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In ihrem Eifer, an die Macht über die Hölle zu kommen, hintergeht Kyra selbst den Teufel. Als sie endlich ihr Ziel erreicht, gibt es kein Halten mehr für sie und sie ist bereit, alles auf Spiel zu setzen und zu opfern, um das zu bekommen, was sie will, sogar ihre Liebe. Um den Himmel zu vernichten, manipuliert, betrügt, lügt und mordet sie sich durch die neue Welt, aber alles soll anders kommen, als sie plant.
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Seitenzahl: 647
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Der Kampf
Das Erbe
Das Dorf
Die Warnung
Die Überfahrt
Die Festung
Die letzte Warnung
Die schwarze Armee
Neue Bedrohung
Frankreich
Ashron hat die Macht, hinzugehen, wo er will, und hat den freien Willen, das zu tun, was er möchte, dabei sieht er fast so aus wie zu seinen Lebzeiten. Nur die Bewaffnung hat sich geändert. Zwei Schwerter kreuzen sich auf dem Rücken, und an der Hüfte auf jeder Seite befiindet sich ein Messer. Obwohl Gott ihn verdammt hat, will er weiter seinen Glauben verbreiten, aber offensiver, als der Himmel es je gemacht hat. Zuerst geht er auf die nahe Straße, denn er steht noch mitten auf einer dunkelgrünen Wiese und hat die Wahl, ob er jetzt in den Wald oder in die Weite hinausläuft. Er entscheidet sich für den Wald. Dabei fällt ihm auf, dass er nicht weiß, wo er genau auf der Erde ist, also wird er den nächsten Menschen, den er trifft, fragen, und bleibt dafür erst einmal auf dem Weg. Auf einen Schlag fühlt er sich nicht mehr gut. Schmerzen im Bauch tun sich auf, und sanft legt er die Hand auf die Stelle. Das Leid wird so stark, dass er auf die Knie sinkt. Es fühlt sich an, als müsse er jetzt sterben; vielleicht hat Gott ihm noch eine Krankheit mitgegeben – oder sogar der Teufel? Doch das Leid ist so schnell wieder weg, wie es gekommen ist, ohne zu wissen, warum er diese Pein verspürt hat. Ashron steht auf, aber es geht ihm nicht mehr so gut wie anfangs. Er fühlt sich jetzt wie ein normaler Mensch und schaut zum Himmel hinauf, dabei sagt er leise: „Hast du mir meine Kraft genommen? Bin ich jetzt ein normaler Mensch?“ Aber er bekommt keine Antwort.
Langsam geht er weiter und denkt darüber nach, ob Gott ihm seine Macht genommen hat, weil er sonst eine zu große Gefahr für die Menschen und Gott wäre. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mensch wiederaufersteht, und je länger er darüber nachdenkt, umso weniger schlimm fiindet er es. Denn er weiß, dass er auch so ein guter Kämpfer ist. Er muss nicht mehr gegen Dämonen oder andere übernatürliche Kreaturen kämpfen. Vielleicht gegen Menschen, und das sollte kein Problem sein. Aber er hat auch keine Lust zu kämpfen. Er weiß, dass er auch anders den Glauben weiterverbreiten kann. Er hat das schon mal gemacht, als er noch ein Kind war, damals aber war die Welt noch eine andere, und auch Ashron war ein anderer.
Motiviert zieht er weiter. Auf einmal taucht ein Mann aus dem Wald auf, springt überraschend aus dem Gebüsch. Eine lange Narbe zieht sich quer durch sein Gesicht. Seine Kleidung hat viele Löcher und ist schmutzig, in der Hand hält er eine Axt.
Ashron begrüßt ihn herzlich: „Hallo, mein Freund, kannst du mir sagen, in welchem Land ich bin?“
Der Mann lacht. „Ich werde dir es sagen, wenn du mir dein ganzes Geld gibst.“
„Ich habe kein Geld, das ich dir geben könnte.“
Der offensichtliche Räuber lacht noch lauter. „Dann werde ich es aus dir rausprügeln.“
Wieder antwortet Ashron höfilich: „Mein Freund, ich will nicht gegen dich kämpfen.“
„Gut, dann wird es mir umso mehr Spaß machen.“ Er geht langsam auf ihn zu. Zwei weitere Männer kommen hinter Ashron aus dem Wald und machen mit lautem Gegröle auf sich aufmerksam. Auf ein Zeichen des ersten rennen die beiden auf ihn los. Instinktiv springt Ashron hoch, und dann geht es blitzschnell. Mit einem Fuß trifft er den, der ihn zuerst erreicht, dann den Befehlsgeber und zuletzt den dritten der Gruppe. Die Männer filiegen zwei Meter weit, und als er wieder mit beiden Beinen auf dem Boden steht, schaut Ashron die Angreifer an und weiß, dass seine Kraft nicht weg ist. Er ist immer noch so gut und stark, wie er als Engel war. Langsam schließt er beide Hände gleichzeitig zu einer Faust und öffnet sie wieder, und irgendwie hat er jetzt das Gefühl, dass er noch mächtiger ist – für ihn ein überwältigendes Erlebnis.
Der erste Räuber, der sein Geld wollte, hebt langsam den Kopf und sagt leise: „Wer bist du?“
Ashron geht zu ihm hin. Er packt den Mann, der aus dem Mund blutet, am Kragen und fragt ihn leise: „Wo bin ich hier, in welchem Land?“
„Du bist in England. Wer bist du?“
„Warum willst du das wissen?“
Der Schurke sagt lachend: „Damit ich weiß, was ich auf deinen Grabstein schreiben kann.“
Ashron knallt seinen Kopf auf den Boden und sagt zischend: „Du kannst doch gar nicht schreiben.“ Im nächsten Moment wehrt er den Angriff des zweiten Räubers, der von hinten kommt, ab. Mit viel Schwung wirft er ihn zu Boden, und dieser landet gleich neben dem anderen. Ashron zieht sein Schwert und stößt es dem Mann brutal in den Bauch. Auch der dritte Räuber nähert sich jetzt von hinten, aber auch er hat gegen Ashron keine Chance und landet neben den anderen beiden und wird aufgeschlitzt, sodass die Innereien herausquellen.
Der Überlebende hat alles mitangesehen. Ashron dreht sich zu dem Mann und sagt: „Jetzt kannst du sogar zwei Grabsteine schreiben.“ Er fragt ihn wieder: „Wer bist du?“
„Das wirst du noch früh genug erfahren, denn du wirst noch mehr von mir hören. Ich werde bald in allem Munde sein, und jetzt gib mir dein Geld.“
Der Räuber macht, was er ihm befiiehlt. Langsam nimmt er eine Geldtasche von seinem Gürtel und streckt sie ihm entgegen. Ashron nimmt das Geld hastig an sich. Er geht und lässt den Mann am Leben. Er weiß noch gar nicht, wie recht er hat mit dem, was er dem Räuber gesagt hat.
Er läuft jetzt durch den Wald, der bald wieder zu Ende ist, und als es dunkel wird, kommt er in ein kleines Dorf. Dort sucht er sich ein Gasthof und sieht durch die Fenster noch das Licht brennen. Ashron macht die Eingangstür auf, drinnen sitzen nur betrunkene und stinkende Männer, dennoch geht er langsam zum Tresen, stützt sich ab und schaut zum Feuer im Kamin, das Wärme und Licht spendet. Der Wirt begrüßt ihn: „Guten Abend, mein Herr, du hast aber schöne Schwerter. Hast du was vor mit denen?“
Ashron dreht sich zu ihm und sagt: „Ich habe Durst, bring mir was.“ Erst jetzt sieht er, dass der Wirt nur ein Auge hat, das fehlende wird von einer schwarzen Lederklappe verdeckt.
Der Wirt fragt ihn: „Kannst du bezahlen?“
Ashron nimmt den Geldbeutel hervor und wirft ein paar Münzen auf die Tresen.
Der Gastgeber fragt weiter: „Wen hast du für dieses Geld getötet?“
„Dem das Geld gehörte, habe ich nicht getötet.“
„Für was hast du denn die vielen Waffen?“
Ashron senkt den Kopf und sagt: „Ich war einmal Soldat und bin jetzt nach der Suche nach einem neuen Zuhause.“
Der Wirt nimmt das Geld und füllt ein Glas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. Lieblos stellt er es ihm hin. Ashron leert es in einem Zug. „Willst du noch eines?“
Ashron schüttelt den Kopf. Der Wirt will gerade gehen, als er sagt: „Hast du ein Bett frei für diese Nacht?“
„Ja, das habe ich.“
Ashron legt ihm wieder ein paar Münzen auf den Tresen, auch diese nimmt der Wirtsherr schnell an sich. „Es ist das erste Zimmer gleich die Treppe rauf.“
Ashron steht auf und geht nach oben. Wie erwartet ist es ein einfaches Zimmer, es hat einen kleinen Tisch und ein kleines Fenster. Mitten im Raum steht das einfache Bett. Der Mond scheint durch das Fenster und ist das einzige Licht im Zimmer. Ihm wird schlagartig klar, dass er nichts hat, dass er niemanden hat, und die Frau, die er liebt, ist für ihn fast unerreichbar. Er ist allein und hat nicht mal Feuer, um die Kerze auf dem Tisch anzuzünden.
Was Ashron nicht weiß, ist, dass Kyra im unbemerkt gefolgt ist und von draußen zu ihm hochschaut. Er setzt sich auf das Bett und sieht aus dem Fenster hinaus in den wolkenlosen Himmel dem Mond entgegen. Er hat die Macht und den Willen, den Krieg zu ändern und zu beenden, aber er weiß nicht, wie. Viele Fragen tun sich in seinem Kopf auf, wo und wie er anfangen soll, vor allem, wie soll er allein etwas bewirken? Nicht mal Jesus war allein unterwegs und musste Kontakte knüpfen. Ashron muss Untergebene haben, die auf seinen Befehl hören, aber er will nicht töten, wenn es nicht sein muss.
Eine Wolke zieht vor dem Mond vorüber. Er könnte so viel bewirken, wenn Kyra an seiner Seite kämpfen würde, aber er weiß, dass sie nicht zu ihm kommt, denn der Teufel wird sie niemals freiwillig hergeben. Zu wichtig ist sie für die Hölle und deren Krieg. Ashron müsste sie überzeugen, den Teufel zu verraten und sich ihm anzuschließen. Er muss sich etwas einfallen lassen, sodass Kyra keine andere Wahl hat, als zu ihm zurückzukommen und sie wieder vereint sind.
Während er noch in Gedanken ist, stürmen vier Männer in das Zimmer. Sie haben Schwerter und scheinen nicht freundlich gesinnt zu sein.
Ashrons Blick wandert zu ihnen. „Was wollt ihr?“
„Wir wollen nur dein Geld. Gib es uns und du wirst weiterleben.“
Ashron steht vom Stuhl auf. „Woher wollt ihr wissen, dass ich Geld habe?“
„Ich habe dich unten gesehen. Du hast Geld, jeder Söldner hat Geld.“ „Ich bin aber keiner von diesen Leuten.“
Der Mann wird ungeduldig und sagt: „Mach schon, gib mir jetzt dein Geld!“
„Ich werde weder gegen euch kämpfen, noch werde ich euch mein Geld geben.“
„Ja dann lässt du uns keine Wahl.“
Alle vier Männer stürmen auf ihn zu, Ashron aber wehrt den Angriff mit einer Hand ab und wirft den ersten zu Boden. Während die drei anderen Männer nur staunen, sagt er zu dem Vorlauten: „Geld ist nicht alles auf der Welt.“ Dabei blickt er die anderen drei an, die nicht wissen, was sie machen sollen, sich aber dann entschließen, ihn doch noch mal anzugreifen. Er zieht sein Messer aus der Scheide, und blitzschnell sind die drei Männer tot, sie hatten keine Chance. Wieder schaut Ashron zu dem am Boden liegenden Räuber und sagt: „Wieso macht ihr das? Wieso tötet ihr einfach Leute nur des Geldes wegen?“
Der Bandit sieht ihn mit großen Augen an, steht langsam und vorsichtig auf und fragt: „Was bist du für ein Mensch. Du tötest doch und redest wirres Zeug; du hast kein Interesse an Geld und verteidigst es doch?“
„Wenn du meine Geschichte kennen würdest, dann würdest du es verstehen, aber jetzt werde ich dich von deinem Leiden befreien.“ Ashron rammt sein Messer in den Bauch des Mannes, und als er dem Sterbenden in die Augen schaut, verspürt er einen Hass, den er bis jetzt so nicht kannte. Er fängt an, die Menschen zu hassen, weil sie die alten Werte nicht mehr schätzen oder weil er noch nie in eine solch raue Welt erlebt hat, fernab von Wohlstand oder Militär.
Er lässt das Messer im Bauch des Mannes und setzt sich auf den Stuhl. Dabei schaut Ashron die vier toten Männer an und zittert. Was ist passiert, was hat er getan? Hat er schon vergessen, was er im Himmel gelernt hat? Aber er kann nicht anders, er muss Menschen töten und weiß nicht, wieso. Sie lassen ihm auch keine andere Möglichkeit, so hat er das Gefühl. Auf einmal verspürt er den Drang, weiterzuziehen. Er kann die Toten nicht mehr anschauen. Vorher durchsucht er ihre Kleidung und fiindet allerlei an Waffen und auch Geld, das er an sich nimmt. Dann verlässt er das Zimmer. Im Gasthaus unten lädieren sich immer noch Männer und es stinkt noch mehr nach Schweiß und Alkohol. Ashron geht zu dem Wirt und fragt ihn: „Wo ist die nächstgrößere Stadt?“
„Das ist York im Norden. Es ist etwa zwei Tagesmärsche von hier entfernt.“
„Gut, ich danke dir.“
Er geht nach draußen, denn er will sich heute noch, mitten in der Nacht, auf den Weg machen. Kaum verlässt er den Gasthof, rennen drei Männer auf sein Zimmer und fiinden die Toten. Mit fünf weiteren Männern rennen sie nach draußen ihm nach. Unauffällig folgen sie ihm und sehen, wie er das Dorf in Richtung Norden verlässt. Als die Männer zuschlagen wollen, um ihm zu überfallen, ist er spurlos verschwunden, wie in Luft aufgelöst. Nach langer Suche gehen sie wieder zurück in das Gasthaus, aber die Wut auf diesen Mörder ist geblieben.
Ashron läuft nicht nach York, denn er hat festgestellt, dass er immer noch filiegen kann. Innerhalb von Sekunden ist er deshalb am gewünschten Ziel. Es ist eine große Stadt, mit einer mächtigen, schützenden Stadtmauer, so etwas hat er, seit er aus Rom weg ist, nicht mehr gesehen. Ashron steht vor der Stadt und schaut nur die Mauer an und bewundert sie. Wie sollte ein Feind sie überwinden, fragt er sich. Nach ein paar Minuten geht er durch das offene Tor. Es ist aus massivem Holz, und es ist auch die Schwachstelle der Mauer, aber durch dieses Tor müsste man zuerst kommen, wenn es verbarrikadiert ist, und das würde viele Verluste fordern.
Ashron will ein paar Tage in York bleiben und an seinem Plan arbeiten, wie er Kyra wieder auf seine Seite ziehen kann, aber er will keinen mehr töten. Es muss einen friedlichen Weg geben.
Als er über einen Markt läuft, fällt ihm auf, dass die Leute gestresst und hektisch durch die Straßen eilen. Sie schauen sich nicht um und genießen weder das Wetter noch den Duft der Blumen oder die Natur. Dadurch wächst erneut sein Hass auf die Menschen. Am liebsten würde er die Schwerter ziehen und alle durch die Klinge bestrafen, aber er nimmt sich zusammen und beruhigt sich wieder. Denn im Inneren weiß er, dass sein Hass nicht allein durch die Menschen kommt, sondern hauptsächlich durch Gott und dem Teufel, aber die Leute hier wären sein Ventil.
Wieder geht er in einen Gasthof und nimmt sich dort ein Zimmer. Einen ganzen Tag lang bleibt er darin und denkt über seinen Plan nach, bis ihm endlich etwas einfällt. Jetzt weiß er, wie er seine Liebe wieder zu sich holen kann. Als er das Zimmer wieder verlässt, begegnet ihm auf der Straße ein fremder Mann, der stinkt, dreckig ist und fast keine Zähne mehr hat. Dieser Bettler packt ihn an den Schultern und sagt: „Pass auf, der Teufel ist überall. Er ist auch in deiner Nähe, und wenn du nicht aufpasst, wird er auch dich holen.“ Ashron stößt den Mann von sich weg. „Mach dir mal keine Sorgen. Ich kann schon auf mich aufpassen, aber wie kommst du darauf?“
Der Bettler wirkt verstört, seine Augen füllen sich mit Angst. „Ich habe ihn gesehen. Ich habe den Teufel und seine Helfer gesehen.“
Ashron muss grinsen und fragt: „Wie sehen sie denn aus?“
Der Mann beschreibt den Teufel und auch Kyra sehr genau. Deshalb fragt Ashron weiter: „Wo hast du sie denn gesehen?“
„Gestern Nacht habe ich sie gesehen. Du musst aufpassen, sie sind hier irgendwo noch.“
Ashron bedankt sich bei dem Mann und gibt ihm ein bisschen Geld, sodass sich dieser sich ein wenig Essen kaufen kann, in der harten Zeit, und er weiß jetzt, dass man ihn beobachtet.
Der Teufel selbst beobachtet ihn und will wissen, was er vorhat, aber er wird aus seinen Handlungen nicht sehr schlau. Ashron ist sich sicher, dass auch der Himmel ihn beobachtet, also muss er behutsam vorgehen. Einige Engel haben sich in Menschen verwandelt, um ihn unbemerkt beobachten und verfolgen zu können. Der Mittelpunkt des Krieges hat sich nun auf diesen einen Krieger gerichtet, denn Ashron könnte das Geschehen entscheiden. Ein Ratsmitglied meint entschlossen, dass er keine Gefahr ist. Ein Engel redet mit ihm darüber: „Wieso sollte er keine Gefahr sein, er ist mächtig und er weiß, was er will.“
„Ja, das ist er, aber wir wissen doch, dass Luzifer auch ein mächtiger Engel war, und wir wissen, dass er in der gleichen Situation war. Und dass er uns nie groß gestört hat.“
Der Engel weiß nicht mehr weiter, denn der Himmel hat sich entschieden, Ashron keine große Beachtung zu schenken, dennoch beobachtet man ihn.
Während Ashron ziellos in der Stadt herumläuft, um seine Beobachter weiter zu verwirren, bemerkt er einen Fehler in seinem Plan. Der Teufel, der Teufel würde Kyra beschützen und alles unternehmen, damit er sie nicht verliert. Der Teufel muss aus dem Weg geschafft werden, aber dafür wird er Hilfe benötigen. Verbündete sollen her, aber er kann nicht einfach so zum Himmel gehen und den Engeln ein Angebot machen. Sie würden es nicht annehmen. Die Drachen, die einst auch seine Feinde waren, sind nicht mehr, dafür hat er selbst gesorgt. Die Auswahl möglicher Verbündeter ist also nicht groß, und er wird nehmen müssen, was er bekommt. Aber schnell wird ihm klar, dass da niemand mehr ist, den er fragen könnte.
Enttäuschtgeht Ashron wieder auf sein Zimmer und stellt fest, wie allein er doch eigentlich ist. Die Vergangenheit holt ihn ein, die Erinnerungen, wie er als Kind umsorgt wurde, wie die Legionen ihn beschützt haben, wie Kyra und er erfolgreich Seite an Seite gekämpft haben, wie er den Himmel in Schlachten geführt hat, aber niemals war er allein, nicht mal in den dunkelsten Stunden. Er erinnert sich an den letzten gemeinsamen Kampf mit Kyra, nicht als sie noch zusammenlebten, sondern wie sie gegen Luzifer gekämpft hatten, und der Wunsch in ihm, dass sie wieder so zusammen kämpfen würden, ist enorm. Ashron erinnert sich haargenau. Zuerst haben sie die Diener von Luzifer und danach Luzifer selbst getötet. Da fällt ihm ein, dass Luzifer ein Gefolge hatte, aber wie hat er diese Kämpfer bekommen, von woher kamen sie?
Er verlässt das Gasthaus wieder, weil der kleine Raum ihn erdrückt. Draußen herrscht große Aufregung. Es laufen Soldaten durch die Straßen, die Menschen stehen am Rand und bejubeln sie, man wirft ihnen Blumen zu, schenkt ihnen Wein und Brot, begleitet von lautem Beifall. Ashron versteht nicht, was hier vor sich geht. Anfangs denkt er an einen Krieg, aus dem sie als Sieger herausgingen, aber er will es genau wissen und fragt einen an ihm vorbeiziehenden Soldaten: „Was ist hier los?“
Der Soldat gibt gut gelaunt Antwort: „Wir und noch viele andere ziehen nach Jerusalem.“
„Ein Kreuzzug“, spricht Ashron leise und bedankt sich bei dem Krieger, der freudig weitermarschiert. Wieder überkommt ihn große Wut, aus der sich eine harte Faust bildet. Er geht auf das Zimmer und erträgt es nicht mehr. Die Tür bekommt sein Zorn zu spüren, als er sie kräftig hinter sich zuschlägt. Was muss er noch machen, damit sie aufihören, in Gottes Namen Menschen zu töten, und warum unternimmt Gott immer noch nichts dagegen, auch wenn es der Teufel ist, der die Menschen zu solchen Taten anspornt?
Ashron entschließt sich deshalb, im Zimmer zu warten, bis alles vorbei ist. Es wird schon dunkel, als es draußen wieder ruhiger wird, und erst jetzt setzt er wieder einen Fuß vor die Tür. Die meisten Leute sind, wie auch die Sonne, schon verschwunden, nur noch Vereinzelte laufen durch die Straßen. Ashron hat jetzt genug gesehen und will diesen Ort nur noch verlassen, aber wie er kurze Zeit später feststellt, sind auch die Tore verschlossen.
Eine Wache, die bei dem Tor steht, fragt ihm: „Wo willst du hin?“
„Ich will nach draußen und später wieder rein.“
„Nein, das geht nicht. In der Nacht darf niemand die Stadt verlassen.“
„Warum?“
„Woher soll ich das wissen? Ich führe nur Befehle aus.“
Ashron will nicht weiter auffallen und meint nur: „Gut, dann werde ich morgen früh gehen.“ Was die Wache nicht weiß, ist, dass er jetzt raus will, darum geht Ashron in eine Nebengasse und filiegt über die Mauer. Wieder sicher auf dem Boden gelandet, konzentriert er sich, und siehe da, seine Diener kommen zu ihm. Es sind fünf an der Zahl. Es sind die fünf Männer, die er getötet hat. Sie haben schwarze Rüstungen an, die keine Schwachstellen zu scheinen haben; der Brust- wie auch der Rückenpanzer ist aus einem Guss, an der Seite zusammengeschnürt und mit einem dicken Leder überdeckt. Die Schulterrüstungen machen die Krieger größer und breiter, haben die Form eines Kochkessels und fangen beim Hals an und gehen bis zum Oberarm. Die Arme selbst sind auch durch vier Platten geschützt, ebenso die Beine, nur Knie und Ellbogen werden separat von kleinen runden Metallen bedeckt. Die Füße werden einzig nur durch Leder geschützt, was aber der Beweglichkeit und der Marschgeschwindigkeit zugutekommt. Der Helm deckt auch den gesamten Kopf ab, nur ein kleiner Spalt in Augenhöhe ist offen, aus dem es rot schimmert. Sie tragen große, eckige Schilde mit sich. Die Ausstattung der Waffen ist auch enorm. Sie tragen je einen Speer, an der rechten Hüfte hängt eine Kampfaxt, an der linken Seite ein Schwert. Je nach Situation können sie sich beliebig ausstatten. Sie sind Engeln und Dämonen im Kampf weit überlegen.
Ashron kommen die Gestalten bekannt vor, jemand hat von ihnen erzählt, aber er ist sich nicht mehr sicher, wer. Nach einigen Sekunden des Nachdenkens fällt es ihm wieder ein. Der Feldherr der Römer hat von ihnen schon einmal geträumt. Es sind gute Kämpfer, die dem Teufel auch gefährlich werden können.
Ashron schickt die Diener wieder weg, denn er weiß, dass er noch mehr brauchen wird, um den Teufel zu besiegen. Die Frage, die ihn nun beschäftigt, ist, wie und wo er schnell gute Kämpfer herbekommen soll. Aus diesem Grund kehrt er zurück in die Stadt und in sein Zimmer. Ihm ist klar, dass er auch Menschen anheuern kann, um so weitere Diener zu bekommen, aber die haben keine Kampferfahrung und müssten zuerst ausgebildet werden, wofür keine Zeit ist. Die Verlockung, Kreuzritter zu töten, ist groß, denn damit hätte er nicht nur gute Krieger, sondern auch Tausende unschuldige Leben gerettet.
Am nächsten Morgen will er sich auf die Suche machen. Die Ritter, da ist er sich sicher, werden an einem Hafen sein, oder an einem Ort, wo man Lebensmittel kaufen kann, und da er sich nicht in dieser großen Stadt auskennt, irrt er herum. Plötzlich kommt er in einen Teil der Stadt, der nicht von Reichen beherrscht wird, sondern von den armen und ausgebeuteten Leuten, die zerrissene Kleider tragen und nicht wissen, ob sie den nächsten Frühling erleben werden. Ein Ort, der dreckig ist und den viele Kriminelle und Ausgestoßene ihr Zuhause nennen. Ungewöhnlich ist, dass er neben den offenen Feuern auf den Straßen und dem Husten und Klagen eine Menschengruppe entdeckt, die gut gelaunt ist. In der Menge unschwer zu erkennen sind auch reicherer Bürger der Stadt, die versucht haben, sich arm zu kleiden, damit sie nicht auffallen. Natürlich will jetzt auch Ashron wissen, was da vor sich geht und was alle an diesen Ort lockt. Eine Arena, wie sie einmal in Rom stand, nur nicht so groß, etwa für 200 Menschen, die zusehen können, was im Inneren passiert. Mit viel Glück und viel Gedränge kann auch Ashron sich einen Platz sichern.
Als alles auf Anfang steht und das Ereignis losgehen kann, kommen zwei große starke Männer aus dem Tor und stellen sich gegenüber auf dem hellen Sandboden auf. Sie bekämpfen sich mit nackten Händen, nur eine Hose als Schutz. Das Publikum feuert sie an und ist total außer sich, nur Ashron bleibt sitzen und beobachtet alles genau. Alles scheint bei diesem Kampf erlaubt zu sein, es wird geschlagen, getreten, gebissen und gewürgt, keine Gnade wird dem Gegenüber gezeigt, bis einer der beiden tot am Boden liegt. Ashron kann nicht glauben, was er da sieht. Immer noch wird sinnlose Gewalt und Mord gefeiert, der Mensch und seine Kultur haben sich seit seiner Lebenszeit nicht verbessert.
Nach dem Kampf stehen viele auf und gehen nach draußen, die einen scheinen zufrieden zu sein, andere wiederum sind enttäuscht, aber es gibt auch wenige, die sitzen bleiben, denn wie es aussieht, kommt noch ein Kampf. Ashron entschließt sich, mit den anderen zu gehen, denn er hat genug gesehen. Auf dem Weg nach draußen fragt er einen Besucher, der sich sichtlich über den Kampf freut: „Was versetzt dich so in Glück? Eben ist ein Mann gestorben. War es ein Verbrecher und nun hast du so deine Rache bekommen?“
„Nein, die kämpfen dort freiwillig.“
Ashron versteht jetzt noch weniger, warum man sich über ein solches Ereignis freuen kann. „Und warum genau ist deine Laune so ausgezeichnet?“
„Na ja, der Sieg des Kämpfers hat mir sehr viel Geld gebracht.“
Ashron versteht langsam, dass sich nicht viel bei den Menschen geändert hat, auch wenn er und die anderen Engel viele Male ihre Existenz aufs Spiel gesetzt und jeden Tag versucht haben, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dennoch packt ihn die Neugierde und er will richtig verstehen, was die Menschen antreibt, so grausam zu sein.
Vor dem Schauplatz ist ein kleines Holzhaus, in dem ein Mann sitzt, weitere Männer stehen dort an, und nach einem kurzen Gespräch geben sie dem Mann im Haus Geld und gehen wieder. Gleich nebenan etwas im Verborgenen ist ein großer Käfiig aufgebaut, und darin sitzen, wie Hunde eingesperrt, zwei weitere Männer. Auch Ashron stellt sich an und erhofft sich so, mehr in Erfahrung zu bringen. Als er endlich an der Reihe ist, erklärt ihm der Mann in dem Häuschen geduldig alles. Dass man sich die Kämpfer in diesem Käfiig, die gegeneinander antreten, anschauen kann, und wenn man glaubt zu wissen, wer gewinnt, darf man auf diesen einen Betrag setzen, sollte der Athlet aber verlieren, so verliert man auch sein Geld. Der nette Herr fügt noch hinzu, dass der Sieger auch einen Lohn bekommt, der er aber von einem seiner Vertreter, die in der Regel mehrere Männer betreuen, ausbezahlt wird.
„Wo fiinde ich einer dieser Vertreter?“, möchte Ashron wissen.
„Du siehst aus, als wärst du ein guter Kämpfer. Ich denke, wenn du einen fragst, wird er dich sicher aufnehmen und dich anmelden, aber erhoff dir nicht zu viel von dem ersten Kampf.“
Ashron zieht weiter und läuft ohne Umschweife zu einem Vertreter, der ganz in Weiß gekleidet ist, und lässt den Mann, mit dem er vorhin gesprochen hat, wortlos zurück. Ohne Gruß fragt er ihn: „Wie viele Kämpfer hast du?“
„Du kommst gleich zur Sache, das gefällt mir. Ich habe 21 Kämpfer, aber ich will dich nicht haben, ich habe genug und brauche nicht noch mehr, die mir das große Geld versprechen wollen.“
„Ich will auch nicht für dich kämpfen, ich will gegen all diese Männer gleichzeitig antreten.“
Der Vermittler muss schmunzeln und sagt: „Nein, das kannst du vergessen. Dabei würde ich nichts verdienen.“
„Das ist doch egal, sieh es als Training für deine Männer an.“
Das Grinsen auf seinen Lippen wird breiter: „Nein, die sind trainiert genug.“
Ashron nimmt seinen Geldbeutel hervor, zeigt ihn entschieden dem Mann: „Da, nimm das und behalte es. Egal was passiert, es gehört dir.“
Der Vermittler nimmt den Lederbeutel voller Münzen in die Hand, um gekonnt das Gewicht abzuwägen, und meint dann: „Gut, du kannst gegen all meine Männer kämpfen.“ Nach den Worten winkt er einem anderem zu, dass dieser zu ihm kommen möge. Der herbeigerufene Mann kommt der Bitte nach, und als er bei ihnen eintrifft, sagt er zu Ashron: „Komm mit mir.“
„Wohin?“
„Wir gehen zum Wettbüro.“
Ashron folgt ihm. Der neue Kampf scheint schon wieder begonnen zu haben, denn der Käfiig ist leer und die Türen stehen offen. Der nette Mann weist ihn an, den Zwinger zu betreten, und ohne sich zu wehren oder zu zögern lässt Ashron sich einsperren.
Ein wenig später kommen 21 Männer, die Körper muskulös und mit Narben übersäht, und sie sehen nicht sehr freundlich aus. Auch sie werden zusammen mit Ashron in den Käfiig gesperrt, der gerade so groß genug ist. Ashron setzt sich ruhig hin und zeigt keine Anspannung, während er von bösen Blicken begutachtet wird. Im Wettbüro-Häuschen wird nun viel Geld in Empfang genommen, und die Wetten sehen immer gleich aus, denn alle sind sich sicher, dass Ashron nicht gewinnen kann.
Als dann der Moment gekommen ist, werden sie in die staubige Arena gelassen. Seine Gegner stürmen gleich raus und präsentieren sich dem jubelnden Publikum. Die Kämpfer reißen die Arme mit ihren Waffen in die Luft und heizen den Zuschauern mit lautem Gebrüll noch weiter ein. Ashron kommt als Letzter rein, bleibt aber ruhig, schaut sich um und lässt sich von dem Lärm nicht irritieren. Die vier Meter hohen Mauern sind mit langen Eisenspitzen in der Wand ausgestattet und somit eine tödliche Falle, die ohne Weiteres einen Mann aufspießen kann. Alle Gittertüren, die in die Arena führen, werden nun verschlossen, und seine Gegner machen sich auf der anderen Seite des Ringes kampfibereit und beziehen Stellung. Ein Horn erklingt, dies ist das Signal zum Start der tödlichen Unterhaltung. Der erste Athlet stürmt los, direkt auf Ashron zu, dieser setzt zum Sprung an, der so hoch ist, dass der Kämpfer einfach unter ihm hindurch weiter rennt. Ashron, noch in der Luft, kann dem Angreifer mit seinem Bein einen Tritt in den Rücken geben, sodass dieser noch mehr an Schwung gewinnt und ungebremst in einen der Stachel an der Wand läuft. Der zweite Mann kommt schnell von der rechten Seite auf Ashron zu, der aber zieht schnell seine Klinge, geht in die Knie, womit er der Waffe des Angreifers ausweicht, und schneidet dann selbst mit einem gezielten Schwertschlag dem Kämpfer die Beine auf Kniehöhe durch. Ashron zieht die Drehung weiter, setzt von der Hocke zum Sprung an und gibt dem besiegten Mann noch einen Tritt gegen den Kopf, sodass dieser leblos zu Boden geht. Die Füße nicht mal am Boden, stürmt schon der nächste auf ihn zu, diesen ersticht er klassisch mit einem Hieb in den Bauch. Es bleibt ihm nicht viel Zeit, da schon der nächste, mit einem langen Speer bewaffnet, ihm schaden will. Hinter der scharfen Eisenspitze bekommt Ashron den Speer zu fassen. Kräftig zieht er daran und verleiht so dem Angreifer noch mehr Schub, dass auch dieser gegen die Wand prallt, aber ohne einen Stachel zu treffen. Mit einer weiteren geduckten Drehung holt Ashron den von dem Aufprall benommenen Kämpfer mit dem Speer von den Füßen, sodass der unsanft zu Boden geht. Den Speer fest in der Hand, durchstößt er den Eisenhelm des am Boden liegenden Mannes. Fast hätte er nicht gemerkt, dass sich wieder ein Kämpfer von der Seite nähert. Schnell ist die Spitze der Stangenwaffe wieder einsatzbereit und wird so genau geworfen, dass sie den Fuß des anstürmenden Mannes trifft. Sie durchdringt Fleisch und Knochen bis weit ins Erdreich hinein, sodass dieser am Boden festgenagelt ist und nicht mehr weiterkann. Ashron macht dem Ganzen mit einem gezielten Streich seines Schwerts ein jähes Ende. Die restlichen Männer wissen nicht, was sie jetzt machen sollen, denn sie sind überwältigt von den Kampfikünsten, und so bleiben sie stehen und warten ab, was passiert. Ashron seinerseits genießt die Furcht und den Respekt, den man ihm jetzt gewährt, selbstsicher steckt er das Schwert wieder in die Scheide und steht still. Nach ein paar Sekunden spricht er: „Lasst uns doch mal richtig anfangen.“ Dabei zieht er seine Messer, die er an der Hüfte trägt. So lange die Pause ging, geht auch noch der Kampf, dann liegen die Gegner leblos am Boden. Das Publikum ist regungslos und glaubt, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, denn es ist unmöglich, was da passiert.
Ashron schaut mit fiinsterem Blick zurück und verabschiedet sich mit den Worten: „Wann habt ihr genug vom Töten?“ Die Türen öffnen sich wieder, er geht als Sieger ungehindert nach draußen. Auch am Wettbüro läuft er vorbei und verzichtet auf seinen Lohn, in der Arena selbst ist alles still und ruhig, denn so was hat noch niemand gesehen. Ashron weiß jetzt, dass auch diese fähigen Krieger zu seinen Kämpfern wiedergeboren werden, und dann ist er endlich bereit, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Aus diesem Grund will er auch sofort die Stadt verlassen und marschiert in Richtung Ausgang zum Tor. Alles ist gleich, außer dass jetzt zwei Wachen dort bereitstehen, die einen suchenden Blick in die Menschenmenge werfen, und als sie Ashron erblicken, wie er auf sie zukommt, legen sie die Hand bereit an den Schwertgriff und verfolgen jede seiner Bewegungen. Er sieht die Reaktion der Soldaten auch, geht aber weiter und ignoriert es. Ungehindert verlässt er die Stadt und läuft in das weite Grün hinaus. Als er sicher ist, dass kein Mensch mehr weit und breit in seiner Nähe ist, verlangt er wieder nach seinen Dienern, und wie letztes Mal kommen auch jetzt die fünf vom letzten Mal, ganz anders, als er es erwartet hat. Aus der Enttäuschung heraus schreit er seiner sehr kleinen Streitmacht zu: „Wieso seid ihr nur zu fünft? Wo sind die anderen, die ich eben getötet habe!“
Diese aber geben ihm keine Antwort, da sie ihn nicht verstehen oder weil sie gar nicht sprechen können. Ashron beruhigt sich wieder, denn ihm ist klar, dass es nicht ihr Fehler ist, irgendwas muss er übersehen haben. Aus diesem Grund geht er wieder zurück zur Stadt. Kurze Zeit später ist er beim Tor, wo die Wachen immer noch stehen und ihn wieder mit den Blicken verfolgen. Ashron schenkt dem erneut keine Beachtung und läuft schnell an ihnen vorbei. Der Weg führt ihn auf sein Zimmer, das er immer noch gemietet hat, denn dort will er verstehen, warum die Kämpfer aus der Arena sich nicht in seine Diener verwandelt haben. Krampfihaft versucht er, sich an beide Taten zu erinnern und den Unterschied zu sehen. Sicher ist, dass er beim ersten Mal irgendwas anders gemacht hat. Aber weil er den Fehler nicht sieht, wird er immer wütender auf sich selbst, so sehr, dass er fast die Beherrschung verliert und die ganze Stadt in Schutt und Asche legen möchte. Das Wissen, dass Diener, Engel oder Dämonen einen Tag brauchen, um sich zu verwandeln, fehlt ihm noch.
Er scheint schon am Anfang seines Planes gescheitert zu sein, aber sein Verstand sagt, dass er jetzt nicht losziehen und das tun kann, was er am liebsten tun würde. Er schluckt den Hass runter, dennoch muss er etwas machen, um einen klaren Gedanken zu fassen. Ashron stürmt wieder auf die Straße, die Menschen erkennen sofort, wie schlecht gelaunt und gefährlich er nun ist, deshalb machen sie ihm Platz und lassen ihn mit Abstand einfach passieren. Das Ziel, das er wieder angepeilt hat, ist die Arena. Diese soll für seinen Frust herhalten. Das Glück ist ihm auch dieses Mal nicht hold, denn die Tore und Türen sind verschlossen und lassen niemanden mehr herein. Ashron gibt nicht auf und hofft, dass jemand noch drin ist, deshalb klopft er stark an eine Tür und muss aufpassen, dass er sie in seiner Wut nicht aus Versehen einschlägt. Durch Zufall läuft eine alte Bettlerin an ihm vorbei, die wohl auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit ist, und schaut ihm eine Weile zu, wie er weiter auf die Tür einschlägt.
„Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der den Tod so sucht“, meint sie leise, denn sie wollte nicht, dass Ashron sie hört, aber das hat er. Er hört auf zu klopfen und dreht sich langsam zu ihr um; er hat sie vorher gar nicht bemerkt und sieht sofort die zerrissenen, dreckigen Kleider der alten Frau, die einen Kopf kleiner ist als er und keine Schuhe trägt.
„Ja, ich suche den Tod, aber nicht für mich, sondern für den, der es verdient hat“, ist seine dunkle Antwort.
„Nein, mein Sohn, ich sehe es in deinen Augen. Du suchst den Tod für dich und all die anderen.“
„Was weißt du schon vom Tod?“
„Du denkst vielleicht, du wüsstest es besser, aber ich weiß, wer du bist. So einen wie dich habe ich schon einmal gesehen.“
„Du weißt nicht, wer ich bin, du hast keine Ahnung.“
„Doch, das weiß ich. In Frankreich habe ich eine Frau gesehen, die den Tod gesucht hat. Sie hat viele getötet und ist dann verschwunden. Auch sie hatte den gleichen Hass in den Augen wie du.“
Ashron geht ganz nahe an die Frau ran, sodass sich die Gesichter fast berühren: „Das kann nicht sein. Sie hätte dich auch getötet.“
„Das hat sie nicht. Ich denke, dass sie mich gar nicht gesehen hat, denn es war Nacht. Diese Frau hat ein ganzes Dorf ausgelöscht, außer einem kleinen Mädchen und mich.“
Ashron glaubt der Frau nicht: „Wenn du sie wirklich gesehen hast, woher weißt du, wer ich bin und wer sie ist?“
„Mein Sohn, ich habe schon vieles in meinem Leben gesehen. Ich habe so viel Hass und so viel Liebe gesehen. Aber bei euch beiden ist so viel mehr. Hinter dem ganzen Hass ist auch so viel Liebe und Leidenschaft verborgen.“
„Ich bin nicht dein Sohn, und du hast keine Ahnung, wer wir sind.“
Die Frau fragt erschrocken: „Du weißt, von wem ich rede? Du kennst sie?“
„Ja, ich kenne sie so gut wie kein anderer.“
„Wenn du sie kennst und ihr euch zusammentun würdet, könntet ihr so viele Sachen machen, so viele gute Sachen. Ihr könntet zusammen so viel Leid auf der Erde verhindern.“
Ashron schaut in den Himmel hoch und sagt: „Ja, das könnten wir. Wir könnten viele Dinge ändern.“
Nach diesen letzten Worten drückt er die Frau wie eine Tür zur Seite, die dabei auf die harte Pfilasterstraße fällt. Ashrons Weg führt ihn wieder zurück in sein kleines Zimmer, und als er in dem geschlossenen Raum sitzt, ist seine Wut plötzlich weg. Seine Gedanken sind wieder frei, die sich jetzt um Kyra drehen. Er vermisst die Zeit sehr, in der sie noch zusammen waren und sich jeden Tag gesehen haben. Damals schien das Leben noch sorglos zu sein. Wie sehr wünscht er sich diese Zeit wieder zurück, bewusst, sie nicht mehr zurückzubekommen, trotzdem will er es erreichen, dass sie einfach wieder zusammen sind, koste es, was es wolle. Die einzige Möglichkeit, die er im Moment sieht, ist, dass er sich der Hölle anschließen müsste, aber dort aus würde er nicht mehr Gott vertreten, sondern den Teufel. Nach einigen Zweifeln merkt er, dass er Gott keine Rechenschaft mehr schuldig ist, und er wäre endlich mit Kyra zusammen – für immer. Aber wie soll er in die Hölle kommen? Er erinnert sich, wie er auf der Suche nach dem Hauptdrachen fast verzweifelte, aber die Mühe hatte sich dennoch gelohnt.
So bricht er wieder auf, die Suche nach seinen ehemaligen Feind kann beginnen. Als Ashron die Straße entlangläuft, muss er zwischendurch schmunzeln, nicht nur, weil er sich freut, Kyra endlich wieder an seiner Seite zu haben, auch wegen des Gedankens an das, was er nun vor hat. Der einst mächtigste Gegner des Teufels macht sich auf den Weg, um sich ihm anzuschließen.
In Gedanken versunken merkt er nicht, wie er am Tor und den Wachen vorbeigeht bis zu dem Platz, an dem er zum ersten Mal seine Diener gesehen hat. Dann hält er seinen zügigen Schritt an und bemerkt, dass er etwas nicht bedacht hat. Was, wenn der Teufel ihn ablehnt? Ashron fühlt die Leere, die ihn schon lange umgibt, erneut. Er ist weder Mensch, Engel noch Dämon. Er ist von allen ausgestoßen und gehört zu niemandem mehr, keiner möchte ihn bei sich haben.
Der Himmel, der Rat der Engel, schaut weiterhin mit großer Spannung auf Ashron, denn ihnen ist allen klar: Was er jetzt macht, könnte die Geschichte ändern. So kommen sie wieder zusammen und ein Bote, der Ashron beobachtet hat, bringt ihn die Kunde: „Er macht gar nichts.“ Ein Engel, der neu im Rat ist, meldet sich gleich zu Wort: „Das ist doch gut, dann schadet er uns auch nicht.“
Ein erfahrenes Ratsmitglied meint aber: „Nein, das kann auch sehr gefährlich sein. Er war immer so, wenn er etwas geplant hat, keiner von uns kann sagen, was er als Nächstes tun wird.“
Die neuen Ratsmitglieder, naiv und unwissend, wer genau Ashron ist, sagen noch: „Ihr beachtet so einen Einzelgänger, wenn ein Feind wie die Hölle uns gefährlich werden kann? Er ist allein oder hat noch ein paar Diener. Was will er gegen eine solche Armee, wie wir sie haben ausrichten?“
Viele geben ihm recht, andere schauen sich gegenseitig an.
„Das glaube ich nicht. Ihr habt Angst von ihm! Er ist nur ein verdammter Engel, der seine Möglichkeit hatte, das Richtige zu tun.“
Mittatron schlichtet die Meinungsverschiedenheit: „Ja, es mag schon sein, dass Ashron allein ist, aber er hat viel erreicht im Himmel. Er hat die Drachen ausgerottet und noch vieles mehr.“
Der rebellische Engel, der sich profiilieren will, sagt lautstark: „Das glaube ich dir gerne, aber er hat es nur geschafft, weil ihr ihm geholfen habt, weil er eine Armee im Rücken hatte. Jetzt ist er allein. Ich werde euch beweisen, dass er sterben kann und dass ihr ihn nicht fürchten müsst.“ Dieser Engel verlässt ungefragt den Tisch. Mittatron ruft ihn hinterher: „Wo willst du denn hin?“
„Ich werde ihn töten.“
„Nein, das wirst du nicht. Du weißt nicht, gegen wenn du da kämpfst.“
Der Engel bleibt stehen, aber dreht sich nicht um, nur der Kopf bewegt sich auf die Seite: „Doch das werde ich, ich werde ihn töten. Ihr werdet schon sehen.“ Nach diesen Worten reist er nun verkleidet als normaler Mann auf die Erde in Ashrons Nähe. Die letzten paar Hundert Meter will er zu Fuß gehen, sodass Ashron keinen Verdacht hegt, aber er hat sich mit der Zeit verrechnet, denn als er an seinem gewünschten Ziel endlich ankommt, beginnt es schon einzudunkeln. Dennoch ist ihm das Glück hold. Ashron sitzt immer noch dort auf der Wiese am Straßenrand, den Kopf gesenkt. Es scheint fast so, als würde er auf den Engel warten.
Seines Ziels immer noch sicher, bleibt er vor Ashron stehen.
„Weißt du, wie ich in die Hölle komme?“, fragt Ashron, ohne den Kopf zu heben und den fremden Mann anzuschauen.
„Indem du ein schlechter Mensch bist“, ist die Antwort, die er zu hören bekommt und die er auch schon lange wusste.
„Nein, nicht so. Ich will wissen, wie die Dämonen auf die Erde kommen.“
Der eifrige Engel ist nicht gekommen, um mit Ashron zu reden, er ist hier, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten, darum wandelt er sich jetzt in seine wahre Gestalt, was Ashron schon erwartet hat, denn er hebt gleichzeitig mit der Wandlung den Kopf.
Nun prophezeit der Engel: „Jetzt werde ich dich töten.“
„Weißt du, wie viele Male ich diese Worte schon gehört habe?“
Schnell holt der Engel mit seiner Klinge zum Streich aus, kann diesen aber nicht fertig ausführen, weil Ashron ihm schon einer seiner Dolche in den Wanst gerammt hat. Ungläubig schaut der Engel an sich hinunter. Ashron wird bewusst, dass er jetzt schon drei Engel getötet hat, was er nie wollte. Gott wird ihm nie mehr vertrauen oder glauben. Auf der anderen Seite sieht man ihn womöglich im Himmel schon als Feind an, denn man hat ihn auf billige Art und Weise zu töten versucht.
Der Verlust dieses Engels ist bedauerlich, war aber vorhersehbar, und auch wurde schnell ein neuer für den Rat gefunden. Mittatron rechnet noch mit viel mehr Verlusten, denn ihm ist klar, dass dies nur der Beginn eines noch härteren und brutaleren Krieges ist, in dem der Himmel mit ihm an der Spitze siegen soll.
Der Rat selbst beschließt nach diesem Ereignis, Gott anzurufen und Hilfe zu erbitten, aus diesem Grund geht einer von ihnen zu ihm und wird auch von Gott, wie erwartet, mit dem Lichtkegel, empfangen.
„Was bedrückt dich?“
„Mein Herr, Ashron hat schon wieder einen von uns getötet und er wird so weitermachen, wenn wir ihn nicht aufihalten.“
„Sei unbesorgt, macht einfach nichts. Ich habe schon jemanden beauftragt, um ihn zu beeinfilussen und zu steuern. Unternehmt nichts gegen ihn.“
„Nur so aus Neugierde, was meinst du mit beeinfilussen?“
„Er wird so beeinfilusst, dass er blind wird und nur noch versucht, Kyra zu befreien, was ihm nie gelingen wird. Im Moment macht er genau das, was ich will.“
Der Engel ist erschrocken, so was hat er nicht erwartet.
Auch in der Hölle wird Ashrons Tun genau beobachtet. Vor allem von Kyra, sie will immer genau wissen, was er tut, denn sie selbst hat vom Teufel den Befehl bekommen, die Hölle nicht mehr zu verlassen, und es wurde dafür gesorgt, dass sie den Befehl nicht missachten kann. Nachdem sie von einem treuen Dämon die Nachricht bekommen hat, was er zu dem Engel gesagt hat, bevor er ihn tötete, eilt sie zu dem Teufel hin. Mit einer schnellen Verbeugung, die nur halbherzig ausgeführt wurde, begrüßt sie den Herrn der Hölle. „Hast du mitbekommen, was Ashron gesagt hat, was er sucht?“
„Ja, das weiß ich.“
Kyra ist aufgeregt wie ein kleines Kind kurz vor dem Geburtstag.
„Lass mich zu ihm gehen und ihn zu uns holen. Er will sich sicher uns anschließen.“
„Das glaube ich nicht, und auch wenn er es wollte, würde ich ihn nie bei uns aufnehmen.“
„Aber mein Herr, warum denn nicht?“
Der Teufel steht von seinem Thron auf und sagt: „Weil er für uns eine zu große Gefahr wäre. Er hat auch nicht das getan, was Gott ihm befohlen hat. Wieso sollte er dann machen, was ich ihm sage.“
„Ich werde mit ihm sprechen, dann wird er sich sicher fügen. Er will doch einfach mit mir zusammen sein.“
Der Teufel geht mit sehr langsamem Schritt zu ihr hin und sagt:
„Das ist eben die Gefahr. Dass ihr zwei dann irgendwann das Gefühl habt, mich herausfordern zu müssen.“
„Nein, das werden wir nicht.“ Sie kniet sich vor dem Teufel hin, so tief sie nur kann, und will so ihre Treue zeigen.
Der Teufel lässt sich aber nicht von dieser Geste beeindrucken: „Ich würde dir gerne glauben, aber das Risiko ist einfach zu groß, und darum wirst du die Hölle nicht mehr verlassen, bis ich ihn aus dem Weg geschafft habe.“
Zwei Schergen kommen leise von hinten und ergreifen Kyra an den Armen. Sie schleppen sie weg, obwohl sie wissen, dass sie sich ohne Weiteres befreien kann. Aber nur ein lauter Protest aus Kyras Mund zeigt ihren Widerstand. In ihrem Quartier eingesperrt, wird sie von Dämonen bewacht, um sicherzustellen, dass sie die Hölle sicher nicht einfach so verlässt.
Ashron auf der Erde, immer noch auf dem Stein sitzend, weiß nicht, was sich gerade im Himmel oder in der Hölle zuträgt, aber er ist sich sicher, dass sie ihn weiterhin beobachten, was ihn nicht von seinem Ziel abbringt. Die ganze Nacht verharrt er auf diesem Platz, nicht nur, weil er nicht weiterweiß, sondern weil er noch eine Reaktion des Himmels abwarten will. Als die ersten Sonnenstrahlen auftauchen, weiß er, was er machen könnte. Die alte Frau, die er in der Stadt getroffen hat, könnte mehr wissen, als sie zugeben wollte.
Beim ersten Mal ist es ihm nicht aufgefallen, aber es scheint so, als hätte sie gewusst, wer er ist und welche Geschichte er hat. Aus diesem Grund geht er wieder zurück in die Stadt an den Platz, wo er sie getroffen hat. Die Arena ist mit Brettern vernagelt worden und es scheint so, als wäre Ashron der Grund dafür. Eine Stimme spricht ihn von hinten an, die ihm sehr bekannt vorkommt: „Willst du wieder Unschuldige töten?“
Ashron dreht sich langsam um und sieht, wie erwartet, die alte Frau vor sich stehen: „Ja, das wollte ich. Ich habe einfach das Verlangen danach.“
„Aber du weißt doch, dass du deine Wut viel besser nutzen kannst.
Du könntest etwas Sinnvolles tun.“
„Du meinst so was wie auf den Kreuzzug gehen und dort unschuldige Frauen und Kinder zu töten?“
„Ja, das kannst du auch machen, aber das wäre noch schlimmer, als hier Menschen zu töten.“
„Was soll ich denn machen, sag es mir?“
„Komm zu mir nach Hause, ich werde etwas kochen und dann werde ich dir sagen, was du tun kannst.“
„Wie kommt jemand wie du zu einem Zuhause? Schau dich doch mal an.“
„Nur, weil ich alt bin und nicht gut aussehe, heißt das nicht, dass ich nichts besitze. Das soll deine erste Lektion sein. Egal wie stark du bist, lass dich vom Ayußeren nicht täuschen.“
Ashron willigt ein und ist sich immer sicherer, dass die alte Frau wissen muss, wer er ist, denn warum sonst sollte sie sich mit ihm abgeben? Die Frage, die er sich stellt, ist nun, woher sie ihn kennt.
Die Frau geht vor und zeigt ihm den kurzen Weg, den die beiden noch zurücklegen müssen. Es ist ein kleines Holzhaus im Armenviertel, das sie ihr Heim nennt. Mehr ein alter Schuppen als ein Haus. Von außen sieht es zerrüttet aus, Fensterläden, die fehlen oder fast abfallen, die Haustür hat Löcher und Risse in und neben den Brettern. Der Gestank kommt von den Eiern, die man an die Hauswand geworfen hat und die dort nun in der Sonne verfaulen.
Stolz macht sie die Tür mit einem Ruck auf, denn sie klemmt und ist nicht leicht zu öffnen, beim dritten Versuch schafft sie es dennoch.
Ashron ist überrascht, was er nun zu sehen bekommt. Abgesehen davon, dass die Räume sehr niedrig sind und er fast gebückt stehen muss, ist alles gepfilegt und geputzt, an der einen Wand hängen Bilder von der Königin und anderen Adligen, überall verteilt sind Holz- und Tonvasen, die Blumen in allen Farben beherbergen, an einer anderen Wand hängen selbst geknüpfte Teppiche. Gegenüber steht fast schon unpassend ein Kamin, in dem ein Feuer brennt, davor ein Tisch mit zwei Stühlen. Hinten in der Ecke ist eine schmale Treppe, die nach oben führt, und ein Regal, das diverses Essgeschirr aus Holz beinhaltet. Die Alte bittet ihn höfilich, Platz zu nehmen. Erst als er auf dem Stuhl sitzt, der knarrt, entdeckt er links von der Tür ein Regal, mit Schild und Schwert, das sehr gepfilegt dort bereitsteht.
„Ich werde dir was Nettes kochen. Du musst Hunger haben“, meint sie.
„Ich habe keinen Hunger.“
„Ach was, ihr Männer habt doch immer Hunger.“
Die Antwort bleibt aus, da Ashron sich nicht auf Diskussionen einlassen will, während sie mit dem Rücken zu ihm in ihrem Topf über dem Feuer rührt. Der Behälter ist randvoll, viel zu viel, als es eine Frau allein essen könnte. Aber etwas anderes beschäftigt Ashron im Augenblick mehr: „Du hast Waffen und Bilder, die können nicht von dir sein.“
„Wieso können die Waffen nicht von mir sein?“
„Dann bist du das kleine Mädchen, von dem du gesprochen hast.“
„Nein, das bin ich nicht.“
Ashron kommt es vor, als wollte sie ihn auf die Probe stellen und gibt absichtlich keine Information über sich preis, dennoch fragt er weiter: „Von wem sind die Waffen?“
„Die gehörten meinem Mann. Es war immer sein Traum, in den Krieg zu ziehen. Und eines Tages kam er nicht mehr zurück. Gott allein weiß, was mit ihm passiert ist.“
Diese Antwort wollte Ashron nicht hören und wechselt das Thema:
„Die Geschichte, die du mir erzählt hast, die mit dem kleinen Mädchen und dem Dorf, wie lange ist das her?“
„Ich weiß nicht so genau, etwa fünf Jahre oder so.“
Ashron steht auf und schiebt den Tisch zur Seite, geht auf die Frau zu. Als er direkt hinter ihr ist, packt er sie an der Schulter und dreht sie um. Mit ernster Stimme unterstreicht er die Wichtigkeit dessen, was er sagen wird: „Ich glaube, dass die Waffen deine sind. Ich glaube, dass du alt bist, aber du bist nicht die, für die du dich ausgibst. Du warst ein edler Mann und hast hier gewohnt. Dann bist du in den Krieg gezogen und dort auch gestorben. Wie viele andere Männer, so wurdest auch du zu einem Diener Gottes. Habe ich recht?“
„Du musst krank sein. Wie kommst du auf solche Sachen?“
„Diese Geschichte. Sie hat das Dorf zerstört, sie hat alles getötet, was da war, außer einem kleinen Mädchen. Aber etwas stimmt nicht ganz. Es ist schon zu lange her, als dass du es hättest erleben können. Ich frage dich jetzt, wer bist du?“
Die Frau verwandelt sich in einen Engel und sagt: „Du bist schlau.“
Ashron wird immer wütender. „Was machst du hier? Was ist dein Auftrag?“
„Das wirst du nie erfahren.“
„Doch, das werde ich, und wenn ich auch jeden von euch umbringen muss.“
„Nein, das wirst du nicht schaffen, nicht mal du.“
„Gut, wenn du es so willst.“ Er packt den Engel mit beiden Händen fest am Kragen und filiegt mit ihm durch das Dach hindurch, bis vor das große Tor im Himmel. Ashron wirft den Engel zu Boden und schreit: „Hier bin ich! Holt mich doch, wenn ihr den Mut dazu habt.“
Wenige kommen und schauen. Ashron packt seinen Gefangenen wieder und richtet ihn auf, leise filüstert er ihm in das Ohr: „Sieh, wie tapfer deine Freunde sind. Sie verstecken sich hinter einer Mauer. Wo ist deine Armee?“
„Wenn du mich töten solltest, dann werden sie kommen und dich aufihalten.“
„Wenn du schon sterben musst, dann sage mir, was du auf der Erde gemacht hast.“
„Ich habe dich gesucht. Ich sollte dich beeinfilussen, damit du gegen die Hölle kämpfst.“
Ashron nimmt sein Messer hervor und schneidet langsam dem Engel die Kehle durch, genießt es förmlich. Mit viel Wucht schleudert er den toten Himmelskrieger zu Boden, der dort wie jeder andere seiner Art zu Staub verfällt. Im Blutrausch und voller Zorn schreit er die Beobachter an: „Ihr wollt mich steuern und manipulieren, aber dafür ist es jetzt zu spät. Ich habe einen freien Willen und kann machen, was sich will, und wenn ihr mich aufihalten wollt, dann müsst ihr es jetzt machen. Jetzt habt ihr noch eine Chance.“ Ashron wartet auf eine Reaktion der Engel, aber es passiert, wie er es erwartet, nichts, abgesehen davon, dass noch weitere Engel gekommen sind, um den einen Ashron zu betrachten, von dem man so viel hört. Bevor er wieder von dannen zieht, meint er noch leise: „Das habe ich mir doch gedacht. Ihr werdet euren Krieg noch bekommen, das verspreche ich euch.“
Auf dem Rückweg zur Erde entschließt er sich, nie wieder für den Himmel zu kämpfen oder auch nur das Wort Gottes zu verbreiten.
Ashron betrachtet Gott jetzt als Feind, der einst sein Lehrer und Wegweiser war. Ihm ist auch klar, dass er eine Armee braucht, um diesen Krieg zu gewinnen.
Mal wieder ruft er seine wenigen Diener herbei, aber es kommen mehr als erwartet, nun 26 an der Zahl. Als er sich seine kleine Streitmacht so ansieht, entschließt er sich, etwas zu wagen. Fest entschlossen, alles zu opfern, was er noch hat, schreit er laut heraus: „Teufel, du Feigling, zeige dich!“
Dieser lässt nicht lange auf sich warten und taucht sofort auf, als hätte er es erwartet, dass Ashron ihn zu diesem Kampf herausfordern will. Ohne es zu wissen, reagiert Ashron genauso, wie Gott es wollte. Denn dieser ist sich sicher, dass Ashron gegen den Herrn der Hölle verlieren wird. Er weiß auch, dass der Teufel Ashron ohne zu zögern töten wird und somit auch Kyra. Und alles wäre wie vorher, der Fehler korrigiert.
Die Begrüßung des Teufels ist ruhig: „Du nennst mich einen Feigling?“
Voller Hass und Wut schreit Ashron weiter: „Ja, du hast richtig gehört. Du bist ein Feigling. Du lässt immer alle anderen kämpfen, nur du kämpfst nicht!“
Der Teufel lässt sich nicht beeindrucken und bleibt weiterhin ruhig:
„Ich weiß nicht, war es nicht dein Gott, der in den Schlachten nicht gekämpft hat?“
Ashron kann sich nicht beruhigen: „Es ist nicht mehr mein Gott.“
„Ach ja, stimmt, du gehörst nicht mehr zum Himmel. Du bist jetzt selbstständig. Ich möchte sagen, fast schon erwachsen. Und siehe da, Kämpfer hast du dir auch schon zugelegt. Heißt das, du kämpfst nicht mehr selbst und lässt jetzt kämpfen?“
Ashron tappt in die Falle und wird durch die Worte noch gereizter:
„Diese Diener sind stärker und mächtiger als du. Und ich werde sicher auch selbst kämpfen.“
„Gut, dann zeig mir mal, was deine Diener so können.“
Ashron macht nur eine kleine Handbewegung, und die Diener rennen auf den Teufel zu. Die langen blanken Klingen, die der Herr der Dämonen besitzt, sind schnell bereit, ihre Arbeit zu verrichten.
Der Kampf dauert nicht sehr lange, denn die Diener stellen keinerlei Gefahr für den Teufel dar. Ashron ist enttäuscht, er hätte seine Krieger viel stärker erwartet.
Der Herr der Hölle lacht hämisch und meint: „Eines muss ich dir lassen, du bist nicht so feige wie dein Gott, der nie kommt und mich herausfordert, aber wie er, so ziehst du auch keine Klinge mehr.
Und deine Untergebenen waren auch nicht sehr gut, ich würde sogar behaupten, dass sie schwächer sind als deine Engel.“
Ashron kann wieder seine Wut nicht beherrschen. „Ich habe keine Engel mehr, und ich bin auch keiner!“, schreit er und stürmt unbedacht auf den Teufel zu. Dieser ist überzeugt, dass er ihm, wie zuvor als Engel, nichts anhaben kann. Aber dieses Mal ist es anders, denn Ashron kämpft nicht auf Befehl oder muss auf jemanden Rücksicht nehmen. Was der Teufel an Masse, Kraft und Macht bereitstellt, gleicht Ashron mit Willenskraft und Geschwindigkeit aus. Seine Klingen prallen vermehrt auf die Rüstung und die Waffen des Teufels – ohne jegliche Wirkung. Dennoch kämpft Ashron ohne müde zu werden weiter und weiter, ohne dass der Teufel es schafft, einen Treffer zu landen. Durch viel Glück trifft er Ashron am Kopf, und dieser geht gleich zu Boden, fasst sich an die besagte Stelle und steht gleich wieder auf. In den Sekunden der Pause will Ashron dem Schauspiel endlich ein Ende setzen. Trotz starker Benommenheit greift er wieder an, der Teufel aber ergreift sein Schwert an der Klinge und wehrt so den Angriff ab. Die Faust des Höllenherren trifft Ashron brutal in den Unterleib, und er wird meterweit gegen einen Baum geschleudert. Ashron vermag es nicht mehr aufzustehen und weiterzukämpfen. Den Kopf legt er in weiches Gras, spürt es an seiner Wange, konzentriert auf seine Atmung und versucht, wieder zu Kräften zu kommen. Siegessicher läuft der Teufel langsam auf Ashron zu. Der liegt immer noch mit geschlossenen Augen da und ihm wird klar, dass er gegen seinen Gegner nichts mehr ausrichten kann. Was ihm jetzt in den letzten Momenten bleibt, sind die Erinnerungen an die Zeit mit Kyra. Ihr Lachen, ihre Art zu gehen und zu sprechen … das und noch vieles mehr liebt er an ihr und er wird es vermissen. Den Traum, dass sie je wieder zusammen kämpfen, essen und schlafen werden, ist vorbei.
In Erinnerungen versunken entfilieht eine Träne den geschlossenen Augen, und er spürt, wie er es schon mal als Kind gespürt hat, wie sein Körper wieder an Kraft gewinnt. Dieses Mal ist es aber nicht Gott, dem ihm Kraft und Mut schenkt, sondern die Liebe, die Liebe zu Kyra. Noch nie in seinem Leben oder in seiner Zeit als Engel hat er eine solche Energie in sich gespürt wie jetzt. Als hätte der Kampf erst begonnen, steht er frisch wieder vor dem Teufel. Der kann nicht glauben, was er da erblickt, und bleibt überrascht stehen.
„Nein, das kann nicht sein“, entweicht es dem Teufel aus dem Mund.
Ashron steht mit wutverzerrtem Gesicht vor ihm, bereit, ihn zu töten. Eines seiner beiden Schwerter nimmt er wieder vom Boden auf, da das andere viel weiter hinter ihm liegt. Dem Teufel scheint klar zu werden, dass er doch nicht so ein leichter Gegner ist, wie er es erwartet hat. Ashron setzt jetzt wieder zum Angriff an, trifft den Teufel an der Brustplatte, mit dem Unterschied, dass die Klinge jetzt die Panzerung zu durchdringen vermag. Der Schnitt, den Ashron ihm zufügt, ist lang und zieht sich über den ganzen Bauch. Anders, als man es hätte erwarten können, ist Ashron nicht überrascht und steht diszipliniert bereit.
Der Teufel aber krümmt sich vor Schmerz, und aus der Wunde tritt helles Licht heraus, ähnlich dem Licht, das man bei Gott auch sieht.
Der Herr der Hölle fällt auf die Knie, und lautlos blickt er seinem Ende entgegen, während Ashron ruhig dem Schauspiel zusieht.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, ist alles voll blendendem Licht, als ob die Sonne explodieren würde, gefolgt von einem schwarzen Nebel.
Ashron muss sich die Augen reiben. Der schwarze Staub sieht wie Asche aus. Mit zusammengekniffenen Augen versucht er nun etwas zu erkennen und sucht den Teufel, den er aber nicht fiinden kann.
