wandlerin als seine Frau auswählen würde, um mit ihr das Königreich zu vereinen. Wie aufgescheuchte Hühner eilten die adligen Damen auf ihrer Suche nach passenden Kleidern und Masken durch die Stadt. Sämtliche Schneider mussten dafür die ganze Nacht durcharbeiten.
Meine Schwester und mich ließ das völlig kalt. Seit fast einem Jahr ist Cassandra nun schon mit einem Lord verlobt, den unser Onkel Lenard für sie ausgesucht hat. Eine Hochzeit hat er bisher gekonnt hinauszuzögern gewusst, weil er hofft, eine noch bessere Partie machen zu können, wenn es ihm gelingt, gesellschaftlich aufzusteigen. Ruhm ist alles, was für ihn zählt. Gefühle spielen in seinem Leben keine Rolle. Zumindest nicht die von meiner Zwillingsschwester und mir. Nachdem unsere Eltern vor fünf Jahren verstorben sind, übernahm der Bruder unseres Vaters sein Anwesen und damit auch unsere Fürsorge. Wenn ich das überhaupt so nennen kann. Weder er noch seine Frau Dina hatten jemals auch nur einen Funken Liebe für uns übrig. In ihren Augen sind wir nur Ware, die sie möglichst gewinnbringend verkaufen wollen.
Ich konnte Lenard ansehen, dass er am liebsten auch Cassandra auf diesen Ball geschickt hätte. Aber er konnte keine Wandlerin zu einer Brautschau schicken, die bereits versprochen ist. Genau deswegen hat er mir aufgetragen, alles zu tun, um dem König zu gefallen. Aber das werde ich nicht. Ich hege kein Interesse, seine Ehefrau zu werden. Aus der Ferne wirkt er mit seiner gut gebauten Statur, den edlen Gewändern und den kurzen dunklen Haaren ganz ansehnlich. Um ihn heiraten zu wollen, ist mir das aber nicht genug. Immerhin kenne ich ihn kaum. Ich weiß nichts über seine Gepflogenheiten oder seinen Umgang mit einer Frau. Ich weiß nur das, was das Volk über ihn erzählt. Verion hat den Ruf eines eisernen Herrschers. Er bestraft hart, vergibt nie und soll zu Gefühlen unfähig sein. Vor zwei Jahren soll er sogar seinen eigenen Bruder getötet haben. Über den Grund gibt es die wildesten Spekulationen. Manche sagen, sein Bruder wollte ihm den Thron streitig machen. Andere behaupten, sie wären über irgendwelche Kriegsstrategien in Streit geraten. Es gibt aber auch das Gerücht, dass Verion in die Frau seines Bruders verliebt gewesen sei und ihn getötet habe, um sie heiraten zu können. Komisch nur, dass bis jetzt keine Hochzeit stattgefunden hat.
»Sieh ihn dir an.« Collettes hellbraune Augen leuchten unter ihrer hellen Maske, die mit unzähligen roten Perlen versehen ist, während sie zum König blickt. »Welch eine Anmut. So elegant und stark. Kein Wunder, dass die Wandlerinnen sich um ihn scharen.«
»Ihr Verhalten ist peinlich«, murmele ich und verschränke meine Arme vor dem Körper.
Sie winkt beschwichtigend ab. »Erzähl mir nicht, du würdest dich nicht auch gern mit ihm unterhalten.« Collette zieht ihre schmalen Augenbrauen nach oben und legt einen herausfordernden Blick auf.
Bei ihren Worten kann ich nur mit meinen Augen rollen. »Ich strebe nicht danach, Königin zu werden. Und ich hoffe, dass auch du nicht vorhast, dich dem König anzubiedern.«
Sie verzieht ihre vollen, mit blutrotem Lippenstift bemalten Lippen zu einem breiten Lächeln und streckt den Rücken durch. Collette ist eine sehr sinnliche Leoparden-Wandlerin. Sie hat ihren schlanken Körper in ein tiefrotes Kleid aus feinstem Stoff gehüllt, welches ihre Brust nur notdürftig bedeckt. »Wieso sollte ich?«, fragt sie in einem amüsierten Tonfall und streckt ihre schmale Nase nach oben. »Gleich beginnt der königliche Tanz. Los, stellen wir uns auf.« Als die Musik vorerst verstummt, läuft sie geradewegs zur Mitte des Raumes, wo die Wandler ihren Tanz unterbrechen und die Damen sich in einem großen Kreis aufstellen.
Mein Zögern bleibt Lenard nicht verborgen und schon steht er neben mir. »Worauf wartest du?«, zischt er mich leise an. »Stell dich zu den anderen. Und wenn du mit dem König tanzt, wirst du alles tun, um ihn zu beeindrucken.«
»Und was genau soll das sein?«, frage ich schnippisch.
Mein Onkel rümpft ungeduldig seine Nase. »Stell dich nicht so an, du bist schließlich eine Frau. Mach ihm hübsche Augen, geize nicht mit deinen Reizen.«
Und das soll ihn beeindrucken? Ich kann nur noch genervt mit den Augen rollen, während ich langsam einen Platz im Kreis einnehme. Ich werde mich nicht verstellen, weder für den König noch für sonst jemanden, ganz egal, wie sehr mein Onkel mich dazu drängt. Ich habe ihm bereits mit der Wahl meiner Kleidung zu verstehen gegeben, dass ich keine Lust auf seine Spielchen habe. Lenard wollte, dass ich das goldene Kleid anziehe, welches sich fast wie eine zweite Haut an meinen Körper schmiegt und somit meine Reize besonders betont. Aber ich habe ein schwarzes Kleid aus weichem Stoff gewählt, das sehr schlicht und unauffällig gehalten ist. Lenards Kopf ist blutrot angelaufen, als er mich darin gesehen hat, doch zum Umziehen blieb keine Zeit mehr.
Es dauert nicht lange, bis sich einige Herren zu uns gesellen, die uns als Tanzpartner dienen dürfen. König Verion läuft die Stufen hinab und reicht der Adligen, die ihm am nächsten steht, die Hand zum Tanz. Die blonde Wandlerin wirkt, als bekäme sie gleich Atemnot, als sie diese berührt.
»Darf ich um den ersten Tanz bitten?«, ertönt neben mir eine für einen männlichen Wandler viel zu hohe Stimme. Der gertenschlanke Adlige verbeugt sich leicht vor mir, als er mir seine Hand einladend entgegenstreckt. Unter seiner gelben Maske blicken mich zwei graue Augen neugierig an.
»Danke, gern«, antworte ich und mache einen kleinen Knicks, so wie es die Etikette vorschreibt.
Der Dirigent gibt den Musikern ein Zeichen und kurz darauf ertönen neue sanfte Klänge von Geigen und Flöten. Ich werde von dem Wandler mit den Schritten, die jeder von uns bereits als Kind erlernt, über das Parkett geführt. Dabei sind seine Bewegungen nicht annähernd so weich, wie seine filigrane Figur es vermuten lässt.
Da er es offenbar nicht für nötig gehalten hat, sich in Parfüm zu tränken, kann ich auch in meiner menschlichen Gestalt deutlich riechen, welche Art von Raubkatze gerade versucht mit mir zu tanzen.
Er ist ein Gepard.
Die meisten von ihnen sind in beiden Gestalten rank und schlank. Eigentlich sind sie auch sehr elegant in ihrer Haltung und Bewegung. Dieser Wandler scheint dabei eine Ausnahme zu bilden. Ich bin heilfroh, als die Klänge der Rasseln ertönen. Es ist das Zeichen für den Partnerwechsel.
In meiner letzten Drehung gehe ich einige Schritte nach rechts und reiche meinem nächsten Tanzpartner die Hand. Der aschblonde Wandler bewegt sich wie ein grober Klotz und macht mir das Tanzen noch schwerer als der Gepard. Ihm ist deutlich anzusehen, dass er auf diese Farce genauso wenig Lust hat wie ich. Es gibt kein äußeres Detail, welches ihn als Puma zu erkennen gibt. Nur schwarze Panther sind auf den ersten Blick aufgrund ihrer Augen zu erkennen. Alle anderen verraten sich durch ihren Geruch und ihre Aura.
Nach dem Puma werden meine Tanzpartner erträglicher und sie zeigen wesentlich mehr Taktgefühl. Aber bei keinem von ihnen könnte ich hinterher behaupten, den Tanz wirklich genossen zu haben.
Dann bin ich an der Reihe, mit dem König zu tanzen. Ich gehe vor ihm nicht tiefer in die Knie als bei allen anderen, obwohl die Etikette besagt, dass jede Wandlerin zum Zeichen der Ehrerbietung vor Seiner Hoheit in einen tiefen Hofknicks fallen muss.
Um während des Tanzes in sein Gesicht sehen zu können, muss ich den Kopf heben. Im Schein von Hunderten von Kerzen, die sowohl im Kronleuchter als auch in den zahlreichen Ständern am Boden entzündet worden sind, funkeln mich seine tiefblauen Augen an. Der König schenkt mir ein kurzes, gezwungenes Lächeln, während er mich in taktvollen Schritten zu der Musik führt. Die kleinen Edelsteine an den Manschetten und am Kragen seiner feinen Jacke strahlen einen sanften Schimmer aus. Seine dunkelbraunen Haare sind akkurat zur Seite gekämmt.
»Ihr seid eine ausgesprochen gute Tänzerin«, beginnt er das Gespräch in einem ruhigen Ton. Jegliches Lächeln ist aus seinem Gesicht gewichen. Ich bin mir nicht sicher, ob er gelangweilt ist oder ob er immer so ausdruckslos dreinschaut. »Kommt Ihr öfter in den Genuss solcher Bälle?«
»Nein.« Ich versuche meine Stimme so neutral wie möglich klingen zu lassen. »Dies ist mein erster Ball seit Langem. In meiner Erziehung wurde jedoch viel Wert darauf gelegt, dass ich die Tänze beherrsche.«
Seine Mundwinkel zucken kurz, verformen sich jedoch nicht zu einem Lächeln. Der Gesichtsausdruck des Königs bleibt eisern, als er seinen Kopf leicht zur Seite neigt. »Wie ist Euer Name?«
»Tragen wir nicht alle diese Masken, weil heute Abend Namen keine Rolle spielen?«, frage ich ein wenig kokett und kann ein leicht verwundertes Blinzeln unter seiner dunklen Maske erkennen.
»Ach, meint Ihr, dass dies der Grund dafür ist?«
Ich zucke mit den Schultern. »Um Kender zu vereinen, müsst Ihr Euch schnell für eine Braut entscheiden. Welchen Grund solltet Ihr sonst für einen Maskenball haben, wenn nicht den, Euch bei Eurer Wahl weder vom Namen und der Herkunft Eurer Auserwählten noch von ihrem hübschen Gesicht täuschen lassen zu wollen?«
Für einen Moment schaut er mir einfach nur in die Augen, dann nickt er. »In der Tat, da habt Ihr recht.«
Ich kann nicht behaupten, dass es unangenehm wäre, mit dem König zu tanzen. Seine Bewegungen sind geschmeidig, sein Duft sehr angenehm. Jedoch verfalle ich auch nicht in völlige Verzückung.
Wieder ertönt die Rassel und ich bewege mich zum nächsten Wandler. Es verschlägt mir für einen Moment die Sprache, als ich in zwei Haselaugen blicke. Die Mixtur aus Braun und Grün erinnert mich an den Wald, in den Cassandra und ich uns immerzu heimlich schleichen, um unserem trostlosen Alltag zu entkommen und wenigstens etwas Spaß zu haben. Die Größe des Wandlers ist imponierend. Hinter seinen breiten Schultern könnte ich mich mühelos verstecken.
Mit einem charmanten Lächeln reicht er mir seine Hand, in der meine wie die einer Puppe wirkt. Seine kantigen Gesichtszüge verschaffen ihm auch in seiner menschlichen Gestalt etwas Animalisches. Dazu die wilden, langen, dunkelblonden Haare, mit denen er den Anschein erweckt, er wäre ein Löwe. Doch sein Geruch verrät mir ganz deutlich, dass er ein Jaguar ist.
»Verzeiht, wenn ich das so sage«, ertönt seine etwas raue Stimme, als wir gemeinsam über den Marmorboden schreiten. »Ihr wirkt mir nicht so enthusiastisch wie die anderen Wandlerinnen.«
Abermals hebe ich die Schultern, während ich seinem Blick standhalte. »Der einzige Grund, warum wir heute alle hier sind, ist doch, dass der König eine Frau sucht. Und das tut er nur, um Kender unter seiner Herrschaft zu vereinen. Von Emotionen wird seine Entscheidung sicherlich nicht getragen. Wieso sollte mich das locken?«
»Ihr würdet Königin von ganz Kender werden. Wollt Ihr mir wirklich sagen, dass dies nicht verlockend genug ist?«
»Ich kenne den König nicht. Sein Charakter, seine Wünsche und Vorlieben sind mir völlig fremd. Es bedarf schon etwas mehr als der Aussicht, Königin zu werden, um eine Heirat in Erwägung zu ziehen.«
Ich kann ein leichtes Gelb in seinen Augen aufleuchten sehen. Das passiert bei uns Wandlern, wenn wir emotional reagieren. Je mehr Gefühle wir verspüren, umso stärker kommt die Augenfarbe der Raubkatze in uns zum Vorschein. »Wessen bedarf es Eurer Meinung nach denn noch, außer eines Titels und eines hübschen Gesichtes?«
Es gibt viele Dinge, die ich von einem Wandler erwarte, der mich beeindrucken möchte. Dazu gehören zum Beispiel ein höflicher Umgang, gepflegte Gespräche, in denen zugehört und nicht nur angehört wird. Und vor allem bedarf es einer Sache. »Eines guten Herzens.«
Seine schmalen Lippen verformen sich zu einem breiten Lächeln. »Heute Abend seid Ihr wohl die Einzige, die das so sieht. Die anderen Wandlerinnen lecken sich die Finger nach dem König. Jede möchte Königin des wiedervereinten Königreiches werden.«
Das Gelb in seinen Augen ist schon wieder erloschen. Für mich ist dieser Farbwechsel immer wieder faszinierend anzusehen. Vielleicht liegt es daran, dass Cassandra und ich nicht über diese Eigenschaft verfügen. Wir sind beide als schwarze Panther zur Welt gekommen, was unsere Reinrassigkeit leider nicht beeinflusst, denn dann wären wir als Ehekandidatinnen für den König gar nicht erst infrage gekommen. Wir sind einfach nur eine besondere Art von Leoparden. Nicht nur unser schwarzes Fell ist eines unserer Merkmale, sondern ebenfalls unsere lilafarbenen Augen, die wir auch in menschlicher Gestalt haben. Eine Veränderung der Augenfarbe ist daher bei uns nicht wahrnehmbar.
»Ich bin sicher, dass König Verion eine gute Wahl treffen wird.« Ich lasse meinen Blick nur ganz kurz über die Schulter zu ihm schweifen. Die brünette Wandlerin, mit der er gerade tanzt, himmelt ihn an. »Aber irgendwie tut er mir auch ein bisschen leid. Umzingelt von Wandlerinnen, die sich nicht seinetwillen um ihn bemühen … das muss ziemlich ernüchternd sein. Und Zeit, um eine von ihnen näher kennenzulernen, bleibt ihm auch nicht.«
Mein mir fremder Tanzpartner lächelt und führt mich gefühlvoll im Takt der Musik. Obwohl er ein sehr großer und muskulöser Mann ist, sind seine Bewegungen so geschmeidig, wie die einer Katze nur sein können. »Verratet Ihr mir Euren Namen?«
Ich hole Luft, um ihm die gleiche Antwort wie zuvor dem König zu geben, doch ich schlucke meine Worte herunter. Irgendetwas an diesem Wandler fasziniert mich und ich möchte gern mehr über ihn erfahren. »Mein Name ist Viktoria, und wer seid Ihr?«
»Jared.«
Woher er wohl kommt? Aus Tiweh ist er ganz sicher nicht. »Gehört Ihr zum Gefolge des Königs?«
»Das kann man so sagen. Meine Aufgabe ist es, ihn zu beschützen.«
»Und wieso beschützt Ihr ihn dann nicht vor dieser Horde wilder Damen?«
Einen Augenblick lang starrt Jared mich ungläubig an, dann beginnt er zu lachen. »Glaubt mir, vor denen kann selbst ich ihn nicht beschützen.«
Ich lasse mich weiter von ihm führen. Unsere Blicke haften dabei aneinander. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber er hat mich blitzschnell in seinen Bann gezogen. Plötzlich finde ich es wunderschön auf diesem Ball und möchte gar nicht mehr aufhören, mit ihm zu tanzen.
Umso enttäuschter bin ich, als die Rasseln erneut erklingen und ich zum letzten Mal weitergehen muss. Viel lieber wäre ich bei Jared geblieben. Zudem muss ich mich jetzt wieder auf die hölzernen Schritte eines ungeschickten Wandlers einstellen.
Ich blicke zurück zu Jared, dessen Bewegungen so leichtfüßig waren. Er sieht in meine Richtung und wir halten eine Zeit lang Blickkontakt.
Ob ich ihn nach dem Ball noch einmal wiedersehe?
Kapitel 3, Jared
Ich sehe noch all die adligen Damen vom Vorabend vor mir stehen. Obwohl sie mit mir getanzt haben, hielten sie immerzu Ausschau nach Verion. Alle bis auf eine. Die Wandlerin mit den wunderschönen Augen, deren Lila so dominant ist, dass es kein Gelb durchschimmern lässt. Sie war die Einzige, die ihre makellose Haut nicht mit unnötiger Schminke bedeckte. Ihre langen schwarzen Haare sind einfach an ihrem schlanken Körper herabgeflossen und ihre Augen haben mich immerzu angefunkelt.
Es ist die natürliche Schönheit einer Wandlerin, die ich schätze. Vor allem ihre Schönheit in ihrer wahren Gestalt. Wir sind Raubkatzen, aber die meisten von uns verbringen den Großteil ihres Lebens lieber in ihrer menschlichen Gestalt. Sie tragen seidene Gewänder, teuren Schmuck und definieren sich über ihren Besitz. Auch Reisen unternehmen sie lieber zu Pferd, anstatt als Raubkatzen die Abkürzungen durch die Wälder zu nehmen. Aber es ist nun einmal so viel bequemer, wenn sie sich nicht selbst bewegen müssen. Das Jagen haben sie beinahe vollkommen aufgegeben und ziehen es vor, ihr Essen auf goldenen Tellern serviert zu bekommen.
Verion und ich schätzen die Jagd und streifen gern durch die Wälder, wenn es die Zeit erlaubt. Heute allerdings werden wir den ganzen Tag in Iramons Schloss verbringen müssen.
Ich nutze die wenige Zeit, die mir vor der Versammlung bleibt, und mache einen Spaziergang durch den Schlosspark. Meine Gedanken kreisen um die eine Wandlerin, die sich von den anderen abhob. Die Wandlerin, die beim Tanz mit mir wirklich anwesend war und mich als eigene Person wahrgenommen hat.
Viktoria.
Ihre Bewegungen haben sich beim Tanz so perfekt an meine angepasst, als hätten wir jahrelange Übung darin. Schon als ich ihre weiche Haut zum ersten Mal berührte und ihr dabei in die Augen sah, spürte ich ihre Wärme durch meinen Körper strömen. Ich bin kein Wandler, der sich schnell beeindrucken lässt, aber seit dem gestrigen Abend muss ich immerzu an sie denken. Sie kam mir nicht wie eine Fremde vor. Ob sie das auch gespürt hat?
Viktoria ist die einzige gewesen, die auf die lästige Fleischbeschauung genau so wenig Lust hatte wie Verion und ich. Aber Verion ist ein König, der sich seiner Pflichten durchaus bewusst ist und immer das Beste für sein Land und sein Volk im Sinn hat. Ich beneide ihn nicht um seine Position, werde ihn aber immer so gut ich kann in allem unterstützen.
Neben dicken Eichen und umgeben von zahlreichen breiten Büschen steht die Statue von Iramons Vater, König Taron. Thronend auf einem Podest, inmitten eines großen Brunnens. Je näher ich darauf zugehe, desto mehr verstecken mich die Bäume und Büsche. Und als mich nur noch wenige Meter vom Brunnen trennen, sehe ich die junge Frau, die davor steht. Die Arme vor ihrem gelben Seidenkleid verschränkt, betrachtet sie die Skulptur.
Schritte auf einem Kiesweg sind verräterisch und so dreht sie sich zu mir um. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich in ihre lilafarbenen Augen sehe. Viktoria. Endlich kann ihr hübsches Gesicht ganz ohne Maske betrachten. Augenblicklich gehört ihr meine volle Aufmerksamkeit.
»Eine prachtvolle Statue, nicht wahr?«, frage ich und deute mit einem Nicken auf das steinerne Abbild von König Taron.
»Ich glaube, es wurde etwas mit der Größe übertrieben.«
Dicht vor ihr bleibe ich stehen. »Tatsächlich?«
»Mein Vater hat König Taron als recht kleinen und etwas ... beleibten Wandler beschrieben.«
»Ich bin ihm selbst nie begegnet. Ich habe nur von seinem scharfen Verstand gehört. Und von seinem unerschütterlichen Willen, Kender wieder zu vereinen.«
»Dann wird er aufgrund seines Scheiterns diese Welt wohl ohne Seelenfrieden verlassen haben.«
Ihre ehrliche und offene Art reizt mich. Es gibt vor allem unter den adligen Wandlerinnen nicht viele, die ihre Meinung so unverblümt kundtun. »Aber jetzt gibt endlich die Möglichkeit für Frieden.«
»Hm«, antwortet sie nur und schaut nachdenklich auf die Statue. »Was glaubt ihr, wofür genau dachte König Taron sich in Stein verewigen zu müssen?«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass kein tieferer Sinn dahintersteckte. »Er war ein König. Ich denke, das war ihm Grund genug.«
»Ja, er war ein König.« In ihren Tonfall mischt sich etwas Dunkles. »Aber was hat er als solcher getan? Er hat in Oberkender absolut nichts besser gemacht. Ich weiß noch, wie mein Vater erzählt hat, wie die Soldaten in die Häuser gekommen sind und den Beitrag eines jeden für den Krieg gefordert haben. Vor allem die Armen hat es getroffen. Den Soldaten und auch dem König war das egal. Hauptsache er konnte seinen Krieg finanzieren.«
Prüfend werfe ich einen Blick nach rechts, nach links und hinter mich. Auch wenn ich von Viktorias Art sehr angetan bin, so ist ihre Wortwahl im Hause von König Iramon sehr unvorsichtig. »Ihr seid hier am Hof seiner Nachfahren. Vielleicht solltet Ihr nicht so abfällig über den verstorbenen König reden.«
Viktoria schaut von der Statue herab und schließlich zu mir. In ihrem Augenaufschlag liegt etwas Verstohlenes. »Ich bin nur ehrlich. Und ich werde niemanden verehren, der es nicht verdient hat. Könnte König Taron von den Toten auferstehen und sehen, was er hinterlassen hat, würde er direkt noch einmal sterben wollen. Er hatte drei Söhne. Zwei davon sind im Krieg gefallen und am Dritten hat dieser so sehr gezerrt, dass er seinen sechsundzwanzigsten Geburtstag nicht erleben wird. Weder Iramon, noch einer seiner Brüder hat Nachkommen. Die Blutlinie von Taron wird mit Iramons Tod enden. Und das nur, weil alle ihre Lebzeiten mit dem Krieg verschwendet haben.«
Ich fahre mir mit einer Hand über meine Brust. Dort, wo ich für immer gezeichnet bin. »Ich bin auch mit meinem König in den Krieg gezogen.«
»Und nun seid froh, dass ihr nicht den Rest Eures Lebens damit verbringen müsst. Ihr könnt Euch nun so vielen schöneren Dingen widmen.«
»Wie zum Beispiel auf einen Maskenball zu gehen?«
Ein bittersüßes Lächeln umspielt ihre vollen Lippen. »Ganz genau so etwas meine ich.« In ihrer Stimme schwingt deutliche Ironie mit. »Und in anschließenden Konferenzen festsitzen, in dem reiche Männer ihre Töchter anpreisen.«
Ihre freche Art macht mich neugierig. Ich habe schon gestern gemerkt, dass Viktoria anders ist und jetzt wird mir dieses Gefühl bestätigt. »Sagt Ihr immer so offen, was Ihr denkt?«
Sie sieht mir direkt in die Augen. Ein, zwei Atemzüge lang, sehen wir uns einfach nur an. »Ja.«
»Ich kenne nicht viele Wandler, die das tun.«
»Mein Vater hat immer gesagt, nur wer den ehrlichen Weg einschlägt, wird das Glück im Herzen tragen.«
»Sehr poetisch.«
»Meine Mutter hat er damit manchmal zum Verzweifeln gebracht. Er hat jedem seine ehrliche Meinung dargeboten, egal wer vor ihm stand und wie sehr Mutter ihn gebeten hat, sich einmal zurückzunehmen.« Mit jedem gesprochenen Wort wendet mir Viktoria ihren Körper mehr zu. »Ihre Eltern wollten sie den direkten und unerschrockenen Wandler zunächst gar nicht heiraten lassen.«
Gespannt horche ich auf. »Und wie konnte er Eure Großeltern letztendlich überzeugen?«
In ihrer kurzen Pause wirkt Viktoria nachdenklich. »Er konnte Ihnen glaubhaft versichern, dass meine Mutter es bei ihm guthaben wird.«
Auch wenn sie lächelt, so legt sich ein trauriger Ausdruck auf ihr Gesicht. »Eure Eltern scheinen gute Leute zu sein.«
»Das waren sie.« Ihre Stimme wird leiser und ihre Augen immer trauriger. »Sie sind tot.«
Augenblicklich verspüre ich den Drang, Viktoria zu trösten. »Das tut mir leid.«
Für einen kurzen Moment blickt Viktoria gen Himmel. »Ja, mir auch. Aber in meinem Herzen sind sie immer bei mir.« Sie wirkt schon wieder gefasster, als sie sich wieder mir zuwendet. »Ich weiß noch, wie Mutter mit meiner Schwester Cassandra und mir geschimpft hat, wenn wir zu spät zum Essen gekommen sind, weil wir im Wald gejagt haben. Vater hat das anders gesehen. Ein wildes Herz, darf man nicht einsperren, waren seine Worte.« Plötzlich winkt sie ab. »Ich schweife ab. Das wollt Ihr sicher alles gar nicht wissen.«
Selbst, wenn Viktoria es wollen würde, so könnte sie mich nicht langweilen. Ich möchte alles erfahren, was sie zu sagen hat. Ich will ihre Geschichte kennen und herausfinden, wer sie wirklich ist, was sie bewegt, wofür sie brennt. »Doch, genau das will ich.«
Unsere Blicke treffen sich und werden mit jedem Herzschlag intensiver.
»Diese Erinnerungen sind sehr persönlich. Es ist mir eine Ehre, dass Ihr sie mit mir teilt.«
Viktoria streicht sich eine Strähne ihrer schwarzen Haare hinter ein Ohr. »Normalerweise mache ich so etwas nicht.«
»Und warum macht Ihr bei mir eine Ausnahme?«
»Das versuche ich noch herauszufinden. Wäre Cassandra hier, wüsste sie die Antwort.«
»Ihr steht Euch also nahe?«
Sie nickt. »Sie ist meine engste Vertraute. Seit Kindertagen sind wir unzertrennlich. Nachdem unsere Eltern vor fünf Jahren gestorben sind, ist unsere Verbindung noch inniger geworden.«
Es ist beruhigend, dass Viktoria etwas Familie geblieben ist und sie nicht alles und jeden verloren hat. Ich kann ihren Schmerz nachvollziehen und wünsche nicht einmal meinem schlimmsten Feind, den Tod eines Wandlers beklagen zu müssen, mit dem man verbunden gewesen ist.
Es wundert mich nicht, dass Viktoria das Jagen dem Sticken oder Harfespielen vorgezogen hat. Das passt zu ihr. »Warum war Eure Schwester gestern nicht auf dem Ball?«
»Sie ist bereits verlobt.«
»Mit einem Mann, den sie liebt?«
Viktoria stößt ein abfälliges Zischen aus. »Nein, mit einem Mann, der sehr reich ist. Das stand bei der Wahl unseres Onkels ganz oben auf der Prioritätenliste.«
Mir ist bewusst, dass adlige Wandlerinnen kaum ein Mitspracherecht bei der Wahl ihres Ehemannes haben. Was aber nicht bedeutet, dass ich es gutheiße. »So geht es wohl viel zu vielen Frauen.«
»Unser Vater hätte so nie gewählt. Er hat immer gesagt, meine Schwester und ich dürfen die Männer heiraten, die wir selbst wollen. Schließlich hat er sich auch keine Frau vor die Nase setzen lassen. Meine Eltern haben sich aufrichtig geliebt. Und sie wollten, dass Cassandra und ich auch dieses Glück erfahren.«
Wieder legt sich die Trauer wie ein dunkler Schatten über Viktorias Gesicht. Tief in mir entsteht der Drang, eine Hand nach ihr auszustrecken, um ihr Trost zu spenden. Doch zum Einen schickt sich dies nicht. Und zum anderen könnte es bei Viktoria auch dazu führen, dass ich mir eine Ohrfeige einfange. Zumindest würde ich ihr zutrauen, dass sie sich angemessen gegen unerwünschte Berührungen wehrt.
»Darf ich fragen, wie Eure Eltern zu Tode gekommen sind?«
»Ihre Kutsche wurde überfallen. Den Tätern hat es nicht gereicht, sie zu bestehlen. Sie mussten sie auch noch niederstehen.« Eine erste Träne bahnt sich ihren Weg über Viktorias linke Wange. »Unser Vater wurde über unsere Mutter gebeugt gefunden.« Ihre Stimme ist nur noch ein Flüstern. »Er wollte sie beschützen.«
Ihr Schicksal berührt mich und weckt den Beschützer in mir. Ich kann sie nicht einfach so traurig vor mir dastehen lassen. Nicht, wenn sie mir gegenüber so offen eine Schwachstelle präsentiert. Ohne einen Blick auf die möglichen Konsequenzen strecke ich eine Hand nach Viktoria aus und berühre sie sanft an der Schulter. »Es tut mir ehrlich leid. Ich weiß, wie es ist, ein Familienmitglied zu verlieren.«
In einem tiefen Atemzug wischt sich Viktoria ihre Tränen aus dem Gesicht. Sie entzieht sich meiner Nähe nicht, was, trotz der traurigen Umstände, ein warmes Gefühl in mir auslöst.
»Wen habt Ihr verloren?«
»Meinen Bruder.«
»Ist er im Krieg gefallen?«
Augenblicklich formt mein Verstand die grauenvollsten Bilder. Jedes Mal, wenn ich an seinen Tod denke, möchte ich am liebsten etwas kaputtschlagen. »Nein. Auch er wurde ermordet, weil er jemanden beschützen wollte.«
»Die Frau, die er geliebt hat?«
Ich schüttle den Kopf. Mit jedem Wimpernschlag merke ich, wie es mehr und mehr in mir brodelt. Mein gesamter Körper beginnt sich zu verkrampfen. Ich ziehe meine Hand zurück, um Viktoria nicht ungewollt wehzutun. »Nein. Jene blieb genauso ratlos zurück wie ich.«
»Mein Vater hat immer gesagt, dass alles im Leben einen Sinn hat. Aber worin liegt der Sinn bei einer solchen Grausamkeit?«
Im Moment bin ich viel zu wütend, um eine weise Antwort auf ihre Frage zu finden. »Es ist gut möglich, dass sich Euer Vater in dieser Hinsicht geirrt hat.«
Viktoria nickt bedächtig. »Vielleicht. Vielleicht hatte er auch einfach nur ein zu gutes Bild von den Wandlern. Morden, um etwas zu bekommem, dass man sich selbst wünscht, ist keine Seltenheit.«
Langsam klärt sich mein Verstand und holt mich aus den dunklen Erinnerungen zurück in die Realität. Mir ist ein Geschenk gemacht worden. Genau hier und jetzt darf ich Viktoria wiedersehen und noch einmal mit ihr reden. Ich will nicht, dass ihre Gedanken dabei so finster sind. »Es ist aber auch nicht die Regel. Wir können so viel Gutes bewegen, wenn wir es wollen.«
»Ich weiß. Meine Eltern waren eine Paradebeispiel für gute Wandler. Natürlich waren sie nicht frei von Fehlern. Wer ist das schon?«
»Niemand.«
Viktoria
Mein Herz brennt jedes Mal wie Feuer, wenn ich an meine Eltern denke. Ganz wird dieser Schmerz niemals nachlassen. Sie fehlen mir, jeden einzelnen Tag. Nur wenn ich in der Gegenwart besonderer Wandler bin, fühlt sich diese Lücke in mir nicht ganz so groß an. Meine Schwester ist so eine besondere Wandlerin. Und auch Jared. Das ist merkwürdig. Ich kenne diesen Wandler kaum und doch weiß ich ganz genau, dass er aufrichtig und gut ist. Das spüre ich. Sonst hätte ich ihm niemals so viel von mir preisgegeben. Ich erkenne sein gutes Herz in der mitfühlenden Art, in der er mich ansieht, und habe es gespürt, als er mich tröstend an der Schulter berührt hat. Ich höre es in den Worten, die er spricht. Ich mag seine Art zu reden. Ich mag den Klang seiner tiefen Stimme und die Wahl seiner Worte. Er legt genauso wenig Wert auf materielle Dinge wie ich und blickt hinter die Fassaden der Wandler. Es gab noch nie einen Mann, der mich so fasziniert hat und den ich inständig näher kennenlernen wollte. Ich wünschte, er hätte nicht einen solchen schlimmen Verlust erleiden müssen. Weiß ich doch, um die Tragweite dieses Schmerzes.
»Habt Ihr denn noch weitere Geschwister?«, frage ich in der Hoffnung auf eine positive Antwort. Geschwister können einem so viel Halt in den finstersten Stunden geben.
Leider schüttelt Jared den Kopf. »Es gab nur Alsejer und mich.«
»Das tut mir leid. Ich dachte, ich kann damit das traurige Thema beenden und auf etwas Schönes umlenken.«
Ein smartes Lächeln umspielt Jareds Lippen. »Dann erzählt mir doch einfach etwas Fröhliches.«
Für einen kurzen Moment denke ich nach. »Wie wäre es mit etwas Lustigem?«
Sein Lächeln wird breiter und eine Spur Neugier legt sich in seinen Blick. »Da bin ich ganz Ohr.«
»Stellt Euch zehn eingebildete Frauen vor. Zusammen eingepfercht in einem Zimmer, das ihrem Stand in keiner Weise gerecht wird. Alle haben nur ein Thema: Wen wird der König heiraten? Und jetzt stellt Euch das Wortgefecht vor, welches in regelmäßigen Abständen ausbricht, weil sich jede für die Eine hält.«
Für einen Moment sieht Jared mich einfach nur an, dann lacht er auf. Süße Grübchen umspielen dabei seine Lippen. »Und was macht Ihr während dieser Wortgefechte?«
Wie ein unschuldiges Kind hebe ich meine Schultern. »Ihre Schuhe verstecken, oder den Schmuck.«
Jetzt habe ich ihn dazu gebracht, verwirrt zu blinzeln. »Und anschließend erfreut Ihr Euch an der Panik in den Gesichtern der eingebildeten Damen?«
Jetzt bin ich es, die lacht. Jareds Gesichtsausdruck ist einfach zu köstlich. »Das war nur ein Scherz. Ich lese dann ein Buch, oder mache wie jetzt einen Spaziergang. Eigentlich ist es mir egal, welche von den Damen König Verion wählt.«
»Ihr seid keine Spur neugierig?«, hakt er skeptisch nach.
»Na ja, vielleicht ein ganz kleines Bisschen.«
»Was ist, wenn er Euch wählt?«
Umgehend schüttle ich den Kopf. Genau deswegen hat Lenard mich hergeschleift, aber ich glaube nicht einen Herzschlag lang daran. »Das wird er nicht. Die anderen Wandlerinnen lagen ihm allesamt zu Füßen. Außerdem kommen einige von ihnen aus viel reicheren Häusern. Der ewige Krieg hat gewiss auch an König Verions Schatzkammer genagt. Ich für meinen Teil bin einfach nur froh, wenn das alles vorbei ist.«
»Ich nicht«, sagt Jared ehrlich und bringt mich damit ins Grübeln. »Denn das würde meine Rückkehr nach Hause bedeuten. Und dann kann ich Euch nicht mehr sehen.« Sein Ausdruck ist intensiv und fährt mir unter die Haut. Sowie er die Worte ausgesprochen hat, werde ich rastlos. Dieser Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht.
»Da habt Ihr recht. Das ist wirklich sehr schade.«
»Dann lassen wir es nicht dazu kommen.«
Aufmerksam lausche ich seinen Worten. Ich merke erst jetzt, dass sich der Abstand zwischen uns deutlich verringert hat. Wir stehen näher zueinander, als es schicklich ist. Aber das ist mir egal. Ich will noch so viel mehr von Jared wissen. Und der Abstand zu ihm kann nicht klein genug sein. »Habt ihr einen Vorschlag, wie sich das vermeiden lassen würde?«
»Ich würde vorschlagen, Verion völlig zu irritieren, sodass er Tage für seine Entscheidung braucht. Aber das kann ich ihm nicht antun. Der gestrige Maskenball hat ihm gereicht. Er für seinen Teil will so schnell wie möglich nach Hause.«
»Dann müssen wir uns wohl etwas anderes einfallen lassen.«
Unser intensiver Blickaustausch wird durch sich nähernde Schritte unterbrochen. Ein Diener kommt den Weg entlang gelaufen und bleibt vor uns stehen.
»Lord Jared, der König verlangt nach Euch. Es ist Zeit, für die Versammlung.«
»Sagt ihm, ich bin sofort da.«
Der Diener nickt ihm zu, ehe er den Rückweg antritt.
Enttäuschung macht sich in mir breit. Zumindest für den Moment werden Jared und ich uns voneinander verabschieden müssen. »Ihr solltet ihn lieber nicht warten lassen.«
»Er wird mir schon nicht den Kopf abreißen, wenn er kurz warten muss.«
Ich sehe für einen kurzen Moment zur Seite und halte mir bereits jetzt das Wiedersehen mit Jared vor Augen.
»Viktoria?«
Es gefällt mir sehr, wenn Jared mit seiner tiefen Stimme meinen Namen ausspricht. Augenblicklich wende ich mich wieder ihm zu. »Ja?«
»Ich lasse mir etwas einfallen. Und bis dahin.« Er nimmt meine rechte Hand und haucht einen Kuss darauf. Diese kurze Berührung reicht, um mein Herz stolpern zu lassen. »Ist dies ein Versprechen.« Mit diesen Worten wendet er sich ab und lässt mich mit einem glühenden Funken in meinem Körper zurück. Hoffentlich hält er sein Wort. Er muss. Denn ich muss wissen, ob dieser Funke zu einem mächtigen Feuer werden kann.
Kapitel 4, Jared
»Wo warst du denn?«, fragt mich Verion, als ich den Raatssaal betrete. »Der Diener hat eine gefühlte Ewigkeit nach dir gesucht.«
»Ich habe noch einen Spaziergang gemacht. Wer weiß, wie lange wir beide hier festsitzen werden. Da brauchte ich dringend noch etwas frische Luft.«
Verion mustert mich argwöhnisch. »So, wie du aussiehst, muss das ein sehr erheiternder Spaziergang gewesen sein.«
Ich ziehe den Stuhl neben Verion zurück und nehme neben ihm Platz. »Die frische Luft tat einfach gut.«
»So so.«
Tief in seinem Inneren wird Verion spüren, dass es etwas gibt, zu dem ich ihm unter anderen Umständen direkt ins Vertrauen gezogen hätte. Doch jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um mit ihm darüber zu reden, was mir gerade durch den Kopf geht. Oberste Priorität hat nur, ihn moralisch zu unterstützen. Außerdem werden jeden Moment die adligen Männer eintreffen und ich will nichts, was von Bedeutung ist, zwischen Tür und Angel mit meinem engsten Vertrauten besprechen. »Und du?«, frage ich schließlich, um vom Thema abzulenken. »Hast du dich bereits für eine Wandlerin entschieden?«
»Nein«, antwortet er nüchtern. Ich weiß, dass er keine Lust auf das Gerede hat, welches wir uns gleich anhören dürfen. »Obwohl«, fügt er leise hinzu, während er sich über sein glatt rasiertes Kinn streicht. »Eine ist mir schon ins Auge gestochen.«
»Verrätst du mir ihren Namen?«
»Ich höre mir erst an, was die Väter zu sagen haben.«
»Wahrscheinlich wie hübsch ihre Töchter sind und wie viele Hektar Land sie besitzen.«
»Ich habe immer gedacht, jede arrangierte Ehe ablehnen zu können«, murmelt Verion, während er zum schmalen Fenster hinausschaut, das kaum etwas von dem heutigen Sonnenschein durchlässt. »Der Gedanke, bereits in drei Tagen zu heiraten, raubt mir den Schlaf. So wollte ich das nie.«
»Ich weiß.«
Es sind Situationen wie diese, in denen ich froh bin, keine Verpflichtung gegenüber dem Volk zu haben. Es gibt niemanden, der mir vorschreiben kann, wen ich heiraten soll. Verion dagegen hat nicht nur für sein eigenes Wohl zu sorgen, sondern auch für das des Volkes. Und was es jetzt ganz dringend braucht, ist Frieden.
Das Donnern gegen die Holztür reißt mich aus meinen Gedanken. Ein Diener streckt seinen Kopf herein, ohne uns dabei anzusehen. »Die adligen Herren wären jetzt bereit.«
Verion stößt ein Ächzen aus und nimmt einen großen Schluck Wein. »Lass sie herein.«
Der Diener nickt und öffnet die Tür. Zehn Herren treten ein und setzen sich an den halbrunden Tisch vor uns, der aus einem riesigen Warkbaum geschnitzt worden ist.
Einer der Wandler muss Viktorias Onkel sein. Aber welcher?
»Also dann, meine Herren«, eröffnet Verion die Runde. »Erzählt mir etwas über Eure Töchter. Ganz gesittet, einer nach dem anderen.«
Der Adlige ganz links erhebt sich von seinem Platz. »Sir Tristan aus dem Hause Bayla, mein König.« Er verneigt sich so tief, dass er mit dem Kopf beinahe den Tisch berührt. Was für eine übertriebene und geheuchelte Ehrfurcht. »Meine Tochter Viola ist wahrlich eine Schönheit. Schon so oft wurde sie mit der aufgehenden Sonne verglichen. Ihr Anblick versetzt jeden in Staunen.«
Ist das sein Ernst? Etwas noch Kitschigeres ist ihm wohl nicht eingefallen. Aufgehende Sonne, dass ich nicht lache. Auch Verion rollt nur genervt mit seinen Augen.
Der Rest, den Sir Tristan vorzutragen hat, klingt auch nicht viel besser. »Viola beherrscht sowohl das Spielen der Harfe als auch das der Geige und der Flöte. Die Klänge ertönen, als würde die Göttin Evra hinter dem Instrument sitzen.«
Ich glaube, mir wird gleich schlecht. Er kann doch nicht im Ernst annehmen, dass Verion dieses Gerede beeindruckt.
Erleichtert lehne ich mich in meinem Stuhl zurück, als Sir Tristan endlich fertig ist. Doch die anderen Herren stehen ihm in nichts nach. Alle erzählen, wie ach so gescheit und wunderschön ihre Töchter sind. Solche Oberflächlichkeiten scheinen das Einzige zu sein, was die Väter an ihren Töchtern erwähnenswert finden. Das und wie viel Besitz sie ihr Eigen nennen. Habe ich es doch gewusst. Keiner von ihnen gibt preis, was ihre Töchter im Innersten bewegt, welche Interessen oder Träume sie haben.
Ich werfe einen kurzen Blick zu Verion. Er wackelt ungeduldig mit einem Bein. Es steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, wie genervt er bereits ist.
Wir hören uns weiter das schwammige Anpreisen der Edelwandler an, die uns beinahe zu Tode langweilen. Dann erhebt sich ein Wandler mit kurzen Haaren, deren Blond beinahe vollständig einem hellen Grau gewichen ist. Er streicht sich durch seinen langen Bart und fixiert den König mit einem nichtssagenden Blick. Seine Gesichtszüge und seine Haltung strahlen etwas Bedrohliches aus. Obwohl er nicht einmal annähernd so groß ist wie ich, stellen sich meine Nackenhaare auf und in meinem Kiefer beginnt es zu pochen. Die Raubkatze in mir schlägt Alarm.
»Mein König, mein Name ist Lord Lenard Feorell«, beginnt er höflich. »Vor fünf Jahren sind tragischerweise mein einziger Bruder und zeitgleich auch seine Frau gestorben.«
Der Mann muss nicht weiterreden. Ich weiß sofort, wer er ist.
»Seitdem kümmern meine Frau und ich uns um unsere beiden Nichten. Sie sind unser ganzer Stolz und wir lieben sie, als wären sie unsere eigenen Töchter.«
Seine Worte mögen gut gewählt sein, aber seine Art, sie auszudrücken, wirkt aufgesetzt. Das passt zu dem, was mir Viktoria über ihren Onkel erzählt hat. Ich kann diesen Wandler schon jetzt nicht leiden. Seine aufgesetzte Höflichkeit verursacht bei mir einen innerlichen Würgereiz. Er ist sich dessen bewusst, was geschieht, sollte Verion Viktoria wählen. Dann erhält er die gleichen Zugeständnisse, als wäre er ihr Vater. Er würde viel Ruhm und Macht verliehen bekommen und ich kann sein Bestreben danach regelrecht spüren.
»Viktoria und ich nahmen mit Freuden Eure Einladung zum Ball an«, fährt Lord Lenard fort. »Sie ist eine bildschöne und gescheite Wandlerin. Sowohl in ihrer menschlichen als auch in ihrer tierischen Gestalt verfügt sie über äußerst prägnante Fähigkeiten.«
Ist das wirklich alles, was ihm einfällt? Redet ein Onkel so über seine Nichte, wenn sie sein ganzer Stolz ist? Lord Lenard hat rein gar nichts vorzutragen, was nicht auch die anderen bereits über ihre Töchter erwähnt haben. Nichts von ihrer Bescheidenheit oder ihrer Abneigung eitlen Wandlern gegenüber, nichts von ihrer klugen und aufrichtigen Redegewandtheit.
Nachdem er sich wieder gesetzt hat, tragen die zwei letzten Herren ihre Reden vor. Bei beiden ist es wieder das gleiche Spiel. Ihre Töchter sind hübsch, gescheit und natürlich im besten Alter, um zu heiraten.
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal solch große Langeweile verspürt habe. Einzig als es um Viktoria ging, war ich aufmerksam.
Noch sind wir beide hier im Schloss. Morgen schon werde ich mich aber mit Verion auf den Weg zurück nach Jola begeben. Ich müsste den heutigen Abend also nutzen, um sie noch einmal zu sehen und mir einen Plan zu machen, wie es danach weitergehen soll.
»Meine Herren«, spricht Verion in einem belanglosen Tonfall. »Ich bitte Euch nun alle, den Raum zu verlassen. Ich werde mich zur Entscheidung zurückziehen.«
Die Adligen nicken ihm zu und lassen uns nach einer erneuten ausgiebigen Verbeugung endlich allein.
»Hat es dir geholfen, zu erfahren, wie wunderschön und klug ihre Töchter sind?«, frage ich und muss lachen.
Verion leert seinen Wein in schnellen Zügen und legt anschließend seinen Kopf in den Nacken. »Es ist erschreckend, wie oberflächlich sie ihre Töchter beworben haben. Aber dennoch werde ich mich entscheiden müssen.«
»Und auf wen ist deine Wahl gefallen?«
Nach einem kurzen Moment des Schweigens zuckt er mit seinen Schultern. »Ich kenne ihren Namen nicht. Ich weiß nur, wie sie aussieht.«
»Dann lass sie sich alle noch einmal aufstellen. Am besten genau in den Gewändern und Masken, die sie auch gestern Abend getragen haben.«
Verions blaue Augen blitzen mich an. »Das ist eine sehr gute Idee.« Er sieht zur Tür. »Diener!«
Die breite Holztür öffnet sich erneut einen spaltbreit. »Ja, mein König?«
»Bitte die Adligen noch einmal herein.«
»Sofort, mein König.«
Die Tür öffnet sich vollständig und die adligen Wandler marschieren auf ihre Plätze.
»Sagt, mein König«, spricht der Herr, der als Erster an der Reihe gewesen ist, »für wen habt Ihr Euch entschieden?«
Verion streicht sich über sein Kinn und lässt sich Zeit. Die Wandler blicken ihn gebannt an und drohen vor Neugier gleich zu platzen. Einer von ihnen tippt nervös mit seinen Fingern auf dem Tisch, ein anderer reibt sich die ganze Zeit den Nacken. Nachdem die Wandler uns eine gefühlte Ewigkeit erbarmungslos gelangweilt haben, will Verion nun wohl im Gegenzug sie auf die Folter spannen.
Ich muss mittlerweile ein Lachen unterdrücken. Die fragenden Gesichter in diesem Raum sind ein göttlicher Anblick. Was Verion ihnen gleich sagen wird, wird sie ganz sicher nicht zufriedenstellen.
»Um mich final entscheiden zu können, möchte ich Eure Töchter alle noch einmal sehen. In einer Stunde sollen sie in der gleichen Aufmachung wie gestern im Thronsaal erscheinen.«
Viktoria
Hastig eilen meine Zimmergenossinnen durch den Raum. An den wenigen Spiegeln in unserem Gemach herrscht ein wildes Gedränge. Gestern Abend ging hier alles gesittet zu, aber als die Heiratsanwärterinnen erfahren haben, dass der König uns noch einmal in der gleichen Aufmachung wie am Vorabend sehen will, haben sie alle ihren Anstand verloren.