Planquadrat 78 - Theodor Horschelt - E-Book

Planquadrat 78 E-Book

Theodor Horschelt

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Beschreibung

In der Gegend von Los Angeles in den 1950er Jahren.
Die achtjährige Brenda, Tochter der attraktiven und reichen Witwe Hannah Toinbee, wird aus ihrem Zimmer entführt. Ein anonymer Anrufer stellt Forderungen auf und verlangt weiterhin, die Polizei aus dem Spiel zu lassen, will man das Leben des Mädchens nicht gefährden.
Ein Fall für Privatdetektiv Laster Crane, der den Auftrag annimmt, das Mädchen zu suchen. WAS und vor allem WER steckt wirklich hinter dieser Entführung. Kann Crane das Mädchen noch rechtzeitig finden, bevor die Entführer die Nerven verlieren, oder ist bereits alles zu spät?

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Theodor Horschelt

 

 

 

 

Planquadrat 78

 

 

 

 

Kriminalroman 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Neuauflage

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Kathrin Peschel nach Motiven, 2023

Lektorat/Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Planquadrat 78 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

Weitere Kriminalromane von Theodor Horschelt sind weiterhin erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung: 

 

Das Buch

 

 

 

 

In der Gegend von Los Angeles in den 1950er Jahren.

Die achtjährige Brenda, Tochter der attraktiven und reichen Witwe Hannah Toinbee, wird aus ihrem Zimmer entführt. Ein anonymer Anrufer stellt Forderungen auf und verlangt weiterhin, die Polizei aus dem Spiel zu lassen, will man das Leben des Mädchens nicht gefährden.

Ein Fall für Privatdetektiv Laster Crane, der den Auftrag annimmt, das Mädchen zu suchen. WAS und vor allem WER steckt wirklich hinter dieser Entführung. Kann Crane das Mädchen noch rechtzeitig finden, bevor die Entführer die Nerven verlieren, oder ist bereits alles zu spät?

 

 

***

Planquadrat 78

 

Kriminalroman

 

1. Kapitel

 

In der Gegend von Los Angeles in den 1950er Jahren.

 

Marisa hatte mich nicht direkt versetzt, die Bestie.

Aber dafür können Sie sich keinen Blumenpott kaufen, Bruder, denn ich sah Ecke Silver Lake Boulevard und Sunset Boulevard nur mehr ihre Stopplichter, genauer gesagt, die ihres Wagens. Weil ich mich – streng beruflich natürlich – um fünf Minuten verspätet hatte.

Wieder in der Heimat – und dann gleich so ’nen Guss auf den musikalischen Hinterkopf. Aber andere Mütter haben auch schöne Töchter – hat einmal ein Philosoph gesagt. Damit tröstet man sich. Zuerst röstet man sich vor Ärger, und dann tröstet man sich. Was doch ein Buchstabe vermag.

Well, ich stand nun da mit meinem kurzen Kinderhemd und wusste nicht, was tun. Innerlich stank es mir von Norden nach Süden, und dann grinste ich säuerlich wie ranzige Butter. Kennen Sie ja.

Um mich rum war ziemlich viel Leben in der Geographie. Liebespaare fuhren im Auto auf und ab. Es war ja erst zwanzig Uhr. Die Lichter der Weltstadt projizierten Farbeffekte a la Picasso an die Regenwolken. Trotzdem war es nicht kalt.

Ich schlenderte langsam zu meinem Parkplatz zurück, um meinen Mercury an Land zu ziehen und irgendwohin zu fahren. Zur Linken lag ein ziemlich bonfortionöser Bungalow, der war sparsam erleuchtet. Und dann schrie plötzlich ‘ne Frau. Sie schrie, als werde sie am Spieß geröstet, so richtig knusperig braun. Und in mir erwachten verschüttete Kavaliersinstinkte. Hab ich manchmal auch, vielleicht kriegte gerade ’ne Dame weiblichen Geschlechts das Garagentor von ihrem Eheliebsten mit Ölfarbe angestrichen. Sowas kommt vor.

Das Schreien ging in ein Wimmern über.

Im Haus entstand ein Hin- und Hergerenne. Offenbar handelt es sich doch um größere Beträge.

Ich ging mal rein. Mehr als rausfliegen konnte ich nicht.

Wozu bin ich ausgebildeter Flieger?

Die Tür stand offen. Direkt unter Oleanderbäumen. Es war ein schöner Bungalow. Hatte seine Piepen gekostet.

In der Diele stand ’ne Frau, das war schon mehr ein Standbild. Positiv. Sie hatte rötliche Haare, war überschlank und vielleicht Anfang der dreißiger Jahre. Sie hatte nicht viel. Sie hatte alles am richtigen Platz, und sie hätte mir unter anderen Umständen in die Guckerchen gestochen. Jetzt aber war sie völlig aus sämtlichen Tüten und heulte wie ’n tropfender Regenschirm im Tropengewitter.

„Mein Kind!“, wimmerte sie. „Mein Kind. O mein Gott!“

Und dann kippte sie aus den Latschen. Großaufnahme. Aus.

 

*

 

Drum rum standen etliche Figuren. Ein riesiger Farbiger, ein farbiges Hausmädchen und zwei Herren. Der eine war Ende dreißig und sah wie ’n guterhaltener Mann aus, der andere vielleicht Mitte zwanzig. Er wirkte auf mich wie ein schöner Teufel. Er hatte ’nen interessanten Charakterkopf ohne Charakter. Sowas gibt’s!

Ich drängelte mich diskret durch, kniete nieder und nahm die Ohnmächtige auf die Arme. Sonst läge sie jetzt noch auf’m Teppich.

Ich ging in ein Zimmer zur Rechten rein und legte die Ohnmächtige auf ’ne Couch. Da schlug sie die Augen auf und begann erneut zu schluchzen.

Ich wandte mich um und fragte kurz: „Was liegt an?“

Der Jüngling mit dem schönen Kopf hätte mir am liebsten eine verscherbelt. Er naschte an meiner Figur, und dann ließ er’s sein.

„Mrs. Toinbees Kind ist verschwunden!“, sagte der Ältere. „Und Ihr Auftauchen kommt mir verdächtig vor!“

Ich fummelte meine Lizenz aus der Tasche und hielt sie ihm unter den Gewürzprüfer. – „Ich bin rein zufällig hier und nur auf den Schrei von Mrs. Toinbee reingehumpelt. Wenn ich helfen kann …

Der Ältere sah auf. „Sie sind Detektiv? Das ist aber komisch!“

Mrs. Toinbee fasste sich mühsam. „Zum Teufel, ich will keine Polizei! Ich will mein Kind wiederhaben. Oh, Brenda …!“

„Ich bin Privatschlorcher!“, hauchte ich. „Mit Polizei und so ist nicht. Was ist wirklich vorgefallen?“

Der Ältere trat vor. „Ich bin Noel Bogarde, Mrs. Toinbees Stiefbruder. Wir waren zusammen auf einer Nachmittagsparty, und als wir wiederkamen, war das Kind weg. Sally, das Hausmädchen, und Tom, den Chauffeur, hatte man weggelockt, wie ich eben feststellte. Es sieht bös aus!“

Schien mir auch so.

„Crane, mein Name“, sagte ich. Der Jüngling murmelte „Cyril de Maes“, und grinste doof aus der Reizwäsche.

„Wie alt ist das Kind?“, fragte ich.

„Acht Jahre. Es ist ein Mädchen und heißt Brenda. Der Vater ist im vergangenen Jahr gestorben.“

„Handelt es sich um den Ölmagnaten Powell Toinbee?“, fragte ich zurück.

„Um genau den!“

Erinnerte mich an die Zeitungsnotizen. Der alte Mann – er war sicher dreißig Jahre älter gewesen als die aparte rothaarige Frau – hatte bei seiner Beerdigung ’nen großen Bahnhof gehabt. – Konnte er sich als Leiche was abschnipseln von, well.

„Immer mit der Ruhe bei der Heilsarmee“, hauchte ich gelassen. „Vielleicht ist das Kind nur ’n bisschen bummeln gegangen?“

In diesem Augenblick läutete das Telefon.

Mrs. Toinbee sprang mit ’nem Schrei auf und hob ab. Ich hielt mir den zweiten Hörer an die Ohrmuschel.

„Spreche ich mit Mrs. Toinbee?“, fragte ’ne raue Stimme;

Die schöne Frau sagte zitternd: „Ja!“

„Dann will ich Ihnen mal was husten, Schmuckstück!“, sprach der Unbekannte weiter. „Ihr Kind ist in den besten Händen. Sie verstehen schon. Sie könnten jetzt die Polizei verständigen. Wenn Sie das tun, dann können Sie anschließend gleich das Beerdigungsinstitut anrufen. Auch eine Kinderleiche …“

Mrs. Toinbee brach erneut ohnmächtig zusammen.

Ich nahm den Hörer und sagte: „Hallo, reden Sie weiter!“

„… schön sein!“, fuhr die Stimme ungerührt fort. „Ich denke aber, Sie werden vernünftig sein. Wir werden uns mit Ihnen in Verbindung setzen. Warten Sie ab!“

Nun entstand ein kratzendes Geräusch. Dann fuhr die Stimme im gleichen Tonfall fort:

„Spreche ich mit Mrs. Toinbee?“ Pause. „Dann will ich Ihnen mal was …“

Hier brach die Stimme ab und die Leitung war tot. Komisch.

Ich bin ’ne geistige Überwucht und kam auf den richtigen Trichter. Die Stimme kam von ’nem endlosen Tonband und würde, wenn man nicht aufgelegt hätte, tausendmal die gleichen sturen Sätze ausgespuckt haben.

Das stieß mir sauer auf, aber ich wusste nicht, warum.

Mrs. Toinbee erwachte wieder. Jetzt hatte sie keine Tränen mehr.

„Mrs. Toinbee“, sagte ich gütig. „Ich bin Privatdetektiv. Ich bin gern bereit, Sie zu beraten!“

Die schöne Frau strich mit zitternden Händen ein Streichholz an und kriegte von de Maes ’ne Kippe in die Futterluke gepappt. Sie rauchte in hastigen Zügen.

„Was raten Sie mir?“, fragte sie.

Ich zuckte die Achseln. „Wir müssen abwarten, ob sich die Erpresser wieder melden. Das Beste ist, die Polizei hinzuzuziehen. Ich habe gute Verbindungen. Es kann alles ganz diskret erledigt werden!“

„Kommt nicht in Frage!“, hauchte die schöne Frau. „Ich hab das Schicksal der Rosenbergs vor Augen. Ich will jedes Opfer bringen. O mein Gott, warum strafst du mich so hart. Erst Powell und dann das Kind!“

Sie brach wieder in Schluchzen aus.

 

*

 

Bogarde trat vor. Er trug ’nen teuren Anzug und sah mich mit kalter Neugier an. – „Mr. Crane, wir müssen den Entschluss meiner Schwester achten. Wir sind bereit, Sie zu den üblichen Bedingungen zu engagieren. Ihr Name bietet jede Gewähr. Aber Sie müssen sich nach uns richten. Es kommt uns nicht darauf an, dass die Entführer in die Gaskammer gehen, sondern dass das Kind heil in die Arme der Mutter zurückkommt. Sind Sie bereit, zu versprechen, diese Bedingungen zu akzeptieren?“

Ich gab mir innerlich ’nen Ruck. „Ich muss wohl, Mr. Bogarde!“

Die Toinbee haschte nach meiner Hand und hauchte ’nen Kuss drauf. „Mr. Crane, ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie einer Mutter in solch einer Situation zumute ist. Aber trotzdem beruhigt mich Ihre Anwesenheit wundervoll. Was werden Sie unternehmen?“

Ich legte zwanzig Prozent Schmalz in meine Stimme. Hilft in solchen Fällen immer.

„Ich kann gar nichts sagen!“, hauchte ich. „Auf jeden Fall sollten wir abwarten, bis der Entführer konkrete Vorschläge macht. Erst dann können wir weitersehen. Jetzt möchte ich mir Brendas Zimmer ansehen!“

Ich wurde in einen Raum geführt. Der lag neben dem Boudoir der Mutter und war mit lustigen Schleiflackmöbeln ausgerüstet. Ich konnte nirgends ’ne Unordnung sehen. Das Bett war offenbar benutzt worden. Es war zerwühlt und zurückgeschlagen.

„Sehen Sie sich die Sachen des Kindes an!“, befahl ich der Frau scharf. Scharf deshalb, um sie nicht noch mal aus dem Kajak springen zu lassen. „Schreiben Sie auf ’nen Zettel, wie die Entführer das Kind wohl angekleidet haben. Das müssen Sie aus den fehlenden Kleidungsstücken eliminieren.“

Ich wandte mich ab und bückte mich. Halb unter dem Bett lag ein einzelner Damenhandschuh.

 

*

 

Ich kümmerte mich nicht mehr um die anderen und sah mir den Handschuh an. Er strömte ’nen feinen Juchtengeruch aus, hatte aber kein Parfüm an sich. Sollte die Entführung durch ’ne Frau gefingert worden sein? Möglich, aber dann war sicher noch ’n Mann dabei gewesen.

Der Handschuh war ’ne kleine Nummer. Er war halblang, hatte keine Knöpfe und war aus grünem Leder gefertigt. Auf dem Handschuhrücken erkannte ich das erhabene Muster eines Löwen mit drei Schwänzen. Sollte es ’ne chinesische Arbeit sein?

Ich stülpte den Handschuh mal ’rum. Innen im Mittelfinger war ’n Monogramm eingeklebt. „M. L.“, konnte ich deutlich lesen.

Vielleicht war das ’n Anhalt. Vielleicht auch ’n Windei. Bin kein Zauberer.

Well, ich nahm sofort ein Verhör vor und stellte folgendes fest:

 

1) Mrs. Toinbee war mit Bogarde und de Maes gegen fünfzehn Uhr zu der Party gefahren;

2) das Kind war mit Tom und Sally allein zu Hause geblieben;

3) Mrs. Toinbee hatte Tom gegen sechzehn Uhr angerufen und samt Sally nach Boyle Heights bestellt;

4) In Boyle Heights hatten die beiden Farbigen am Treff keine Mrs. Toinbee gefunden;

5) Der Anruf war ’ne Finte gewesen. Mrs. Toinbee wusste nichts davon. Laut Tom hatte ihre (imitierte) Stimme auch so komisch geklungen;

6) die beiden Farbigen waren gegen neunzehn Uhr wieder zu Hause aufgekreuzt;

7) Mrs. Toinbee war mit den beiden Herren kurz vor zwanzig Uhr nach Hause gekommen und hatte das Fehlen des Kindes festgestellt.

 

*

 

Well, ich stellte noch etliche Fragen. Bogarde war, wie erwähnt, der Stiefbruder Mrs. Toinbees. Über seinen Beruf schwieg er sich hartnäckig aus. Der hübsche junge Teufel de Maes war mit der aparten jungen Frau nicht verwandt und verschwägert, sondern lebte als Protege auf ihre Kosten. Er gab an, Kunstgeschichte zu studieren, aber ich hatte ihn im Verdacht zu den Individuen zu gehören, von denen die Bibel sagt, sie säen nicht, sie ernten nicht, und unser himmlischer Vater nähret sie doch.

So ’ne Typen mag ich, wissen Sie ja.

Ich schärfte den Figuren ein, mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anzurufen, falls was los sei, und machte dann bescheiden die unheimlich kleine Mücke. Den Handschuh nahm ich mit. Hatte keiner was gemerkt von.

Ich peilte also meinen Mercury an und fuhr nach Hause zum Eclio-Park. Der Wurm nagte an meinem leicht verfetteten Herzen. Dass wir die Entführer kaschen würden, stand für mich bombenfest. Ob wir aber die kleine Brenda, so ohne Weiteres, lebendig aus der Bredouille holen könnten, wagte ich zu bezweifeln. Verdammter Shit.

Als ich nach Hause kam, war Heloise Sounders zu Besuch. Sie ist jetzt Doktor der Medizin und auf meine Hilfe nicht mehr angewiesen. Sammy hatte ihr gemeinerweise was von Marisa verklickert und nun spuckte sie jede Menge Schaum. Auch das noch!

Well, ich knallte Sammy heimlich ’n Ding gegen die Nieren, dass er sich krümmte, und tröstete Heloise dadurch, dass ich ihr meinen neuen Fall verkasematukelte. Da hörte sie sofort zu schimpfen auf und war voller Mitgefühl.

Am Ende zeigte ich ihr den Handschuh.

Helo äugte das Monogramm an und sagte wie aus der Pistole geschossen:

„Das Zeichen kenne ich. Es ist das von Masters & Landois. Geschäft für die ‚Oberen Fünfhundert‘, klar? Und es sieht nicht so aus, als habe es viele Paare von diesem Handschuh gegeben.“

Ich sah wieder etwas heller in die Zukunft. Vielleicht hatte ich ’ne heiße Spur.

 

*

 

Der nächste Tag war ein Sonntag, ich kreuzte aber trotzdem in der Privatwohnung von Chester Landois auf. Mr. Masters wurde längst von den Würmern benagt. Ich hatte es mit Landois allein zu tun.

Landois nannte eine Frau sein Eigen, ’ne Frau wie ’n Hydrierwerk. Sie gehörte zu der Sorte, die abends wohlig das falsche Gebiss auf den Nachttisch legen, nicht wahr?

Well, ich verklickerte Landois vorsichtig, was anlag. Er war ein alerter Mann in reiferen Jahren.

„Zeigen Sie mir den Handschuh!“, bat der Gute.

Tat ich.

„Das vereinfacht die Sache!“, sagte der Mann. „Es handelt sich um ein Modell meiner Direktrice. Drei Paar wurden davon angefertigt. Ein Paar hab ich selber davon verkauft. An den Nachtclubbesitzer Larsen. Kommen Sie morgen in mein Geschäft. Vielleicht können wir auch das Schicksal der anderen beiden Paare klären. Wir haben viel Stammkundschaft. Ich sehe da schon eine Möglichkeit!“

Ich erhob mich. „Sie sind sehr gütig, Mr. Landois. Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass alles geheim bleiben muss. Wenn der Entführer merkt, dass wir ihn am Kanthaken fassen wollen, dann schlachtet er die kleine Göre und alles war umsonst.“

Landois fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Sie können sich auf mich verlassen. Kein Wort über meine Lippen. Ich will nicht zum Mörder werden.“

Hoffentlich hielt er wirklich die Klappe. Verschwiegene Leute sind selten.

 

*

 

„Bin gespannt, Langer, wie du dem Nachtclubbesitzer die Würmer aus der Nase ziehen willst!“, grunzte der Kleine, der im Auto auf mich gewartet hatte. „Wenn du nix von den Handschuhen erzählst, kommst du nicht auf den Kern der Dinge; tust du’s aber doch, dann ist Larsen gewarnt, sofern er das Karnickel ist und die Entführung gestartet hat!“

Im Telefonbuch stellte ich fest, dass Larsen Nummer 2369 Eagle Rock Boulevard wohnte. Dort hatte er auch den Nachtfalter. So hieß sein Lokal.

Im Laufe des Tages stellte ich fest, dass der Nachtklubbesitzer alles hatte, bloß keinen guten Ruf.

Ich verbrachte den Nachmittag in meiner Wohnung und rief mal bei Hannah Toinbee an. Die arme Frau war völlig fertig, hörte man ihrer Stimme an. Der Entführer hatte sich noch nicht gemeldet. Ich versuchte sie zu trösten. Ob’s mir gelang, weiß ich nicht. Worte sind billig, wenn ’ne Frau vierundzwanzig Stunden am Tag um das Leben ihres einzigen Kindes bibbert.

In mir kam ganz schön der Zorn zum Kochen. Ich schwor mir, mit den Kidnappern auch ohne Schnee, Schlitten zu fahren. Dazu musste ich sie aber erst mal grabschen. Ob mir das gelang, war gar nicht so sicher.

Am späten Abend rauschte ich mit Sammy und Heloise zum Eagle Rock Boulevard rauf. Heloise war nur Staffage, ’ne sehr bonfortionöse Staffage übrigens.

 

 

2. Kapitel

 

Daniel Larsens Kitschbude war ziemlich teuer und ziemlich sündig. War froh, dass Helo bei mir war. Wurde ich wenigstens nicht den Infanterieangriffen der Tischdamen ausgesetzt. Bei Sammy war das anders. Ihm tropfte sofort der Zahn wie ’ne Wasserleitung mit schadhafter Dichtung.

Schon im Vorraum kam uns ein ziemlich belackter Heini entgegen. Der pfiff gekonnt durch die Zähne, als er Helo in ihrer Verpackung aus Nylon und Goldpailletten sah. Ich guckte ihm mal in die Pupillen und da drückte er sich.

Ein Herr, der kein Herr war, obwohl er ’nen Frack am Wanst hatte, wollte sich gleich mal von Helos Qualitäten überzeugen. Dummerweise stieß er dabei mit dem Kinn gegen meine zufällig geballte Faust. Das, was er sagte, als er aufstand, war schlecht zu verstehen. Nur die wenigsten Menschen können ohne Schneidezähne reden, müssen Sie wissen.

Wir gingen dann ohne weiteren Zwischenfall in den Käseladen rein und schnupperten in der Geographie rum. ’ne Damenkapelle im Bikini begann am laufenden Band Synkopen zu produzieren. Es war ziemlich voll. Wir hatten Glück, dass wir gerade noch ’ne Nische geschnappt hatten. Sammy stürzte sich sofort ins Vergnügen und tanzte mit ’ner Blonden, die hätte seine Mutter sein können.

Heloise nuckelte an einem Glas Sekt. Tendenz lustlos. Sie musste an Brenda Toinbee denken und da verging ihre gute Laune. Mein Pech. Aber ich war auch nicht auf Draht. Ich zermarterte mein Hirn, was ich tun solle.

Gegen zweiundzwanzig Uhr musste ich mal raus. Vor der Toilette standen etliche Angestochene um ’nen großen Endfünfziger rum. Der hatte ’ne Glatze und ’n Gesicht, da stand von Güte so viel drin wie von ungeweinten Tränen, nämlich nix.

Der Glatzkopf erzählte Witze.

„… stör mich nicht“, sagt darauf die Frau, schwafelte der Knülch gerade, „du hast ja selbst gesagt, der Kühler leckt!“

Die Meute brach in wieherndes Gelächter aus.

„Wer is’n das?“, fragte ich den weiblichen Zigarettenboy.

Das Girlie kriegte vor lauter Hochachtung Glubschaugen. „Den kennen Sie nicht? Das ist doch Mr. Larsen. unser Boss!“

 

*

 

Well, als ich fertig war, mischte ich mich unter die Gruppe von Lackaffen.

„Auf’n Wort, Larsen, sagte ich. „Hätte mich gern mal mit Ihnen unterhalten. Crane mein werter Name!“

Er gab mir ’ne etwas pastöse Hand. „Das Missvergnügen ist ganz auf meiner Seite. Kommen Sie mit in mein Büro. Sie sind doch der Privatbremser, welcher …?“

Ich nickte. „Genau der!“

Sein Büro war ziemlich bonfortionös eingerichtet. Am Fenster stand ein Panzerschrank mit zwei Beinen. Der Mann hatte sicher Mumm in den Knochen. War vermutlich der Leibwächter.

„Ich bin per Zufall in Ihren Laden reingetrampelt!“, sagte ich. „Und ich hab mir so einiges angesehen. Und da hab ich mir gedacht, Sie könnten mir vielleicht zu ’nem Job verhelfen. Sicher brauchen Sie ab und zu ’nen Detektiv, der mit der Polente nix zu tun hat.“

Larsen lächelte. Sah aus, wie wenn ’n vollbeladener Güterzug entgleist. Er wandte sich an seinen Leibwächter. „Henry, da will dir jemand das Geschäft versauen!“

Henry knurrte bloß.

Ich erhob mich. „Well, dann nicht, liebe Tante, ’ne Offerte wird man doch wohl machen dürfen!“

In diesem Augenblick sprang mich der Pfeifenheini von hinten an. Ich schnellte vor, stolperte mit den Beinen und brach in die Knie. Im gleichen Momang wurden mir die Hände auf dem Rücken zusammengerissen. Konnte nicht gegen an.

Larsen kam fast zärtlich auf mich zu. Und dann knallte er mir eine in die Lamäng, sodass das Blut spritzte.

Gleich darauf ließen sie mich beide los und hatten Colts in den Händen.

„So, mein Freund“, lachte Larsen. „Jetzt geh zu deiner Liebsten“ – er gebrauchte in Wirklichkeit ’nen viel treffenderen Ausdruck – „zurück und sag ihr, du hättest den Hintern vollgekriegt. Sie soll dir das Blut vom Vorhemd wegwischen. Es hat mich gefreut!“

Das war das Einzige, was ich ihm glaubte.

 

*

 

Ich ging zum Telefon und rief Larsens Büro an. über die Amtsleitung. Ich spannte ’nen Bogen Seidenpapier über die Sprechmuschel, damit er meine Stimme nicht erkennen könne.

Die Kehrseitenvisage meldete sich.

„Hallo, Dan“, sagte ich – er hieß Daniel – „können wir uns gleich mal an deinem Parkplatz treffen? Ist einiges schiefgelaufen!“

Er wollte ’ne Rückfrage halten, aber ich legte auf.

Anschließend ging ich in den Saal zurück und lotste Sammy augenzwinkernd von seiner Blonden los. Der Kleine kam gleich und grinste.

„Du schaust ja aus“, maulte er. „Bist mit’m Kopf unter ’ne Lokomotive geraten?“

Ich sagte ihm kurz Bescheid.

Wir sockten zu Larsens Büro und nahmen Deckung. Der schräge Nachtheini machte gerade die Mücke.

Sammy wartete ’ne Weile und drang dann ins Büro ein. Ich hörte ’nen dumpfen Fall und ’nen erstickten Aufschrei. Ich hechtete nach.

Henry, der Leibwächter lag am Boden und krümmte sich.

Ich gab ihm ’nen Tritt ins Gesicht und fesselte ihn mit Gardinenschnüren. Wir versteckten den Burschen hinter ’nem Vorhang.

Fünf Minuten später kam Larsen wieder. Er hatte nun doch geschnuppert, dass er düpiert worden war.

Ich schlug ihm den Kracher aus der Hand und dann bearbeitete ich ihn minutenlang. Sammy ließ inzwischen das Radio hysterisch schluchzen. Mit voller Lautstärke.

Am Ende glich Larsens Visage ’nem Fleischbrei im eigenen Saft. Ich nahm ihm noch die Pistole ab und entlud sie. Dann machten wir beide winke-winke und zogen ab.

Diesmal war der Genuss auf meiner Seite.

 

*

 

Helo war schon ganz ängstlich, obwohl ich mich wieder einigermaßen restauriert hatte. Ich packte sie und walzte mit ihr übers Parkett. Fühlte mich plötzlich herrlich frei.

Anschließend führte ich sie zum Tisch zurück und rauschte mit dem Kleinen ab.

Sie wissen, ich kann sehr kaltblütig sein. War ich auch diesmal. Wir untersuchten den ganzen Bau bis zum Keller. Hoffte Brenda Toinbee zu finden. Haute aber nicht hin. In dem Haus war das Girl nicht.

„Ich glaube, wir haben heute mehr verdorben als gutgemacht!“, hauchte der Kleine am Ende. Ich musste ihm rechtgeben. So ’n verdrehtes Ding!

Zahlten wir also unsere Rechnung – die war nicht zu knapp – und gingen nach Hause. Helo zitterte. Sie war froh, dass niemand erneut meine Stromlinien beschädigt hatte.

Als ich Helo abgesetzt hatte, fuhr ich mit Sammy nach Hause zum Echo-Park. Anschließend spielten wir das „Duett für zwei durstige Kehlen“, auf der Hausbar. Es rauschte wie die Wasserspülung vom Klo.

 

*

 

Bevor ich am Montagmorgen mit Sammy zu Landois fuhr, rief ich im Hause Toinbee an. Mrs. Toinbee hätte in ’nen Fingerhut gepasst. Die Entführer hatten sich noch nicht gerührt. Trotzdem wollte Mrs. Toinbee nichts von der Polizei wissen. Ich musste mich ihren Wünschen beugen.

Gegen zehn kamen wir zwei beiden bei Landois an. Der hat sein Geschäft in der Innenstadt. Schon der Empfangschef sah wie’n Oberst der Reserve aus.

Landois machte ’nen etwas zerknitterten Eindruck. Er hatte offensichtlich am Sonntag ausgiebig getagt und trug ’nen Kater auf dem Arm. Aber schon so einen. Sie kennen ja das Sprichwort, je oller, desto doller.

„Ich habe bereits Feststellungen getroffen“, sagte er, als ich ihm Sammy gebührend vorgestellt hatte. „Die drei Paar Handschuhe sind vor drei Monaten verkauft worden. Innerhalb von acht Tagen. Ein Paar ging an Larsen, das wissen Sie ja, das andere an die Schauspielerin Doris Hogg und das dritte, ja, das musste ich ins Hotel Esplanade schicken. Für einen gewissen Dave Hüter.“

„Kein Irrtum möglich?“, fragte Sammy.

Landois wurde sofort eisig. „Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig, Gentlemen, aber ich habe freiwillig ausgesagt und zwar die reine Wahrheit.“

Mehr war hier nicht abzukassieren. Ich bedankte mich bestens und zog Leine.

Doris Hogg war leider ein Windei. Die bekannte Künstlerin befand sich seit sechs Wochen auf Europa Tournee. Ich konnte mich davon überzeugen, dass das stimmte. Zog ich also ab.

Fuhren wir also ins „Esplanade“. Dort peilte ich gleich mal den Geschäftsführer an, einen gewissen Briller. Der war ziemlich unzugänglich, wenn auch höflich.

„Bei Ihnen hat vor drei Monaten ein gewisser Hüter gewohnt!“, knurrte ich.

Briller zuckte die Achseln. „Kann sein, kann auch nicht sein. Sie sind von der Polizei?“

„Lesen Sie meine Visitenkarte aufmerksam.“

„Danke für den Hinweis. Ich gebe über Gäste keine Auskunft.“

„In dem Fall doch!“, maulte ich. „Da ist’n kleines Girl von acht Jahren entführt worden. Vorgestern. Vielleicht ist das Kind nicht mehr am Leben. Ich soll es retten, falls es doch noch Puste hat. Versetzen Sie sich in die Lage der Mutter. Am Tatort blieb ein Handschuh zurück. Ein gleiches Paar hat Hüter gekauft und hier ins Hotel schicken lassen. Haben Sie mich?“

Er hatte mich. Er wurde ganz blass. Er sah ganz wie ’n Familienvater aus, der ’nen ganzen Stall Kaninchen zu Hause hat, und er dachte vielleicht an seine eigenen Kinder.

Der Liebe und Gute wurde sofort zugänglich. Er konferierte mit einigen Angestellten und sagte alles, was im Hotel bekannt war.

Hüter hatte drei Tage hier gewohnt und angegeben, er komme aus Salt Lake City. Mit ihm war ’ne Sexbombe aus Fort Wayne, namens Maureen Ball, gekommen, ’ne ziemlich voluminöse Frau von vielleicht Ende zwanzig. Briller schwor Stein und Bein, dass sie bestimmt nicht so geheißen habe und auch nicht aus Fort Wayne gestammt habe. Befragt, worauf er diese Behauptung stützen wolle, sagte er, er habe einen durch dreißig Jahre Hotelfach geschulten Röntgenblick.

Ich glaubte ihm.

Wir zogen mit hängenden Schlappohren wieder ab und verfügten uns in den Bungalow zurück. Ich rief Mrs. Toinbee an. Es hatte sich immer noch nichts gerührt.

„Zermürbungstaktik“, sagte Sammy. „Die Bande macht die arme Frau knieweich und kassiert sie dann ab. Und am Ende finden wir ’ne kleine Leiche. Ich hab ’ne Wut im Bauch, die würde auf jeder Ausstellung ’nen Preis kriegen. Größere Schweine wie Kindesentführer gibt’s nicht, falls du auf meine Meinung konfiszierst!“

Er hatte natürlich ‚reflektierst‘ sagen wollen, aber ich verzichtete darauf, ihn zu korrigieren.

 

*

 

Ich überlegte lange, ob ich Sammy mitnehmen sollte, aber ich ließ ihn lieber zu Hause, falls Mrs. Toinbee was von uns brauchte.

Fuhr ich also allein mal zur Eagle Rock rauf, obwohl ich solo nicht so gut zum Zuge kam wie mit dem kleinen Grottenolm als Rückendeckung.

Ich ließ mein Auto weit entfernt stehen und ging noch mal zu Larsens Nachtlokal rauf. Was ich da wollte? Ich hätte es Ihnen nicht verklickern können. ’ne innere Stimme sagte mir, ich solle mal die Gesinnung prüfen.

Well, ich stieg hinten über die Mauer und hoffte zu Hugo, es möge kein scharfer Hund anwesend sein.

In dem Garten um das Bumslokal rum gab es Lorbeer- und Granatbäume und ’ne unregelmäßige Catalina-Cherry-Hecke. Gedeckt war ich also.

Kam ziemlich ungeschoren zum Haus und da stand für mich ’ne Hintertür auf.

Ich marschierte dreist bis zu Larsens Büro durch. Unter normalen Umständen hätte ich den Teufel getan, aber hier ging es um das Leben eines süßen kleinen Mädchens. Ich hatte ’ne Fotografie von Brenda in der Brusttasche und die brannte mir dort fast ’n Loch in die Haut, falls Sie mich verstehen.

Larsen telefonierte gerade mit Windstärke zehn.

„… nicht machen!“, sagte er gerade. „Van Delft hat vermutlich Maikäfer im Kopp. Mir sowas zu bieten! Ich glaube, man sollte mit dem Mann mal Fraktur reden!“

Was der Gesprächspartner erwiderte, konnte ich nicht verstehen. Auf jeden Fall wurde Larsens Stimme plötzlich so salbungsvoll wie die eines Mormonenpriesters.

„Sie haben mich offensichtlich missverstanden“, sagte er. „Einen derartigen Befehl habe ich Ihnen nicht erteilt. Ich überlasse es ganz Ihrer Initiative, wie Sie mit van Delft fertigwerden. Wie es auch ausgehen möge, ich wasche meine Hände jetzt schon in Unschuld. Reden Sie sich ja nicht auf mich heraus!“

Der widerliche Mops wetterte den Hörer in die Gabel und wollte aus dem Zimmer springen. Mir blieb nichts anderes übrig, als schnell ’ne Tür zu öffnen und vom Gang zu verschwinden.

In dem Zimmer, das ich betrat, saß Henry und sah sich Fotos an.

Der Zuchtbulle sprang auf und zog lautlos seinen Derringer.

Ich nahm ihn an und schlug ihm die Taschenkanone aus der Hand. Dabei löste sich leider ein Schuss. Im gleichen Momang fischte der Knülch von mir ’nen Gedrehten aufs Kinn. Er wurde sofort weich in den Knien und ging auf die Matte.

Ich sprang zur Tür, verriegelte sie von innen und raste zum Fenster.

Henry wollte auch wieder ein Achtelchen mitspielen.

---ENDE DER LESEPROBE---