Die große Überraschung: Kriminalroman - Theodor Horschelt - E-Book

Die große Überraschung: Kriminalroman E-Book

Theodor Horschelt

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  • Herausgeber: Alfredbooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Die große Überraschung Kriminalroman von Theodor Horschelt Der Umfang dieses Buchs entspricht 223 Taschenbuchseiten. Es fängt so simpel an: Gegenüber dem Nachtlokal "El Corral", parkt ein Chevrolet. Der Fahrer wartet auf das Erscheinen eines Mannes, der sieben Jahre im Zuchthaus gesessen hat. Als der Mann erscheint, hebt der Fahrer die Winchester-Büchse, zielt, drückt ab und flieht. Die Mordkommission Chicago Citizen Police nimmt die Routine-Ermittlungen auf. Fünf Tage später ist aus dem anscheinend simplen Fall ein unlösbarer Fall geworden. Der Polizeipräsident ruft nach dem FBI … Und so kommt Mac Dolan ins Spiel, der eine harte Nuss zu knacken hat, die ihn persönlich sehr berührt.

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Seitenzahl: 263

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Die große Überraschung: Kriminalroman

Theodor Horschelt

Published by BEKKERpublishing, 2021.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Die große Überraschung

Copyright

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

Further Reading: 10 Ferien Thriller: Krimi-Lesefutter für lange Nächte

Also By Theodor Horschelt

Die große Überraschung

Kriminalroman von Theodor Horschelt

Der Umfang dieses Buchs entspricht 223 Taschenbuchseiten.

Es fängt so simpel an: Gegenüber dem Nachtlokal „El Corral“, parkt ein Chevrolet. Der Fahrer wartet auf das Erscheinen eines Mannes, der sieben Jahre im Zuchthaus gesessen hat. Als der Mann erscheint, hebt der Fahrer die Winchester-Büchse, zielt, drückt ab und flieht. Die Mordkommission Chicago Citizen Police nimmt die Routine-Ermittlungen auf. Fünf Tage später ist aus dem anscheinend simplen Fall ein unlösbarer Fall geworden. Der Polizeipräsident ruft nach dem FBI ... Und so kommt Mac Dolan ins Spiel, der eine harte Nuss zu knacken hat, die ihn persönlich sehr berührt.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

Cover: Steve Mayer, 2021

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

I

Seit Mitternacht wartete der blaue Chevrolet unter einer Gruppe von Ahorn-Bäumen. Der Mann am Steuer teilte seine liebevolle Aufmerksamkeit zwischen einer Flasche Gin, die neben seinem linken Fuß stand, und der Winchester-Büchse. Das kostbare Gewehr trug anstelle der normalen Visiereinrichtung ein Zielfernrohr. Über die Mündung war ein massiger Schalldämpfer geschoben. Die Winchester hätte das Entzücken jedes passionierten Sportschützen ausgelöst. Immerhin war ihr augenblicklicher Besitzer auch Sportschütze – wenn auch nicht in strenger Auslegung dieses Begriffes.

Zwanzigmal zuckte seine Hand nach der Ginflasche. Ebenso oft konnte er sich beherrschen. Sportschützen müssen eine sichere Hand haben, sofern sie zum Erfolg kommen wollen.

Dort, wo der Chevy stand, war es ganz still und finster. Ganz in der Nähe befand sich ein großer Parkplatz mit vielen abgestellten Luxuslimousinen. Er war im Gegensatz zu den herbstlichen Bäumen der Che Che Pinqua Preserve in fahles blaues Licht getaucht, das von der Neonbeleuchtung eines tempelartigen Baues an seiner Stirnseite herrührte. Dieser Bau beherbergte das „El Corral“, eines jener Nachtlokale, in dem echte Dollars gegen unechte Stimmung getauscht werden. Eine Tauschzentrale also, wenn man es so bezeichnen will.

Ein Herr verließ in Begleitung einer Dame die Drehtür des Nachtklubs und wankte zum Parkplatz. In seiner alkoholseligen Verfassung brauchte der Mann eine ganze Weile, bis er seinen Packard in Gang brachte. Er stieß dm rückwärts heraus, fuhr an und verfehlte den Weg nach Norridge, was er erst merkte, als die Scheinwerfer seines Wagens den Chevrolet anstrahlten. Fluchend riss er den Packard herum, entging um ein Haar der innigen Berührung mit einem Baum und peilte nun mit mehr Glück die Abfahrt an.

Der Mann im Chevy unterdrückte einen wütenden Fluch zwischen den Zähnen und sah gierig auf die Uhr. Ein Uhr fünfundzwanzig. Jetzt musste er bald kommen ...

Fünf Minuten später verließ wieder ein Gast das „El Corral“. Mit ihm drangen Musikfetzen in die Nacht.

Der Mann im Chevrolet legte mit ruhigen Fingern den Sicherungsflügel der Winchester herum und setzte die Waffe auf den Scheibenrand der rechten Seitentür auf. Er zielte gelassen. Jetzt – jetzt hatte er den Gast, der stehengeblieben war und seinen Stetson in den Nacken schob, im Fadenkreuz. Der Zeigefinger nahm Druckpunkt; er krümmte sich weiter durch. Plopp!

Der andere machte eine komische Verbeugung und sank in sich zusammen.

Der Mörder hatte alles genau vorausgeplant. Er zog hastig die Büchse zurück, trat auf die Kupplung und startete den Motor. Langsam einkuppeln. Der Chevy machte einen zehn Meter langen Satz rückwärts, wurde hart gestoppt und fuhr gleich darauf wieder an, in einen Seitenweg des Parks hinein.

Das Tanzmädchen Bella Darvis sah Billy Granger zusammenbrechen und dachte, ihm sei vom reichlich genossenen Alkohol übel geworden.

Bella wandte sich um. „Joe, komm her, da hat einer seine Ladung schlecht vertragen!“

Der herkulische Portier, dem die goldstrotzende Uniform etwas Operettenhaftes verlieh, kam uninteressiert näher und beugte sich zu Granger nieder. Dieser lag halb auf der Seite. Aus einem Loch in der Stirn floss rotes Blut auf die Steinfliesen. Die blaue Neonbeleuchtung gab dem Gesicht eine sonderbar helle, dünne Farbe. Joe richtete sich totenbleich auf und wandte sich zu Bella um.

„Granger hat tatsächlich seine Ladung nicht vertragen“, sagte er stockend. „Aber anders, als du denkst. Sorge dafür, dass die Gäste, die zu gehen wünschen, das Haus durch Ausgang C verlassen; Mister Palfroy wird das veranlassen. Und dann ruft ihr sofort Sheriff Blowden von Schiller Park an!“

Bella Darvis blieb wie angewurzelt stehen. Joe sah ihr an, dass sie gleich wie ein Tier schreien würde, und pflanzte ihr seine riesige Hand auf den Mund. „Reiß dich gefälligst zusammen, der Skandal wird auch so groß genug, verstehst du?“

Das Mädchen nickte, riss sich los und verschwand wie von Furien gehetzt im Foyer.

Das „El Corral“, lag genau an dem Punkt, wo die Grenzen von Chicago, Schiller Park und vom Staate Illinois zusammenstoßen. Deshalb war die polizeiliche Zuständigkeit für das „El Corral“ ungeklärt. Es kam gewissermaßen auf Zentimeter an, so sonderbar das klingen mag.

Mister Palfroy, der Geschäftsführer, wusste das nur zu gut. Er wurde bei Bellas Mitteilung kreidebleich, fragte aber gar nicht viel, sondern wankte zum Telefon.

*

Um 1 Uhr 55 traf der Sheriff von Schiller Park ein. Wenig später erschien die Mordkommission III, Chicago, unter der Führung von Leutnant McAfee. Um das Terzett vollzumachen, gesellte sich um 2 Uhr 05 Sergeant Mohr von der Illinois State Police zu den beiden.

Glücklicherweise war keiner der drei Beamten ein Prinzipienreiter. Sie wurden sich schnell darüber einig, unbeschadet der später zu klärenden Zuständigkeit, die Mordkommission der Chicago Citizen Police die ersten Ermittlungen führen zu lassen.

Das war das Signal für die Spezialisten, ihre Routinearbeit aufzunehmen. Scheinwerfer wurden in Stellung gebracht, Apparate ausgepackt, die üblichen Spuren gesichert. Danach trat der Polizeiarzt in Tätigkeit. Diese war eigentlich nur eine Formsache, denn an Billy Grangers Tod war nichts mehr zu anderen, und die Feststellung der Todesursache einfach.

Sergeant Morris, der Assistent Leutnant McAfees, leerte die Anzugtaschen des Ermordeten.

McAfee betrat mit ihm das Verhörabteil des ersten Einsatzwagens, um das Ergebnis zu sichten.

Der Tote hatte folgende Gegenstände bei sich getragen: einen Schlüsselbund, Autoschlüssel, zwei Taschentücher, Brieftasche, eine Ledermappe mit Führerschein und Autopapieren, und etwas Kleingeld.

Die Brieftasche enthielt 320 Dollar in verschiedenen Noten. Der Führerschein war auf den am 17. 4.1913 in Atlanta, Georgia, geborenen ledigen Ingenieur Billy Granger, wohnhaft 1369 Lawrence Avenue, Chicago, ausgestellt.

Leutnant McAfee wog das Ledermäppchen nachdenklich in der Hand und meinte, an dem Mordfall Granger könne man noch viel „Freude“ erleben.

Mit diesen prophetischen Worten sollte er übrigens recht behalten.

*

Das Verbrechen war am letzten Donnerstag im Oktober verübt worden. Am darauffolgenden Montagmorgen betrat Major Mac Dolan nichtsahnend das Büro Colonel Slaughters, seines direkten Vorgesetzten in der FBI-Zentrale in Washington. Dolan hatte ausnahmsweise ein ruhiges Wochenende verbracht, und das wurde ihm wirklich nicht oft zuteil. Am meisten freute sich dann seine schöne, rothaarige Frau June, die ihren hünenhaften Mac noch ebenso heftig liebte wie am ersten Tag ihrer nun fast zehnjährigen Ehe. Sie zeigte viel Verständnis für die mancherlei Tücken seines gefahrvollen Berufes, die pikante June, aber das gelegentliche Schmollen stand ihr eigentlich auch ganz gut, dachte Mac schmunzelnd.

Dolan war einer der fähigsten Agenten des FBI und wurde von seinen Vorgesetzten für die schwierigen Fälle, die ein gleiches Maß an Takt und persönlichem Mut erforderten, eingesetzt, was zwar ehrenvoll und interessant, aber auch meist mit unübersehbaren Gefahren verbunden war.

Colonel Slaughter erwiderte den höflichen Gruß seines Spezialagenten freundlich. „Morgen, Mac. Ich habe einen neuen Fall für Sie. Vor ein paar Tagen ist in Chicago, Ihrer früheren Wahlheimat, ein Gangster ermordet worden, ein gewisser Granger. Die Stadtpolizei kommt mit dem Fall nicht zurecht. Fliegen Sie mit Flannegan hin und zeigen Sie den Kollegen, wie man so was macht!“

Dolan spürte zwar recht wenig Lust, schon wieder außerhalb Washingtons zu arbeiten, aber danach fragte niemand. Andererseits freute er sich, die Zusammenarbeit mit Jimmy Flannegan fortsetzen zu dürfen.

„Wissen Sie Näheres, Sir?“, fragte Mac recht uninteressiert.

Slaughter zuckte die Achseln. „Nein; die Stadtpolizei Chicago hat Unterstützung angefordert. Mehr weiß ich auch nicht. – Halt, noch etwas, setzen Sie sich dort mit Leutnant McAfee in Verbindung, dem Leiter der Mordkommission III. Und Sie haben wie immer freie Hand, Mac. Berichterstattung direkt an mich.“

Damit war Dolan entlassen.

Mac setzte sich sofort mit Captain Flannegan in Verbindung und fuhr dann nach Hause, um seine Sachen zu packen.

June, seine schöne, kapriziöse Frau, schmollte, dass sie ihren Mann schon wieder hergeben sollte, aber sie war viel zu klug, um sich über eine Unannehmlichkeit weiter aufzuhalten, die man doch nicht umgehen konnte.

Sie half ihrem Mann beim Packen und entließ ihn mit der üblichen Ermahnung: „Pass gut auf dich auf, Mac, Liebling. Ich eigne mich nun mal gar nicht zur Witwe!“

Gegen 15 Uhr landete die Maschine auf dem O‘Hara-Flugplatz in Chicago.

Um nicht unnötig Zeit zu verlieren, mietete Mac zwei Taxis. Der Fahrer des ersten sollte sein und Flannegans Gepäck zum Hotel „Madison“, bringen, wo der Major telefonisch Zimmer bestellt hatte, im zweiten fuhren die beiden Spezialagenten zum Polizeihauptquartier, das zwischen Sherman Street und Clark Street liegt.

Von seiner früheren Tätigkeit als Privatdetektiv her kannte sich der Major in Chicago sehr gut aus.

Auch im Polizeihauptquartier benötigte er keine Einweisung. Dort war alles genau wie früher. Er fuhr mit dem Paternoster in die dritte Etage und betrat den Bürosaal, der der Mordkommission III als Unterkunft diente.

Ohne sich um die verwunderten Blicke der Beamten zu kümmern, schritt er mit Flannegan bis zu einem kleinen, verglasten Büroabteil an der Stirnseite des Saales.

Leutnant McAfee, ein hagerer, knochiger Mann mittleren Alters, mit vorzeitig ergrautem Haar, sah auf. Die jahrzehntelange Beschäftigung mit Kapitalverbrechen hatte ihn hart und zurückhaltend werden lassen. Aber bei Dolans Eintritt stahl sich doch ein leichtes Lächeln auf seine Lippen.

„Ich fresse meinen Hut, Sir“, sagte er überzeugt, „wenn das nicht der berüchtigte Karrieremacher Dolan ist, der vor mir steht.“

Mac gab ihm herzlich die Hand. „Den Sir dürfen Sie in den Müllschlucker stecken, James. Für Sie bin ich Mac. Jimmy Flannegan kennen Sie ja.“

Der Major nahm Platz und nickte Jimmy zu, sich ebenfalls zu setzen.

„Also, James, schießen Sie los. Man hat mir gesagt, Sie hätten das FBI in einem unlösbaren Mordfall zu Hilfe gerufen. Kommt mir direkt unglaubwürdig vor, so, wie ich Sie kenne.“

McAfee runzelte die Stirn. „Die Wahlen stehen vor der Tür, der Chef ist sehr vorsichtig. Er will sich nicht blamieren. Auch bei mir löst Ihr Erscheinen Freude aus. Ich komme in dem vertrackten Fall Granger einfach nicht weiter. Ich habe daher gar keine Hemmungen, Ihnen die Verantwortung für die Blamage aufzulasten.“

Mac Dolan lachte schallend. „Das ist wenigstens eine ehrliche Antwort. Also, stürzen wir uns gleich in die Arbeit. Die Akten kann ich später einsehen. Geben Sie mir einen allgemeinen Überblick.“

„Mit echtem Genuss, Dolan. Na, passen Sie auf: In der Nacht vom 30. zum 31. Oktober, genau um 1 Uhr 30, verließ Billy Granger durch die Drehtür das Nachtlokal El Corral ...“

„Ist das nicht der sündhaft teure Bums in der Che Che Pinqua Preserve beim Schiller Park?“, warf Flannegan ein.

McAfee nickte. „Genau der. Hören Sie aber weiter: Um die gleiche Zeit steht das Tanzmädchen Bella Darvis neben der Drehtür und erholt sich von den Anstrengungen seines Berufs. Granger fällt ganz plötzlich um. Die Darvis glaubt, ihm sei schlecht geworden und ruft den Portier zu Hilfe. Dieser stellt fest, dass Granger tot ist. Kopfschuss.“

„Ich verstehe“, nickte der Major. „Der Mörder hat einen Schalldämpfer verwendet, weil Sie nichts von einem Abschussknall erwähnen.“

„Stimmt. Da das El Corral genau an der Grenze zwischen Schiller Park, Chicago und dem Gebiet der Staatspolizei liegt, ruft man nicht nur mich, sondern auch den Sheriff von Schiller Park und die Staatspolizei an.

Wir treffen alle drei am Tatort ein und machen aus, dass ich den Fall übernehme.“ Der Leutnant lächelte dünn. „Hätte ich Kamel mich bloß nicht darauf eingelassen! Dann hätte ich nämlich in den letzten fünf Tagen besser geschlafen. Sie können es mir glauben.“

„Weiter, weiter“, drängte Dolan nervös.

„Immer mit der Ruhe. Der Fall ist heute genau eine Woche alt. Mit einem Überraschungserfolg können wir ohnehin nicht mehr rechnen. Aber ich will den Ereignissen nicht vorgreifen. – Ich inszeniere also den üblichen Zauber. Ich stelle fest, dass Granger aus etwa fünfundzwanzig Meter Entfernung erschossen worden ist. Vermutlich aus einem Kraftwagen heraus, der unter einer Baumgruppe parkte.“

„Reifenspuren und so?“

McAfee nickte. „Jawohl; aber keine, die zur Identifizierung des Täters führen könnten. Zeugen: keine.“ Er strich sich seufzend über die Stirn und fuhr fort: „Jetzt können Sie vielleicht verstehen, weshalb ich Ihnen den Fall so gerne überlasse, Mac.“

„Sieht tatsächlich bös aus“, gab der Major unumwunden zu. Captain Flannegan beschränkte sich darauf, sich schweigend Notizen zu machen.

„Die Person des Ermordeten ist außerordentlich interessant“, sprach der Leutnant weiter. „Billy Granger war Ingenieur. Er kam neunzehnhundert-vierzig, siebenundzwanzigjährig, nach Chicago und wurde wegen seines Spezialberufs nicht eingezogen. Sehr zum Schaden der Gesellschaft. Sie wissen ja selbst, Mac, wie sich damals die italienischen Gangster breitmachten. Es gab kaum ein Verbrechensgebiet, auf dem sie nicht führend waren. Granger und sein Freund und Kollege Larry Elsfleth mischten kräftig mit. Immer so, dass man ihnen nichts beweisen konnte. Aber der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht. 1947 ergab sich der hinreichende Verdacht, Granger habe im Dezember 1944, zusammen mit zwei Galgenvögeln namens Slim Morgan und Derek Hollister, den Rauschgifthändler Busoni erschossen. Den dreien wurde der Prozess gemacht, und man verurteilte sie auf Grund erdrückender Indizien zu langjährigen Zuchthausstrafen. Slim Morgan erhängte sich vor seiner Überführung ins Zuchthaus in seiner Zelle, Derek Hollister ist 1950 an Magenkrebs gestorben, Billy Granger, unser Mann, saß sieben Jahre seiner Strafe ab und wurde 1954 im Paroleverfahren entlassen.“

„Dann ist sein Mörder wahrscheinlich im Freundeskreis Busonis zu suchen“, fiel Jimmy überzeugt ein.

Der Leutnant wiegte traurig den Kopf. „Leider muss ich Ihnen diesen Zahn ziehen, Jimmy. Busoni besaß nur wenige Freunde. Sie wurden bei Kriegsende bis auf zwei Mann in ihre italienische Heimat abgeschoben. Ich habe durch Interpol festgestellt, dass diese beiden zur Tatzeit in Europa waren. Die beiden anderen leben heute an der Westküste. Ihre Alibis sind unangreifbar. Sie können das später alles an Hand der Akten nachprüfen.“

„Gute Arbeit“, sagte Dolan überzeugt, „wenn man bedenkt, dass Sie das alles in knapp sechs Tagen herausgebracht haben. Well, wir müssen den Mörder also anderswo suchen. Vermutlich hat Granger nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus wieder Anschluss an Gangsterkreise gefunden.“

McAfee hob missmutig die Hand. „Fehlschluss, Mac. Granger stand bis zu seinem plötzlichen Tod unter der Aufsicht eines Bewährungshelfers und musste sich außerdem zuletzt zweimal in der Woche auf seinem zuständigen Polizeirevier melden. Er wäre komplett verrückt gewesen, wenn er sich unter solchen Umständen erneut an Verbrechen beteiligt hätte.“

„Vielleicht spielt eine Frau eine Rolle?“, rätselte Jimmy. „Allein wird Granger das El Corral doch nicht besucht haben?“

„Er besuchte das Nachtlokal regelmäßig jeden Montag, Jimmy. Der Geschäftsführer des El Corral ist über jeden Verdacht erhaben; er ist jederzeit bereit zu beschwören, dass Granger immer ohne Frau erschienen ist und auch unter den Tanzmädchen keine Favoritin hatte. Trotzdem haben meine Leute die Girls auf Herz und Nieren überprüft – aber ohne Ergebnis.“

„Wovon hat Granger seit 1954 gelebt?“, wollte Dolan wissen.

McAfee seufzte. „Das ist vielleicht der einzige ungeklärte Punkt. Granger hat nach seiner Entlassung in der Lawrence Avenue eine kleine Villa gekauft und zusammen mit seinem bereits erwähnten Freund Elsfleth ein Ingenieurbüro eröffnet. In Fachkreisen galt er als Spezialist für Schiffsantriebe. Er soll von verschiedenen Werften lohnende Entwicklungsaufträge gehabt haben. Ich kann mich trotzdem des Gefühls nicht erwehren, dass die Kosten seiner Lebensführung zu seinen Entnahmen in keinem rechten Verhältnis standen. Das ist aber auch schon alles.“

„Und was sagen seine beiden Kollegen?“

„Sie schildern ihn als einen verbissenen Arbeiter, der nur seiner Aufgabe lebte und nicht einmal für Frauen Interesse hatte. Sie können sich die Angelegenheit nicht erklären – sagen sie.“

Dolan zündete sich gelassen eine Zigarette an. „Well – zaubern können wir auch nicht. Überlassen Sie uns die Akten, James, morgen sehen wir weiter.“

II

Nach dem Abendessen setzten sich Flannegan und Dolan noch für eine Stunde in Macs Zimmer zusammen.

Mac hatte es sich bequem gemacht und eine Flasche Whisky samt zwei Gläsern aus dem Koffer geholt.

Jimmy trank den Old Scotch in kleinen, sparsamen Schlucken.

„Nanu“, wunderte sich Mac. „Du bist doch sonst nicht so zurückhaltend?“

Flannegan schüttelte den massigen Schädel. „Ich habe so den Eindruck, dass wir in den nächsten Tagen unsere fünf Sinne verdammt nötig haben werden. Und reichlicher Alkoholgenuss lähmt die Denkfähigkeit. Darauf will ich‘s lieber nicht ankommen lassen.“

„Ein sehr vernünftiger, wenn bei dir auch neues Standpunkt, Jimmy. Sag schon, was hältst du von der Sache?“

„Noch gar nichts. Dem guten James McAfee ist kein Vorwurf zu machen, er hat getan, was er tun konnte. Ich glaube, dieser Fall lässt sich nicht mit den üblichen kriminalistischen Methoden lösen.“ Er sah kurz auf. „McAfee ist ein ausgezeichneter Fachmann. Aber die Jahre des Frontdienstes haben ihn abgestumpft. Hast du bemerkt, wie müde und verbraucht er ist?“

„Allerdings“, sagte Dolan verwundert. „Aber worauf willst du hinaus?“

„Ich glaube, dass wir an den Fall Granger mit Phantasie und psychologischem Einfühlungsvermögen herangehen müssen. Anders haben wir keinen Erfolg.“

„Na schön“, Mac lächelte etwas mokant. „Dann lass mal deine Psychologie und dein Einfühlungsvermögen spielen. Aber an welchem Punkt, frage ich – wo?“

„Ich tippe auf Elsfleth“, entwickelte der Captain seine Gedanken. „Er ist der einzige Genosse aus Grangers Verbrecherleben, den wir greifbar haben – also müssen wir eben diese Quelle ausschöpfen. Selbst auf die Gefahr hin, dass sie nicht sehr ergiebig ist.“ Von da ab blieb Flannegan ziemlich schweigsam und ging auch verhältnismäßig früh zu Bett.

Dolan tat es ihm nach, aber er fand lange keinen Schlaf, weil er über das Verbrechen nachdenken musste. Allerdings ohne einen neuen Gesichtspunkt zu finden.

Am Dienstagmorgen stand Major Dolan nach einer unruhig verbrachten Nacht nur wenig ausgeschlafen auf.

Er machte trotzdem sorgfältig Toilette, rasierte sich elektrisch und stieg unter die Dusche, wobei er die Temperatur des Wassers allmählich ermäßigte und am Ende einige Minuten unter dem eiskalten Strahl stehenblieb. Das brachte ihn einigermaßen auf die Beine.

Nach einem eilig eingenommenen Frühstück holte er den alten Ford aus der Garage, den ihm die Stadtpolizei für die Dauer seines Aufenthaltes geliehen hatte, und fuhr mit Jimmy zur Lawrence Avenue hinauf.

Der Morgen war trüb und neblig. Die Kraftfahrzeuge fuhren mit Abblendlicht. Infolge der schlechten Sicht ballte sich der Verkehr in der Innenstadt zu einem schier unlöslichen Tohuwabohu zusammen, und Dolan kam nur schrittweise vorwärts. Er hatte längst eingesehen, dass ihm auch der Einsatz von Flackerlicht und Polizeisirene nichts geholfen hätte.

Das einzige, was tatsächlich helfen konnte, war Geduld.

Kurz vor 9 Uhr 30 bog der Ford endlich in die Lawrence Avenue ein, eine breite Straße mit hohen, zum Teil modernen Geschäftshäusern.

Je weiter Dolan nach Westen kam, um so bescheidener wurde die Gegend, desto unscheinbarer wurden die Häuser.

„1357“, sagte Jimmy plötzlich. „Fahr langsam, wir haben Grangers Haus gleich erreicht.“

Dolan schaltete gehorsam auf den zweiten Gang zurück. Nach ein paar Minuten deutete der Captain nach links. „Dort, die leicht vom Zahn der Zeit benagte Villa. Das muss sie sein.“

Dolan überzeugte sich im Rückspiegel, dass ihnen niemand folgte. Er ordnete sich in der Straßenmitte ein und bog nach links in einen verwitterten Park ab, dessen steinerne Mauerpfeiler das dazugehörige Gittertor längst verloren hatten.

Der Weg führte an einem ovalen Beet mit abgestorbenen Rosenstöcken vorbei und endete bei einer brüchigen Freitreppe.

Das Haus passte zu dem schäbigen Garten. Alles war verlottert und ungepflegt; die schwärzlich verfärbte Wand, die kahle Stellen abgebröckelten Putzes zeigte, das Dach, dessen einst rote Ziegel im Lauf der Jahre durch Moorflechten missfarben und bröcklig geworden waren, die ausgetretene Sandsteintreppe, die zu dem geschnitzten Portal hinaufführte.

„Gründerzeit, billigste amerikanische Erstausgabe“, kommentierte Captain Flannegan naserümpfend.

Dolan drückte auf den Klingelknopf.

Nach ein paar Minuten öffnete ein riesiger Schwarzer und blinzelte misstrauisch ins Freie.

Dolan zeigte schnell seine Polizeimarke vor. „Ich hätte gern die Herren Elsfleth und Niven gesprochen. Ich bin Polizeibeamter.“

Der Schwarze war einer von der wortkargen Sorte. Er gab kaum Antwort, ließ sich aber dazu herbei, die beiden Beamten in eine Diele zu führen. Dort bat er sie mürrisch zu warten.

Es war schon mehr ein Befehl.

Dolan hatte einige Minuten Gelegenheit, die Einrichtung der Diele abzuschätzen. Sie bestand aus einigen schweren Mahagonimöbeln und einem abgetretenen Smyrna. Die Möbel hatten vor zwanzig oder dreißig Jahren bestimmt viel Geld gekostet, sahen aber sehr ungepflegt aus und waren von einer dicken Staubschicht bedeckt.

„Hier fehlt die Hand der treusorgenden Gattin“, mokierte sich Flannegan. „Die Herren scheinen außerdem von der nützlichen Erfindung der Putzfrau noch nichts gehört zu haben – oder sie lehnen Putzfrauen generell ab, weil sie klatschsüchtig und wenig verschwiegen sind.“

Ehe Mac eine Antwort geben konnte, tauchte der Schwarze wieder auf und deutete kurz auf die offene Tür hinter seinem Rücken.

Die beiden Beamten betraten einen saalartigen, von Neonröhren künstlich erhellten Raum.

In schroffem Gegensatz zu dem sonstigen Eindruck des Hauses, war der Arbeitsraum der Ingenieure sauber aufgeräumt und gepflegt. Man hatte ihn lindgrün getüncht; er enthielt drei Gestelle mit großen Reißbrettern und Zeichenmaschinen, außerdem drei Diplomatenschreibtische, ein riesiges Büchergestell mit Fachliteratur und eine gemütliche Sitzecke, die sich um einen Rauchtisch gruppierte.

Vor dem Eintritt der Beamten hatten zwei Männer in weißen Mänteln an den Reißbrettern gearbeitet.

Dolan besah mit einem kurzen Blick die Zeichnungen, die offenbar den Motorraum eines Lastkahns darstellen sollten.

Der ältere der beiden Ingenieure, ein dicklicher, rothaariger Mann mittleren Alters, trat langsam näher.

Er besaß ein gleicherweise intelligentes wie brutales Gesicht. Die messerdünnen, verkniffenen Lippen und das kantige, viereckige Kinn sprachen von Energie und Verschlossenheit.

Dolan fühlte sich von zwei unruhig flackernden Augen gemustert.

„Dolan und Flannegan“, murmelte der Major. „Wir sind in die Ermittlungen um den Mordfall Granger eingeschaltet worden.“

„Ich heiße Larry Elsfleth“, sagte der andere mit dunkler, kehliger Stimme. Er wandte sich um und deutete auf seinen jungen Mitarbeiter. „Das ist Mr. Niven, meine Herren.“

Niven war etwa dreißig Jahre alt, mädchenhaft zart und blond. Er machte einen offenen und sympathischen Eindruck und verneigte sich etwas ungeschickt.

Elsfleth legte missmutig den Zirkel aus der Hand. „Kommen Sie, meine Herren, setzen wir uns. Ein Whisky gefällig?“

„Warum nicht?“, meinte Dolan, um die Atmosphäre zu entspannen.

Der Ingenieur ging zur Hausbar und kam mit einer Flasche und vier Gläsern wieder.

„Nehmen Sie doch Platz, meine Herren!“, fuhr er verdrossen fort. „Und machen Sie‘s kurz! Wir müssen seit Billys Tod für ihn mit schuften. Da haben wir wenig Zeit.“

„Das will ich gern berücksichtigen“, murmelte Dolan. „Aber die Herren werden sicher einsehen, dass sich die Ermittlungen nicht auf die lange Bank schieben lassen.“

Elsfleth goss den Bourbon in die Gläser und blickte dabei den Major ausdruckslos an. „Also, womit kann ich Ihnen dienen?“

Dolan kostete von dem Whisky. Er war um eine Spur zu warm. Lustlos setzte er das Glas ab.

„Tja, Mr. Elsfleth, wir stehen immer noch vor einem Rätsel. Sie haben Granger seit 1940 gekannt, wie ich den Akten entnommen habe ...“

Der Ingenieur ließ ihn gar nicht ausreden. „Wenn Sie die Akten kennen, dann wissen Sie auch, dass ich zur Sache keine Angaben machen kann.“

Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, beugte sich Dolan vor.

„Mr. Elsfleth, Billy Granger ist ermordet worden. Ein Mord erfordert ein starkes Motiv. Sie haben doch sicher selbst das größte Interesse daran, dass man den Täter ermittelt. Hm – ich will nicht pietätlos sein, aber es lässt sich nun einmal nicht leugnen, dass Granger sieben Jahre im Zuchthaus verbracht hat.“

„Zu Unrecht verbracht hat!“, brauste Elsfleth auf. „Wenn Sie mich fragen, an dem Tod Busonis war Billy bestimmt so unschuldig wie Sie und ich! Er ist auf Grund von Indizien verurteilt worden. Was davon zu halten ist, wissen Sie ja selbst.“

„Immerhin“, warf Jimmy ein, „sind die Geschworenen zu einer anderen Auffassung gekommen, damals, im Jahr 1947.“

Elsfleth machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Na, ich kenne diese Geschworenen! Kleine Geister, Spießbürger, die sich vom D.A. beeinflussen lassen! Hätte Billy einen besseren Anwalt gehabt, wäre die Sache anders ausgegangen. Na – Schwamm drüber. Er hat seine Jahre abgebrummt, und jetzt liegt er im Leichenschauhaus. “

„Das ändert alles nichts an der Tatsache“, sagte Dolan scharf, „dass jemand einen Grund hatte, Granger zu ermorden.“

„Dann suchen Sie ihn doch!“, brummte Elsfleth unwirsch. „Ich kann Ihnen nicht helfen. Glauben Sie mir, ich würde es tun, wenn ich eine Möglichkeit hätte!“

Die beiden Spezialagenten bissen bei dem Ingenieur auf Granit. Das hatten sie recht bald herausgefunden.

Sie begannen sich mit Daniel Niven zu beschäftigen, aber dieser war erst vor sechs Monaten als Hilfskraft eingestellt worden und konnte erst recht nichts sagen.

Nach etwa zehn Minuten brach der Major das nutzlose Verhör ab. Elsfleth nickte den beiden Kriminalisten sehr summarisch zu und ging wieder an seine Arbeit.

Er überließ es Niven, Dolan und Flannegan zur Tür zu begleiten. Von dem Diener war nirgends etwas zu sehen.

Der sympathischere Niven ging bis zum Auto mit und zupfte Dolan in einer plötzlichen Anwandlung von Mut schüchtern am Ärmel.

„Nun, Mr. Niven?“, fragte Mac erstaunt.

Der junge Ingenieur errötete und stammelte hilflos: „Höchstwahrscheinlich werden Sie mich für einen Quatschkopf halten. Höchstwahrscheinlich hat es auch nichts zu bedeuten ...“

Er zuckte die Achseln und wusste nicht weiter.

„In einem Kriminalfall hat selbst die geringste Kleinigkeit etwas zu bedeuten“, musste er sich von Flannegan belehren lassen. „Das ist ja gerade das Entscheidende an unserer Arbeit: neunundneunzig Fehlspuren verfolgen und beim hundertsten Mal auf die Wahrheit kommen.“

„So – glauben Sie? – Dann will ich Ihnen ein kleines Erlebnis erzählen: Vor etwa vierzehn Tagen traf ich einen Studienfreund. Er musste sich auf der Durchreise eine halbe Nacht hier in Chicago um die Ohren schlagen. Wir gerieten in die Bar Chez Paulette, und dort sah ich Billy Granger sitzen. Aber er sah mich nicht. Er saß mit einem äußerst verdächtigen Subjekt beisammen.“

„Höchst verdächtiges Subjekt?“, wiederholte Dolan fragend.

Niven nickte eifrig. „Grangers Begleiter ähnelte mehr einem Phantom als einem lebendigen Menschen. Stellen Sie sich einen schwarzhaarigen, schwammigen Mann vor, Alter etwa fünfzig Jahre, mit einem Gesicht, das einmal männlich schön gewesen sein mag. Außerdem hatte er an der linken Seite des Kopfes eine große Narbe. Er hatte zwar sein Haar darüber gekämmt, aber bei einer im willkürlichen Bewegung fiel es ihm in die Stirn, und ich sah die nackte Stelle auf der Haut ...“

In diesem Moment sprang der schwarze Diener eilig ins Freie und rief laut nach Niven.

„Los, Mr. Niven, Mr. Elsfleth ist am Explodieren. Er braucht Sie dringend für die Berechnungen.“ Niven zuckte zusammen. Er ließ die beiden Beamten einfach stehen und eilte wortlos ins Haus zurück.

Flannegan blickte Dolan kopfschüttelnd an und verzog verächtlich den Mund.

*

Etwa zu der gleichen Zeit ordnete eine noch junge Frau in einem Bungalow in Glenview den Frühstückstisch. Sie war vielleicht fünfunddreißig Jahre alt und hatte ein kluges, energisches Gesicht, dessen Züge allerdings zu grob waren, um sie als ausgesprochen hübsch oder gar schön gelten zu lassen.

Ein enganliegender Hausanzug aus chinesischer Seide rückte die Vorzüge ihres Körpers ins rechte Licht. Sie war vollschlank, hatte aber eine verhältnismäßig schmale Taille, wenn auch füllige Hüften, deren allzu rundlicher Eindruck allerdings durch die langen, rassigen Beine gemildert wurde.

Sie ordnete mit verdrossener Miene Tassen, Untertassen und Teller und rauchte dabei eine Zigarette.

Als sie die elektrische Kaffeemaschine abgeschaltet hatte, warf sie einen bösen Blick zur Tür.

Doch sie musste sich in Geduld fassen. Sie war fünf Minuten später immer noch allein.

„Phil!“, rief sie scharf. „Zum Donnerwetter, Phil, es ist gleich zehn Uhr. Komm jetzt gefälligst zum Frühstück!“

Wenig später öffnete sich zögernd die Tür, ein schwarzhaariger Mann betrat etwas taumelnd das Zimmer und setzte sich grußlos an den Tisch. Sein blauschwarzer Bart an Kinn und Wangen war wenigstens anderthalb Tage alt. Seine Fingernägel zeigten Trauerränder. Die ganze Erscheinung des einst sicher sehr attraktiven Mannes atmete Gleichgültigkeit und Lethargie aus.

Seine Frau goss den Kaffee ein und hatte Mühe, Phil zu überreden, doch wenigstens eine Tasse zu trinken.

Er setzte lustlos das feine Porzellan an den Mund, kostete und verzog angewidert die Lippen.

„Benimm dich doch nicht wie eine Memme, Phil, sondern trink!“, sagte die Frau scharf. „Der Kaffee kann dir nur guttun.“

Phil wollte aufbegehren, hatte dann aber doch nicht den Mut dazu und fügte sich schweigend.

Die blonde Frau schnitt graziös ein Brötchen auf, bestrich es mit Butter und ließ aus einem Löffel Marmelade darauf tröpfeln. Dann legte sie die beiden Hälften auf einen Teller und schob ihn ihrem Mann hin.

„Hier, iss, mein Lieber!“

Phil hob den Kopf. Im Licht des Tages konnte man deutlich erkennen, dass sein Gesicht früher markant, ja, männlich-schön gewesen war. Jetzt aber war es schwammig aufgedunsen und hatte eine graue, ungesunde Farbe. Phils Pupillen waren unnatürlich verengt. Er atmete unregelmäßig. Einmal tief, das andere Mal kaum spürbar und oberflächlich.

„Tu das Brötchen sonstwo hin, Gwendolyn“, knurrte er. „Du weißt doch, dass ich chronisch keinen Hunger habe.“

„Aber du musst doch etwas essen“, fuhr Gwendolyn energisch auf. Sie hatte plötzlich einen entschlossenen Zug um Mundwinkel und Nasenflügel, der sie um zehn Jahre älter machte. „So geht das doch mit dir nicht weiter!“ Sie hob die eine Hälfte des Brötchens vom Teller und fuhr mit völlig veränderter Stimme fort: „Mir zuliebe, Phil! Komm, einen Bissen ...“

„Ja, ja, ja, ich weiß“, brüllte Phil, „einen Bissen für Vati, einen Bissen für Mutti und einen Bissen für den lieben, süßen, kleinen Teddybär! So bescheuert, wie du zu glauben scheinst, bin ich noch lange nicht!“

Gwendolyn schlug mit der freien Hand klatschend auf den Tisch. „Hat man je solchen Unsinn erlebt? Ich meine es doch nur gut mit dir. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich das Brötchen nur ansehe. Ich wollte, ich dürfte es essen.“

„Aber dann iss es doch! Wer hindert dich?“, meinte der Mann gleichgültig.

Ein vernichtender Blick traf ihn. „Wer mich hindert? Meine schlanke Linie! Ich habe heute morgen schon wieder zwei neue Fettpölsterchen entdeckt, und die müssen weg, aber radikal weg!“

Phil wurde ironisch. „Armes Weib. Welche Kasteiungen erlegst du dir um deines Mannes willen auf! Dabei habe ich das alles so satt!“ Er stieß den Stuhl zurück, sah Gwen wild an und strich sich mit der Handkante an der Kehle vorbei. „Mir steht dein widerliches Getue bis hierher! Futtere, soviel du willst, und nimm zu, so sehr du nur kannst! Mir ist ohnehin längst alles egal!“

Er schlug von unten her klatschend gegen die Hand seiner Frau, die immer noch das Brötchen hielt, so dass es im hohen Bogen über Gwendolyns Rücken hinweg gegen den Spiegel flog und durch die Klebekraft der Marmelade am Glas hängenblieb, wo es erst ganz allmählich nach unten rutschte.

Der Temperamentsausbruch des Mannes hatte gerade soviel Bestand, dass er aufstehen, sich umdrehen und fluchtartig das Zimmer verlassen konnte.

Draußen hörte ihn die erblasste Gwendolyn eine ganze Weile rumoren.

Nach knapp fünf Minuten kehrte Phil zu seiner Frau zurück.

Aber welch entscheidende Veränderung war mit ihm vorgegangen. Er hielt sich aufrecht und straff, seine Hände zitterten nicht mehr, die Augen sprühten Feuer.