Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung - Kathryn Littlewood - E-Book

Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung E-Book

Kathryn Littlewood

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit Herz, Witz und Magie – das neue wunderbare Abenteuer von Rose und ihrer Zauberbäckerfamilie wird alle Mädchen ab 10 Jahren begeistern. In ihrem zweiten Abenteuer aus der Glücksbäckerei legt Kathryn Littlewood noch eine gute Portion Magie und Spannung oben drauf. An geheimnisvollen Schauplätzen in Paris lässt sie ihre sympathische Heldin Rose aus dem Vollen schöpfen. Zusammen mit einem französischen Mäusespion sowie ihrer chaotischen Zauberbäckerfamilie will Rose das gestohlene magische Familienrezeptbuch zurückzuerobern – Rose muss »nur« im Tortenbacken gegen die weltbesten Konditoren und vor allem gegen ihre hinterhältige Tante und Starbäckerin Lily gewinnen ... Geheimzutaten wie das Mitternachtsläuten von Notre-Dame oder das Lächeln der Mona Lisa helfen ihr in diesem fulminanten magischen Backwettkampf.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 277

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kathryn Littlewood

Die Glücksbäckerei

Die magische Prüfung

Band 2

 

Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Riekert

 

Mit Vignetten von Eva Schöffmann-Davidov

Über dieses Buch

 

 

Mit Herz, Witz und Magie – das neue wunderbare Abenteuer von Rose und ihrer Zauberbäckerfamilie wird alle Mädchen ab 10 Jahren begeistern.

 

In ihrem zweiten Abenteuer aus der Glücksbäckerei legt Kathryn Littlewood noch eine gute Portion Magie und Spannung oben drauf. An geheimnisvollen Schauplätzen in Paris lässt sie ihre sympathische Heldin Rose aus dem Vollen schöpfen. Zusammen mit einem französischen Mäusespion sowie ihrer chaotischen Zauberbäckerfamilie will Rose das gestohlene magische Familienrezeptbuch zurückzuerobern – Rose muss »nur« im Tortenbacken gegen die weltbesten Konditoren und vor allem gegen ihre hinterhältige Tante und Starbäckerin Lily gewinnen ... Geheimzutaten wie das Mitternachtsläuten von Notre Dame oder das Lächeln der Mona Lisa helfen ihr in diesem fulminanten magischen Backwettkampf.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Kathryn Littlewoodist Schriftstellerin, Schauspielerin und Comedian, lebt in New York, arbeitet oft in Los Angeles – und hat eine ebenso große Schwäche für pain au chocolat wie für Kinderbücher. Sie ist eine leidenschaftliche Köchin, aber eine fürchterliche Bäckerin und gibt zu, dass ihr noch nie ein Kuchen geglückt ist. Essen tut sie ihn dennoch für ihr Leben gern!

Von Kathryn Littlewood ist bei FISCHER KJB außerdem der erste Band der Reihe ›Die Glücksbäckerei‹, ›Das magische Rezeptbuch‹, erschienen. Weitere Bände sind in Vorbereitung.

 

Eva Schöffmann-Davidov, geboren 1973, hat schon als Kind alles gezeichnet, was ihr vor den Pinsel kam. Nach dem Abitur besuchte sie die Freie Kunstwerkstatt in München und studierte anschließend Graphik-Design in Augsburg. Bis heute hat sie mit großem Erfolg über 300 Bücher, vorwiegend für Kinder- und Jugendbuchverlage, illustriert. Sie lebt, liebt und arbeitet in München.

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden sich auf www.fischerverlage.de

Inhalt

[Widmung]

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Danksagung

Für meinen heißgeliebten Großvater – einem Handwerker mit Leib und Seele

Prolog

Eine Prise Zauberei

Neun Monate, nachdem Tante Lily die Dreistigkeit besessen hatte, ihr das familieneigene Zauberbackbuch praktisch unter der Nase wegzuklauen, entdeckte Rosmarin Glyck etwas Schreckliches im Regal von Ralphs Supermarkt.

Mit quietschenden Sneakers blieb sie wie angewurzelt vor dem Regal stehen.

Von einem Dutzend Pappschachteln glotzte sie das lächelnde Gesicht ihrer scheinheiligen, hinterhältigen Tante an. Um jede Schachtel war eine Banderole mit den Worten: Lilys Geheimsubstanz. Bekannt aus derTV-Serie.

Das extragroße Sonderangebots-Glas Mayonnaise, das Rose in den Händen hielt, entglitt ihr, fiel zu Boden und zerbarst. »Mom!«, schrie sie.

Roses Mutter Polly kam angerannt. »Ach herrje!«

»Nein, Mom, nicht die Mayonnaise. Schau mal!« Rose deutete auf die Schachteln mit Lilys Geheimsubstanz.

Seit Tante Lily mit dem Zauberbackbuch der Familie Glyck verduftet war, hatte sie ihr Versprechen wahrgemacht, mit seiner Hilfe berühmt zu werden. Sie hatte einen Rezeptbuch-Bestseller geschrieben, 30 Minuten Küchenzauber mit Lily, und sie hatte eine eigene Backshow im Fernsehen. Und jetzt noch das: Unbeschwert lächelte sie aus dem Regal des Supermarkts von Calamity Falls, während die Einwohner des Städtchens von einem lähmenden Unwohlsein befallen waren.

Ohne das Backbuch blieb Polly und Albert Glyck nichts anderes übrig, als ganz normale Törtchen und Muffins und Croissants nach den Rezepten eines ganz gewöhnlichen Betty-Crocker-Rezeptbuchs zuzubereiten. Ihr Gebäck war natürlich immer noch lecker, und die Einwohner von Calamity Falls kamen weiterhin jeden Morgen, wie immer. Doch die Magie der kleinen Stadt war dahin. Jedermann und alles war ein bisschen so wie alter Blattsalat: schlapp und von ungesundem Grau.

Die Abbildung auf der Schachtel zeigte Lily so schön wie eh und je. Sie hatte das kurze Haar wachsen lassen, und es fiel ihr jetzt in perfekten Wellen und schwarz wie Bitterschokolade auf die Schultern. Sie lächelte verführerisch. Ihre Hände, die in orangefarbenen Ofenhandschuhen steckten, hatte sie in die Hüften gestemmt. Verfeinern Sie Lilys Rezepte aus 30 Minuten Küchenzauber, stand auf der Schachtel, mit einem Esslöffel von diesem Zauberpulver!

»Nun hör dir mal das an!«, rief Polly und las vor, was kleingedruckt auf der Schachtel stand: »Eisen- und Vitamin-C-Gehalt unzulänglich. Inhaltsstoffe: Nicht dargelegt. Von der Gesundheitsbehörde noch nicht geprüft.«

»Wer isst denn was, das von der Gesundheitsbehörde nicht geprüft wurde?«, fragte Rose.

»Lily ist eine Berühmtheit«, erwiderte Polly und strich sich die widerspenstigen Fransen aus der Stirn. »Man sieht ihr Gesicht, und schon zückt man die Kreditkarte. Außerdem, sieh dir doch mal an, wie winzig das Kleingedruckte ist!«

Von der Gesundheitsbehörde noch nicht empfohlen.

»Was machen wir, Mom?«, flüsterte Rose. Ihre Nackenhaare sträubten sich wie die Stacheln eines Igels. Roses schlechtes Gewissen war schon drückend genug, denn sie wusste, dass der größte Fehler ihres jungen Lebens – nämlich ihrer hinterhältigen Tante Lily zu vertrauen – die Stadt Calamity Falls in ziemliche Kalamitäten gestürzt hatte. Die Vorstellung, dass sich dieser Schlamassel nun auch noch auf den Rest der Welt übertrug, war einfach furchtbar.

»Wir machen Folgendes«, sagte Polly. »Wir finden heraus, was genau diese ›Geheimsubstanz‹ ist.« Mit diesen Worten schob sie energisch die Ärmel ihres abgetragenen blauen Mantels hoch und legte eine Schachtel nach der anderen in ihren Einkaufskorb, bis das Regal leer war.

 

Das restliche Wochenende verbrachten Rose und ihre Mutter damit, alle Rezepte aus 30 Minuten Küchenzauber mit Lily nachzubacken. Jedem Rezept gaben sie eine Prise von Lilys Geheimsubstanz bei.

Die Geheimsubstanz war ein bläulich-graues Pulver, das nach verbranntem Toast roch. Als Rose einen Esslöffel davon in den Teig für Lilys Schauderhaft-schönen Schokoladenkuchen gab, zischte und knallte er wie heißes Öl, und etwas flüsterte bei jedem Knallen: »Liiilllyyy!«

Als Rose dem Mürbeteig für Lilys Tolle Tarte Tatin einen Esslöffel davon beimischte, hüpfte er auf dem Tisch auf und ab und hauchte kichernd: »Lily!«

Gleiches passierte mit Lilys Prächtigem Pudding, dem Kernigen Kirschauflauf à la Lily und dem Pfiffigen Pflaumenkuchen.

Roses Brüder Tymo und Basil kamen auf dem Weg nach draußen, wo sie Basketball spielen wollten, durch die Küche. »Hat da jemand ›Lily‹ gesagt?«, fragte Tymo. Er war gewachsen in den neun Monaten, seitdem das alte Backbuch der Familie Glyck entwendet worden war. Er gelte jetzt seine roten Haare immer vorne senkrecht hoch, so dass es aussah, als würde er über der Stirn eine fünf Zentimeter hohe Krone oder einen kleinen roten Lattenzaun tragen. Zu seinem sechzehnten Geburtstag hatte er sich im Drogeriemarkt einen Männerduft geleistet, und er roch wie eine wandelnde Dorf-Disco.

»Ich dachte, wir dürften ihren Namen nicht aussprechen!«, rief Basil in sein Diktiergerät. Roses jüngerer Bruder hatte irgendwo gelesen, dass gewisse Comedians ihre alltäglichen Unterhaltungen aufzeichneten, falls dabei etwas Witziges herauskam. Daher hatte er angefangen, jede Bemerkung, die er von sich gab, aufzunehmen, um das Material später möglicherweise auf der Bühne verwenden zu können. Auch Basil war gewachsen und mit ihm seine runden Wangen und sein roter Lockenschopf.

»Keiner hat ihren Namen gesagt«, erwiderte Polly.

»Ich habe Mom gerade von meiner neuen Freundin Tilly erzählt«, sagte Rose. »Und von meinen anderen Freundinnen Billy und Gilly …, die in Philly wohnen.«

Tymo und Basil warfen ihrer Schwester und ihrer Mutter argwöhnische Blicke zu, dann rannten sie hinaus.

Rose und Polly fuhren mit ihrem grausamen Experiment fort. Der Boden für Lilys Kalorienarme Sahnetorte kam aus dem Ofen und stank wie verbranntes Gummi. Ebenso die in Fett ausgebackenen Delikaten Dattel-Donuts, die Zauberhaften Zitronenschnitten und Lilys Märchenhafte Marzipanmuffins.

»Backen wir die Sachen zu heiß oder zu lang?«, fragte Rose.

»Nichts davon!«, rief ihre Mutter verwirrt aus. »Wenn überhaupt, dann zu kurz und nicht heiß genug!«

Als Rose und Polly schließlich aufhörten, standen auf allen Flächen der Glücksbäckerei-Küche Teller mit Kuchen, Keksen, Torten und Aufläufen. Alle enthielten einen Esslöffel von Lilys Geheimsubstanz. Und die Küche war von einem leicht beißenden, unheimlichen Geruch erfüllt.

»Wie sollen wir herausfinden, ob die Zutat gefährlich ist?«, fragte Rose.

Polly schüttelte Mehl aus ihren ungebändigten Locken. »Keine Ahnung«, gab sie zu. »Trauen wir uns, die Sachen selbst zu probieren?«

Während Rose noch darüber nachdachte, was sie mit den möglicherweise giftigen Backwaren anstellen sollten, schaltete Polly den tragbaren Fernseher ein, der für Notfälle auf der Arbeitsfläche stand.

Zu Roses Entsetzen erschien Tante Lily auf dem Bildschirm. Sie trug ein maßgeschneidertes schwarzes Cocktailkleid. Zufällig hatten sie ihre Backsendung eingeschaltet. »Und hier ist sie, Leute – die verführerische Teufelstorte!«, sagte Lily. »Und ihr wisst, was das heißt: Dazu benötigen wir die Schwarze Sünde!«

Sie hob die Arme wie ein Prediger, und die Studiogäste ihrer Live-Show brüllten wie im Fußballstadion: »Scho-ko-la-de! Scho-ko-la-de! Scho-ko-la-de!«

Angewidert wechselte Rose den Sender, dann wischte sie die mehlige Fernbedienung an ihren Jeans ab. Eine Werbesendung erschien.

»Nur noch für kurze Zeit: Lilys Spezial-Kuchenspachtel für nur neunzehn Dollar fünfundneunzig! Bestellen Sie heute, und Sie bekommen eine Selbstrührende Teigschüssel dazu – ganz umsonst!«

Rose zappte weiter. »Ach du dickes Ei!«

Schon wieder Lily. Diesmal war sie Gast in einer Talkshow, in einem anderen maßgeschneiderten Kleinen Schwarzen. »Das Geheimnis meines Erfolges?«, sagte sie und klimperte kokett mit den Wimpern. »Meine Leidenschaft fürs Backen natürlich!«

»Stell den Nachrichtensender ein!«, rief Polly, und Rose zappte schnell weiter.

»In Bezug auf Unterhaltungssendungen«, sagte der Nachrichtensprecher, »wurde ein neuer Rekord erreicht: 30 Minuten Küchenzauber mit Lily ist die Backshow mit der höchsten Einschaltquote in der Geschichte des Fernsehens. Die Einschaltquote übersteigt sogar die Anzahl aller Fernsehapparate in Amerika, ein statistischer Wert, der nicht recht zu erklären ist.«

Rose und Polly klebten noch am Bildschirm, als Nella in die Küche gewatschelt kam. »Ich hab Hunger, Mommy.«

»In einer halben Stunde gibt’s Mittagessen, Nella.« Ohne nach unten zu sehen, streckte Polly die Hand aus und streichelte Nella über den Kopf. »Oh, du hast dir die Haare geschnitten.« Seit ihrem vierten Geburtstag bestand Nella darauf, sich die Haare selbst zu schneiden. Das Ergebnis war ein Wust struppiger schwarzer Stoppeln und Strähnen in allen möglichen Längen. »Hol doch mal deine Haarschleife, dann binde ich sie dir zusammen.«

»Okay!«, sagte Nella und wollte schon gehen. Aber sie kam nicht weit.

Leider waren Rose und ihre Mutter so gebannt von dem Lily-Marathon im Fernsehen, dass sie nicht bemerkten, wie Nella sich auf die Zehenspitzen stellte, über den Rand der Arbeitsplatte angelte und einen kompletten Großartigen Gugelhupf à la Lily verschlang.

Für einen Moment setzte die Kleine sich auf den Boden und leckte sich die Finger ab. Dann stand sie auf und räusperte sich.

»Mmh, das ist ja deliziös!«, sagte sie mit einer Stimme, die viel zu tief und rau und erwachsen klang, um aus einem so kleinen Mund zu kommen. »Das war ein außerordentlich wohlschmeckender Rührkuchen. So süß – und doch nicht zuckersüß; so samtig, köstlich, feucht … Wem verdanken wir dieses kulinarische Meisterwerk?«

Rose und Polly fuhren herum und starrten das kleine Mädchen an, das kurz zuvor bestimmt noch nicht gewusst hatte, was deliziös bedeutete, ganz zu schweigen davon, dass sie Phrasen wie kulinarisches Meisterwerk gekannt hätte.

Hilfe!, dachte Rose.

Nella blickte zum Bildschirm und sah Lily in der Talkrunde im Nachrichtenstudio sitzen. Die langen, gebräunten Beine hatte sie elegant gekreuzt. »Natürlich! Das ist Lily aus 30 Minuten Küchenzauber mit Lily, Moderatorin der am allerhöchsten bewerteten Fernsehsendung in der amerikanischen Geschichte! Lily, die Meisterin der Muffins, die Päpstin der Patisserie, die Göttin des Guten Geschmacks! Ein Jammer, dass ihr Charisma nur in der Backstube wirkt – sie sollte in die Politik gehen!« Nella hielt einen Moment inne, um ihre Idee sacken zu lassen. »Natürlich! Lily sollte die erste weibliche Präsidentin der Vereinigten Staaten werden! Sie ist die Amazone der Zimtschnecken! Die Königin der –«

Polly riss Nella an sich, hielt ihr rasch den Mund zu und tauschte mit Rose einen entsetzten Blick.

Nellas Pupillen hatten sich so geweitet, dass sie wie abgrundtiefe, schwarz schimmernde Schlunde aussahen.

Rose sank auf die rote, lederbezogene Bank am Küchentisch. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. »Wenn Lily die Menschen dazu kriegt, diese Mixtur zu essen«, sagte sie mit ernster Stimme, »dann liegt ihr das Land bald zu Füßen.« Sie zog sich die abgewetzte Kapuze ihres grünen Sweatshirts über die Augen. Lily wollte also wohl nicht nur berühmt werden; so wie es aussah, wollte sie auch mächtig werden.

Nella riss sich von Polly los und marschierte zur Hintertür. »Ich lasse mir doch nicht den Mund verbieten! Ich ziehe los und werde Lily suchen, um ihr höchstpersönlich zu bekunden, wie brillant sie ist!« Sie schlug die Tür hinter sich zu und ließ Rose und Polly in dem Durcheinander von Backblechen und Kuchenformen und all den Backwerken zurück, schwitzend, mit Mehl bestäubt und über und über mit gelblichem Kuchenteig bekleckert.

»Erster Tagesordnungspunkt«, sagte Polly, »ist, Nella wieder normal zu machen. Dann räumen wir die Küche auf. Und dann –«

Rose wusste Bescheid. Niemand musste ihr sagen, was der dritte Tagesordnungspunkt war. Das Land befand sich in ernsthafter Gefahr, und sie war daran schuld. Sie hatte noch keine Ahnung, wie sie es anstellen würde, aber ihre Mission war klar: Sie musste das alte Backbuch der Familie Glyck zurückstehlen.

Kapitel 1

Kampfansage vor laufender Kamera

Lily balancierte wackelig auf ihren hohen Stöckelschuhen in ihrer Studioküche herum und zog ein Blech dampfender Kürbismuffins aus dem Umluftherd. Sie drehte sich nach den Zuschauern um und präsentierte die Muffins, die in den Händen einer Frau in einem kurzen schwarzen Cocktailkleid und zehn Zentimeter hohen Stilettos etwas deplatziert wirkten. »Habt ihr je etwas Köstlicheres gesehen?«

Lily stellte das Blech auf der Arbeitsplatte ab und breitete die Arme aus. »Könnt ihr das riechen, Leute?«

Alle Zuschauer sprangen auf, und gemeinsam riefen sie: »Zimt und Ingwer! Zimt und Ingwer! Zimt und Ingwer!«

Alle Zuschauer, mit Ausnahme von Rose und Tymo.

»Blenderin! Blenderin! Blenderin!«, flüsterte Rose ihrem älteren Bruder zu, während sie sich in der hintersten Reihe in ihren Sitzen klein machten.

Lilys Studioküche hatte leuchtend gelbe Wände, orangefarbene Schränke und einen türkis gekachelten Küchenblock in der Mitte. Durch ein Fenster in der hinteren Wand blickte man auf die Skyline von New York.

So ein Schwindel, dachte Rose und ballte die Fäuste. Typisch für sie. Das Studio steht in Connecticut!

Rose betrachtete die unzähligen Reihen begeisterter Zuschauer, die Massen von gleißenden Strahlern, die an einem Gitter unter der Decke hingen, sowie die Kameras. Es waren fünf an der Zahl. Rose versuchte sich vorzustellen, wie wichtig Lily sich wohl vorkam, während sie da vor den bewundernden Blicken der Zuschauer stand, ganz zu schweigen von den Millionen, die an den Bildschirmen zu Hause zusahen. Das war also der Glamour, den Rose nun verpasste, weil sie Tante Lilys Angebot, mit nach New York zu kommen, ausgeschlagen hatte.

Rose wusste, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Wenn sie Lily begleitet hätte, würde ihre Familie jetzt um den Küchentisch sitzen und spüren, dass etwas fehlte – und doch würde keiner von ihnen sich daran erinnern, dass es Rose oder das Backbuch jemals gegeben hatte. Rose würde sie nie wieder sehen dürfen, nicht mal auf einem Foto. Rose war sich sicher: Kein Ruhm, kein noch so rauschender Beifall wäre es wert gewesen, die Liebe ihrer Eltern und ihrer Geschwister zu verlieren.

Andererseits, was hatte die Liebe den Glycks eingebracht? Inzwischen fühlte sich das Leben in den Straßen von Calamity Falls kalt und grau an, selbst im Frühling. Mrs Havegoods Flunkereien waren auf einmal viel einfallsloser geworden, der Bibliothekarinnen-Bücher-Bund hatte seine Ausflüge mit dem Bus eingestellt, Mr Bastables und Mrs Thistle-Bastables lodernde Leidenschaft füreinander war erloschen. Kein Gelächter, keine Magie mehr. Die Seele von Calamity Falls war welk geworden wie ein totes Blatt, und Rose wusste, sie allein war schuld daran.

Selbst der Glanz von Devin Stetson war verblasst. Immer wieder hatte Rose ihren ganzen Mut zusammengekratzt und mit Devin Stetson gesprochen, fünf Mal, seit Lily das Buch gestohlen hatte, und zwar über zweierlei Dinge: zweimal im Schulkorridor über die Tücken der Algebra, zweimal am Verkaufstresen von Stetsons Donuts und Automobilwerkstatt, wieder über die Tücken der Algebra, und einmal am Ladentisch der Glücksbäckerei.

»Wie geht’s?«, hatte sie gesagt, und ihr rechtes Auge hatte nervös gezuckt, wie immer, wenn sie ihm gegenüberstand.

»Ach, schon okay.« Devin seufzte. Seine glatten Ponyfransen, die ehemals die Farbe gesponnenen Goldes gehabt hatten, waren einfach nur noch fad blond. »Der Chor von Calamity Falls hat sich aufgelöst. Keiner hat mehr Lust gehabt, zu singen.«

»Das tut mir leid«, hatte Rose erwidert. Am liebsten hätte sie ihm über die mürrische Wange gestrichen, aber sie traute sich nicht richtig und fühlte sich zu schuldig.

Bei der Erinnerung daran seufzte Rose und starrte Lily wütend an. Doch so sehr sie ihre Tante auch verabscheute: Die Person, mit der sie am meisten haderte, war und blieb sie selbst. Wenn sie nur ein bisschen klüger gewesen wäre, wenn sie Tante Lily nicht vertraut hätte und nicht auf ihre Schmeicheleien hereingefallen wäre, dann würden alle in Calamity Falls, die sie gern hatte, glücklich und zufrieden sein. Aber wie die Dinge standen, wurde Rose jedes Mal, wenn sie durch die grauen Straßen von Calamity Falls stapfte, an das trostlose Unheil erinnert, das sie angerichtet hatte.

»Der Bart juckt«, quengelte Tymo und zog an dem langen grauen Bart, den ihm Vater Albert vor Stunden ans Kinn geklebt hatte. »Und der Klebstoff riecht wie eine Chemikalienfabrik. Gut möglich, dass ich ohnmächtig werde.« Ungemütlich wand er sich in seinem weiten Umhang. »Warum hab ausgerechnet ich so ein Walle-Walle-Outfit anziehen müssen?«

»Es ist doch bald überstanden«, sagte Rose und tätschelte ihm die Schulter. »Ich bin ziemlich sicher, dass gleich die Fragestunde drankommt.«

Rose zwang sich, so ruhig wie möglich zu sprechen, doch ihre Hände zitterten. Zum ersten Mal im Fernsehen aufzutreten, war nervenaufreibend genug, doch bei ihrem ersten Auftritt musste Rose gleich etwas Verrücktes machen.

»Okay, setzt euch, setzt euch!«, rief Lily. »Jetzt ist es Zeit für unsere Fragestunde. Und währenddessen gönne ich mir mal einen von diesen Gute-Laune-Kürbismuffins – wenn ihr nichts dagegen habt. Das ganze Gerede von Zimt und Ingwer hat mir Appetit gemacht.«

Sie zwinkerte kokett, während sie das gefältelte Papierförmchen von der unteren Hälfte des heißen Muffins löste und mit ihren schimmernden Zähnen heißhungrig hineinbiss. Sie wischte sich mit der Fingerspitze den Mundwinkel. Nie blieb ein Krümel auf Lilys Lippen, nie war ein Haar verrutscht. Sie war perfekt.

Rose wusste, dass jetzt ihre Chance war, zuzuschlagen. Sie hob die Hand hoch und wedelte damit, bis Lily sie in der hintersten Reihe entdeckte. »Du dort, du süßes Ding ganz hinten mit den blonden Ringellocken!«

Tymo war nicht der Einzige, der sich verkleidet hatte. Rose hatte ihre langen schwarzen Haare zurückgekämmt und sie unter einer Perücke mit blonden Löckchen verstaut, die Polly im Halloween-Laden in Calamity Falls erworben hatte. Dazu trug Rose ein Kleid aus blassblauer Seide mit Puffärmeln und einem gebauschten Petticoat.

»Sind diese Verkleidungen wirklich nötig?«, hatte Rose ihre Mutter gefragt, ehe sie zum Studio aufgebrochen waren. »Jetzt fehlt mir nur noch ein Stock mit gebogener Krücke, dann seh ich aus wie diese kleine Schäferin aus dem Kinderlied.«

»Du brauchst die Verkleidung, um deine Frage stellen zu können«, hatte Polly sie gewarnt. »Wenn Lily dich erkennt, nimmt sie dich nie und nimmer dran.«

Ein bärtiger Mann mit Kopfhörern reichte Rose ein Mikrophon, und Rose stand langsam auf. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um nicht in sich zusammenzusinken. Das war die Stunde der Wahrheit.

Rose hob das Mikrophon an die zitternden Lippen und flüsterte kaum hörbar: »Test? Test?« Die Rückkoppelung ließ das Mikrophon quietschen.

»Die Mikrophone funktionieren!«, sagte Lily. Sie schmunzelte, doch sie hatte die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen. Es war der gleiche ungeduldige Blick, den Rose damals in der Bäckerei mehrfach auf dem Gesicht ihrer Tante gesehen hatte, genau der Blick, den sie geflissentlich ignoriert hatte.

Da kann man mal sehen, was mir dieses Ignorieren gebracht hat, dachte Rose. Ich muss mit einer Perücke im Fernsehen auftreten.

Aber Rose wusste – und ihre Familie hatte zugestimmt –, dass dies die einzige Möglichkeit war, um das Unrecht wiedergutzumachen, das geschehen war.

Rose räusperte sich. »Ich finde, dass diese Gute-Laune-Kürbismuffins langweilig und trocken schmecken«, sagte sie. Sie musste die Worte an dem Angstklumpen vorbeipressen, der ihr im ausgedörrten Hals saß. Sie holte tief Luft. »Ich könnte bessere Muffins backen.«

Alle Zuschauer zogen erschrocken die Luft ein und drehten sich nach ihr um.

Lily warf ihr einen durchdringenden Blick zu. Dann weiteten sich ihre Augen für einen winzigen Moment. Rose wusste, dass Lily sie erkannt hatte.

»Ha! Da haben wir wohl einen Scherzkeks unter den Zuschauern!«, sagte Lily kichernd und klatschte. »Das ist ja süß! Nächste Frage!«

Ehe die nächste Person aufstehen konnte, sprang Tymo von seinem Platz auf und streckte einen Finger in die Luft. In seinem grauen Bart und dem roten Umhang sah er wie der Weihnachtsmann aus. »Diese junge Dame, die ich nie zuvor gesehen habe und mit der ich nicht verwandt bin, hat doch die faire Chance verdient, etwas zu backen!«

Im Studio wurde es mucksmäuschenstill. Dann kam vereinzelt Applaus aus den Reihen.

Rose hob das Mikrophon erneut an die Lippen. »Ich fordere dich heraus, Lily Le Fay, bei der Gala des Gâteaux Grands, der großen Backmeisterschaft in Paris in Frankreich, gegen mich anzutreten.«

Rose reichte das Mikrophon an den jungen Mann mit den Kopfhörern zurück. Mit verschränkten Armen ließ sie sich wieder auf ihren Sitz fallen.

Die Zuschauer zogen erneut erschrocken die Luft ein. Die Blicke gingen hin und her zwischen ihrem Idol Lily und dem gelockten kleinen Mädchen, das die große Bäckerin gerade zu einem Duell bei der Backmeisterschaft herausgefordert hatte. Einem Wettbewerb, der in alle Länder der Welt übertragen wurde. Hin und her gingen die Blicke der Zuschauer, hin und her, als würden sie ein Tennismatch verfolgen.

Lily stand wie angewurzelt mitten in ihrer Studioküche und wankte etwas auf ihren Stöckelschuhen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als die Herausforderung anzunehmen. Wenn sie ablehnte, würde es aussehen, als habe sie Angst, von einer Jugendlichen ausgestochen zu werden.

Und schon im nächsten Moment veränderte sich Lilys Gesichtsausdruck, und ihr böser Blick wurde von einem zuckersüßen Lächeln abgelöst. »Ich nehme die Herausforderung an! Ich werde bei der Torten-Gala gegen dieses tapfere junge Ding antreten!«

Die Zuschauer rasteten aus, klatschten, jubelten und tobten.

»Wie heißt du, meine Süße?«, fragte Lily.

Rose richtete sich auf, nahm die blonde Perücke ab und ließ ihre schwarzen Haare über die Schultern fallen. »Mein Name ist Rosmarin«, sagte sie. »Rosmarin Glyck.«

Neben ihr ballte Tymo heimlich die Faust. »Jawolll!«, zischte er.

»Hör zu, Rosmarin Glyck.« Lily spuckte den Namen so verächtlich aus, als sei er ein anderer Begriff für eine Hautkrankheit. »Nur weil du jung bist, heißt das nicht, dass ich dich nachsichtig behandeln werde. Das weißt du doch, nicht?«

»Jep«, sagte Rose trotzig. Und dann machte sie einen Knicks vor ihrer Tante Lily, die das Gleichgewicht nur bewahrte, indem sie sich an die Arbeitsfläche lehnte.

Ich kann nicht glauben, was ich da gerade gemacht habe, dachte Rose.

 

Am Ende der Show, während die Leute sich Richtung Ausgang drängelten, zog der bärtige Mann mit den Kopfhörern Rose und Tymo aus der Warteschlange. »Lily möchte sie beide sehen«, sagte er. »Das ist unglaublich! Sonst lässt sie nie jemanden vor! – Ich heiße übrigens Bruno«, fuhr er fort und führte Rose und Tymo durch einen hinteren Gang des Studios. »Auch wenn sich Lily meinen Namen nicht merken kann. Sie nennt mich Bill. Aber hey, na und? Schließlich handelt es sich doch um Lily! Sie könnte mich Armleuchter nennen, und mir wär’s egal.«

Rose runzelte die Stirn. Wie es schien, hatte Lily jedermann im Lande um ihren eleganten kleinen Finger gewickelt.

Am Ende des Ganges war eine blau lackierte Eisentür mit einem Stern, in dem MS LE FAY stand. Bruno klopfte leise an. »Ich habe das kleine Mädchen und den alten Mann hier, Lily!«

»Oh, danke, Bill!«, rief sie. »Schick sie herein!«

Bruno riss die Tür auf, und Rose und Tymo betraten einen Raum, der nur als Palast beschrieben werden konnte. In der Mitte stand ein sprudelnder Springbrunnen aus Stein, umringt von kunstvollen gusseisernen Bänken. Ein üppiger Orchideenvorhang hing von der Decke, und fließende Bahnen blauer Seide verhüllten die Wände.

Und da, in einer Hängematte, die sanft hin- und herschaukelte, saß Lily. Sie trug einen edlen weißen Bademantel, als sei sie gerade aus der Dusche getreten; ihr perfekt frisiertes schwarzes Haar war jedoch trocken. Selbst in einem Bademantel hätte sie einer Oscarverleihung beiwohnen können.

»Setz dich an den Brunnen, Rosmarin. Du auch, Thymian.«

Rose nahm mit ihrem Bruder auf einer der gusseisernen Bänke Platz und sah an dem riesigen Brunnen hinauf. Erst jetzt erkannte sie, dass es sich um eine fünf Meter hohe Marmorskulptur von Lily handelte, die mit einem Löffel in einer überfließenden Brunnenschale rührte. Ihr langer Hals war elegant geneigt.

»Wie nett, euch beide wiederzusehen! Wie gefällt euch meine bescheidene Garderobe?« Lily schälte sich aus der Hängematte und kam näher.

»Ich muss schon sagen, sie ist echt cool, Tia Lily«, sagte Tymo und sah sich um.

Die Starbäckerin hockte sich auf den Brunnenrand und schlug die gebräunten seidigen Beine übereinander. »Dann lasst uns gleich mal zum Geschäftlichen kommen. Euer kleiner Auftritt heute war waghalsig, um es milde auszudrücken. Was genau führt ihr im Schilde?«

Rose richtete sich auf und räusperte sich. »Die Meisterschaft Gala des Gâteaux Grands zu verlieren würde dich ruinieren. Ich dagegen, ich muss mir keine Sorgen um meinen Ruf machen. Ich bin erst zwölf. Daher schlagen wir dir einen Handel vor. Ich verliere die Meisterschaft absichtlich, wenn du uns dafür unser Backbuch zurückgibst und den Verkauf von Lilys Geheimsubstanz einstellst.«

Lily spielte die Überraschte. »Richtig, das Backbuch! Ihr wollt das Backbuch zurück. Natürlich. Das habe ich ja gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt.«

»Du hast doch jetzt deine TV-Show, Tia Lily«, sagte Tymo. »Wozu brauchst du noch das Backbuch? Unsere Stadt steckt tief in Nöten!«

Lily zupfte eine kleine Fluse von ihrem weißen Bademantel und schnipste sie in den Brunnen. »Da habt ihr es. Das ist genau das Problem mit der Familie Glyck. Keiner von euch besitzt einen Funken Ehrgeiz. Euch liegt eure pusemuckelige Stadt mehr am Herzen als der Erfolg. Ihr meint, nur weil ich die Gastgeberin der quotenstärksten Fernsehsendung aller Zeiten bin und eine fünf Meter hohe Skulptur von mir in meiner Zauberwald-Garderobe habe, hätte ich genug. Man hat niemals genug!«

Lily stand auf und schlenderte auf den hellerleuchteten Schminkspiegel an ihrem Garderobentisch zu. »Ich könnte richtig mächtig werden. Ich könnte das Land regieren! Aber das kann ich nicht ohne das Backbuch. Oder ohne Lilys Geheimsubstanz.«

Es juckte Tymo unter seinem Bart, und er riss ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht ab. »Wow, Tia Lily. Du bist unheimlich. Eine Teufelstante. Du bist eine … eine tia … und gleichzeitig der Teufel, El Diabolo. Du bist sozusagen … El Tiabolo!«

»Ihr versteht also, dass ich mich auf den Deal in keinem Fall einlassen kann. Weder kann ich das Buch entbehren …«, sagte Lily und betrachtete ihre makellosen Wangen im Spiegel, um nach nicht vorhandenen Hautunreinheiten Ausschau zu halten, »… noch den Verkauf von Lilys Geheimsubstanz einstellen.«

»Aber –«, wollte Rose gerade einwenden, da kamen zwei Männer in Sakkos und Polohemden durch die Tür gestürzt.

»Hier steckt ihr also, ihr Wunder…, äh, …kinder!«, sagte der Kleinere der beiden. Nur kurz stutzte er, weil aus dem alten Mann, der Tymo eben noch war, ein Junge geworden war. Der Größere starrte ununterbrochen auf das Display seines Handys.

»Ich heiße Joel«, fuhr der Kleine fort. »Ich bin der Produzent von 30 Minuten Küchenzauber mit Lily. Das hier ist unser Koproduzent Kyle.«

Der Größere sah kurz von seinem Handy auf und nickte, dann wandte er sich wieder dem Display zu.

Joel schüttelte Roses Hand. »Du warst vorhin einzigartig«, sagte er begeistert. »Ich dachte schon, dass Kyle diesen Showdown als Geburtstagsgeschenk für mich arrangiert hätte, aber er war genauso überrascht wie ich!«

Rose lächelte verwirrt.

»Wie auch immer, wir können die diesjährige Torten-Gala kaum erwarten«, sagte Joel. »Könnte es tatsächlich passieren, dass ein zwölfjähriges Mädchen die berühmteste Bäckerin der Welt besiegt? Jeder im gesamten Universum und darüber hinaus wird zusehen! Selbst Außerirdische! – Die Verträge bringen wir dann später ins Reine«, fuhr Joel fort. »Jetzt solltest du nur schon mal wissen, dass du die glücklichsten Produzenten der Welt aus uns gemacht hast. Küsschen!«, sagte er und gab Rose links und rechts der Wangen Luftküsse.

»Bis dann«, murmelte Kyle.

Nachdem Joel und Kyle die Garderobentür hinter sich geschlossen hatten, widmete Lily sich erneut ihrer Haut im Spiegel. »Also, wie gesagt, ich kann das Backbuch nicht einfach zurückgeben oder aufhören, Lilys Geheimsubstanz zu verkaufen. Aber genauso wenig kann ich mich jetzt vor deiner Herausforderung drücken, schließlich habe ich sie vor laufender Kamera angenommen. Ich würde ja wie eine Idiotin dastehen. Bin ich das vielleicht? Wohl kaum. Tragen Idiotinnen vielleicht schicke Bademäntel und duften nach Flieder? Nein. Ein offener und ehrlicher Wettstreit ist die einzige Möglichkeit, das zu klären.«

»Du meinst«, fragte Rose, die zusammengezuckt war, »wir sollen tatsächlich gegeneinander antreten?«

»Ja, tatsächlich gegeneinander antreten! Hast du vielleicht angenommen, ich würde kampflos aufgeben?« Lily drehte sich auf ihrem Hocker herum und sah Rose und Tymo an. »Wenn du gewinnst, was nicht der Fall sein wird, dann stelle ich den Verkauf von Lilys Geheimsubstanz ein und gebe dir das Backbuch zurück, und dann könnt ihr es wieder in den Wandschrank in eurem Kühlraum einschließen und seine Zauberkraft verkommen lassen. Wenn ich jedoch gewinne – und ich werde gewinnen –, musst du mir schwören, dass nicht ein Mitglied aus deiner mickrigen, seltsamen, niveaulosen Familie mir oder dem Backbuch je wieder zu nahe kommt.«

Rose schluckte. Wenn sie also die Gala des Gâteaux Grands verlöre, würde sie auch das Backbuch für immer verlieren.

»Keine Sorge, Tiabolo. Rosita zeigt’s dir. Und wie!« Tymo klopfte Rose auf den Rücken. »Aber woher wissen wir, dass du uns nicht anlügst? Was hält dich davon ab, das Backbuch zu behalten oder mehr von der Geheimsubstanz herzustellen, auch wenn du verlierst?«

Jetzt klopfte Rose ihrem Bruder anerkennend auf den Rücken. Daran hatte sie gar nicht gedacht.

»Kommt mit«, sagte Lily.

Rose und Tymo folgten Lily aus ihrer Garderobe hinaus und zum Set von 30 Minuten Küchenzauber mit Lily.

Rose sah über die vielen Reihen leerer Sitze und auf das Gitter mit den herabhängenden Scheinwerfern, die jetzt ausgeschaltet waren. Ohne die aufgeregten Zuschauer wirkte das Studio kalt.

Lily machte sich an die Arbeit. Sie warf einige Zutaten aus den Schränken der Studioküche in eine Rührschüssel: Mehl, braunen Zucker, Eier, Butter, Milch.

»Was machst du da?«, fragte Rose.

»Ich mache Kein-Wortbruch-Hörnchen«, sagte Lily und rührte den Teig um. »Wenn wir davon essen, kann keiner von uns sein Wort brechen.«

Lily schloss ein kleines Schubfach unter der Spüle ihrer Fernsehküche auf und nahm ein winziges bläuliches Einmachglas heraus, das mit einer durchsichtigen, dicklichen Flüssigkeit gefüllt war.

»Und was für ein Kleister kommt da in den Teig?«, fragte Tymo.

»Seit Menschengedenken sind die Steinkreis-Feen dafür bekannt, dass sie niemals ihr Wort brechen. Das hier«, sagte Lily und schüttete ein paar Tropfen des durchsichtigen Gelees zu den übrigen Zutaten, »ist ihr Speichel.«

»Eklig«, sagte Tymo und verdrehte die Augen.

Eine halbe Stunde später zog Lily das Blech mit den Kein-Wortbruch-Hörnchen aus dem Ofen und reichte Rose und Tymo zwei davon, die noch glühend heiß waren. »Auf drei«, sagte sie und nahm selbst eines. »Eins … zwei … drei.«

Rose schob das blättrige, buttertriefende Hörnchen von der einen verbrannten Hand in die andere, immer hin und her. Sie hatte doch im Traum nicht angenommen, Lily bei der Torten-Gala schlagen zu müssen. Sie hatte keine Ahnung, wie – oder ob – sie sie besiegen konnte.

»Nun?«, fragte Lily und steckte ihr Hörnchen in den Mund. »Esst ihr mit oder nicht?«

In diesem Augenblick hasste Rose ihre Tante so abgrundtief, dass ihr das Blut zu Kopfe stieg. Ich kann sie schlagen, dachte sie. Ich muss es einfach.

Sie stopfte das Hörnchen in den Mund und verschlang es.

 

Fix und fertig taumelten Rose und Tymo aus der Hintertür des Studios, wo Polly und Albert schon auf sie warteten. Basil und Nella saßen angeschnallt auf der Rückbank des Familienvans.

»Wie ist es gelaufen?«, fragte Polly, die am Auto gelehnt hatte und ihnen jetzt entgegenkam. Sie trug dieselbe schmutzige, gestreifte Schürze wie sonst auch. Zu Hause in der Küche der Glycks sah dieses Kleidungsstück ganz okay aus, im Umkreis eines Fernsehstudios wirkte es jedoch ziemlich fehl am Platz.

»Sie hat eingewilligt«, sagte Rose.

»Sie macht mit bei der Meisterschaft?«, fragte Polly.

Rose nickte.

»Und du lässt sie absichtlich gewinnen, und sie gibt dir das Backbuch zurück?«, fragte Polly.

»Nein«, sagte Rose.

Albert sah sie nervös abwartend an. »Was meinst du mit Nein? War das nicht der Plan?« Seit ihnen das Backbuch abhanden gekommen war, hatte er sich nicht mehr rasiert und keinen Sport mehr getrieben. Seine Wangen waren recht rundlich geworden, und ein dicker Bart, der wie aus Stahlwolle aussah, umhüllte den unteren Teil seines Gesichts.

Rose schluckte. »Sie hat gesagt, sie gibt das Backbuch zurück, wenn wir sie offen und ehrlich schlagen. Und wenn wir verlieren, müssen wir versprechen, es nie wieder von ihr zurückzuverlangen. Dann ist es auf ewig verloren.«

»Oh«, sagte Polly leise. »Das hört sich ja ganz anders an.«

»Allerdings!«, rief Albert und rang nach Atem. »Meine Güte!«

Rose ließ den Kopf hängen. »Es tut mir leid. Ich weiß nicht, wie es schiefgehen konnte. Ich war sicher, sie würde das Buch zurückgeben, wenn ich ihr anbieten würde, sie gewinnen zu lassen! Aber jetzt muss ich sie in Wirklichkeit schlagen! Und wir haben Kein-Wortbruch-Hörnchen gegessen, wir können also nicht mehr zurück.«

Polly legte Rose die Hand auf die Wange. »Tja, du weißt, was das bedeutet.«

»Was?«

»Du musst die Gala des Gâteaux Grands gewinnen.«