Einer aus Chicago - Theodor Horschelt - E-Book

Einer aus Chicago E-Book

Theodor Horschelt

0,0
3,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der reiche Mister King hat Sorgen. Ein schmieriger Erpresser namens Robert Market macht ihm schwer zu schaffen. Wir, Jimmy und ich, sollen uns Market vornehmen, aber wir kommen gar nicht mehr dazu, denn am Abend ist er schon tot. Er liegt im Park unter einer Trauerweide.
Der Millionär und sein Partner, der fette Mister Kobbe, hatten ein Motiv. Aber nicht nur sie. Sehr schnell ergeben sich neue Verdachtsmomente gegen Kings künftigen Schwiegersohn, der aus Chicago kam, um sich mit der schönen Marilyn zu verloben. Und der Nachbar Edward Hayse hat nicht nur eine bezaubernde Tochter, sondern außerdem kein Alibi.
Die aufgetakelte Pensionsinhaberin Pomelly hat nicht nur abgekaute Farbe auf den Lippen, sondern auch Haare auf den Zähnen. Und sie weiß etwas … Dann stellt sich heraus, dass der Ermordete aus Chicago kam und überhaupt die ganze Geschichte in Chicago ihren Anfang genommen hat, dreizehn Jahren zuvor …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

Theodor Horschelt

 

 

Einer aus Chicago 

 

 

Kriminalroman

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer, 2023

Korrektorat: Antje Ippensen

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Einer aus Chicago 

1. Kapitel 

Tausend Dollar Vorschuss 

2. Kapitel 

Auch ein Detektiv 

3. Kapitel 

Einer aus Chicago 

4. Kapitel 

Die Party 

5. Kapitel 

Tod im Garten 

6. Kapitel 

Oberinspektor Garryman 

7. Kapitel 

Ein Paar Schuhe 

8. Kapitel 

Strick im Busen 

9. Kapitel 

Der dicke Kobbe 

10. Kapitel 

Patricia 

11. Kapitel 

Der erste Schuss 

12. Kapitel 

Der Rummelboxer 

13. Kapitel 

Neuigkeiten 

14. Kapitel 

Ein Brief 

15. Kapitel 

Chicago 

16. Kapitel 

Die Brillenschlange 

17. Kapitel 

Plauderei mit einem Fleischkönig 

18. Kapitel 

Der Ring schließt sich 

19. Kapitel 

Lauter Mörder 

20. Kapitel 

Heulen und Zähneklappern 

Eine ganz kleine Auswahl der Krimis von Theodor Horschelt: 

 

Das Buch

 

 

 

Der reiche Mister King hat Sorgen. Ein schmieriger Erpresser namens Robert Market macht ihm schwer zu schaffen. Wir, Jimmy und ich, sollen uns Market vornehmen, aber wir kommen gar nicht mehr dazu, denn am Abend ist er schon tot. Er liegt im Park unter einer Trauerweide.

Der Millionär und sein Partner, der fette Mister Kobbe, hatten ein Motiv. Aber nicht nur sie. Sehr schnell ergeben sich neue Verdachtsmomente gegen Kings künftigen Schwiegersohn, der aus Chicago kam, um sich mit der schönen Marilyn zu verloben.

Und der Nachbar Edward Hayse hat nicht nur eine bezaubernde Tochter, sondern außerdem kein Alibi.

Die aufgetakelte Pensionsinhaberin Pomelly hat nicht nur abgekaute Farbe auf den Lippen, sondern auch Haare auf den Zähnen. Und sie weiß etwas … Dann stellt sich heraus, dass der Ermordete aus Chicago kam und überhaupt die ganze Geschichte in Chicago ihren Anfang genommen hat, dreizehn Jahren zuvor …

 

 

***

 

 

Einer aus Chicago

 

Kriminalroman von Theodor Horschelt

 

 

1. Kapitel

Tausend Dollar Vorschuss

 

 

Es war gerade sechs Uhr nachmittags, als unser Buick vor Salomons Weinstuben hielt.

»Ich hab' das deutliche Gefühl im Urin«, sagte Jimmy beim Aussteigen, »dass es eine kotzlangweilige Geschichte wird.« Und wie um sich selbst zu trösten, fügte er in einem Atemzug hinzu: »Aber vielleicht bringt's endlich mal wieder Geld ein.«

»Wir hätten uns vorher erkundigen sollen«, erwiderte ich, als wir uns durch die gläserne Drehtür kurbelten.

Salomons Weinstuben sind für ein Stelldichein unter Geschäftsleuten wie geschaffen. Das ganze, ziemlich große Lokal ist in unzählige kleine Zimmer aufgeteilt, die ineinander gehen. In jedem dieser Zimmer befinden sich höchstens zwei oder drei Tische, von denen fast immer nur einer besetzt ist.

Ein Geschäftsführer, der zwar sehr elegant, aber zugleich auch erschreckend dumm aussah, kam mit höflichem Lächeln, das allerdings mehr einem Zähnefletschen glich, auf uns zu. Er machte eine formvollendete Verbeugung und betrachtete uns höflich. Sicher hätte er weniger höflich geguckt, wenn er geahnt hätte, dass er mich im gleichen Augenblick an einen frisierten kleinen Affen erinnerte.

»Kann ich was für Sie tun, Gentlemen?«, säuselte er.

»Mein Name ist Wilding«, sagte ich, »und wir sind hier verabredet.«

»Oh ja, Mister Wilding, ich weiß Bescheid. Ja, Mister King erwartet Sie bereits. Einen Augenblick, bitte.« Er wandte sich um und machte ein paar Schritte zu einem kleinen Schalter hin. Dort warf er einen Blick auf eine Liste und sagte dann:

»Mister King bittet Sie, in unser New Yorker Zimmer zu kommen.«

»Wieso?«, fragte Jimmy und machte runde Augen. »Ist Ihr Saftladen so groß, dass er bis nach New York rüberreicht?«

»Oh nein, mein Herr!« Der lackierte Affe fletschte die Zähne und ließ ein weibisches Kichern hören. »Oh nein, oh nein! Alle Räume des Unternehmens tragen Städtenamen. Es ist netter so, wissen Sie, man erspart sich das Nummerieren.«

Jimmy grinste mich an und wandte sich dann an den Lackierten.

»Na, denn mal los!«

Der Geschäftsführer knipste zweimal mit den Fingern, und ein kleiner Page in einer weinroten Uniform stand plötzlich wie in einem gelungenen Zaubertrick neben uns.

»Bring die Herren nach New York«, sagte er und wandte sich zur Drehtür, um neue Gäste zu begrüßen.

Wir folgten dem Kleinen, und wenige Augenblicke später betraten wir den bezeichneten Raum.

Das Erste, was einem sofort in die Augen sprang, war ein riesiges Wandbild, das auf Glas gemalt war und von hinten beleuchtet wurde. Es stellte die Hafeneinfahrt von New York mit der berühmten Skyline von Manhattan dar. Die ganze Wand wirkte wie eine imposante Bühnendekoration für ein Revuebild.

Dann erst sahen wir die beiden Tische, und an einem davon saß ein Mann.

Er stand jetzt auf und kam auf uns zu. Ich hatte mir den Schiffsreeder King völlig anders vorgestellt. Ich weiß nicht genau, aus welchem Grunde, aber jedenfalls hatte ich damit gerechnet, einen kleinen fetten, vielleicht glatzköpfigen Mann hier zu treffen. Der Mann aber, der uns da entgegenkam, war groß und breit, und er war nicht der Typ eines Mannes, der sein Leben immer hinter einem Schreibtisch verbracht hatte. Er hatte ein energisches, wettergegerbtes Gesicht und schwarzgraues Haar, jene Haarfarbe, die man graumeliert nennt und die die Mädchenherzen in aller Welt höher schlagen lässt. Seine stahlblauen Augen blitzten lebhaft, als er mir die Hand entgegenstreckte.

»Mister Wilding, nicht wahr? Mein Name ist King. Kommen Sie, bitte!« Er gab auch Jimmy die Hand und führte uns an den Tisch.

»Ich will mich nicht lange mit der Vorrede aufhalten«, fing er sofort an, während er eine Chianti-Flasche nahm und drei Gläser vollgoss. »Der Grund meines Anrufes vorhin ist leider kein erfreulicher.«

»Das geht uns immer so«, sagte Jimmy. »In dieser Beziehung geht es den Detektiven wie den Sarggeschäften. Sie haben immer nur mit traurigen Ereignissen zu tun.«

»Aber wir haben uns damit abgefunden«, ergänzte ich. »Um was dreht es sich, Mister King?«

Der Mann hatte während unseres Geschwafels sein Weinglas fixiert und es nachdenklich hin und her gedreht. Jetzt blickte er auf und sah erst Jimmy und dann mich eine Weile lang schweigend an.

»Eine Erpressung«, sagte er. »Eine hübsche kleine Erpressung. Ich habe keine Zeit, mich mit dem Kerl zu befassen. Ich muss meinen Kopf und meine Nerven für andere Dinge freihaben. Schaffen Sie mir den Mann vom Hals! Wie, ist mir egal, aber schaffen Sie ihn mir vom Hals!«

»Was will er denn?«, fragte Jimmy.

»Geld!«, sagte King, »eine Menge Geld. Monatlich zweihundert Dollar auf unbeschränkte Zeit.«

»'ne hübsche kleine Rente«, murmelte Jimmy lobend. »Und sein Gegendienst ist Stillschweigen, ja?«

Der Reeder nickte. Er sah wieder einen Augenblick lang auf sein Glas und blickte dann auf. Seine klugen blauen Augen fixierten mich einen Augenblick.

»Der Gegendienst bei Erpressern ist fast immer Stillschweigen.«

»Ist es irgendeine Sache, die Ihnen gefährlich werden könnte?«, fragte ich teilnahmsvoll.

»Das kann man wohl sagen.« Er grinste und stierte nachdenklich wieder auf sein Glas, so, als gebe es in diesem Zimmer nichts anderes Interessanteres als den teuren italienischen Wein.

»Sie wollen darüber natürlich nicht sprechen, nicht wahr?«

»Das haben Sie richtig geraten. Ich will, dass Sie mir den Kerl vom Hals schaffen. Nennen Sie den Preis!«

»Fünftausend Dollar!«, sagte Jimmy.

›Du bist verrückt‹, wollte ich gerade sagen, aber da hatte King schon geantwortet.

»Okay«, sagte er nur. Er schien wirklich ‘ne Menge Geld zu verdienen.

Plötzlich hatte ich das saure Empfinden, dass er mit »Beiseiteschaffen« etwas ganz Bestimmtes meinte. Etwas ganz Endgültiges. Einen Liebesdienst mit dem Revolver, der ihm dann auch fünftausend Dollar wert sein konnte, einen Dienst, der nicht in den Arbeitsbereich eines Detektivs gehört, der aber leider schon oft genug von sogenannten Privatdetektiven, die nichts anderes als berufsmäßige Killer waren, erledigt worden war. Natürlich hätte ich jetzt sofort Klarheit schaffen können, aber irgendein Gefühl sagte mir, dass es besser wäre, die Dinge sich erst einmal entwickeln zu lassen. Erstens fing die Sache an, interessant zu werden, denn wer spuckt schon gerne ohne weiteres fünftausend Dollar aus, und zweitens – ob ihr's nun glaubt oder nicht – war ich auf die fünftausend Lappen auch ganz schön scharf.

»Kennen Sie den Mann?«, fragte ich.

Er nickte und stierte wieder auf sein Glas.

»Eines Tages kam er in mein Büro. Er erzählte große Geschichten, was für'n nettes Geschäft ich mir aufgebaut hätte. Er erwähnte auch Kobbe, und dann rückte er mit seiner Forderung heraus.«

»Wer ist Kobbe?«

»Mister Kobbe ist mein Partner. Er weiß von der ganzen Geschichte noch nichts, aber ich werde ihn einweihen müssen.«

»Darf ich fragen, warum Sie es noch nicht getan haben?«

»Er ist 'n bisschen mit den Nerven 'runter, und ich hatte ursprünglich gehofft, es allein erledigen zu können.«

»Will der Erpresser sich wieder bei Ihnen melden?«

»Ja«, sagte er. »Heute Abend in meinem Haus. Ich habe drüben in Alameda eine kleine Villa gekauft.«

»Er will einfach zu Ihnen kommen? Fürchtet er nicht, dass Sie die Polizei auf ihn hetzen?«

King antwortete mit einem kurzen, trockenen Auflachen.

»Diese Angst braucht er wahrhaftig nicht zu haben. Dazu hat er mich zu sehr in der Hand.«

Jimmy nuckelte an dem Wein, stellte das Glas mit einem Ruck auf die Tischplatte zurück und sagte:

»Sie haben 'n krummes Ding geschaukelt, King, stimmt's?«

Der Reeder zuckte zusammen, so als hätte er eine Ohrfeige erhalten. Wahrscheinlich war er es seit langem nicht mehr gewöhnt gewesen, so angesprochen zu werden. Er sah mich vorwurfsvoll an und murmelte:

»Ihr Partner hat eine etwas sehr direkte Art, Mister Wilding.«

»Machen Sie sich nichts draus«, lächelte ich. »Manchmal hat es auch seine Vorteile. Der Mann will also heute Abend zu Ihnen kommen. Und wie denken Sie sich unser Vorgehen?«

»Er muss erfahren haben, dass ich heute Abend eine kleine Party geben will. Er will sich unter meine Gäste mischen und um elf Uhr im Wintergarten meine endgültige Nachricht hören.«

»Und was sollen wir nun tun?«, fragte ich noch einmal.

»Schaffen Sie ihn mir vom Hals!«

»Na gut«, sagte ich langsam und zögernd, »wollen sehen, was sich tun lässt. Aber wie kann man ihn daran hindern, schließlich doch zur Polizei zu gehen und Sie anzuschwärzen?«

»Das ist Ihre Sache. Fünftausend Dollar!«, sagte er.

Ich fing einen warnenden Blick von Jimmy auf. Offenbar hatte der Kleine Angst, dass durch eine unvorsichtige Antwort das schöne Geld wieder flöten gehen könnte.

»Wir werden heute Abend unter Ihren Gästen sein«, sagte ich. »Geht das?«

»Okay«, murmelte er. »Darum wollte ich Sie sowieso bitten. Bleiben Sie in meiner Nähe. Wir werden dann an Ort und Stelle noch einmal alles besprechen können. Kobbe wird auch da sein.«

Er legte eine Tausenddollarnote auf den Tisch und stand auf.

»Kleiner Vorschuss!«

Er machte ein paar Schritte zur Tür, kam dann aber wieder zurück.

»Da ist noch etwas«, sagte er langsam, und er zögerte noch mehr als zuvor. »Ich habe eine Tochter, und ich mach' mir Sorgen um sie. Der Kerl hat so seltsame Andeutungen gemacht, dass er irgendein Ding gegen sie drehen will.«

»Haben Sie Ihrer Tochter etwas von der Sache erzählt?«

»Keinem Menschen. Dazu ist immer noch Zeit.«

»Ganz recht«, sagte ich. »Wir sprechen heute Abend noch einmal über alles. Okay?«

»Okay! Ich hab‘ jetzt keine Zeit. Ich muss gehen.« Er legte uns seine Visitenkarte auf den Tisch und fügte hinzu: »Um acht Uhr heute Abend. Wenn's geht, im dunklen Anzug. Den Wein bezahle ich draußen. Trinken Sie ihn auf mein Wohl. Ich glaub' fast, ich hab's nötig.« Er grinste ein bisschen und ging.

Er war kaum weg, als Jimmy schon die Chiantipulle ergriffen und unsere Gläser von neuem gefüllt hatte.

»Sympathischer Mann, nicht wahr?«, sagte er.

Ich wusste genau, dass außer dem Chianti auch die vielen Dollars Jimmys Sympathie erweckt hatten.

 

 

 

2. Kapitel

Auch ein Detektiv

 

 

Wir hatten nicht mehr viel Zeit, um uns vor dem Besuch der Party noch ein bisschen über die Person unseres neuen Auftraggebers zu orientieren. Als wir in unserem Büro in Geary Street 22 ankamen, nahm ich den Hörer und wählte Sally Cohens Nummer.

Sally Cohen hatte uns schon oft geholfen. Er wusste im kalifornischen Wirtschaftsleben Bescheid wie kein zweiter. Aber er war nicht da.

»Mist!«, knurrte ich und stand auf, um Jimmy nach oben zu folgen, der schon angefangen hatte, Toilette zu machen.

»Man kann nie wissen«, murmelte er und grinste ein bisschen, »ob King nicht ein paar flotte Girls in seiner Party hat. Nachdem es mit Susan nichts geworden ist …«

Er unterbrach sich selbst, und ich wusste auch weshalb. Susan war seine letzte große Liebe gewesen. Jimmy hatte am laufenden Band große Lieben, ein Beweis dafür, wie jung sein Herz ist. Wie schon öfter, hatte sich seine Zärtlichkeit Susan gegenüber darauf beschränkt, sie ein paarmal in teure Bars auszuführen, bis er plötzlich begriff, dass sie nichts anderes war als ein Champagnerweib. Eine Sorte von Girls, die nichts anderes im Kopf haben als Hohlraum, und die sich alle Mühe geben, diesen Hohlraum allabendlich mit Sekt ein bisschen auszuspülen. Das war auf die Dauer selbst meinem kleinen Jimmy zu viel geworden, und so war es menschlich verständlich, dass er sich an diesem Abend besonders nachdrücklich rasierte und mit auffallender Sorgfalt seine Krawatte band.

Bald darauf schlenderten zwei schwarzgekleidete feierliche Figuren zum Fahrstuhl.

»Ich komme mir vor«, sagte Jimmy, als wir nach unten fuhren, »als ginge ich zu meiner eigenen Tanzstunde.« Er deutete dabei auf seinen neuen dunklen Anzug, der seiner kleinen, aber muskulösen Gestalt etwas Feierliches und zugleich Komisches gab. Die Schnapsflasche im Arm, die Füße auf dem Tisch, das ist eine Haltung, die zu Jimmy eben einfach besser passt.

»Ich fahre«, sagte Jimmy, als wir unten auf den Buick zusteuerten. Langsam und fast feierlich lenkte er den Wagen quer durch die Stadt auf die lange Bay Bridge zu, die nach Oakland führt. Von da aus war es nur noch ein kurzes Stück bis Alameda.

Alameda ist eine Landhausvorstadt. Mister King wohnte in der Haywards Street in einer weißen Traumvilla.

Eine breite Auffahrt führte durch den parkartig angelegten Garten bis dicht an das Haus, dessen Eingang von zwei großen steinernen Figuren bewacht wurde. Mister King hatte offenbar Sinn für moderne Kunst, denn die beiden Figuren, die mich ein bisschen an eine Kreuzung zwischen Blumenvase, Klapperschlange und Bratpfanne erinnerten, waren sehr, sehr modern. Wahrscheinlich hatte sie der Künstler ›Leda mit dem Schwan‹ oder ›Frau mit Nachttischlampe‹ genannt. Jedenfalls sahen sie ziemlich imposant aus, genauso imposant, als wenn er sich dort zwei gewaltige Bronzelöwen aufgebaut hätte.

»Mann«, stöhnte Jimmy, als er das vornehme weiße Traumschloss von Nahem sah. »Wenn ich das gewusst hätte, wie viel Kies der Junge hat, hätte ich ihm genauso gut zehn Mille Honorar abknöpfen können.«

»Fünf ist genug«, sagte ich. »Ich wäre froh, wenn wir die Sache hinter uns hätten.«

»Wieso?« Jimmy runzelte die Stirn, während er den Zündschlüssel abzog. »Alles kalter Kaffee! Interessant sind doch nur die fünftausend Mücken.«

»Ich weiß nicht recht«, sagte ich zögernd. »Ich habe die ganze Zeitlang ein saures Gefühl.«

»Weil du den Chianti nicht gewöhnt bist! Und nichts weiter!« Jimmy hat immer eine freundschaftlich nette Art, mich zu beruhigen. Aber das war nicht nötig. So unruhig war ich nun wieder nicht.

Ein Diener in einer hellblauen Uniform mit goldenen Knöpfen kam heran und beugte sich zum Wagenfenster herab.

»Würden Sie so freundlich sein, meine Herren, und den Wagen dort auf dem Parkplatz abstellen?« Er deutete mit einer überaus vornehmen Geste geradeaus. Jetzt erst sahen wir neben dem Haus einen kleinen Platz, auf dem schon einige moderne Stromlinienkreuzer standen.

»Okay«, sagte Jimmy. Er nickte und steckte den Zündschlüssel wieder hinein. Einen Augenblick später schob sich unser Buick neben einen hellroten Studebaker der letzten Serie. Wir stiegen aus und gingen zum Haupteingang der Villa zurück.

»Verzeihen Sie vielmals, meine Herren«, sagte der hellblaue Diener mit einer ergebenen Verbeugung, die irgendwie fast etwas Asiatisches an sich hatte. »Mister King hat mir Ihren Wagen beschrieben. Er hat mich gebeten, Sie gleich in sein Zimmer zu führen. Darf ich Sie bitten, mir zu folgen?«

»Na, mal los!«, sagte Jimmy.

Von einem kleinen Vorraum aus, der nur als Garderobe diente und hinter dem sich sicher die große Halle befand, führte unmittelbar eine Treppe nach oben ins erste Stockwerk.

Der Hellblaue klopfte diskret an eine ledergepolsterte Tür. Ich war überzeugt, dass man dieses sanfte Klopfen von drinnen gewiss nicht hören konnte. Aber er hatte doch wenigstens seine Pflicht getan. Er öffnete die Tür und sagte:

»Die Herren sind da, Mister King.«

Er machte noch einmal zu uns gewandt eine Verbeugung und verschwand dann lautlos. Er war der ideale Diener.

Wir gingen hinein in die gute Stube, und ich muss sagen, dass das Arbeitszimmer des Reeders eigentlich noch ein bisschen feudaler war als das ganze Haus. Die Wände waren ganz mit Edelholz getäfelt, und darunter zogen sich lange Bücherregale hin, deren Inhalt man allerdings ansah, nass ihr Besitzer noch nie Gelegenheit gefunden hatte, auch nur eine einzige Zeile zu lesen Immerhin aber wirkte es recht repräsentativ, und allein darauf schien es ihm anzukommen. King gehörte offenbar zu den Leuten, die die Bücher in der Buchhandlung meterweise bestellen.

Er selbst saß hinter einem gewaltigen Schreibtisch, der ein bisschen an ein Kriegerdenkmal erinnerte, so groß und imposant war er.

»Freut mich, dass Sie so pünktlich kommen«, sagte er und deutete einladend auf die gewaltigen Instrumente, denen man trotz ihrer hypermodernen Form deutlich ansah, dass sie als Sessel dienen sollten.

»Für fünftausend Platten tun wir ‘ne Menge«, sagte Jimmy und grinste.

»Das hoffe ich«, sagte King. »Ich will, dass Sie mir den Kerl vom Hals schaffen. Um elf Uhr im Wintergarten. Sie wissen Bescheid.«

»Ich muss Ihnen widersprechen, Mister King«, sagte ich langsam und fast träge. »Wir wissen ein bisschen zu wenig, um Ihnen wirklich helfen zu können.«

»Ich werde Ihnen den Kerl zeigen, und dann werden Sie sich ihn vornehmen. Okay?«

»Das ist in Ordnung«, sagte ich. »Aber mir wäre es doch lieb, Sie würden ein bisschen mehr erzählen. Betrifft die Sache, wegen der er Sie erpresst, die Vergangenheit?«

»Sie können gut raten, Mister Wilding. Die Sache, wie Sie sich ausdrücken, liegt dreizehn Jahre zurück.«

»Und da haben Sie 'n krummes Ding gedreht, wie?«, fragte Jimmy. »Na schön, ist nicht unsere Sorge! Und der Mann, der Sie zu erpressen versucht, weiß es. Kennen Sie ihn von früher?«

»Ich habe ihn nie gesehen«, murmelte King verdrossen. »Niemals vorher, bevor er plötzlich in meinem Büro aufkreuzte.«

»Wo haben Sie eigentlich Ihr Büro?«

»Am Hafen natürlich. Direkt am Union Ferry Depot an der Ecke der Howard Street.«

»Unter welchem Namen wird der Mann hier aufkreuzen?«, fragte ich.

»Er hat mir gesagt, er hieße Market und er käme erst kurz vor elf, um sich mit mir im Wintergarten zu treffen.«

»Ich schlage vor, dass wir im Wintergarten verborgen bleiben, um uns den Knaben genau anzusehen und Ihr Gespräch zu verfolgen. Einverstanden?« Mister King schien diesen Vorschlag nicht besonders sympathisch zu finden. Offenbar fürchtete er, dass Market ein bisschen zu viel von dem sagen würde, was King anscheinend so fürchtete. Er zögerte eine ganze Weile, und da diesmal kein Chiantiglas auf seinem Schreibtisch stand, starrte er seinen Aschenbecher an, bevor er langsam und zögernd eine Antwort gab.

»Na gut. Ich denke, in den fünftausend Dollar Honorar ist auch Ihr Schweigen mit einbegriffen.«

»Wir empfinden eine Schweigepflicht wie ein Arzt«, sagte Jimmy.

»Das genügt mir«, murmelte King, aber ich spürte doch, wie unangenehm ihm die Situation war. »Es ist furchtbar unangenehm«, sagte er nun auch selbst. »Ich muss den Kerl loswerden. Schaffen Sie ihn mir vom Hals!«

Ich dachte daran, dass Jimmy unser Taschenmagnetofon mitgenommen hatte, und dass es uns womöglich gute Dienste würde leisten können.

»Wir werden tun, was in unseren Kräften steht, Mister King. Haben Sie mit Mister Kobbe bereits gesprochen?«

»Ach so, ja. Ich vergaß, Sie bekannt zu machen!« Er lächelte. Es war ein trauriges, fast müdes Lächeln. »Komm raus, Sammy!«, sagte er dann. Unmittelbar hinter ihm teilte sich der Fenstervorhang, und ein Mann erschien. Er nickte uns freundlich zu, grinste ein bisschen und gab uns die Hand.

»Ich bin Samuel Kobbe«, sagte er, und dann setzte er sich etwas abseits in einen der hypermodernen Sessel.

Samuel Kobbe war das genaue Gegenstück zu King. Er war klein und dick, und er hatte eine Glatze, die offenbar nur noch zur Verzierung mit ein paar grauen Haarsträhnen bewachsen war. Dafür aber hatte er einen kleinen schwarzen Bart und riesige Nasenlöcher, die ebenfalls mit prächtigen schwarzen Haaren bewachsen waren. Er trug eine randlose Brille, und das alles gab ihm das Aussehen eines Seehundes, obwohl ich zugeben muss, dass ich in letzter Zeit wenig Seehunde mit randlosen Brillen gesehen hatte.

Als er anfing zu sprechen, musste ich mir ein Grinsen verkneifen, denn im Gegensatz zu dem energisch und entschlossen wirkenden King machte Sammy Kobbe einen weichlichen Eindruck, der durch seine hohe Fistelstimme noch betont wurde.

»Ich sagte schon zu Maxwell«, krähte er, »dass Sie vielleicht etwas anders vorgehen sollten.«

»Wer ist Maxwell?«, fragte Jimmy.

»Das bin ich«, sagte King.

»Wie sollte man denn nach Ihrer Meinung vorgehen, Mister Kobbe?«, fragte ich.

»Etwas radikaler«, sagte er. »Etwas radikaler!« Er krähte es, und plötzlich hörte sich seine lächerliche Fistelstimme viel gefährlicher an als zuvor. Er machte eine Kunstpause und wandte sich dann an seinen Partner.

»Du konntest es nicht wissen, Maxwell, aber Market hat sich auch an mich gewandt. Vielleicht hat er gehofft, von dir zweihundert und von mir auch zweihundert im Monat zu kriegen. Das wäre eine süße kleine Rente. Vierhundert Dollar im Monat und das alles für Nichtstun! Ist doch 'ne Schweinerei!«, setzte er bieder hinzu.

Ich blieb ganz ruhig und wiederholte monoton meine Frage:

»Wie haben Sie das gemeint, Mister Kobbe, als Sie sagten, man müsse radikaler vorgehen?«

»Ja, wie gesagt«, säuselte er. »Maxwell King hat nichts davon gewusst, dass Market sich auch an mich gewandt hatte. Ich wollte Maxwell den Ärger ersparen und die Sache selbst erledigen. Deshalb hatte ich einen Detektiv beauftragt. Ich kam nicht auf Sie, entschuldigen Sie bitte.«

»Mit anderen Worten«, sagte ich, »hängen jetzt zwei Detektivfirmen drin in der Sache. Ihr Mann, Mister Kobbe, und wir.«

»Ganz richtig, ganz richtig!« Kobbes Worte überschlugen sich fast.

---ENDE DER LESEPROBE---