Die großen Western 159 - Frank Callahan - E-Book

Die großen Western 159 E-Book

Frank Callahan

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Beschreibung

Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Jimmy Halfpenny stieß sich wie ein wütender Puma vom Tresen ab und schnellte auf den bulligen Mann zu, dem sein spöttisches Gelächter in der Kehle steckengeblieben war. Die Faust des jungen Cowboys donnerte gegen das Kinn des Bärtigen, der zurücktaumelte und dabei Tische und Stühle umriß. Klirrend zerbrachen Flaschen und Gläser am Fußboden. "Sag das nicht noch mal, Martinez", fauchte Halfpenny. Die übrigen Gäste waren aufgesprungen und starrten auf das Spektakel. Raoul Martinez sagte gar nichts, sondern fuhr sich mit der Hand über den Mund. Irgend etwas war anders geworden. Martinez legte den Kopf schief und spuckte einen Zahn aus. "Hey…", lispelte er. "Du hast wohl einen rostigen Nagel im Kopf, wie? Dir muß die Hitze heute verdammt zugesetzt haben, Greenhorn." Martinez schnaufte und fuhr sich erneut übers Kinn, das leicht anzu­schwellen begann. Dann wandte er sich an den dicken Wirt, der hinterm Tresen stand und bereits eine Schrotflinte in den Händen hielt. "Hast du ihm etwas in den Whisky getan, Mike? Da werde ich nicht schlau, Amigo. Warum hat mir der Sattelquetscher eine verpaßt?" Der Mexikaner strich über seinen langen Schnurrbart und schaute immer noch verblüfft auf den jungen Cowboy, der mit geballten Händen wenige Yards von ihm entfernt stand. Jimmy Halfpennys Gesicht war gerötet. In seinen blauen Augen funkelte Zorn. Das kurzgeschnittene blonde Haar war zerzaust. Er mochte höchstens fünfundzwanzig Jahre alt sein, war wie ein Cowboy gekleidet und trug einen Revolver im Halfter. Lauernd starrte er auf Raoul Martinez, der ihn um einen ganzen Kopf überragte und auch gewiß über zwanzig Kilogramm schwerer war. Der

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Die großen Western – 159 –

Das Greenhorn und sein Todesengel

Frank Callahan

Jimmy Halfpenny stieß sich wie ein wütender Puma vom Tresen ab und schnellte auf den bulligen Mann zu, dem sein spöttisches Gelächter in der Kehle steckengeblieben war. Die Faust des jungen Cowboys donnerte gegen das Kinn des Bärtigen, der zurücktaumelte und dabei Tische und Stühle umriß. Klirrend zerbrachen Flaschen und Gläser am Fußboden.

»Sag das nicht noch mal, Martinez«, fauchte Halfpenny.

Die übrigen Gäste waren aufgesprungen und starrten auf das Spektakel. Raoul Martinez sagte gar nichts, sondern fuhr sich mit der Hand über den Mund. Irgend etwas war anders geworden. Martinez legte den Kopf schief und spuckte einen Zahn aus. »Hey…«, lispelte er. »Du hast wohl einen rostigen Nagel im Kopf, wie? Dir muß die Hitze heute verdammt zugesetzt haben, Greenhorn.«

Martinez schnaufte und fuhr sich erneut übers Kinn, das leicht anzu­schwellen begann. Dann wandte er sich an den dicken Wirt, der hinterm Tresen stand und bereits eine Schrotflinte in den Händen hielt.

»Hast du ihm etwas in den Whisky getan, Mike? Da werde ich nicht schlau, Amigo. Warum hat mir der Sattelquetscher eine verpaßt?«

Der Mexikaner strich über seinen langen Schnurrbart und schaute immer noch verblüfft auf den jungen Cowboy, der mit geballten Händen wenige Yards von ihm entfernt stand.

Jimmy Halfpennys Gesicht war gerötet. In seinen blauen Augen funkelte Zorn. Das kurzgeschnittene blonde Haar war zerzaust. Er mochte höchstens fünfundzwanzig Jahre alt sein, war wie ein Cowboy gekleidet und trug einen Revolver im Halfter.

Lauernd starrte er auf Raoul Martinez, der ihn um einen ganzen Kopf überragte und auch gewiß über zwanzig Kilogramm schwerer war.

Der Mexikaner schüttelte wieder den Kopf.

»Willst du dich vielleicht ernstlich mit mir prügeln, amigo mio?« fragte er fast freundlich. Dabei zeigte er seine nikotingelben Zähne.

Ehe Jimmy Halfpenny etwas entgegnen konnte, schaltete sich Mike Garner, der dicke Salooner, ein.

»Ihr könnt euch draußen vor dem Saloon so lange prügeln, wie ihr nur wollt«, grollte seine Stimme. »Doch hier verhaltet ihr euch ruhig, oder ich jage euch eine geballte Schrotladung in eure Hinterteile.«

Drohend schwang er die Schrotflinte hoch.

»Außerdem werdet ihr beiden Hitzköpfe den bereits entstandenen Schaden ersetzen. Ist das klar, Jungs?«

Jimmys angewinkelte Arme fielen herunter. Er nickte mechanisch, ließ dabei aber Martinez nicht aus den Augen.

»Gib mir noch einen Whisky,

Mike«, sagte er mit einer ungewöhnlich tiefen Stimme, die überhaupt nicht zu seiner jungenhaften Erscheinung paßte. »Und nimm deine verdammte Bleispritze weg. Wir wissen doch alle, daß das Ding da überhaupt nicht geladen ist.«

Mike Garners Gesicht nahm die Farbe einer überreifen Tomate an. Er richtete den Lauf des Gewehrs auf Jimmy, doch der stoppte blitzschnell zur Seite und schlug den Lauf in die Höhe.

In diesem Moment krachte es auch schon.

Beißender Pulverdampf hüllte die Gruppe ein, irgendwo splitterte und knackte es verdächtig, dann war für lange Sekunden Ruhe.

»Heiliger Rauch«, flüsterte dann eine Stimme. »Das Ding war wirklich geladen.«

Die Stimme gehörte dem dicken Wirt, der sich nun aus dem Pulverqualm herausschälte und die Schrotflinte mit einem Fluch fallen ließ.

Er wandte sich an Jimmy Halfpenny, der mit bleichem Gesicht am Tresen lehnte. Raoul Martinez trat näher und legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter.

»Nimm’s nicht so tragisch, Mike wollte bestimmt nicht auf dich schießen. So ist es doch, Mike, oder etwa nicht?«

»Wirklich nicht«, stammelte der Wirt. »Daran seid nur ihr verblödeten Hornochsen schuld«, schrie er dann. »Seit Jahren versucht ihr mir einzureden, daß das Ding nicht geladen ist.«

Er verstummte, denn ein brausendes Gelächter schallte ihm entgegen. Die vielen Männer, die sich nach der anstrengenden Arbeit eines langen Tages den Staub aus der Kehle spülten und zu seinen Stammgästen gehörten, wollten sich einfach nicht beruhigen.

»Gib schon eine Freirunde aus,

Mike«, grölte ein Cowboy, der schon einiges über den Durst getrunken hatte. »Dann wollen wir auch vergessen, daß du Jimmy umlegen wolltest.«

Mike Garner blieb nichts anderes übrig, als den Forderungen seiner Gäste nachzukommen. Raoul Martinez stand noch immer dicht neben Jimmy Halfpenny.

Der Mexikaner fuhr sich über sein angeschwollenes Kinn. Dann grinste er dem jungen Cowboy zu.

»He, Jimmy, willst du mir jetzt vielleicht verraten, warum du wie ein wildgewordener Büffelbulle auf mich losgegangen bist? Habe ich dich beleidigt, oder etwas Unrechtes gesagt? Komm, alter Freund, spuck es aus.«

Jimmy fuhr sich durch sein Haar. Dann stellte er sein leeres Whiskyglas mit einem Ruck auf den Tresen zurück. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.

Der Mexikaner wich zurück.

»Wenn das schon wieder losgeht, Jimmy, dann bekommst du von mir die schlimmste Abreibung deines Lebens, Compadre. Ich verspreche es dir ganz feierlich. Verdammt noch mal, was ist denn los? Du stellst dich an wie eine Jungfrau vor…«

»Ach, halt nur dein ungewaschenes Mundwerk«, knurrte Halfpennys tiefe Stimme. »Wenn du es noch einmal wagst, Tamara Pusinowa eine Puta zu nennen, dann bekommst du von mir wieder was aufs Maul.«

Jimmy Halfpennys Stimme klang todernst. Wieder lag ein leichtes Flackern in seinen Augen.

Raoul Martinez riß den Mund so weit auf, als wollte er einen ganzen Mückenschwarm verschlucken. Seine Schnurrbarthaare zuckten, als wären sie selbständige Lebewesen.

»Was?« fragte er. »Sag das noch einmal, Muchacho, sage es bitte noch einmal. Bestimmt habe ich mich verhört. Ganz bestimmt.«

Ein breites Grinsen spielte um die Mundwinkel des Mexikaners. Seine dunklen Augen staunten Jimmy Halfpenny an, als wäre er ein Monstrum mit drei Köpfen.

»Gib mir einen Whisky, Mike«, sagte er zum Wirt, der alle Hände voll zu tun hatte, um den Ansturm seiner durstigen Gäste abzuwehren. »Aber einen doppelten, Amigo.«

Dann wandte sich Raoul wieder an den jungen Cowboy, der mit grimmigem Gesicht auf seinen Freund blickte.

»Daher weht also der Wind«, sagte Martinez, immer noch grinsend. »Diese Pu – äh – Sängerin und Tänzerin geht dir nicht aus deinem verdammten Schädel. Und weil dein bester Freund es wagte, die Lady eine – äh – zu nennen, wolltest du ihm den Schädel einschlagen. Amigo Jimmy, bei dir piept es gewaltig. Schlag dir dieses Weib nur ganz schnell wieder aus dem Kopf. Die steht auf reiche Männer mit vielen harten Bucks. Bei der kannst du armer Schlucker nicht landen. Es wäre dasselbe, als wolltest du den Mond umarmen. Das ist doch hoffentlich nicht dein Ernst gewesen, Jimmy?«

»Mein voller Ernst«, knurrte Halfpenny. »Sie steht unter meinem persönlichen Schutz, diese Tamara Pusinowa, und irgendwann werde ich sie bekommen. Darauf wette ich mit dir jeden Betrag.«

»Er ist verrückt, total übergeschnappt!« japste der Mexikaner und leerte sein Glas mit einem Ruck. »Verrückt, ich habe einen Narren zum Freund. Der Kerl macht sich wirklich Hoffnungen, an dieses Superweib heranzukommen.«

»Noch einen Ton, Raoul, und ich breche dir das Genick«, stieß der junge Cowboy zornig hervor. Die umstehenden Männer blickten nach diesen wütenden Worten auf die beiden Gefährten, die sich mit roten Köpfen gegenüberstanden.

»Gehen wir«, der Mexikaner griente. »Morgen erwartet uns ein anstrengender Tag. Komm, Jimmy, wir sollten wirklich Schluß für heute machen.«

Raoul Martinez legte einige Münzen auf den Tresen, packte Halfpenny am Arm und zog den sich sträubenden jungen Mann zu den Pendeltüren.

Draußen sog der Mexikaner die laue Frühlingsluft tief in seine Lungen. Der Geruch von Erde und Gras wurde durch einen leichten Wind von den Weiden herübergetragen.

Von irgendwoher kamen das Murren von Rindern und das Wiehern von Pferden. Auf der Main Street der kleinen Rinderstadt Sweetwater herrschte noch lebhafter Betrieb, obwohl es schon fast eine Stunde nach Mitternacht war.

Aus dem »Dancing-Palace«, der sich ungefähr hundert Yards entfernt befand, klang Musik und das Johlen und Schreien von angeheiterten Männern.

»Komm mit, Raoul«, sagte Jimmy Halfpenny zu seinem Freund, der wie er als Cowboy für die Silver-Ranch ritt.

»Nicht schon wieder«, brummte Martinez. »Jeden Abend schleppst du mich dahin. Glaubst du, daß ich in den letzten Jahren so viel Geld gescheffelt habe, um es jetzt auf den Kopf zu hauen? Nein, mein Junge, da läuft nichts mehr. Und du bist schon längst pleite. Sogar deinen Vorschuß hast du bereits verjubelt, und nur wegen dieser – äh – Lady.«

»Kommst du mit oder nicht?« fragte Jimmy Halfpennys harte Stimme. »Ich muß Tamara sehen, sonst werde ich verrückt. Komm mit, Raoul.«

Seine tiefe Stimme klang bittend.

»Sie steckt wie Gift in deinem Verstand«, knurrte der Mexikaner. »Verdammt noch mal, Jimmy, du hast nicht den Hauch einer Chance bei dieser Tamara Pusinowa.

Gut, vielleicht nimmt sie mit dir sogar einen Drink, wie sie es mit allen Jungs tut, doch wenn du mehr von ihr erwartest, dann mußt du schon einen mächtigen Haufen Bucks haben. Und die hast du nun mal nicht und wirst sie auch nie haben. Folglich wirst du das Girl auch nicht bekommen. Ist doch alles sonnenklar, Junge. Warum will das nur nicht in deinen verdammten Dickschädel hinein?«

Raoul war durch diese lange Rede etwas außer Atem gekommen. Jimmy packte ihn am Arm und zog ihn mit. Der Musik- und Stimmenlärm wurde immer lauter, je mehr sie sich dem »Dancing- Palace« näherten.

*

Tamara Pusinowa hatte das rechte Bein auf einen Stuhl gestellt, was einen Blick bis zu den wohlgerundeten Oberschenkeln gestattete. Sie sang. Die feuerroten Haare fächerten wie ein Schleier über den Rücken. Ihr enganliegendes Kleid spannte sich wie eine zweite Haut um ihren gertenschlanken Körper. Die weißen Halbkugeln ihrer festen Brüste quollen fast aus dem zu engen Mieder.

Sie beendete das einfache Lied. Ihre rauchige Stimme, die an alle Sünden und Verlockungen des Teufels denken ließ, verstummte. Sie verneigte sich mehrmals und nahm den brausenden Beifall der über fünfzig Männer entgegen, die bis zu diesem Moment andächtig gelauscht hatten.

Die etwa fünfundzwanzigjährige Schönheit stand auf einer kleinen Bühne, die in rötliches Licht getaucht war. Einige Yards seitwärts befand sich die kleine mexikanische Kapelle, die die schöne Tamara tatkräftig mit ihren Instrumenten begleitet hatte.

Der Beifall wollte kein Ende nehmen. Aus vielen rauhen Männerkehlen klang der Ruf nach einer Zugabe.

Wie eine Königin stand die schöne Frau auf der kleinen Bühne. Sie verneigte sich nun tief.

»Hoho«, rief ein Cowboy mit trunkener Stimme. »Wenn sich die Lady noch dreimal verneigt, wird sie bestimmt ganz im Freien stehen.«

Der Mann sah sich beifallheischend um.

»Noch einen derartigen Scherz, alter Freund«, sagte ein Mann neben ihm, der die schöne Frau mit fiebernden Augen anstarrte, »dann wirst du gleich im Freien stehen, und es wird dir anschließend nicht sehr gut gehen.«

Wer weiß, wie diese Auseinandersetzung weitergegangen wäre, wenn nicht Tamara in diesem Moment ein neues Lied angestimmt hätte. Sofort herrschte Ruhe.

»Pst«, sagte ein Mann und legte seinen Finger auf die Lippen, als Jimmy Halfpenny und Raoul Martinez den »Dancing-Palace« betraten.

Jimmy zog sich einen Stuhl heran. Martinez kannte dies. Er wußte auch, daß sein Freund in den nächsten Minuten nicht ansprechbar sein würde. Er hatte jetzt nur Augen und Ohren für die süße Verlockung, die dort oben auf der Bühne mit rauchiger Stimme ein Lied nach dem anderen sang.

Beifall brandete auf.

Jimmy Halfpenny, ein sonst sehr ruhiger und vielleicht sogar schüchterner junger Mann, sprang von seinem Stuhl auf und schrie sich die Kehle heiser. Seine Hände klatschten ineinander, als wollte er Getreide dreschen.

Raoul Martinez rollte belustigt mit den Augen und blickte zu der schönen jungen Frau hinüber. Natürlich gefiel ihm diese Tamara Pusinowa ebenfalls, doch der Mexikaner wußte auch, daß diese Frau unerreichbar wie der Mond war.

»Trink dein Glas leer«, raunte er Jimmy ins Ohr. »Wir wollen gehen. Und ich schwöre dir, daß ich dich hier sitzenlasse, wenn du nicht sofort mitkommst.«

Tamara verschwand nun hinter dem weinroten Vorhang, der sich hinter der kleinen Bühne spannte.

Jimmy sprang auf.

»Halt mein Glas, Raoul«, sagte er. »Ich bin gleich wieder da. Ich werde…«

Er rannte los.

Der Mexikaner wollte dem Freund folgen, aber dann sank er resignie­rend auf seinen Stuhl zurück.

»Dem verrückten Kerl ist doch nicht zu helfen«, murmelte er. »Ich hoffe nur, daß er sich eine erstklassige Abfuhr bei dieser Lady holt.«

Jimmy Halfpenny hatte sich an einem der zahlreichen Rauswerfer vorbeigeschlichen und ging langsam den düsteren Gang entlang, der zu Tamara Pusinowas Garderobe führte. Eine Kerosinlampe verbreitete flackernden Lichtschein, der bizarre Schatten gegen die schmutzigen Wände warf.

Vor der grüngestrichenen Tür verhielt Jimmy Halfpenny. Er spürte sein Herz hart gegen die Rippen pochen. Ein ziehendes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit.

Dann holte der junge Mann tief Luft und klopfte leise an die Tür. Nichts rührte sich. Erneut pochte Jimmy Halfpenny gegen das Holz.

Dann faßte er sich ein Herz und öffnete die Tür einen Spalt. Jimmy spähte hinein. Was er sah, ließ seinen Atem noch schneller gehen.

Tamara Pusinowa zog sich gerade um. Mit nacktem Oberkörper wandte sich sich dem jungen Mann zu, der keinen Blick von den berauschenden Formen der schönen Frau nahm und ein leises »Ah« ausstieß.

Tamara blickte hoch.

Im ersten Moment öffnete sich ihr Mund zu einem Schrei, doch dann formte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Jimmy, der dies als eine Art Zustimmung auffaßte, betrat das Zimmer.

Die schöne Frau hatte sich inzwischen eine Bluse übergestreift und knöpfte sie bedächtig zu.

»Was willst du, mein Junge?« fragte sie nicht unfreundlich. »Ich weiß ja, daß du mich bewunderst, doch ich möchte dich bitten, ganz schnell zu verschwinden. Wenn Mr. Jackson erfährt, daß du dich hierhergeschlichen hast, dann wird er böse werden und dich sehr unsanft ins Freie befördern. Geh wieder, Cowboy. Ich meine es gut mit dir. Morgen werden wir auch zusammen einen Drink nehmen. Bist du damit einverstanden, Cowboy?«

Ein betörender Klang lag in ihrer rauchigen Stimme. Jimmys ovales Gesicht hatte die Farbe einer überreifen Tomate angenommen. Er schluckte mehrmals. Sein Kehlkopf tanzte auf und ab.

»Okay, Ma’am«, sagte er. Seine Stimme zitterte leicht. Er übersah das belustigte Lächeln der schönen Frau, die ihm nochmals kurz zunickte und dann hinter einem Wandschirm verschwand.

Verlegen drehte Jimmy seinen verstaubten Stetson in den Händen, als er rasch näher kommende Schritte vernahm. Er huschte zur Tür hinaus und wollte den Gang entlangeilen, als aus einer Nische ein Mann hervortrat.

Es war einer der Rausschmeißer. Seine kräftige Hand stieß nach vorn und packte Jimmy am Hemdkragen. Fast mühelos hob er den jungen Cowboy einige Zoll hoch.

Jimmy bekam den üblen Whiskydunst des Mannes in die Nase, starrte in dessen zornige Augen und versuchte, den Kopf zur Seite zu nehmen, als er einen dunklen Schatten auf sich zufliegen sah.

Jimmy schaffte es nicht.

Er spürte einen grellen Schmerz am Kopf, sah tausend bunte Sterne, und dann wurde es dunkel um ihn herum.

*

»Wach schon auf, du Heldensohn«, vernahm Jimmy Halfpenny eine bekannte Stimme, die aus großer Ferne zu kommen schien.

Dann hatte Jimmy das Gefühl zu ertrinken. Eine rauschende Wasserflut ergoß sich über sein Gesicht. Prustend und wie ein Ertrinkender mit den Armen rudernd kam Jimmy auf die Beine. Erst da öffnete er die Augen und blickte in das grinsende Gesicht seines Freundes Raoul Martinez, der einen leeren Wassereimer in den Händen hielt.

»Na endlich«, schnaufte der Mexikaner erleichtert. »Habe schon damit gerechnet, dich zum Doc bringen zu müssen. Wer hat dich denn so zugerichtet? Doch nicht etwa die schöne Lady?« Martinez grinste immer noch.

Er wich einige Schritte zurück, als sich Jimmy anschickte, sich auf ihn zu stürzen. Doch nach wenigen Yards blieb Halfpenny stehen und griff sich an den Kopf. Wieder sah er Sterne, und alles begann sich um ihn zu drehen.

»Wird doch keine Gehirnerschütterung sein«, spottete sein Freund. »Wüßte eigentlich nicht, was es bei dir zu erschüttern gäbe.«

Jimmy Halfpenny fluchte nun wie ein altgedienter Postkutschenfahrer und spuckte den letzten Rest Wasser aus.

»Hoffentlich bist du genügend abgekühlt, Jimmy«, sagte Raoul. »Los, alter Junge, wir reiten. In drei Stunden müssen wir schon wieder auf den Beinen sein. Glaube nur nicht, daß der Boß eine Ausnahme machen wird. Bei Tagesanbruch erwartet uns viel Arbeit.«

Jimmy nickte müde.

Er sah sich um und erkannte, daß er sich neben dem Hinterausgang des »Dancing-Palace« befand. Seine Kleidung sah ramponiert aus.

»Na warte, Bürschchen«, stieß der junge Cowboy dann wütend hervor. »Ich werde es dir irgendwann heimzahlen. Ich meine nicht dich, Raoul«, sagte er zu seinem Freund, als dieser ihn verständnislos anblickte. »Ich meine den Kerl da drin, der mir aufgelauert und mein Rendezvous mit Tamara gestört hat.«

»Ein was?« fragte Raoul. »Mann, du mußt wirklich ein schlimmes Ding auf die Nuß bekommen haben. Los, komm jetzt mit. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«

Er packte den noch immer angeschlagenen Jimmy Halfpenny am Arm und zog ihn mit. Bald ritten sie aus Sweetwater hinaus, wo inzwischen Ruhe eingekehrt war.

Jimmy hing schief im Sattel. Jede Bewegung seines mausgrauen Wallachs bereitete ihm Schmerzen. Martinez hatte nur ein mitleidiges Lächeln für ihn übrig.

»Wer nicht hören will, muß fühlen«, sagte er fast feierlich. »Ich hoffe nur, daß dir diese Lektion reichen wird, mein Freund. Bestimmt hast du jetzt von dieser Tamara Pusinowa die Nase voll.«