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Agnes von Habsburg wurde 1296 mit König Andreas von Ungarn verheiratet. Fünf Jahre später, im Alter von 21 Jahren, war sie bereits Witwe. Sie lebte in Wien und dann im Aargau, unmittelbar neben dem von ihr aufgebauten Kloster Königsfelden. Im Dienst ihrer Familie stehend, war sie eine der wenigen einflussreichen Frauenfiguren im Spätmittelalter. Diese Biografie nähert sich über thematische Zugänge dem Leben der eigenständigen Habsburgerin. Sie nimmt sie als Repräsentantin der Dynastie sowie als fromme Stifterin in den Blick und beleuchtet ihre Rolle in der entstehenden Eidgenossenschaft.
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Seitenzahl: 272
Veröffentlichungsjahr: 2025
Die einflussreichsteHabsburgerin des Mittelalters
BRUNO MEIER
EINLEITUNG
DAS LEBEN DER AGNES VON UNGARN
Aus dem Aargau nach Wien
König Rudolfs Tod stellt vieles infrage
Eine politische Ehe mit dem König von Ungarn
Frühe Witwenschaft – und jetzt?
Die familiäre Katastrophe – der Mord an König Albrecht I.
Die Gründung von Königsfelden als Memorialkloster
Die Loslösung der ungarischen Ansprüche
Agnes’ Brüder im Kampf um das Königtum
Königsfelden als Erinnerungsort, geistliche Stiftung und Residenz
Zeit des Friedens nach dem Tod der Brüder Leopold und Friedrich
Die Habsburger haben ein Problem: Es fehlen die Nachkommen
Das Ende der erfolgreichen Vermittlungen
Am Ende eines langen Lebens
BILDTEIL
AGNES ALS POLITISCHES KAPITAL DER DYNASTIEI
AGNES UND IHRE MUTTERII
AGNES UND IHRE GESCHWISTERIII
AGNES UND IHRE DIENSTLEUTEIV
AGNES ALS REPRÄSENTANTIN IN DEN VORLANDENV
AGNES UND DAS DOPPELKLOSTER KÖNIGSFELDENVI
AGNES IM BILD DER NACHWELTVII
NACHWORT
Chronologie
Anhang
Ging für Agnes ein Traum in Erfüllung? Kam hier etwas zum Abschluss, das seinen Anfang genommen hatte, als die Habsburgerin als junge Frau mit dem ungarischen König Andreas III. verheiratet worden war und damit im Schachspiel der Mächtigen eine Rolle zu spielen begann?
Am 10. Februar 1364 schlossen am mährischen Hof in Brünn die Regenten von Böhmen (Karl IV.), Habsburg-Österreich (Rudolf IV.) und Ungarn (Ludwig I.) einen Erbvertrag ab. Ihre Reiche sollten beim Aussterben einer der Familien innerhalb der drei mannigfaltig miteinander verschwägerten Dynastien vererbt werden. Zwei Tage zuvor war eine Sühne zwischen Böhmen und Habsburg im Streit um die Grafschaft Tirol vereinbart worden. Kaiser Karl IV. übertrug seinem Schwiegersohn, Rudolf IV. von Habsburg-Österreich, die Grafschaft Tirol als Reichslehen. Damit sanktionierte er den Coup des Rudolf 13 Monate zuvor, bei dem dieser sich das Erbe der Margarete von Tirol – einer Cousine der Agnes – gesichert hatte. In wenigen Monaten hatten die Habsburger ihren Einfluss in den südlichen Alpen markant erweitert und Rudolf hatte die langjährigen Streitigkeiten mit seinem Schwiegervater, dem Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, beigelegt. Eine vermittelnde Rolle soll dabei Karls Tochter Katharina, Gattin von Herzog Rudolf, gespielt haben. Der Erbvertrag von Brünn, der das Zusammengehen der Ostländer im Heiligen Römischen Reich erstmals regelte, bildete retrospektiv einen Baustein für die Idee der späteren Donaumonarchie, die mit Ferdinand I. von Österreich im Jahr 1526 schliesslich Tatsache wurde.1
Die Nachricht von den Ereignissen in Brünn wird Agnes in ihrem 84. Altersjahr, vier Monate vor ihrem Tod, in Königsfelden noch erreicht haben. Die Unterzeichnung des Erbvertrags muss für sie eine grosse Genugtuung gewesen sein, schaffte es ihr Neffe Rudolf doch damit, sich auf Augenhöhe mit den Grossen, den Königen zu stellen. Das Zusammengehen der drei Ostländer des Heiligen Römischen Reichs – Böhmen, Ungarn und Österreich – stand bereits zur Zeit von König Rudolf I. im Zentrum habsburgischer Politik. Die Heirat seiner 16-jährigen Enkelin Agnes mit dem ungarischen König Andreas III. ist vor dem Hintergrund dieses Machtspiels zu sehen. Obwohl fünf Jahre später schon Witwe, nannte sie sich Zeit ihres Lebens Agnes, Königin von Ungarn. Eine Bezeichnung, die ein politisches Programm durchscheinen liess.
Agnes hatte zu dieser Zeit ihren Nachlass bereits geordnet. Ihr Neffe Rudolf hatte drei Jahre zuvor, zu Ostern 1361, bei einem Besuch in Königsfelden die früher gemachten Stiftungen der Habsburgerin bestätigt. Diese gingen einerseits zugunsten des Hausklosters Königsfelden, wo sie fast fünfzig Jahre gelebt hatte. Andererseits bedachte Agnes habsburgische Klosterstiftungen rund um Wien mit zahlreichen Vergabungen, die sie schon im November 1351 im für damalige Verhältnisse hochbetagten Alter von 71 Jahren mit ihrem Bruder Albrecht II. vereinbart hatte. Die Dynastie der Habsburger war gefestigt, hatte Kärnten und Tirol integriert, in den Vorlanden hielt der Landfrieden im Raum zwischen Zürich, Basel und Bern. Am 18. November 1364 schlossen die drei noch jungen Herzöge Rudolf, Albrecht und Leopold eine neue Hausordnung, nach der die habsburgischen Länder weiterhin aus einer Hand regiert werden sollten.2 Und doch: Das gefestigte System geriet in den folgenden Jahren jäh ins Wanken, beginnend mit dem überraschenden Tod Rudolfs im Sommer 1365. Die einzelnen Zweige der Familie standen bald in grösserem Streit untereinander, der an den Rand eines Bruderkriegs führte. Wenig später zerbrach der brüchige Friede mit den eidgenössischen Orten in den Stammlanden der Habsburger.
In ihrem hohen Alter hatte Agnes von Ungarn vier Generationen der Habsburger aktiv miterlebt: den Höhepunkt und das Ende ihres Grossvaters Rudolf, des ersten Königs der Habsburger; das Scheitern ihres Vaters Albrecht als Nachfolger, der das Königtum später dann doch gewann und schliesslich einer innerfamiliären Fehde zum Opfer fiel; das Aufwachsen ihrer teils deutlich jüngeren Brüder, für die sie wohl zeitweilig eine fast mütterliche Rolle einnahm und die sie alle deutlich überlebte; die Geburt ihrer drei Neffen und die erste Regierungszeit des ältesten, Rudolf IV.
Die Habsburger, die sich im Jahr 1282 die Herzogtümer Österreich und Steiermark hatten aneignen können, waren in den ersten Jahrzehnten in Wien eher fremd geblieben. Agnes wird dies als junges Mädchen und später in den Jahren als Witwe unmittelbar miterlebt haben. Erst ihr jüngerer Bruder Albrecht II., der ab 1330 grösstenteils in Wien residierte, gilt in der habsburgischen Geschichtsschreibung als der erste «Österreicher». Zu seiner Zeit ist erstmals vom «domus Austriae», dem Haus Österreich, die Rede. Agnes selbst blieb in den Vorlanden und widmete sich dem Aufbau des Klosters Königsfelden, das ihre Mutter 1311 im Andenken an die Ermordung ihres Gatten im Jahr 1308 gestiftet hatte. Agnes verband habsburgische Lokalpolitik in den Vorlanden mit der Politik europäischer Dynastien, pflegte Kontakt zu Kaisern, Königen und Päpsten, lebte bescheiden und fromm am Rand des Klosters Königsfelden, ohne in den Konvent einzutreten.
Agnes’ Leben hat schon zu ihren Lebzeiten Biografen wie den steirischen Reimchronisten Ottokar oder den Kärntner Geschichtsschreiber Johann von Viktring inspiriert.3 Die kurz nach ihrem Tod verfasste Königsfelder Chronik setzte ihr ein erstes Denkmal.4 Im Lauf der Zeit wurden ihr zahlreiche Rollen zugeteilt: von der frommen, fast heiligen Stifterin, der gnadenlosen Rächerin ihres Vaters bis zur weisen, aber auch listigen Politikerin. Der Luzerner Historiker Hermann von Liebenau publizierte 1868 eine verherrlichende Biografie und zahlreiche Regesten zu ihrer Hinterlassenschaft.5 Aus dem österreichischen Umfeld entstand erst 1951 eine Arbeit, verfasst vom Historiker Alfred Nevsimal, die aber nie gedruckt wurde; sie ist nur als Typoskript greifbar und hat als solche wenig Wirkung entfalten können.6 In der Schweiz ist es dem Aargauer Historiker Georg Boner zu verdanken, dass zumindest Agnes’ Umfeld in Königsfelden und ihre Rolle in der eidgenössischen Geschichte gut aufgearbeitet sind.7 Zu zahlreichen Aspekten ihres Lebens und ihres Umfelds gibt es neuere Monografien und Einzelstudien.8 Hervorzuheben ist der Band zur Geschichte des Klosters Königsfelden von 2012, der aus dem Editionsprojekt zum Urkundenbestand des Klosters hervorgegangen ist und vor allem die Aspekte rund um Königsfelden vertieft betrachtet.9
Hinsichtlich der verschiedenen ihr zugeschriebenen Rollen könnte man gleich mehrere Biografien über Agnes von Ungarn schreiben. Es ist deshalb sinnvoll, ihre Tätigkeit und ihr Wirken nicht nur entlang ihres Lebens zu erzählen. Ein Überblick dazu zu Beginn, eingebettet in die Geschichte der Familie, muss genügen. Vielmehr soll in thematischen Zugängen ihr Umfeld unter die Lupe genommen werden: die dynastische Politik der Habsburger um 1300, die Rolle ihrer Mutter und die Stiftung des Memorialklosters Königsfelden, die Beziehungen zu ihren Geschwistern und ihren wichtigsten Dienstleuten, ihre Bedeutung als Repräsentantin der Familie in den habsburgischen Vorlanden, insbesondere ihre Beziehungen zu den eidgenössischen Orten, der Königsfelder Besitz als ihr «Witwengut» und schliesslich ihr Bild in der Nachwelt.
Im Fokus stehen folgende Grundfragen: Wie konnte eine Hochadlige, mit 16 Jahren dynastisch verheiratet und mit 21 Jahren bereits Witwe, ein Leben als eigenständig handelnde Frau führen? Wieso liess sie sich nicht wieder mittels einer erneuten Heirat in die familiär-dynastische Politik einbinden und wie gelang es ihr stattdessen, während über sechzig Jahren diese Politik teilweise selbst mitzugestalten? Was war das für ein Lebensentwurf, den sie verwirklichen konnte, welche Spielräume besass sie? Und gab es Vorbilder dafür? Fragen, die durchaus kontrovers beantwortet werden können, da Agnes selbst keine autografischen Quellen hinterlassen hat.10
Agnes von Habsburg ist wahrscheinlich im Jahr 1280 geboren. Die genauen Umstände sowie Zeit und Ort ihrer Geburt sind nicht bekannt. Verschiedene Quellen haben das Geburtsjahr 1281 verzeichnet. Da aber ihr jüngerer Bruder Rudolf mit grosser Wahrscheinlichkeit im Sommer 1281 geboren wurde, ist für Agnes das Jahr 1280 wohl sicher, sonst hätten die beiden Zwillinge sein müssen.11 Agnes war die zweite Tochter des damaligen Grafen Albrecht von Habsburg und seiner Gattin Elisabeth von Görz-Tirol. Albrecht, geboren 1255, war ältester Sohn des Rudolf von Habsburg, damals noch kleiner Graf im Elsass und im Aargau, und der schwäbischen Gräfin Gertrud von Hohenberg. Elisabeth ihrerseits war Tochter von Meinhard II. von Görz-Tirol und von Elisabeth von Bayern. Ihre Geburt datiert um das Jahr 1262. Ihre Mutter war in erster Ehe mit König Konrad von Hohenstaufen verheiratet gewesen und Mutter von Konradin, des letzten Staufers. Die Tochter Elisabeth konnte also eine gute Herkunft vorweisen.
Rudolf von Habsburg, gut zwanzig Jahre älter als Meinhard II., wird noch dessen gleichnamigen Vater gekannt haben.12 Beide waren in den Jahren um 1240 in Diensten des staufischen Kaisers Friedrich II. in Norditalien gestanden. Der Habsburger und der Görzer, der 1254 das Tiroler Erbe antreten konnte, gehörten zu den staufischen Parteigängern. Das enge Einvernehmen der Habsburger und der Tiroler Meinhardiner wird aus dieser Zeit stammen. Die Eheverbindung zwischen ihren Kindern Albrecht und Elisabeth vereinbarten sie wahrscheinlich an der Wende zum Jahr 1273, das heisst noch vor der überraschenden Wahl von Rudolf von Habsburg zum König des Heiligen Römischen Reichs im Herbst 1273. Damit verbanden sich zwei Aufsteigerfamilien aus der Zeit des Interregnums, der sogenannten königslosen Zeit.
Elisabeth von Görz-Tirol war zu dieser Zeit erst gut zehn Jahre alt (siehe S. 118f.). Die Ehe wird also ein paar Jahre später vollzogen worden sein. Das erste Kind von Albrecht und Elisabeth, Anna, ist wahrscheinlich 1279 geboren worden. In den Jahren dazwischen hatte sich Rudolf von Habsburg als König etabliert. Einer seiner wichtigsten Unterstützer war Meinhard von Tirol. Zusammen mit ihm und dem ungarischen König Ladislaus IV. konnte Rudolf den Konflikt mit dem böhmischen König Ottokar für sich entscheiden. In der berühmt gewordenen Schlacht auf dem Marchfeld in der Nähe von Wien Ende August 1278 kam Ottokar um (siehe S. 96f.). Damit fielen die Herzogtümer Österreich, Steiermark und Kärnten als Reichslehen an den König zurück, der sie vier Jahre später mit Einverständnis der Kurfürsten an seine beiden Söhne Albrecht und Rudolf verleihen konnte. Das Herzogtum Kärnten ging als Lohn für seine Unterstützung an Meinhard von Tirol.
In diese dramatische Zeit hinein wurde Agnes geboren. Ihr Geburtsort lag wahrscheinlich in den alten habsburgischen Stammlanden im Aargau. Sie wird die ersten drei Lebensjahre zusammen mit ihrer älteren Schwester Anna und dem jüngeren Bruder Rudolf noch im Aargau verbracht haben, weniger auf den Burgen, sondern eher in den Stadthäusern von Baden, Brugg, Rheinfelden oder Basel. Mit der Verleihung der Herzogtümer Österreich und Steiermark an ihren Vater Albrecht übersiedelte die Familie 1283 nach Wien.13 Die Schwaben aus dem Westen, die zwar eine ähnliche, aber doch nicht die gleiche Sprache wie die Leute vor Ort sprachen, waren in Wien zu Beginn nicht willkommen. Allen voran Albrechts Landesmarschall Hermann von Landenberg aus dem Zürcher Oberland, der in den folgenden gut 25 Jahren eine wichtige Rolle spielen sollte (siehe S. 177f.). Die Stadt Wien rebellierte 1287/88 gegen den neuen Landesherrn und musste anschliessend einen Teil ihrer Privilegien abgeben und gar die Ringmauern schleifen. Der österreichische und der steirische Adel hatten sich 1278 in Rudolfs Kampf gegen Ottokar von Böhmen zwar auf die Seite des Habsburgers gestellt. Er blieb aber auf Distanz, nicht zuletzt, weil der neue Herzog es ebenso hielt, und es dauerte Jahre beziehungsweise Jahrzehnte, bis die Habsburger in Wien wirklich angekommen waren.
Die herzogliche Burg in Wien entsprach in Bezug auf den Umfang in etwa dem heutigen Schweizertrakt, der noch in babenbergischer Zeit angelegt und von Ottokar von Böhmen nach 1250 ausgebaut worden war. Die Burg war Teil der Stadtbefestigung. Der bis heute erhaltene, barock umgebaute Residenzsaal war nicht grösser als vergleichbare Rittersäle in habsburgischen Burgen im Westen. Die Familie wuchs in den folgenden Jahren auf stattliche zwölf Kinder an, wobei elf das Erwachsenenalter erreichten.
Rudolf I. von Habsburg hatte als König lange Jahre erfolgreich regiert.14 Er verband seine Familie mit den wichtigsten Reichsfürsten, den Herzögen von Bayern und Sachsen sowie den Markgrafen von Brandenburg. Zentral war aber vor allem seine Ostpolitik mit der erfolgreichen Übernahme von Österreich und der Steiermark und der Annäherung an Böhmen und Ungarn. Kurz nach der Entscheidung auf dem Marchfeld 1278 waren zwei Eheprojekte vereinbart worden: Albrechts 15 Jahre jüngerer Bruder Rudolf sollte Agnes von Böhmen heiraten, die Tochter von Ottokar; seine Schwester Guta Ottokars Sohn Wenzel II. Letztere Verbindung wurde 1285 definitiv geschlossen, diejenige zwischen Rudolf und Agnes 1289 (siehe S. 136f.). In Richtung Ungarn hatte König Rudolf seine Tochter Clementia mit Karl Martell von Anjou-Neapel verheiratet, welcher über seine Mutter Maria von Ungarn Ansprüche an den ungarischen Thron stellen konnte. Damit schufen die Habsburger den ersten Kontakt zu den Anjou in Italien, die beste Beziehungen zur Kurie pflegten und sich später als ungarische Könige etablierten konnten.
Die beiden letzten Lebensjahre des Königs stellten hingegen vieles wieder infrage. Sein jüngerer Sohn Rudolf starb erst zwanzigjährig überraschend 1290 bei einem Besuch seiner Schwester Guta am Prager Hof. Seine Gattin Agnes von Böhmen war zu dieser Zeit schwanger mit Johann, den man später Johann von Schwaben nennen und der zum Königsmörder, zum Mörder seines Onkels Albrecht I., werden sollte (siehe S. 113f.). Kurze Zeit später wurde Ladislaus IV. von Ungarn umgebracht, der Rudolf als junger König im Kampf gegen Ottokar von Böhmen massgeblich unterstützt hatte. Das fein gewobene Netz zwischen Österreich, Böhmen und Ungarn schien zu zerreissen. Rudolf versuchte, Ungarn als Reichslehen zu reklamieren und seinem Sohn Albrecht zu übertragen, ohne dafür eine reichsrechtliche Grundlage zu haben. Der König verstarb im Juli 1291 im hohen Alter von 73 Jahren. Eine direkte Nachfolge im Reich durch seinen Sohn hatte er nicht erreicht. Und die wählenden Kurfürsten, darunter Albrechts Schwager Wenzel II. von Böhmen, verweigerten dem Habsburger die Wahl.
Der Tod des Königs und die relativ lange, fast zehnmonatige Frist, bis sich die Kurfürsten mit Adolf von Nassau auf einen Nachfolger einigen konnten, schufen maximale Verunsicherung. Agnes’ Vater Herzog Albrecht musste sich gleich an mehreren Fronten Aufständen erwehren. Der neu gewählte König von Ungarn, Andreas III., der noch kurz zuvor am Wiener Hof geweilt hatte, brach einen Krieg vom Zaun und marschierte gegen Wien, belagerte die Stadt und verwüstete die Umgebung. Unterstützt wurde er dabei von einem alten Bekannten der Habsburger, Iwan von Güssing. Gegen ihn hatten Albrecht und sein Marschall Hermann von Landenberg über mehrere Jahre hinweg eine Fehde geführt, die erst 1289 mit der Eroberung der Stammburg Güns an der heutigen Grenze zwischen dem Burgenland und Ungarn zu einem für den Habsburger erfolgreichen Ende gekommen war. Albrecht musste im August 1291 in Hainburg in Friedensverhandlungen mit Andreas III. einwilligen und zwei Jahre zuvor besetzte Gebiete wieder abtreten (siehe S. 100f.). An der Jahreswende brachen sowohl in der Steiermark wie im habsburgischen Westen, im Raum zwischen Bern und Konstanz, Aufstände aus. Sie wurden angeführt von Adligen und Städten, die sich in den Jahren erfolgreicher habsburgischer Politik auf der Verliererseite gesehen hatten. Im März 1292 schlug Herzog Albrecht den Aufstand in der Steiermark nieder, im Sommer des Jahres schliesslich die Rebellion im Raum zwischen Zürich und dem Bodensee. Im letzten Moment konnte er den Kopf aus der Schlinge ziehen.15 Aber die Königswahl war verloren.
Die konfliktreichen Jahre mit Ungarn zwischen 1285 und 1291 sollten für Agnes schwerwiegende Folgen haben. Sie lebte als Mädchen und junge Frau in Wien. Die Chronisten beschrieben sie später als von «kurzer» Statur, das heisst nicht sehr gross, und sie soll auch nicht durch besondere Schönheit aufgefallen sein. Da sie in späteren Jahren als gebildete Frau erscheint, die selbst Latein beherrschte, wird sie eine gute Ausbildung erhalten haben. Als ihr Lehrer wird der Notar von König Rudolf I., Konrad von Diessenhofen, vermutet. Zugeschrieben wurde Agnes seit der Kindheit eine besondere Frömmigkeit. Sie sei «von jugent uff flissig uff libes und hertze reinigkeit und luterkeit» bedacht gewesen, und «sie war auch enzündet mit der flamme götlicher liebe und erhub sich über fleischlich begirde, daz sie möchte hören, was godt ihr redte», wie der Königsfelder Chronist nach ihrem Tod schreibt.16
Töchter und Söhne hochadliger Familien wurden in aller Regel schon als Kleinkinder für politische Allianzen eingesetzt. Eheversprechen und Verlobungen vereinbarte man bisweilen schon wenige Jahre nach der Geburt. Bei Agnes von Habsburg war dies nicht anders. Die spätere Chronistik kolportiert den Plan einer Ehe mit einem Abkömmling der römischen Familie Colonna, die sich angeblich bis auf Caesar zurückführen liess und unter dem damals regierenden Papst Nikolaus IV. zu Einfluss gekommen war. Die Habsburger versuchten mit dieser Verwandtschaft ihre Legitimation als Königsfamilie zu stärken. Eine Geschichte, die kaum sehr konkret gewesen sein kann.17
Die Konflikte mit Ungarn führten hingegen zu einem konkreten Eheprojekt. Nicht selten wurden Friedensschlüsse nach Kriegen oder Konflikten so abgesichert. Andreas III. von Ungarn war ein Enkel des gleichnamigen Königs des frühen 13. Jahrhunderts. Sein Vater Stephan hatte in der ungarischen Thronfolge als letztgeborener Sohn keine Rolle gespielt. Als Herzog von Slawonien – im heutigen Osten von Kroatien gelegen – war er in zweiter Ehe mit einer venezianischen Patrizierin verheiratet gewesen. Andreas III. scheint seine Kindheit und Jugend denn auch mehrheitlich in Venedig verbracht zu haben. Er begann eine politische Rolle im Zusammenhang mit der sogenannten Güssinger Fehde zu spielen. Iwan von Güssing stand im Konflikt mit Ladislaus IV. und infolgedessen auch mit Albrecht von Habsburg. Er begann, Andreas in seine Politik gegen Ladislaus einzuspannen. Wie bereits gesehen konnte Albrecht diese Fehde 1289 zu seinen Gunsten entscheiden, woraufhin er Andreas wohl kurzzeitig als Geisel in Wien festhielt. Dieser wird den Wiener Hof und auch die ältesten Kinder Albrechts also gekannt haben.
Als letzter Abkömmling der ungarischen Dynastie der Arpaden konnte er sich aber nach der Ermordung von Ladislaus IV. aus Wien davonstehlen und sich als neuer König mit der Hilfe von Iwan von Güssing rasch durchsetzen. Allerdings mischte sich Papst Nikolaus IV. ein. Das ungarische Königreich galt seit der Christianisierung um das Jahr 1000 als Lehen der Kurie. Und der Papst unterstützte die mit dem ungarischen Königshaus verwandten Anjou-Neapel als Thronprätendenten. In diesem Dreieck zwischen Ungarn, Habsburg und Anjou-Neapel lavierte Iwan von Güssing. Er hatte Andreas bei seiner Wahl zum König 1290 und auch bei dessen Krieg gegen Albrecht von Habsburg ein Jahr später unterstützt. Der Frieden von Hainburg Ende August 1291 mit dem Habsburger war dann aber nicht in seinem Sinn und er wechselte auf die päpstliche Seite der Anjou. Karl Martell von Neapel, Sohn der Maria von Ungarn, versuchte 1291/92, seine Ansprüche militärisch durchzusetzen, wurde jedoch von Andreas III. bei Zagreb geschlagen. Damit machte eine engere Verbindung zwischen Ungarn und Habsburg-Österreich Sinn. Andreas war verheiratet mit Ferena von Kujawien, einer polnischen Fürstentochter. Aus dieser Ehe ging die Tochter Elisabeth hervor. 1295 verstarb Ferena von Kujawien. Damit war der Weg frei für eine Allianz zwischen Ungarn und Österreich (siehe S. 104f.). Und dafür setzte Albrecht von Habsburg seine zweite Tochter Agnes ein, nachdem er die erste, Anna, im gleichen Jahr unter Vermittlung von Wenzel von Böhmen mit dem Markgrafen Hermann von Brandenburg verheiratet hatte. Als Schwager des böhmischen und Schwiegervater des ungarischen Königs konnte er seine Stellung im Donauraum stärken.
Die Vermählung wurde wohl 1296 vereinbart, die 16-jährige Agnes verblieb aber vorerst in Wien, da sowohl Andreas wie Albrecht sich mit Adelsaufständen auseinanderzusetzen hatten, auf ungarischer Seite einmal mehr mit Iwan von Güssing an der Spitze. Agnes erhielt von ihrem Vater die sehr hohe Mitgift von 40 000 Mark Silber, die von Andreas von Ungarn wie damals üblich auf Lebenszeit auf Stadt und Grafschaft Pressburg (Bratislava) abgesichert wurde. Der Zugriff auf die Einkünfte aus Pressburg verschaffte Agnes einen grossen finanziellen Spielraum, und er sollte mehr als 25 Jahre ein Politikum zwischen Ungarn und Österreich bleiben (siehe S. 109f.). Herzog Albrecht zog aus dieser Verbindung politisches Kapital, das sich auch im Reich einsetzen liess. Und dieses konnte er bald gebrauchen.
Albrecht war ein Jahr zuvor schwer erkrankt, hatte möglicherweise eine Vergiftung erlitten, die mit einer rabiaten Methode kuriert werden sollte. Er wurde kopfüber an den Füssen aufgehängt, damit das Gift ausfliessen könne. Dabei scheint er einen Blutstau erlitten zu haben, in dessen Folge er ein Auge verlor. Diese Erkrankung hatten die österreichischen Magnaten zum Anlass genommen für einen Aufstand gegen ihren Landesherrn. Und sie wurden dabei von König Adolf von Nassau unterstützt, der bisher mit dem Habsburger Konkurrenten in einem neutralen Verhältnis gestanden war. Der König verlangte die Herausgabe der Herzogtümer Österreich und Steiermark an das Reich, obwohl er diese nach seiner Wahl 1292 dem Habsburger verliehen hatte. Albrecht konnte den Aufstand seiner Vasallen niederschlagen. Und gleichzeitig wuchsen die Widerstände gegen Adolf von Nassau im Reich. Bei der Krönung von Wenzel II. von Böhmen im Jahr 1297 trafen sich die wichtigsten Fürsten des Reichs in Prag und verhandelten erstmals die Absetzung des Königs. Agnes war inzwischen zur ungarischen Königin gekrönt worden, und Anfang Februar 1298 wurde in Wien ein prunkvolles Hochzeitsfest nachgeholt, in Anwesenheit derselben Fürsten, die sich wenige Monate zuvor in Prag getroffen hatten. Gleichzeitig wurde die Verlobung des damals neunjährigen Wenzel III. von Böhmen mit der erst fünfjährigen ungarischen Erbtochter Elisabeth vereinbart. Das nach 1290 zerrissene Netz zwischen Böhmen, Ungarn und Österreich war wieder dicht gewoben. Das ungarische Gefolge des Andreas scheint sich in Wien übrigens ziemlich rüpelhaft aufgeführt zu haben, wie der österreichische Reimchronist Ottokar schreibt.
Bei der Zusammenkunft in Wien Anfang Februar wird wohl auch die definitive Absetzung von König Adolf von Nassau verabredet worden zu sein. Formell beschlossen wurde sie schliesslich am 23. Juni 1298 in Mainz. Gleichzeitig wurde Albrecht von Habsburg zum neuen König gewählt. Er war mit grossem militärischem Gefolge an den Rhein gezogen und konnte wenige Tage später seinen Konkurrenten besiegen: Adolf von Nassau fiel in der Schlacht bei Göllheim. Ende Juli erfolgte die formelle Wahl von Albrecht nochmals in Frankfurt, am 24. August die Krönung in Aachen. Sieben Jahre nach dem Tod von Rudolf von Habsburg stand die Familie wieder an der Spitze des Reichs.
Über die wenigen Ehejahre der Agnes in Ungarn ist kaum etwas bekannt. Die österreichische Chronik der 95 Herrschaften spricht über Agnes folgendermassen: «Sie waz junch an den jaren, und alt an dem Mut und fragte vil umb göttlich dinge.»18 Die Ehe mit dem etwa 15 Jahre älteren Andreas von Ungarn blieb kinderlos. Der König hatte sich weiterhin gegen die Kurie, neu unter Papst Bonifaz VIII., und die Ansprüche der Anjou-Neapel zu verteidigen. Kroatische Vasallen der Ungarn krönten Karl Robert von Anjou-Neapel 1300 in Zagreb zum Gegenkönig. Mit den wichtigsten ungarischen Magnaten konnte sich Andreas aber ins Einvernehmen setzen. Selbst der lavierende Iwan von Güssing schlug sich wieder auf seine Seite. Allerdings blieb das Etikett des etwas fremden «Venezianers» an Andreas haften. Seine Mutter, Catharina Tomisana Morosini, und Gefolgsleute aus Italien scheinen am Hof in Buda eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Eigenständiges Handeln der Agnes als Königin ist kaum sichtbar, eine einzige von ihr gesiegelte Urkunde von 1299 zugunsten der Bischofskirche von Veszprim (Weissbrünn) ist bekannt. Sie benutzte das Siegel mit dem sogenannten Patriarchenkreuz, auch ungarisches Doppelkreuz genannt (siehe S. 124f.) – das sie später auch in Königsfelden verwendete und das zum Siegel des Klosters wurde.
Während der wenigen Jahre in Ungarn könnte ein doppeltes Ereignis in Pressburg von Bedeutung für Agnes gewesen sein. Im Jahr 1297 liess Andreas III. die Kirche des neu erbauten Franziskanerklosters weihen, und im selben Jahr wurde das schon bestehende Zisterzienserinnenkloster in einen Klarissenkonvent umgewandelt. Die beiden Armuts- oder Minoritenorden wurden seit einigen Jahrzehnten von den europäischen Dynastien stark gefördert, sie waren geradezu Modeorden geworden. Die beiden in räumlicher Nähe gelegenen Klöster in Pressburg könnten Agnes anschauliches Vorbild gewesen sein für spätere Klosterstiftungen der Habsburger, insbesondere auch für Königsfelden. Hat Agnes ihren Ehemann allenfalls sogar in dieser Hinsicht bestärkt? Andreas III. wurde denn auch nach seinem Tod am 14. Januar 1301 in der Minoritenkirche auf dem Burgberg von Buda bestattet.
Andreas und seine Mutter verstarben kurz nacheinander. Und so war Agnes von Ungarn, gut zwanzigjährig, bereits Witwe. Und wieder, wie 1290, brach nach dem Tod eines ungarischen Königs ein Chaos um seine Nachfolge los (siehe S. 109f.). Anwärter gab es mehrere. Der mittlerweile zwölfjährige Wenzel III. von Böhmen war Andreas’ Tochter Elisabeth versprochen und hatte die besten Karten. Karl Robert von Anjou-Neapel, Sohn des Karl Martell und von Agnes’ Tante Clementia von Habsburg sowie Enkel der Maria von Ungarn, meldete mit Unterstützung der Kurie wieder seine Ansprüche an. Und Otto von Niederbayern, dessen Grossvater mütterlicherseits der ungarische König Bela IV. gewesen war, stand ebenfalls zur Verfügung. Die ungarischen Magnaten, selbst untereinander zerstritten, boten dem Bayern die Krone an. Vorerst setzte sich aber Wenzel von Böhmen durch. Dieser erbte 1305, nach dem Tod seines Vaters, die böhmische und auch die polnische Krone und verzichtete zugunsten von Otto von Niederbayern auf Ungarn. Die Herrschaft des Bayern stand jedoch unter keinem guten Stern. Er wurde von Karl Robert von Anjou-Neapel bedrängt, schliesslich gefangen genommen und musste im Herbst 1307 die Herrschaft von Karl Robert anerkennen. Damit beruhigte sich die Situation in Ungarn, die Anjou-Neapel regierten die nachfolgenden Jahrzehnte. Und – nicht unwichtig – König Albrecht von Habsburg hatte sich mit ihnen und der Kurie arrangiert.
Wo war Agnes in diesen Jahren? Die Chronistik berichtet, dass Agnes zusammen mit ihrer Stieftochter Elisabeth unmittelbar nach dem Tod ihres Gatten von den ungarischen Magnaten auf der Residenz in Buda festgesetzt wurde. Die damals erst zehnjährige Erbtochter Elisabeth spielte als Wenzels Verlobte in diesem Fall wohl die wichtigere Rolle. Im ungarischen Adel gab es verschiedene Fraktionen, die unterschiedliche Interessen verfolgten. Agnes’ Vater König Albrecht war im Rheinland unterwegs, in Wien residierte ihr jüngerer Bruder Rudolf, erst zwanzigjährig, mit Mutter Elisabeth an seiner Seite. Offenbar reagierten die Habsburger schnell. Der Landesmarschall Hermann von Landenberg stellte eine Truppe zusammen und stiess rasch zum auf halbem Weg nach Buda gelegenen Kloster St. Martin vor, dem ältesten Benediktinerstift Ungarns, der heutigen Abtei Pannonhalma. Wahrscheinlich besass er die Unterstützung des Iwan von Güssing. Von St. Martin aus war es nicht mehr weit nach Buda. Landenberg schaffte es, Agnes mit ihrer Stieftochter Elisabeth und – gemäss Chronisten – dem legendär gewordenen Schatz der Königin ausser Landes nach Wien zu schaffen. Die Königsfelder Chronik nennt 8000 Mark Silber und 800 Kleinodien, die nach Wien geschafft worden seien. Das 1357 von Agnes angefertigte Schatzverzeichnis von Königsfelden wird noch einige dieser Kleinodien enthalten haben.19 Dazu gehörte auch das Altar-Diptychon, das heute im Bernischen Historischen Museum aufbewahrt wird. Es wird sich um einen Reisealtar des Andreas III. gehandelt haben, angefertigt wahrscheinlich in Venedig.20 Agnes und Elisabeth verzichteten nicht auf allfällige Rechte an der ungarischen Krone. In Ungarn setzte sich vorerst die böhmische Partei durch und der junge Wenzel wurde Ende August 1301 in Stuhlweissenburg gekrönt, dem südwestlich von Budapest gelegenen Krönungsort der Ungarn.
Von Bedeutung war, dass die Habsburger mit der Stieftochter Elisabeth ein politisches Pfand in der Hand hatten, das sie in den folgenden unruhigen Jahren in Ungarn einsetzen konnten. Agnes scheint vorerst mit ihr in Wien geblieben zu sein, in der Nähe ihres Bruders Rudolf, der ein Jahr zuvor Blanche von Frankreich, die Halbschwester des französischen Königs Philipp IV., geheiratet hatte. Rudolf war 1298 zusammen mit seinen jüngeren Brüdern Friedrich, damals neun, und Leopold, acht Jahre alt, als Regent in Österreich und der Steiermark eingesetzt worden. Agnes war auch im Umfeld ihrer Mutter Elisabeth anzutreffen, die 1302, notabene mit vierzig Jahren, noch ihr letztes Kind, Jutta oder Guta, zur Welt brachte. Der Königsfelder Chronist schreibt der noch jungen Agnes ein von der Welt abgewandtes, Gott zugewandtes Witwenleben zu.21 Diese Stilisierung der frommen Habsburgerin ist hagiografisch zu verstehen und wird mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun gehabt haben.
Auf dem politischen Parkett handelten die Habsburger pragmatisch und zugunsten von Agnes.22 König Albrecht und sein Sohn Rudolf versöhnten sich 1304 mit den Anjou-Neapel und auch mit der Kurie, die bisher das Königtum des Habsburgers nicht anerkannt hatte. Ende August 1304 schloss Rudolf eine Vereinbarung mit Karl Robert von Anjou-Neapel zur Unterstützung von dessen ungarischen Ambitionen.23 Die Habsburger sicherten sich im Gegenzug die Nutzung des ungarischen Besitzes der Agnes, die Herrschaft Pressburg, die Widerlegung der Morgengabe zu ihrer Hochzeit mit Andreas. Agnes später immer wieder kolportierter Reichtum basierte wohl auf dieser Vereinbarung beziehungsweise auf den Einkünften aus Pressburg. (siehe S. 109f.). Im September 1305 trat sie erstmals als Geldgeberin ihrer Brüder auf, als sie Zoll und Gericht von Ybbs an der Donau um 400 Mark Silber an ihren Bruder Friedrich verpfändete.24 Im folgenden Jahr stellte sie mehrmals zusammen mit ihrer Mutter Urkunden bei Vergabungen an Klöster aus. Die beiden reisten wahrscheinlich Ende 1306 zusammen mit Leopold in die Vorlande. Leopold übernahm die Regentschaft im Westen, Friedrich diejenige in Österreich. Dies deshalb, weil ihr älterer Bruder Rudolf bereits mit 27 Jahren verstorben war.
Im März 1305 hatte Rudolf seine erste Frau Blanche von Frankreich verloren. Die fünfjährige Ehe war kinderlos geblieben. Im gleichen Jahr war Wenzel II. von Böhmen verstorben. Sein gleichnamiger Sohn, ursprünglich verlobt mit Agnes’ Stieftochter Elisabeth, trat als 16-Jähriger die Nachfolge an. Er hatte inzwischen eine polnische Fürstin geheiratet. Im August 1306 wurde er von unbekannter Hand ermordet. Damit war die böhmische Dynastie der Přemysliden in der männlichen Nachfolge ausgestorben. In dieser Situation brachte Albrecht seinen Sohn Rudolf ins Spiel und verabredete eine Heirat mit der Witwe von Wenzel II., der erst zwanzigjährigen Elisabeth von Polen. Er war damit Anwärter auf den böhmischen Thron. Konkurrent war sein Onkel Heinrich von Kärnten, Sohn von Meinrad II. von Görz-Tirol, der 1306 Anna, die Tochter von Wenzel II., heiratete. Da Böhmen als Reichslehen an die Krone gefallen war, konnte König Albrecht seinen Sohn damit betrauen. Rudolf trat deshalb Österreich und die Steiermark an seinen Bruder Friedrich ab. Teile der böhmischen Magnaten bevorzugten hingegen Heinrich von Kärnten. Rudolfs Regentschaft in Prag war kurz, bereits im Juli 1307 verstarb er auf einem Feldzug (siehe S. 136f.). Heinrich von Kärnten erbte die Krone. Allerdings konnte er sich ihrer nicht lange erfreuen. Schon drei Jahre später musste er aus Prag abziehen. Der neue König Heinrich VII. aus dem Haus Luxemburg entzog ihm 1310 das Reichslehen und übertrug es an seinen Sohn Johann. Damit begann eine mehr als hundertjährige Herrschaft der Luxemburger in Prag. Heinrich zog sich zurück nach Kärnten.
Albrecht hielt sich im Frühling 1308 nach vergeblicher Intervention in der böhmischen Sache in den Vorlanden auf. Mit dabei im königlichen Tross, der wohl auf ein paar Dutzend Ritter und Gefolge zu schätzen ist, waren sein 18-jähriger Sohn Leopold, aber auch sein gleichaltriger Neffe Johann von Schwaben; dazu weitere Fürsten und Bischöfe des Reichs, darunter der spätere König und Konkurrent der Habsburger, Ludwig der Bayer, oder Bischof Johann von Strassburg, der Kanzler Albrechts. Albrechts Neffe Johann, Sohn des früh verstorbenen Bruders Rudolf und der Agnes von Böhmen, hatte seine ersten Lebensjahre zusammen mit seiner Mutter in den Vorlanden, wahrscheinlich in Brugg, verbracht. Das althabsburgische und das Kyburger Erbe waren der Agnes von Böhmen als Morgengabe verschrieben worden. Diese kehrte 1295 nach Prag zurück, trat in das Klarissenkloster ein und verstarb ein Jahr später. Ihr erst sechsjähriger Sohn Johann kam an den habsburgischen Hof. Als Enkel von Ottokar II. von Böhmen und Sohn von Rudolf II. von Habsburg konnte er Erbansprüche sowohl auf böhmischer wie auf habsburgischer Seite geltend machen (siehe S. 113f.). Sein Vater hatte 1283 im Vertrag von Rheinfelden zugunsten von dessen Bruder Albrecht auf Österreich und die Steiermark verzichtet. Dafür waren ihm die Besitzungen der Habsburger im Westen versprochen worden, ja die Idee einer Wiedererrichtung des zerfallenen Herzogtums Schwaben scheint dabei Pate gestanden zu haben. Deshalb wurde Rudolfs Sohn auch Johann von Schwaben genannt. Mit der Volljährigkeit stellte dieser Erbansprüche an seinen Onkel Albrecht, der ihm diese aber verweigerte. Spöttisch bezeichnete man ihn fortan als Johann ohne Land.
In den letzten Tagen des April 1308 hielt sich der königliche Tross in Baden auf. Am Vorabend des 1. Mai soll Johann ein weiteres Mal vergeblich sein Erbe eingefordert