Die große Fondslüge - Michael Ritzau - E-Book

Die große Fondslüge E-Book

Michael Ritzau

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Beschreibung

Anleger in Deutschland verlieren durch systematische Fehlberatung beim Fondskauf Jahr für Jahr Milliarden Euro durch hohe Gebühren für nutzloses Fondsmanagement. Sie investieren in vermeintliche Spitzenfonds, die in Wahrheit reine Zufallsgewinner sind. Dieses Buch entlarvt, wer sie dazu verleitet und warum. Die Akteure dieser großen Fondslüge reichen von Banken und Sparkassen über Firmen, die nutzlose Fondsratings nur für Marketingzwecke produzieren bis hin zur Stiftung Warentest, die – entgegen allen Erkenntnissen der Wissenschaft – Anleger unbeirrt in teure Spitzenfonds lotst. Ritzau zeigt – immer fundiert und mit unzähligen Beispielen – wie schlecht sich die Gewinnerfonds der Vergangenheit entwickelt haben, welche Rolle Lobbyismus, Politik und Medien spielen und nach welchen Kriterien Anleger ihre Fonds stattdessen auswählen können. Themenbezogene Interviews mit den Wirtschaftswissenschaftlern und Nobelpreisträgern William F. Sharpe und Eugene Fama ergänzen den Band.

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Seitenzahl: 286

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Michael Ritzau

DIE GROßE FONDSLÜGE

Michael Ritzau

Die große Fondslüge

Falsch beraten von Finanztest, Sparkassen, Banken und Co

Tectum

Sämtliche im Buch präsentierten Angaben und Aussagen sind das Ergebnis von sorgfältiger Recherche und Berechnung. Der Autor kann aber weder Fehler in den externen Datenquellen noch bei den eigenen Berechnungen ausschließen. Haftungsansprüche jeglicher Art gegen den Autor sind grundsätzlich ausgeschlossen.

Michael Ritzau

Die große Fondslüge. Falsch beraten von Finanztest, Sparkassen, Banken und Co

Tectum Verlag Marburg, 2016

ISBN 978-3-8288-6539-6

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter

der ISBN 978-3-8288-3728-7 im Tectum Verlag erschienen.)

Lektorat: Christina Kruschwitz

Umschlag: CreativaImages / www.istockphoto.com

Besuchen Sie uns im Internetwww.tectum-verlag.de

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Für Geraldine und Tim

Inhalt

Einleitung: Die große Fondslüge – Wie uns teure Zufallsgewinner als angebliche Spitzenfonds untergejubelt werden

1.Bevor wir loslegen – kurzer Crashkurs Fondsbewertung

2.Wer mischt alles mit bei der Fondslüge – und warum?

Die Zukunft vorhersagen mit Blick in den Rückspiegel? Die Bewerter von Fonds

Finanztest: Der Ex-Chef empfiehlt nur noch Indexfonds – seine Nachfolger haben den Absprung noch vor sich

Morningstar: Der Markführer verteilt nutzlose Sternchen – und jeder nutzt sie

Lipper Leaders: Sinnlose Pünktchen statt nutzloser Sternchen

Feri-Fondsrating: Die »Einäugigen unter den Blinden« herausfinden?

Massenhaft Preise für jeden: Die »Fund and Asset Manager Awards«

»Kosten hoch halten!«: Die Fondsstrategie der Banken, Sparkassen und Versicherungen

Der Etikettenschwindel mit den verkappten Indexfonds

Die Mär von den guten Banken: Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken

Die Fondslüge im Kostenquadrat: Dachfonds, Fonds mit erfolgsabhängigen Gebühren und Fonds im Versicherungsmantel

Mischfonds: besonders beliebt, besonders teuer, besonders schlecht!

Schließen, verändern, verschmelzen – Wie erfolglose Fonds aus der Statistik verschwinden

3.Unkritische Medienberichte als Verbreiter der Fondslüge

4.Die große Fondslüge – die Rolle von Politik und Lobbyismus

Das Versagen der Politik bei Fondsregulierung und Riesterrente

Die ignorierte Blaupause: Schwedens gelungene Prämienrente mit Indexfonds

5.Die große Fondslüge: Warum sind wir so leichte Opfer?

Die Schule entlässt uns unvorbereitet – eine Fallstudie

Fonds sind anders als Toaster!

Frei erfunden: Der Aufstieg und Fall des Fondsmanagers Felix Durchschnittlich

Der Zufall und die Fondshitlisten

Nun ist es bewiesen: Affen sind die besten Fondsmanager!

6.Investieren in aktiv gemanagte Fonds: Ein Spiel für Verlierer!

Die Spur der Verlierer: Der Track Record der aktiv gemanagten Fonds

Die Gretchenfrage: Gutes Fondsmanagement oder Zufall?

Umtausch-Strategien

Interview mit Nobelpreisträger Eugene F. Fama, 19. März 2016

Interview mit Nobelpreisträger William F. Sharpe, 2. März 2016

Der beste Fondsmanager aller Zeiten – Zufall oder Können?

7.Der große Test der Finanztest-Fondsempfehlungen

Die Methodik der Finanztest: Ein bis fünf Jahre in den Rückspiegel schauen

Wie Finanztest Topfonds durch Vergleich von Äpfeln und Birnen erschafft

Aktien-, Renten-, Mischfonds: Die Besten der Finanztest im Test

Alte (Zufalls-)Gewinner durch neue ersetzen? Die Umtauschstrategie der Finanztest im Test

Finanztest-Bewertungen von Indizes und Indexfonds

Warum hält Finanztest an ihren Fondsempfehlungen nach Vergangenheitsperformance fest?

8.Taugt das Feri-Rating mehr als die Fondsempfehlungen der Finanztest?

Die Ratingmethodik von Feri

Feri- und Lipper-Ratings sind oft fast identisch

Feri und Finanztest empfehlen dieselben Fonds – mit denselben schlechten Ergebnissen!

9.Die Resultate der Fondslüge: Die größten deutschen Publikumsfonds – Wie verwalten sie unser Geld?

Hoffentlich merkt’s keiner: Der drittgrößte deutsche Aktienfonds verliert die letzten sieben Jahre 3,8 % pro Jahr auf den Index

Der größte Publikumsfonds in Deutschland: Schon seit 2009 eine gigantische Geldvernichtungsmaschine

Uniglobal: Gebühren-Abzocke nach Genossenschaftsart – 100 % Gebühren für 2 % Abweichung vom Index

Schlechte Ergebnisse mit Konstanz: Der UniEuroRenta

10:2 für den Index: Die 12 größten Aktien-, Renten- und Mischfonds in Deutschland

Geld verlieren mit Gewinnerfonds von gestern: Wie Anleger durch falsches Timing schlechtere Renditen erzielen als die Fonds, in die Sie investieren

10.Die große Fondslüge – Wie viel Geld kostet sie uns?

11.Die Lehren aus der Fondslüge für Privatanleger

Provisionssystem durchschauen!

Kosten, Kosten, Kosten!

Diversifizieren, diversifizieren, diversifizieren!

Immer schön durchschnittlich bleiben!

Ignorieren Sie die Börsennachrichten!

Investieren, nicht Spekulieren!

Warten Sie nicht auf den richtigen Zeitpunkt – beginnen Sie jetzt!

Bleiben Sie Optimist und ignorieren Sie die Schwarzseher!

Schlusswort

Anhang – Ausführliche Tabellen

Einleitung: Die große Fondslüge

Wie uns teure Zufallsgewinner als angebliche Spitzenfonds untergejubelt werden

»Die Fondsindustrie ist keine Vermögensverwaltungs-Industrie. Sie ist eine Marketingindustrie!« [1]

DAVIDSWENSEN,LANGJÄHRIGERMANAGERDESSTIFUNGSFONDSDERYALEUNIVERSITÄT

Privatanleger in Deutschland verlieren Jahr für Jahr Milliarden Euro, weil ihnen überteuerte Fonds nach völlig falschen Auswahlkriterien empfohlen werden. Die Fondsanbieter leiten uns – um ihre Gebühreneinnahmen zu maximieren – bewusst in die Irre mit irrelevanten Informationen über Wertentwicklungen in der Vergangenheit. Gleichzeitig verschweigen sie uns, dass die Kosten die einzig relevanten Daten bei Fonds sind. Das ist ein riesiger Schwindel, der uns schon jahrzehntelang aufgetischt wird. Warum fallen wir so leicht darauf herein? Es gibt verschiedene Gründe: Die Schule entlässt uns fast ohne Finanzwissen ins Leben. Wir unterschätzen notorisch die Rolle des Zufalls – im Alltag ebenso wie bei der Wertentwicklung von Fonds. Das macht uns empfänglich für Falschinformationen. Aber die Schuld liegt nicht bei uns. Es gibt fundamentale Fehler im System, mit dem Fonds und andere Finanzprodukte hierzulande an den Mann oder die Frau gebracht werden.

Dieses Buch entlarvt – in verständlicher Sprache, aber immer wissenschaftlich fundiert und belegt – die Akteure der »großen Fondslüge«, die unerfüllbare Hoffnungen auf überdurchschnittliche Renditen mit angeblichen »Spitzenfonds« wecken und dafür sorgen, dass über hohe Gebühren für nutzloses Fondsmanagement ungeheure Summen aus den Taschen der Privatanleger in die Kassen von Banken und Fondsgesellschaften umgeleitet werden. Die Akteure reichen von den üblichen Verdächtigen wie Banken und Fondsgesellschaften über Firmen, die nutzlose Fondsratings produzieren, bis hin zur scheinbar unverdächtigen Finanztest. Jeder dieser Akteure spielt in diesem Spiel mit unserem Geld eine bestimmte Rolle und hat seine eigenen Motive.

Da haben wir die Produzenten der Fondsratings, die meist zugeben, dass ihre Ratings nichts über die zu erwartende Wertentwicklung eines Fonds aussagen, sie aber dennoch massenhaft produzieren und vermarkten. Die Fondsgesellschaften, die diese irrelevanten Ratings bewusst irreführend als Qualitätskriterium im Fondsmarketing einsetzen. Die Banken und Sparkassen, deren Provisionssystem den Verkauf teurer aktiv gemanagter Fonds erfordert, und die deshalb ihre kostengünstigen Indexfonds vor den Privatanlegern regelrecht verstecken. Die Stiftung Warentest, die – statt konsequent nur Indexfonds zu empfehlen – ihre Leser nach wie vor auch in überteuerte Zufallsgewinner lotst. Verantwortlich sind aber auch Politiker in Berlin und Brüssel, von denen zu wenige unabhängig von den Einflüsterungen der Finanz- und Fondsindustrie entscheiden. Ihre Fehlentscheidungen in der Regulierung von Fonds und des Finanzmarkts kommen uns teuer zu stehen.

All diese Akteure spielen ihren Part bei der großen Fondslüge, die Anleger in Deutschland jedes Jahr Milliarden Euro kostet. Wie viele, das berechnen wir näherungsweise in Kapitel 10. Der Hauptteil des Buches zeigt auf, warum das Investieren in »Spitzenfonds«, die in der Vergangenheit überdurchschnittlich waren, keinen Sinn macht. Wir erfahren in allgemeinverständlicher Form von den Ergebnissen führender Wissenschaftler. Wir befragen zwei Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften nach ihren Meinungen und Forschungsergebnissen zum Thema »Spitzenfonds«. Anhand der Finanztest-Fondshitlisten überprüfen wir dann selbst, wie die Anleger mit diesen Tipps gefahren sind. Und wir schauen uns in Kapitel 9 an, wie die größten Fonds das Geld der Privatanleger in Deutschland verwalten. Abschließend betrachten wir in Kapitel 11, welche Lehren Privatanleger aus der großen Fondslüge ziehen können. Denn die gute Nachricht ist: Man muss nicht auf sie hereinfallen. Es gibt hervorragende kostengünstige Produkte – man muss sie nur kennen.

Noch eine Anmerkung: Dieses Buch ist keine generelle Kapitalismuskritik. Meine Kritik ist nicht politisch oder ideologisch motiviert. Die Kritik an der Fondslüge kann man gleich gut von einem marktliberalen Standpunkt wie aus Verbraucherschutzperspektive begründen. Ich habe nichts gegen Märkte, die funktionieren. Wer in einem funktionierenden Markt ein nicht konkurrenzfähiges überteuertes Produkt anbietet, wird entweder in Konkurs gehen oder seinen Preis senken müssen. Der Fondsmarkt für Privatanleger in Deutschland und vielen anderen Ländern wird aber dominiert von einer nicht konkurrenzfähigen überteuerten Produktklasse: den aktiv gemanagten Fonds. Aus dieser Tatsache folgt unmittelbar, dass der Fondsmarkt nicht funktioniert. [2] Politik und Regulierungsbehörden müssen einschreiten und das schnellstens ändern. Sie müssen nicht protektionistisch oder bürokratisch regulieren. Nein, sie müssen einfach nur dafür sorgen, dass der Fondsmarkt endlich funktioniert! Die Anleger müssen endlich die Fakten über die Fonds erfahren. Sobald das der Fall ist, werden überteuerte Fonds und nutzlose Fondsmanager ganz von alleine verschwinden.

1. Bevor wir loslegen – kurzer Crashkurs Fondsbewertung

Es ist sehr wichtig, frühzeitig einige Begriffe zu erklären, denen wir ständig in diesem Buch begegnen werden. Begriffe, die mit der Bewertung von Fonds zusammenhängen. Ganz wichtig ist: Um den Erfolg eines Fonds bewerten zu können, genügt nicht die Aussage, dass er in einem bestimmten Zeitraum gestiegen ist. Ein Fonds kann steigen und trotzdem – relativ betrachtet – Geld vernichten. Wenn z. B. ein Fonds über fünf Jahre 43 % im Plus liegt, sein Vergleichsmaßstab aber 55 %, dann weist der Fonds eine relative Wertentwicklung von -12 % auf. Gerade bei Aktien kommen nach Jahren mit hohen Gewinnen immer wieder Einbrüche. Anleger, deren Aktienfonds in den guten Jahren nicht genügen »vorgelegt« haben, erleben dann ihr blaues Wunder.

Was ist nun ein »geeigneter Vergleichsmaßstab«? Nun, es ist meist ein Index, der die Wertentwicklung der in ihm enthaltenen Wertpapiere – wie zum Beispiel Aktien oder Anleihen – nachbildet. Ein bekanntes Beispiel in Deutschland ist der Dax, der die Entwicklung der 30 größten börsennotierten Aktienunternehmen Deutschlands nachvollzieht. Bekannte Unternehmen wie BASF, Siemens oder VW sind darin enthalten. Für einen Aktienfondsmanager, der nur in Dax-Aktien investiert, ist der Dax genau der richtige Vergleichsmaßstab. Statt Vergleichsmaßstab wird gerne auch der englische Begriff »Benchmark« verwendet. Vergleichsmaßstäbe oder Benchmarks können auch aus mehreren Indizes zusammengesetzt sein. Beispiel: Für einen Mischfonds, der laut Fondsprospekt zur Hälfte in Aktien und zur anderen Hälfte in Anleihen investiert, ist eine 1:1 zusammengesetzte Benchmark aus geeigneten Aktien- und Anleihe-Indizes das Richtige.

Es werden – auch in diesem Buch – noch eine ganze Reihe weiterer Begriffe benutzt, die alle synonym für Benchmark bzw. Vergleichsmaßstab stehen: Referenzindex, Vergleichsindex, Index oder einfach nur »Markt«. Wenn z. B. Nobelpreisträger William F. Sharpe im Interview in Kapitel 6 davon spricht, dass ein Fondsmanager 15 Jahre lang den »Markt« geschlagen hat, dann meint er damit seine Benchmark. Damit genug der Begriffsklärungen. Im folgenden Kapitel wollen wir uns mit den Akteuren der großen Fondslüge befassen.

2. Wer mischt alles mit bei der Fondslüge – und warum?

Dieses Buch handelt von der großen Fondslüge bei offenen Investmentfonds. Es behandelt nicht eine ähnlich klingende Produktkategorie des kaum regulierten grauen Kapitalmarkts, die sogenannten geschlossenen Fonds. Nicht weil bei geschlossenen Fonds keine Kritik angebracht wäre (im Gegenteil, die kaum regulierten geschlossenen Fonds sind so ziemlich das Übelste, was einem Anleger über den Weg laufen kann). [3] Nein, wir konzentrieren uns auf offene Fonds, um aufzuzeigen, mit welchen Mechanismen Privatanleger in Deutschland und anderswo auch in diesem stark regulierten Bereich massenhaft über den Tisch gezogen werden. Wir beginnen mit denjenigen, die Fonds nach ihrer Wertentwicklung in der Vergangenheit bewerten.

Die Zukunft vorhersagen mit Blick in den Rückspiegel? Die Bewerter von Fonds

Es gibt eine Reihe von kommerziellen Anbietern, die Fonds nach Vergangenheitsperformance bewerten. In Deutschland, der Schweiz und Österreich am wichtigsten sind Morningstar [4], Feri [5] und Lipper [6]. Um die Rolle dieser »Ratingagenturen« im System der großen Fondslüge zu verstehen, muss man sich erst einmal klarmachen, womit sie ihr Geld verdienen. Kein Privatanleger hat ihnen schließlich je einen Cent für ihre Fondsratings gezahlt. Der Sinn der Fondsratings ist nicht – auch wenn dieser Eindruck fast immer erweckt wird –, dem Privatanleger bei der Auswahl der besten Fonds zu helfen. Die Fondsratings sagen nichts über die zukünftige Wertentwicklung von Fonds aus.

Nein, die Fondsratings eignen sich für einen ganz anderen Zweck und werden genau dafür auch gemacht: als Marketingmaterial für den Fondsvertrieb! Zwar bewerten die Fondsratingagenturen in den allermeisten Fällen nicht im Auftrag der Fondsgesellschaften. Aber gerade das macht ja die Ratings für die Fondsgesellschaften so wertvoll: Ratings als »unabhängige« Bewertungen haben eine viel höhere Glaubwürdigkeit als solche, die im Auftrag erstellt wurden. Das bedeutet aber nicht, dass die Fondsgesellschaften nicht für Verwendung dieser Ratings zahlen. Natürlich tun sie das! Die Ratingagenturen erstellen ihre Ratings nicht aus »Spaß an der Freud«! Ihr Businessmodell ist es, diese Ratings zusammen mit anderen Fondsdaten zu vermarkten. [7] Die Fondsgesellschaften erwerben Lizenzen von den Ratingagenturen, um deren unabhängige Fondsratings für den Verkauf ihrer Fonds einzusetzen.

Hat man dieses Verhältnis zwischen Fondsratingagentur und Fondsgesellschaft einmal begriffen, versteht man einiges sehr viel besser. Beispielsweise, warum es allein in Deutschland Tausende von topbewerteten Fonds gibt. Warum die Ratinganbieter es nicht bei den Fondsratings belassen, sondern auch noch eine große Anzahl Preise für einzelne Fonds und sogar ganze Fondsgesellschaften vergeben. Aufgrund ihres Businessmodells haben die Produzenten der Fondsratings einen Anreiz, möglichst viele gute und sehr gute Bewertungen sowie Auszeichnungen von Fonds bereitzustellen, die dann für Fondsgesellschaften als Marketinginstrumente im Fondsvertrieb interessant sind. Davon profitieren einerseits die Produzenten der Fondsratings, da so die Zahl ihrer zahlenden Kunden steigt. Aber auch die Fondsgesellschaften, deren Interesse an unabhängigen positiven Bewertungen natürlich sehr groß ist.

Die Folge dieser »Win-Win-Situation«: Der prozentuale Anteil der mit »gut« oder »sehr gut« bewerteten Fonds ist extrem hoch: Er liegt je nach Ratinganbieter zwischen 32,5 und 40 % aller bewerteten Fonds. Die großen Fondsgesellschaften mit ihren Hunderten von Investmentfonds können so nicht nur einige wenige von »renommierten externen Ratingagenturen« ausgezeichnete Fonds präsentieren. Nein, die großen Fondsgesellschaften werden regelrecht mit Topratings überschwemmt. Morningstar, Feri und Lipper haben alle ein fünfstufiges Ratingsystem. Das bedeutet, dass die beiden besten Kategorien mit den Noten »sehr gut« und »gut« gleichgesetzt werden und damit für Marketingzwecke geeignet sind. Mit wie vielen solcher guten und sehr guten Ratings können die Fondsgesellschaften rechnen? Das ist in Tabelle 1 für die vier Marktführer bei den Fondsgesellschaften in Deutschland angegeben. Sie zeigt die Zahl der nach dem Zufallsprinzip zu erwartenden Fonds in den obersten zwei Kategorien der drei wichtigsten Anbieter von Fondsratings.

Tabelle 1: Zahl der nach dem Zufallsprinzip zu erwartenden Fonds mit guten und sehr guten Ratings*

Fondsgesellschaft

Zahl der Publikumsfonds

Morningstar 4/5 Sterne

Feri B/A

Lipper** 4/5

Allianz Global Investors

852

191/85

213/85

170/170

Deka

351

79/35

88/35

70/70

DWS

361

81/36

90/36

72/72

Union Investment

278

63/28

70/28

56/56

Prozentual

22,5 %/10 %

25 %/10 %

20 %/20 %

Quellen: Websites der Fondsgesellschaften, Statistica [8], * Stand: 31.12.2015, ** Lipper Leaders Total Return Rating

Wie man sieht, sind die Zahlen extrem hoch. So hoch, dass die großen Fondsgesellschaften in jeder noch so exotischen Fondskategorie mit »gut« bzw. »sehr gut« bewerteten Fonds rechnen können. Diese werden dann im Fondsvertrieb als »Spitzenfonds« angepriesen. Und dieses System der Vermarktung von Fonds über positive, aber sinnlose Ratings funktioniert, die Fondskäufer reagieren wie gewünscht: Sie lenken ihre Anlagegelder in gut bzw. sehr gut bewertete Fonds, ohne auf deren im Vergleich zu Indexfonds extrem hohe laufende Kosten zu achten. [9] Sehr zu ihrem Schaden, denn:

»Das Einzige, was mit einiger Zuverlässigkeit vorhersagt, welche Investmentfonds in der Zukunft am besten abschneiden werden, sind ihre laufenden Kosten!« (WILLIAM F. SHARPEIM INTERVIEWMITDEM AUTOR)

In diesem ganzen kommerziellen Spiel der Fondsratingagenturen und Fondsgesellschaften gibt es einen ganz unwahrscheinlichen Teilnehmer: Die Stiftung Warentest / Finanztest mit ihren monatlichen Empfehlungen der »besten« aktiv gemanagten Fonds. Die Parallelen zu den kommerziellen Fondsratings sind leider frappierend: Auch Finanztest hat ein fünfstufiges Bewertungssystem, das nicht auf den Kosten, sondern auf der Wertentwicklung der Vergangenheit beruht. Auch bei der Finanztest befindet sich mehr als ein Drittel der aktiv gemanagten Fonds in den beiden höchsten Kategorien. Sie ist damit unter den Verbraucherschützern, die ansonsten zu Recht ausschließlich zu kostengünstigen Indexfonds raten, völlig isoliert.

Diese Empfehlungen sind ganz klar eine Leiche im Keller der Stiftung Warentest. Die wissenschaftliche Evidenz spricht eindeutig gegen sie. Die von der Finanztest empfohlene Strategie, in von ihr mit fünf oder vier Punkten bewertete Fonds zu investieren bzw. darin investiert zu bleiben, ist wissenschaftlich nicht gedeckt. Mit dieser Strategie sind mehr oder weniger deutliche Verluste gegenüber einem passiven Indexinvestment zu erwarten. Warum niemand diese Leiche endlich entfernt und dieses Empfehlungsbusiness stoppt, darüber kann man nur mutmaßen. Auf alle Fälle scheint es mir besonders kritikwürdig, dass ausgerechnet die Stiftung Warentest, die ein sehr hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießt, ihren Lesern solche höchst zweifelhaften Tipps gibt und diese leider auch noch in die Bewertungen von fondsbasierten Versicherungsprodukten überträgt. Wir beginnen deshalb im nächsten Abschnitt bei der Finanztest. Nachfolgend gehen wir auf die drei wichtigsten kommerziellen Fondsrater Morningstar, Feri und Lipper ein.

Finanztest: Der Ex-Chef empfiehlt nur noch Indexfonds – seine Nachfolger haben den Absprung noch vor sich

Bevor ich zu den Fondstipps der Finanztest komme, möchte ich einige Worte zur Stiftung Warentest sagen. Die Idee einer unabhängigen Verbrauchertest-Stiftung – eine Idee Adenauers – wurde erst unter Ludwig Erhard realisiert. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hielt das für überflüssig, die Verbraucher würden doch schon »in ausreichendem Maße durch die Werbung informiert«. [10] Ludwig Erhard war anderer Meinung:

»Die sollen spüren, dass sie es nicht mit einer fühllosen Masse zu tun haben, sondern mit bewusst gewordenen Verbrauchern.« [11]

So wurde die Stiftung Warentest 1964 auf Beschluss des Bundestags gegründet. Ziel war es, den Verbrauchern durch die vergleichenden Tests von Waren und Dienstleistungen eine unabhängige und objektive Unterstützung zu bieten. [12] Die Stiftung kennen nach eigenen Angaben 94 % der Deutschen, ein Drittel orientiert sich bei ihren Entscheidungen an den Tests. Als Ausgleich für den Verzicht auf Werbeeinnahmen erhält sie eine jährliche Zahlung vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, die etwa 10 % ihres Etats ausmacht. Sie finanziert sich zum größten Teil durch den Verkauf ihrer Publikationen.

Ein gutes Testurteil der Stiftung Warentest kann den Umsatz eines Produkts massiv ankurbeln. Dementsprechend trägt die Stiftung Warentest eine hohe Verantwortung, was ihre Testkriterien angeht: Falsche Testkriterien führen zu falschen Kaufentscheidungen der Verbraucher.

Seit 1991 gibt die Stiftung Warentest die Zeitschrift Finanztest heraus. Sie befasst sich mit den Themen Versicherungen, Geldanlage, Steuern und Recht. Ein umfassender Serviceteil vergleicht in jedem Heft unter anderem aktiv gemanagte Fonds. Die Finanztest hat eine monatliche Auflage von ca. 219.000 Exemplaren (Stand: 2014) und ist damit nach Test die zweitwichtigste Publikation der Stiftung. Auch bei der Finanzierung ist Finanztest mit 22,7 % die zweitwichtigste Einnahmequelle. [13] Ob hierdurch ein Anreiz entsteht, liebgewonnene »kontinuierliche Testvorhaben« wie die »Fonds im Dauertest« auch gegen wissenschaftliche Vernunft beizubehalten, darüber möchte ich nicht spekulieren.

Die Finanztest-Fondsempfehlungen aktiv gemanagter Fonds sind mir aber schon lange ein Dorn im Auge. »Das sind doch die ‚Guten‘, denke ich schon seit Jahren. »Warum machen die das immer noch? Sehen sie nicht, dass sie damit ihrem Auftrag widersprechen und ihre Leser in die Irre führen?« Und ich stehe nicht allein mit dieser Ansicht:

»Man kann verstehen, dass Organisationen dies [gemeint sind Bewertungen von Fonds nach Vergangenheitsperformance, M. R.] tun, deren Geschäftsmodell es ist, Vorhersagen und Ratings zu verkaufen, aber ich finde es sehr deprimierend, dass eine von der Regierung finanzierte Verbraucherorganisation das auch tut.« (WILLIAM F. SHARPEIM INTERVIEWMITDEM AUTOR)

Seit sehr vielen Jahren veröffentlicht Finanztest nun schon ihre Hitlisten aktiv gemanagter Fonds (»Das sind die Besten«). Monat für Monat aktualisiert sie diese Liste voller vom Zufall nach oben gespülter Fonds. Die Empfehlungen der Finanztest bei aktiv gemanagten Fonds pflanzen sich fort über Fondsdiscounter und Versicherungsmakler, die die Topfonds-Bewertungen der Finanztest weiterverbreiten, um ihre Produkte an den Mann zu bringen und Provisionen zu kassieren. Das Verhalten der Finanztest ist besonders kritikwürdig, weil:

•ihre Empfehlungsstrategie bei aktiven Fonds wissenschaftlich nicht fundiert ist: Die Wissenschaft ist sich einig, dass vor allem die Kosten Vorhersagekraft bei Fonds haben und der Zufall bei der Fondsperformance eine enorme Rolle spielt. Deshalb ist klar, dass unter den Finanztest-Topfonds enorm viele Zufallsgewinner sind, die nur Glück hatten.

•Finanztest im Gegensatz zu den kommerziellen Fondsratinganbietern Morningstar und Lipper den falschen Eindruck erweckt, man könne mit ihren Fondsempfehlungen und Umtauschstrategien den Index schlagen;

•sie nicht immer genügend Sorgfalt bei der Auswahl der geeigneten Benchmarks walten lässt1.

Dass wir die Finanztest-Fondstipps für unseren breitangelegten Test der Spitzenfonds in Kapitel 7 verwenden, hat aber auch praktische Gründe: Die Tipps lassen sich gut mehrere Jahre zurückverfolgen, da Finanztest anders als kommerzielle Fondsrater die Daten alter Fondstipps nicht von ihrer Website verschwinden lässt. Die alten Finanztest-Ausgaben sind online zugänglich.

Noch ein Wort zur Stiftung Warentest: Ich kritisiere ihre Fondshitlisten in diesem Buch scharf. Diese Kritik soll jedoch ein Aufruf sein, »die Leiche im Keller« – die Empfehlungen von aktiv gemanagten Fonds nach Wertentwicklungen der Vergangenheit – einzustellen. Ich kritisiere die Stiftung Warentest nicht generell. Sie soll weiter ihre wichtige Aufgabe erfüllen. Gerade im Finanzbereich müssen Produkte und Dienstleistungen unbedingt unabhängig getestet werden. In vielen Bereichen gibt sie nützliche Tipps und veröffentlicht aufschlussreiche Tests. So kritisiert sie völlig zu Recht die unverschämte Praxis der Performance-Fees bei Fonds, warnt vor geschlossenen Fonds, weist auf die hohe Kostenbelastung von fondsgebundenen Versicherungen hin usw. Meine Kritik erfolgt streng aus der Perspektive des Verbraucherschutzes und der Wissenschaft.

Finanztest sollte sich strikt auf das Empfehlen von kostengünstigen Indexfonds, sogenannten ETFs (Exchange Traded Funds) beschränken, wie sie das richtigerweise in ihren sogenannten »Pantoffelportfolios« macht. Stattdessen rät sie unbeirrt weiterhin auch zu aktiv gemanagten Fonds. [14] Dabei erweckt sie leider auch den völlig falschen Eindruck, dass ihre »Pantoffelportfolios« etwas für »Faule« bzw. »Einsteiger« sind, und das es noch eine zweite, ambitioniertere, ja sogar bessere Methode gibt, sein Geld anzulegen: es nämlich in die jeweils von der Finanztest sehr gut und gut bewerteten aktiv gemanagten Fonds zu investieren. [15] Dies sei zwar aufwendiger, da man die gewählten Fonds laufend überprüfen und ggf. austauschen müsse, jedoch noch erfolgversprechender, da man so – im Gegensatz zum »Pantoffelportfolio« – die Benchmark schlagen könne.

Das Testkriterium Vergangenheitsperformance betrifft leider nicht nur Fonds, sondern z. B. auch die Testergebnisse bei kapitalbildenden Versicherungen, wo die Finanztest typischerweise die Anlageergebnisse der Vergangenheit mit 40 % gewichtet. [16, 17] So bewertet Finanztest in Heft 10 / 2015 [18] den ersten indexfondsbasierten Riester-Fondssparplan »Fairriester« [19] als nur »eingeschränkt empfehlenswert«. Dies, obwohl dieser Fondssparplan das mit Abstand kostengünstigste Angebot im Markt der teuren Riester-Fondssparpläne darstellt: keine Abschlussprovision, Kosten von nur ungefähr der Hälfte der Konkurrenzprodukte von DWS, Union Investment und DEKA, keine Wechselkosten. Warum keine uneingeschränkte Empfehlung? Die Fonds seien nur »durchschnittlich«, heißt es.

Natürlich ist ein Indexfonds immer durchschnittlich, da er nur den Durchschnitt des Index abbildet. Trotzdem überholt dieser Durchschnitt im Laufe der Zeit nach und nach fast alle ehemals überdurchschnittlichen Fonds. Bei global investierenden Aktienfonds zum Beispiel waren nach einer Untersuchung von S&P Dow Jones Indices von 2016 nach einem Jahr noch 17,5 % der Fonds besser als der Index, nach 10 Jahren waren es noch ganze 2 % (vgl. Tabelle 12, Seite 118)

Als »empfehlenswert« wertet Finanztest dagegen die ungleich teureren Fondsparpläne »UniProfiRente Select« und »Deka-Bonusrente«. Warum? Weil die wesentlich teureren Fonds »überdurchschnittlich« sind!2

Ich spare mir den Kommentar und wiederhole einfach mein Zitat aus der Einleitung. Es ist nämlich so fundamental wichtig, dass man es nicht häufig genug zitieren kann:

»Das Einzige, was mit einiger Zuverlässigkeit vorhersagt, welche Investmentfonds in der Zukunft am besten abschneiden werden, sind ihre laufenden Kosten!« (WILLIAM F. SHARPEIM INTERVIEWMITDEM AUTOR)

Pikant ist auch, dass der Fairriester-Fondssparplan vom langjährigen Ex-Finanztestchef Hermann-Josef Tenhagen in seiner neuen Funktion als Chefredakteur des gemeinnützigen Online-Verbrauchermagazins »Finanztip« erst kurz zuvor als derzeit »bester Riester-Fondssparplan« im Markt empfohlen wurde. [20]

Ich kann nur hoffen, dass Finanztest die Fondstipps nach Vergangenheitsperformance möglichst bald einstellt und – wie alle anderen Verbraucherschützer auch – nur noch kostengünstige Indexfonds empfiehlt. Denn eines werde ich in diesem Buch überdeutlich machen: Investieren in aktiv gemanagte Fonds ist ein Rezept zum Geldverbrennen!

Morningstar: Der Markführer verteilt nutzlose Sternchen – und jeder nutzt sie

Morningstar ist nicht nur in Deutschland, sondern weltweit der größte und bekannteste Anbieter von Fondsdaten, Fondsrankings und Fondsratings. Morningstar hat ein bei Anlegern, Banken und Fondsgesellschaften sehr beliebtes quantitatives Ratingsystem, das Investmentfonds nach ihrer Vergangenheitsperformance ein bis fünf Sterne zuweist. [21] Es wurde vielfach nachgewiesen [9], dass das Morningstar-Sterne-Rating einen enormen Einfluss darauf hat, in welche Fonds Privatanleger ihr Geld lenken. Schauen wir uns an, wie es funktioniert: Alle Fonds, die älter als drei Jahre sind und einer Morningstar-Fondskategorie zugerechnet werden können, werden innerhalb der jeweiligen Kategorie nach Rendite-Risiko-Verhältnis geordnet. Je nach Alter des Fonds werden dafür bis zu drei Zeitperioden (drei, fünf und zehn Jahre) herangezogen. Die besten 10 % der Fonds bekommen fünf Sterne, die nächsten 22,5 % vier, die mittleren 35 % der Fonds drei, die 22,5 % danach zwei und die schlechtesten 10 % der Fonds einen Stern.

Die Vorhersagekraft des Morningstar-Sterne-Rankings hat die Investmentgesellschaft Vanguard in einer Studie von 2010 untersucht. [22] Ergebnis: In den drei Jahren nach dem Datum des Morningstar-Ratings waren Sterne-Rating und Wertentwicklung invers korreliert. Das ist das Gegenteil von dem, was man erwartet! Es bedeutet, Fonds mit einem Stern entwickelten sich besser als Fonds mit fünf Sternen! Abbildung 1 zeigt, wie perfekt gegenläufig sich das Morningstar-Sterne-Rating und die relative Wertentwicklung im Vergleich zur Benchmark entwickelten.

Selbst Morningstar gibt mehr oder weniger unumwunden zu, dass sein Sterne-Rating nur die Vergangenheit bewertet. Die Firma hat klargestellt, dass ihre Sterne-Ratings von Fonds nichts über deren zukünftige Wertentwicklung aussagen. So sagt Ali Masarwah, der Chefredakteur für die deutschsprachigen Seiten von Morningstar:

»Unsere Ratings stellen keine Kaufempfehlungen dar. … Die alles entscheidende Frage, wie sich ein Fonds in der Zukunft schlagen wird, muss von dem Morningstar Sterne-Rating unbeantwortet bleiben.« [23]

Abbildung 1: Morningstar-Sterne-Rating und relative Rendite*

Quelle: Eigene Darstellung nach Vanguard [22], Untersuchungszeitraum 1992–2009,1)Relativ zur Fondskategorie-Benchmark in den drei Jahren nach Erhalt des Morningstar-Ratings.

Viel klarer hätten man es nicht formulieren können! Finden wir einen Hinweis auf diese Nutzlosigkeit des Sterne-Ratings bei den unzähligen Banken, Fondsgesellschaften, Finanz-Websites, Anlegermagazinen, Fondsdiscountern und Versicherungen, die mit dem Morningstar-Sterne-Rating werben? Nein! Natürlich nicht! Nie! Nirgends! Immer werden Fonds, die vier oder fünf Sterne haben, als »ausgezeichnet«, als »von überdurchschnittlicher Qualität« oder als »Spitzenfonds« bezeichnet. Hier eine kleine, zufällige Auswahl von irreführenden Werbetexten, die sich beliebig fortsetzen ließe.

Deutsche Asset Management – der Fonds-Arm der Deutschen Bank:

»Zwei Volltreffer – unsere beiden Aktienfonds DWS Aktien Strategie Deutschland und DWS Deutschland. 10-mal Weltklasse – mit ihrem Anlagekonzept konnten beide Fonds bisher überzeugen. Das sieht auch die renommierte Ratingagentur Morningstar so und hat beide Aktienfonds mit jeweils 5 von 5 Sternen ausgezeichnet.« [24]

Heidelberger Leben – die auf fondsgebundene Versicherungen spezialisierte Versicherung beschreibt ihre Auswahlkriterien für Fonds:

»Liegt ein Rating von Morningstar vor? Wie gut ist es? Um die Qualität der Fonds dauerhaft zu sichern, bevorzugen wir Fonds von überdurchschnittlicher Qualität, die überwiegend mit einem 4- bis 5-Sterne-Rating von Morningstar ausgezeichnet wurden.« [25]

FondsClever, ein Fondsdiscounter:

»FondsClever.de hat für Sie ‚Top 5 Sterne-Fonds‘ ausgewählt. Bei Morningstar wurden diese Spitzenfonds mit ‚5 Sternen‘ ausgezeichnet.« [26]

Das Ganze ist ziemlich perfide, zumal den Werbenden klar ist, dass das Morningstar-Fondsranking kein Qualitätssiegel oder eine Kaufempfehlung ist und dass die Ratingfirma ihm auch keine Aussagekraft für die Zukunft zuspricht. Dennoch wird hier massenhaft bewusst irreführende Werbung gemacht. Betrachtet man die gewählten Formulierungen genauer, so fällt auf, dass sie formal betrachtet sogar halbwegs wasserdicht sind. Keine der Aussagen verspricht schließlich irgendetwas für die Zukunft. Dennoch wird der normale Privatanleger, der diese Werbetexte liest, natürlich davon ausgehen, dass die von Morningstar »ausgezeichneten« Fonds auch in der Zukunft besser abschneiden sollten.

Interessant ist dabei auch, dass für Werbezwecke fast ausschließlich das Morningstar »Sterne-Ranking« und kaum das ebenfalls von Morningstar verbreitete »Analyst Rating« benutzt wird. Dies, obwohl Morningstar selbst nur das letztere Rating als »optimal für die Fondsauswahl« bewirbt: Das qualitative »Morningstar Analyst Rating« hat ebenfalls fünf Bewertungsstufen (Gold, Silber, Bronze, Neutral und Negativ). Laut Morningstar sind hier ausgezeichnete Fonds solche, »denen wir künftig eine überdurchschnittliche Rendite zutrauen«. Dass dieses qualitative Analyst Rating hält, was Morningstar verspricht, haben Untersuchungen zwar schon stark in Zweifel gezogen. [27] Aber es stellt sich doch die Frage, warum dem Sterne-Rating so ungleich viel mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Ich denke, die Antwort ist recht einfach: Man kann damit viel mehr Fonds bewerben! Es existierten am 23.2.2016 nur 124 mit Gold und 705 mit Silber bewertete Fonds im Analyst Rating (Morningstar Fonds Screener, Deutsches Fondsuniversum, nur Publikumsfonds).3 Demgegenüber gab es zum selben Stichtag 1.409 Fünf-Sterne- und knapp 4.080 Vier-Sterne-Fonds! Also 6,6-mal so viel!

Lipper Leaders: Sinnlose Pünktchen statt nutzloser Sternchen

Bei den Fondsratingagenturen in Deutschland ist Feri eigentlich wichtiger als Lipper. Aber auch Lipper-Ratings werden von fast allen Fondsgesellschaften veröffentlicht. Wir besprechen zuerst das »Lipper Leaders« genannte Fondsrating, da Lipper – ebenso wie Morningstar und im Gegensatz zu Feri – bereitwillig zugibt, dass seine Fondsratings keinerlei Vorhersagekraft für die zukünftige Fondsperformance haben. »Lipper Leaders Ratings are not predictive of future performance«. [28] Es gibt vier Ratingkategorien (Lipper Leaders genannt): Lipper Leaders für Gesamtertrag, Kapitalerhalt, konsistenten Ertrag und Kosten. Die Fonds werden nach Vergangenheitsperformance jeweils in 20 %-Gruppen eingeteilt und mit ein bis fünf Punkten bewertet. Das gibt satte 40 % »gute« und »sehr gute« Fonds mit vier oder fünf Punkten. Wie bei Morningstar wird keine geeignete Benchmark verwendet, sondern nur die »Peergroup«, also die Fonds der gleichen Anlagekategorie, deren Durchschnitt von ihrer Benchmark fast immer geschlagen wird. Gleichzeitig macht Lipper jede Menge überflüssiger bzw. widersprüchlicher Aussagen, z. B.:

•»Das Lipper Leaders Rating System dient Anlegern und Beratern als Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung bei der Auswahl von Investmentfonds.«

Kommentar: Das ist eigentlich keine Aussage. Es besagt nur, dass die Ratings, die laut Lipper keinerlei Prognosekraft haben, von Leuten (unsinnigerweise) verwendet werden.

•»Die Auszeichnung Lipper Leaders ist kein Prognoseinstrument, kann aber als Richtschnur bei der Auswahl von Investmentfonds für bestimmte Anlageziele dienen.«

Kommentar: Ein offensichtlicher Widerspruch in sich. Zitieren wir mal jemanden, der sich mit so was auskennt: »Was ist der Sinn eines Ratings, wenn es nicht zukunftsorientiert, also prognostisch ist?« (Nobelpreisträger Eugene F. Fama im Interview mit dem Autor)

Gleichzeitig stellt Lipper sogar bewusst sein »Licht unter den Scheffel«. Denn selbstverständlich hat genau eins seiner vier Ratings eine Aussagekraft für die Zukunft. Der aufmerksame Leser weiß schon, welches: Lipper Leaders für Kosten. Wir erinnern uns an das Zitat von Nobelpreisträger Sharpe: »Das Einzige, was mit einiger Zuverlässigkeit vorhersagt, welche Investmentfonds in der Zukunft am besten abschneiden werden, sind ihre laufenden Kosten!« Warum wirbt Lipper nicht damit? Nun, weil sie wohl gleichzeitig einräumen müssten, dass die drei anderen Ratings das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind!

Feri-Fondsrating: Die »Einäugigen unter den Blinden« herausfinden?

Im Gegensatz zu Morningstar und Lipper, die offen zugeben, dass ihre Sterne- bzw. »Lipper Leaders«-Fondsratings keine Aussagekraft für die zukünftige Entwicklung eines Fonds haben und ihre Ratings nicht als Kaufempfehlung verstanden wissen wollen, lehnt sich die viel kleinere deutsche FERI EuroRating Services AG mit ihren Fondsratings weiter aus dem Fenster. Die hundertprozentige Tochter des Finanzvertriebs MLP meint, ein Fondsrating müsse in die Zukunft gerichtet sein (soweit stimmen wir zu), und behauptet: »Für einen Anlagehorizont von drei Jahren lässt sich beispielsweise für die gesamte Historie des Feri-Fondsratings zeigen, dass Fonds mit einem A oder B Rating im Durchschnitt ein deutlich besseres Ergebnis erzielt haben als Fonds, die mit C, D oder E bewertet werden.« [5] Das hört sich doch gut an, oder? Nach den Aussagen von Morningstar und Lipper zu ihren Ratings und den Ergebnissen der Vanguard-Studie zu den Morningstar-Ratings sind wir allerdings etwas skeptisch. Schauen wir mal genauer hin: Was sagt Feri da eigentlich? Wer genau liest, dem stellt sich nämlich sofort eine fundamentale Frage:

•Wo ist die Benchmark? Wie sieht die Performance der mit A und B bewerteten Fonds denn im Vergleich zur Benchmark aus? Feris Aussage oben vergleicht ja nur aktiv gemanagte Fonds untereinander! Die meisten Fonds sind aber schlechter als die Benchmark! Es fehlt eindeutig eine Bewertung in Relation zu einer angemessenen Benchmark. Es nützt ja nichts, wenn Feri die »Einäugigen unter den Blinden« herausfiltert, sprich Fonds, die zwar besser als der Durchschnitt der Fonds, aber schlechter als der Index sind.

Unsere Skepsis wird jedenfalls nicht geringer, wenn wir erfahren, dass Feri Fondsratings, im Gegensatz zu Morningstar, auch im Auftrag der Fondsgesellschaften macht (bei Fonds, die noch keine fünf Jahre alt sind). Hm – eine Bewertung eines Fonds, die durch den Fondsherausgeber bezahlt wird? Ist die das Papier wert, auf dem sie steht? Das hört sich doch eher nach der frühzeitigen Bereitstellung eines Marketinginstruments für die Fondsgesellschaft an. Feri versteht sich auch selbst als »kompetenter Partner für Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften«. [29] Schließlich sind das die zahlenden Kunden und nicht die Privatanleger. Die Firma preist ausdrücklich die Nützlichkeit ihrer Ratings für den Verkauf: »Für den Fondsvertrieb schließlich liefert das Fondsrating wichtige Verkaufsargumente.« [30] Wichtig – und vor allen Dingen massenhaft: Nicht weniger als 1.553 Fonds hat Feri als Topfonds der Kategorien A und B bewertet (Stand: 31.1.2016 [31]) Ob der Kunde, dem der Fondsvertrieb einen von Feri top bewerteten Fonds verkauft, davon profitiert, analysieren wir in Kapitel 8, wo wir auch die Methodik näher beschreiben.

Massenhaft Preise für jeden: Die »Fund and Asset Manager Awards«

»Es gibt keinen Unsinn, den man der Masse nicht durch geschickte Propaganda mundgerecht machen könnte«

BERTRANDRUSSELL,BRITISCHERPHILOSOPHUNDMATHEMATIKER

Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, dass die drei großen Fondsrater ihre Fondsratings in großen Mengen produzieren. In jeder Fondskategorie werden 30 bis 40 % der Fonds mit »gut« bzw. »sehr gut« »ausgezeichnet«. Man sollte meinen, das sei genug Material für die Marketingzwecke der Fondsverkäufer. Offenbar nicht. Die Fondsrater produzieren noch etwas in Mengen: Preise für Fonds und ganze Fondsgesellschaften, neudeutsch »Fund and Asset Manager Awards« genannt. Natürlich – genau wie die Ratings – basierend auf der Vergangenheitsperformance.

Die Idee: Allein oder mit bestimmten Medienpartnern in repräsentativer Umgebung jährlich eine große Menge Auszeichnungen verteilen. Bei Feri z. B. werden nicht weniger als 15 Gesellschaften und 13 Fonds ausgezeichnet. Zuvor wird die fünffache Menge »nominiert« und bekanntgegeben. Es gibt also 28 Preisträger und 140 Nominierte. Die Analogie zu den Oscar-Nominierungen ist sicher gewollt; so kann schon die Nominierung als Auszeichnung verstanden und vermarktet werden.

Wer denkt, dass Feri damit Weltmeister im Fondspreiseverleihen ist, liegt völlig daneben. Dieser Titel gebührt mit großem Abstand der Finanzen Verlag GmbH, die ebenfalls jährlich ihre »€uro-FundAwards« verteilt. Allerdings ohne Brimborium und repräsentative Umgebung. Das ginge beim besten Willen nicht mehr angesichts der sintflutartigen Preisschwemme, die die Finanzen Verlag GmbH sich ausgedacht hat. Wie funktioniert’s? In nicht weniger als 69 Fondskategorien werden »jeweils die drei Fonds mit der besten Performance über ein, drei, fünf, zehn und zwanzig Jahre« mit den »€uro-FundAwards« ausgezeichnet. [32] Selbst höchst exotische Kategorien wie Fonds, die ausschließlich in türkische Aktien investieren, bekommen ihre eigene Kategorie. Preisfrage an den aufmerksamen Leser: Wie viele »€uro-FundAwards« vergibt die Finanzen Verlag GmbH jedes Jahr?

Sie denken vielleicht, drei ausgezeichnete Fonds in 69 Kategorien macht 207 Preisträger? Das wäre ja schon Rekord – ist aber leider falsch gerechnet. Die Preise werden für jede der fünf Zeitperioden separat