Die Harz - Geschichte 5 - Bernd Sternal - E-Book

Die Harz - Geschichte 5 E-Book

Bernd Sternal

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Beschreibung

Band 5 der Harzgeschichte schließt nahtlos an Band 4 an. Er behandelt eine Zeitspanne von etwa 100 Jahren, vom Ende des Schmalkaldischen Krieges bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Dieser Zeitabschnitt war geprägt von religiösen Konflikten und Kriegen, die durch die Reformation, die im Umfeld des Harzes ihren Ursprung hatte, ausgelöst wurden. Das Buch versucht „Raubrittertum“, „Hexenprozessen“ und „Harzschützen“ auf die Spur zu kommen und die Wirren und Grausamkeiten des Dreißigjährigen Krieges anhand historischer Quellen aufzuhellen. Dieser Krieg war der längste in Deutschland während der gesamten Neuzeit. Seine Protagonisten General Wallenstein, General Tilly, der „tolle Halberstädter“ Christian von Braunschweig und Christian von Dänemark sowie Schwedenkönig Gustav Adolf von Schweden gingen nicht nur in die Geschichtsbücher ein, sie fanden auch in vielfacher Form Eingang in die Kunst und Kultur. Die Nachwirkungen des Dreißigjährigen Krieges prägten die Harzregion, Deutschland und Europa mindestens ein Jahrhundert lang. Der Friedensvertrag des Westfälischen Friedens gilt heute als Geburtshelfer für die Herausbildung des modernen Völkerrechts auf der Grundlage souveräner Nationalstaaten. Das Buch ist bebildert mit 9 farbigen und 51 schwarz/weiß Abbildungen (Fotos, Burgen-Rekonstruktionen, Stiche und Gemälde) sowie mit 7 geschichtlichen Karten, darunter 2 farbige Karten.

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Inhalt

Nach dem Schmalkaldischen Krieg – vor dem Dreißigjährigen Krieg

Hexenverfolgung und Hexenprozesse

Räuberbanden und Raubritter

Die Machtverhältnisse in Europa vor Ausbruch des Krieges

Der Auslöser des Dreißigjährigen Krieges

Kriegsbeginn – Der Böhmische Krieg

Graf Peter Ernst II. von Mansfeld

Fürst Christian I. (Anhalt-Bernburg)

Nach dem Böhmischen Krieg

Der Krieg in der Kurpfalz

Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel

Zur Vorgeschichte des dänisch-niedersächsischen Krieges

Der dänisch-niedersächsische Krieg – oder wie der Dreißigjährige Krieg in die Harzregion kam

13.1 Der Torwachen-Vorfall in Osterode

13.2 Hillefelds Überfall auf Buntenbock

13.3 Der harte Andreasberger Winter 1624

13.4 Die Pest in Clausthal

13.5 Die Kamschlackener Kanonen

13.6 Die Zerstörung der Bergstadt Grund

13.7 Der Versuch Goslar einzunehmen

Das Amt Harzburg im Dreißigjährigen Krieg

Die Schlacht bei Lutter am Barenberge

Nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge

Der Schwedische Krieg

17.1 Die Magdeburger Hochzeit

17.2 Die Schlacht von Breitenfeld

17.3 Die Schweden im Harz

Der Schwedisch-Französische Krieg

Stadt Quedlinburg während des Krieges

Stadt Gernrode während des Krieges

Stadt Seesen während des Krieges

Amt Schladen während des Krieges

Amt Gieboldehausen und das umliegende Eichsfeld

Amt Wernigerode während des Krieges

Amt Dardesheim während des Krieges

Stadt Osterode während des Krieges

Amt Rammelburg während des Krieges

Stadt Eisleben während des Krieges

Amt Elbingerode während des Krieges

Amt Hornburg während des Krieges

Ämter Hayn, Harzgerode und Güntersberge während des Krieges

Stadt Halberstadt während des Krieges

Amt Stauffenburg/Badenhausen während des Krieges

Amt Stiege und die Stadt Hasselfelde während des Krieges

Stadt und Grafschaft Blankenburg während des Krieges

Stadt Gandersheim während des Krieges

Das Amt Thale während des 30-jährigen Krieges

Die Harzschützen

Obrist Johann David Pecker – der Harzschützenjäger

Die Tatern

Das Kipper- und Wipperunwesen

Harzer Bergbau und Hüttenwesen

Das Ende des Krieges – der Westfälische Friede

Der Frieden in der Harzregion

Nachwirkungen des Krieges

Flüchtlingselend und Solidarität in der Harzregion

Die Kirchenbücher von Rieder

Literaturverzeichnis und Quellenangabe Abbildungen

1. Nach dem Schmalkaldischen Krieg – vor dem Dreißigjährigen Krieg

Im Schmalkaldischen Krieg, den ich in Band 4 behandelt habe, kam es zu keinen großen Feldschlachten. Dieser zum Teil auch als Konfessionskrieg bezeichnete Konflikt zwischen protestantischen und katholischen Parteien wurde aber mit erheblichem propagandistischem und auch militärischem Aufwand geführt.

Die militärischen Auseinandersetzungen wurden im Wesentlichen von angeworbenen Söldnertruppen – sogenannten Landsknechten – geführt, die schlecht entlohnt und verpflegt wurden. Was blieb diesen Soldaten weiter übrig, als sich selbst zu versorgen? Und so zogen diese militärischen Einheiten plündernd und brandschatzend durch das Land. Belagerungen und Kanonaden kamen außerdem hinzu, so dass weite Teile Mitteldeutschlands – und somit auch die Harzregion – verwüstet wurden. Das hatte langfristige und schwerwiegende Folgen: Die Sicherheit altbekannter Verkehrswege war dahin, Dörfer und auch Städte waren teilweise oder sogar ganz zerstört. Die Bevölkerung, der es schon vor diesem Krieg schlecht ging, verarmte vollständig. Seuchen und Krankheiten taten ihr Übriges, um einen raschen wirtschaftlichen Niedergang einzuleiten.

Die kaiserliche, katholische Liga kam aber zu der Einsicht, dass die Reformation, und damit der Protestantismus, weder militärisch noch politisch vernichtet werden konnten. Es kam zum Augsburger Reichs- und Religionsfrieden. Diesen Namen trägt ein Reichsgesetz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das am 25. September 1555 auf dem Reichstag zu Augsburg zwischen Mitkönig Ferdinand I., der seinen Bruder Kaiser Karl V. vertrat, und den Reichsständen geschlossen wurde. Das Gesetz sicherte den lutherischen Reichsständen dauerhaft ihre Besitzstände und ihre freie Religionsausübung zu. Mit dem Augsburger Religionsfrieden wurde erstmals die rechtliche Grundlage für eine dauerhafte Koexistenz zwischen Luthertum und Katholizismus festgeschrieben. Der im Gesetz verankerte Gleichheitsgrundsatz der beiden Konfessionen mit der implizierten Verknüpfung eines Landfriedens war revolutionär. Die Idee von der Ewigkeit des katholischen Kaisertums war somit dahin, auch wenn die konservativen Kräfte eine Vereinigung beider Konfessionen als Ziel beibehielten. Die deutsche Geschichtsschreibung betrachtet den Abschluss des Augsburger Religionsfriedens als vorläufigen Abschluss des Reformationszeitalters in Deutschland.

Dass der Landfrieden aber wirklich über einen längeren Zeitraum eingehalten wurde, lag aber wohl weniger an diesem Reichsgesetz, als an der desaströsen wirtschaftlichen Situation im Kaiserreich und somit auch in der Harzregion.

Für die folgenden 50 Jahre liegen nur spärliche regionale Berichte vor. Wer kann es den damaligen Menschen verdenken, der Überlebenskampf beanspruchte ihre gesamte Energie und Schaffenskraft. Anscheinend erholte sich die Harzregion wirtschaftlich auch nur schwer und langsam. Als ein Grund dafür sieht man die allgemeine Unsicherheit in der Region an, die besonders dem Handel schwer zusetzte. Und ohne florierenden Handel war auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kein wirtschaftlicher Aufschwung zu erreichen. Die Straßen waren unsicher, weil überall Räuberbanden ihr Unwesen trieben. Diese Räuber kamen anscheinend aus allen gesellschaftlichen Schichten. In die Harzwälder konnte sie sich zurückziehen ohne Gefahr zu laufen, verfolgt und gefasst zu werden.

Auch die forcierte Hexenverfolgung schuf zusätzliches Elend und Unsicherheit. Allgemein ist ein direkter Zusammenhang zwischen Konfession und Hexenverfolgung nicht nachweisbar. Meine Erkenntnisse, bezogen auf die Harzregion, lassen allerdings erkennen, dass diese Verfolgungen ihren Schwerpunkt in reformierten Grundherrschaften hatten. Aber auf Raubrittertum und Hexenverfolgung komme ich später noch zurück.

In der Harzregion, wo die Reformationsbewegung ihren Ursprung hatte, die die gesamte alte katholische Welt in ihren Grundfesten erschütterte, waren die politischen Gegensätze wohl besonders stark. Die Grundherren kannten den Reformator Martin Luther persönlich und sie hassten oder aber verehrten ihn und seine Lehren – eklatante Gegensätze also. In anderen deutschen Regionen hingegen waren die Emotionen wohl nicht so personenbezogen wie in der Harzregion. Es herrschte zwar offizieller Frieden zwischen Lutheranern und Katholiken, hinter den Kulissen aber wurden Ränke geschmiedet und es brodelte. Martin Luther – der Vater der Reformation – war zwar bereits 1546 verstorben, aber die Erinnerung an ihn verblasste anscheinend nur sehr langsam. Auch der Schmalkaldische Bund hatte in der Harzregion besonders viel Rückhalt, was aber auch für besonders viele unversöhnliche Feinde sorgte. Der wirtschaftliche Aufschwung kam nur langsam wieder in Gang – regional unterschiedlich, aber immerhin. Besonders der Bergbau und das Hüttenwesen wurden zu wirtschaftlichen Triebfedern. Dieser Aufschwung konnte aber den Hunger bei der Bevölkerung nur wenig lindern. Hinzu kam, dass der Zeitraum von 1570 bis 1630 von extrem kaltem Klima geprägt war, was die Landwirtschaft hart traf. Aus dem Zeitraum von 1560 bis 1610 sind mehrere Missernten, Orkane und harte Winter überliefert. Innerhalb der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ (Anfang des 15. bis in das 19. Jahrhundert hinein) war der genannte Zeitraum für die Norddeutsche Region wohl der kälteste.

Einige Beispiele dazu aus der Naturkundlichen Chronik von Dr. Friedrich Hamm:

1559: In der ersten Apriltagen sehr starke Schneefälle in der Region Hannover; etliche hundert Schafe ersticken unter den Schneemassen.

1564/65: sehr starke Kälte, die Elbe ist 13 Wochen lang zugefroren.

1567/68: Von Mitte November bis Mitte Februar sind Elbe, Weser und Leine zugefroren, schwere Kaufmannswagen fahren auf den Flüssen.

1569: Dauerregen vom 20. Juni bis 20. Juli bringt ein Ausufern aller Flüsse.

1. - 2. November 1570: ungeheure Sturmflut an der Nordsee, Zahl der Ertrunkenen zwischen 100.000 und 400.000.

1570/71: Infolge hohen Schnees und starken Frostes sterben im Reinhardswald, der Teil des Weserberglandes ist, 3.000 Stück Rotwild.

25. Mai 1572: Schwere Unwetter am Nordharz bedingen den Ausbruch mehrerer Stauteiche auf der Oberharzer Hochfläche; das Hochwasser der Innerste reißt bei Wildemann alle Brücken fort.

1572/73: Langer, schneereicher Winter mit hartem Frost; der Schnee liegt 13 Wochen lang.

1573/74: In der Letzlinger Heide fallen 3.000 Stück Rotwild dem strengen Winter zum Opfer.

1580: Nach Missernte des Vorjahres entsteht in Niedersachsen eine verheerende Hungersnot mit sehr vielen Toten und verzweifelten Selbstmördern.

1595: Dem harten, schneereichen Winter vom November 1594 bis Ende Februar 1595 folgten, nach vorübergehendem Milderwerden im April und Mai, außerordentlich harter Frost und viel Schnee.

1598: Um Pfingsten harter Frost in Hannover, dann folgt große Hitze.

1600/1601: In Hannover frieren alle Brunnenröhren im Erdboden bis Pfingsten ein, kein Brunnen läuft.

1607/08: „Der Große Winter“, ein außergewöhnlich strenger Winter, vom 21. Dezember bis Anfang Juni Dauerfrost.

1612: Zum Jahresanfang erliegen im Harzgebiet viele Fische und viel Wild dem strengen Frost und den gewaltigen Schneefällen.

Fast jedes Jahr gewaltige Sturmfluten an der Nordsee.

Die „Kleine Eiszeit“ ist wissenschaftlich nachgewiesen; als Ursachen gelten hauptsächlich geringe Aktivitäten der Sonne sowie verstärkter Vulkanismus. Daher gilt diese Klimaabkühlung als klassisches Beispiel natürlicher Klimaschwankungen, denn dieser Periode ging die sogenannte Mittelalterliche Warmzeit voraus. Für die Harzregion kommt wohl eine weitere Ursache hinzu, die erst seit kurzem wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte und die vom Menschen verursacht wurde: Das Aufblühen des Bergbaus und des Hüttenwesens, mit dem auch untrennbar die Herstellung von Holzkohle verbunden war, führten wohl zu einer unvorstellbaren Umweltbelastung für die Harzregion. Heute können die Verhüttungsstäube aus der Harzregion sogar in den skandinavischen Gletscherregionen nachgewiesen werden. Wir können uns die Harzregion zur damaligen Zeit anscheinend als mächtige Dunstglocke vorstellen, durch die nur wenige Sonnenstrahlen hindurchdringen konnten. Neueste Schätzungen der Montanarchäologie gehen von bis zu 10.000 Meiler-Standorten in der Harzregion aus, und jeder Standort hatte mehrere Holzkohlemeiler. Aber Umweltgesichtspunkte haben damals noch keine Rolle gespielt – wie auch, wenn der Hunger allgegenwärtig war.

Diese Klimaperiode wird zwar „Kleine Eiszeit“ genannt, sie brachte allerdings nicht nur Kälte und Schnee. Weitere Ereignisse waren auch verheerende Trockenperioden. Alles in allem keine guten Bedingungen für die Landwirtschaft. Auch waren diese Klima-Unbilden nicht regional begrenzt, sondern traten wohl weltweit auf.

Diese Zeitepoche, von 1555 bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges, war zwar in der Harzregion weitgehend kriegs- und fehdefrei – dafür unterlagen die Menschen jedoch anderen harten Prüfungen.

2. Hexenverfolgung und Hexenprozesse

Die Hexenverfolgung, die in der frühen Neuzeit ihren traurigen Höhepunkt erreicht hatte, war ein echter Prüfstein für die Menschen und brachte unvorstellbares Elend über Teile der Bevölkerung. Die wahren Ursachen für diesen Hexenwahn sind bis heute nicht hinreichend geklärt, denn diesbezüglich sind die Quellen recht spärlich.

Angenommen wird, dass es Ängste und Hysterien waren, die Menschen dazu brachten, andere Menschen für ihr persönliches Leid und Elend verantwortlich zu machen. Oftmals war es wohl auch der neue Umgang mit Wissen, das viele als Magie ansahen, als Bund mit dem Teufel. Die Verfolgung und Denunzierung traf vorrangig Menschen, die „anders“ waren, die über besonderes Wissen verfügten oder aber, die in ihrer täglichen Arbeit erfolgreicher waren als ihre Denunzianten – in der Harzregion waren es zudem fast ausschließlich Frauen, die als Hexen verfolgt wurden. Gern machte man anscheinend auch andere Menschen für sein persönliches Elend verantwortlich, denn diese brauchte man nur zu denunzieren. Aber auch aus dem Geschlecht lässt sich letztendlich kein Muster ableiten, denn in Nordeuropa waren Männer stärker betroffen. Hexenverfolgung wurde besonders zu Beginn der Neuzeit, häufig auch aktiv, wenn auch gegen den Willen der Obrigkeit, eingefordert und praktiziert. Insgesamt kann bei diesem Verfolgungs-Phänomen auch kein eindeutiger Zusammenhang zur Konfessionszugehörigkeit hergestellt werden. Analysen fallen diesbezüglich allerdings äußerst schwer, da kaum persönliche Angaben zu den Opfern überliefert sind.

Titelbild eines Buches über die Wasserprobe von 1584 (siehe Quellenangabe: Wikipedia01)

Die juristische Verwendung des Begriffes „Hexe“ wurde zwar erst Anfang des 15. Jahrhunderts eingeführt, der Glaube an Zauberer ist jedoch bereits in den alten Hochkulturen nachzuweisen. Magische Praktiken wurden sorgfältig beobachtet und als Schwarze Magie gefürchtet. Allerdings kam es vor der frühen Neuzeit nie zu einer systematischen Verfolgung von vermeintlichen Zauberern. Zwar wurde bereits in Alten Testament – im 3. Buch Mose – die Zauberei verboten und das 2. Buch Mose fordert zur Bestrafung von Zauberern auf, Hexen kennt die Bibel jedoch nicht (auch hielt sich die Bestrafung zumeist in Grenzen).

Warum fand also dieser Sinneswandel, diese menschenverachtende „Hexenjagd“ erst nach dem Ende des dunklen Mittelalters statt – in einer ersten Zeit der Aufklärung und der Reformierung der katholischen Kirche?

Auch kann wohl davon ausgegangen werden, dass die alteingesessene Harzer Bevölkerung – abstammend von den Altsachsen – sich über das gesamte Mittelalter hinaus einen Teil ihres ursprünglichen Naturglaubens erhalten hatte und diesen auch rituell feierte (z.B. den Frühlingsanfang). Dieser Zustand kann vielleicht überall dort vermutet werden, wo das Christentum mit Krieg, Mord, Ausplünderung und Brandschatzung zur Herrschaft gelangt war, also auch in der Harzregion. Die Hexenanfeindungen hatten aber in so breiten Bevölkerungsschichten Fuß gefasst, dass die Politik darauf reagieren musste.

Zunächst lag der Rechtsprechung in den Hexenprozessen die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. zugrunde. Dieses erste deutsche Strafgesetz wurde im Jahr 1532 erlassen und wird als „Carolina“ bezeichnet. Jenes Gesetzeswerk beschränkte sich allerdings noch auf das Delikt des „Schadenszaubers“ und es sah vor, dass Hexerei mit einer Buße für den tatsächlichen Schaden zu bestrafen sei. Zu verzeichnen ist, dass in den Grundherrschaften, die der Lutherischen Lehre gefolgt waren, den Buchstaben des Gesetzes nicht nur Folge geleistet, sondern dass die Strafvorschriften zum Teil extrem verschärft wurden. Eine nachvollziehbare Erklärung für dieses Phänomen gibt es wohl nicht. Auch widersprach dieses Vorgehen Luthers Grundelement der reformatorischen Lehre, der sola gratia (lat. für allein durch die Gnade). Diese Lehre von der Rechtfertigung drückt die Überzeugung aus, dass der Mensch allein Dank der Gnade Gottes das Heil bzw. das ewige Leben erlangt. Er kann es sich nicht durch sein Handeln verdienen. Diese protestantische Grundregel wurde mit der Hexenverfolgung faktisch außer Kraft gesetzt. Aber die Politik reagierte zu allen Zeiten gleich auf solche Massenphänomene. Wenn es der Befriedung der Massen dient und damit insbesondere dem eigenen Machterhalt, werden gute Vorsätze schnell ad acta gelegt.

Die Carolina wurde eigenmächtig von den protestantischen Grundherren ausgehebelt und verschärft, weil Hexerei einen Bund mit dem Teufel darstelle und somit immer des Todes würdig sei, so die Argumentation. Besonders das Geständnis erlangte in den Hexenprozessen grundlegende Bedeutung. Da die Angeklagten aber in der Realität frei von jeder Schuld waren, wurden die Geständnisse durch Folter erzwungen. Das Ziel der „hochpeinlichen“ Befragungen während der Folter war vorgegeben: Eingeständnis des Teufelsbundes, das Verraten von Mitverschwörern und Bundesgenossen, sowie Reuebekenntnisse. So wurden häufig Prozess-Lawinen ins Rollen gebracht.

Das Reichsgesetz regelte zwar den Einsatz der Folterung streng und schloss das Ordal (Gottesurteil) aus, in der Praxis wurde diese Rechtsordnung aber mit Kreativität ausgehebelt. Laut Carolina galt das Geständnis unter Folter nur als Schuldanerkenntnis, wenn es ohne Folter wiederholt abgegeben wurde. Für die Praxis ist aber überliefert, dass man sich gern des Hexenhammers bediente. Dies ist ein 1486 entstandenes Werk des Dominikaners Heinrich Kramer, das der Legitimation der Hexenverfolgung dienen sollte. Es besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: In Teil 1 wird definiert, was unter einer Hexe zu verstehen ist; Teil 2 wird geprägt durch dogmatische Abhandlungen, sowie das Schüren von Ängsten und Teil 3 erläutert Praktiken zur Führung von Hexenprozessen, wobei insbesondere die verschiedensten Folterpraktiken ausführlich beschrieben werden.

Besonders gern wandte man die geschilderten Praktiken mit Unterbrechung und Fortführung der Folter an. Konnte kein Geständnis erzwungen werden, bedienten sich besonders die Protestanten auch gern der Gottesurteile im Rechtsfindungsprozess. Um das Gesetz auszuhebeln wurden diese Foltermethoden als Hexenproben bezeichnet. Besonders bekannt und gefürchtet war die Wasserprobe (Hexenbad). Bei dieser Methode der „Wahrheitsermittlung“ hatte der Angeklagte praktisch keine Chance. Er wurde gefesselt ins Wasser geworfen. Schwamm er oben, war er der Hexerei überführt und wurde hingerichtet, ging er unter, musste er jämmerlich ertrinken.

Wenn wir uns nun der Frage zuwenden, wann in der Harzregion die Hexenverfolgung ihren Anfang nahm, so kann ich dazu keine verbindliche Auskunft geben. Im Jahr 1475 fand in Braunschweig anscheinend der erste Hexenprozess statt – Details sind nicht überliefert – er endete mit einer milden Strafe, der Stadtverweisung.

Für das Jahr 1521 werden in den Wernigeröder Akten Hexenprozesse mit tödlichen Resultaten erwähnt. 1527 wurde in Goslar im Ergebnis eines solchen Prozesses die wohl erste Frau auf dem Scheiterhaufen gerichtet. Ein altes Sprichwort besagt: „Wehret den Anfängen“. Die Landesherren hätten dies anfangs tun können, aber sie übten sich in Zurückhaltung. Warum?

War dafür der Reformator Martin Luther mitverantwortlich? Dieser glaubte anscheinend fest an Hexen, wie seine Hexenpredigt vom Frühjahr 1526, die von seinem engsten Mitarbeiter Johannes Bugenhagen mitgeschrieben wurde, belegt. Darin verlieh er seinem Abscheu vor dem Übel der Hexerei Ausdruck und gab einer Verurteilung, der im Verdacht stehenden Frauen, Recht: „Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen… Sie können ein Kind verzaubern… Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird… Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann … Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder … Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“

So bestärkte der große Reformator die einsetzende Hexenverfolgung in den protestantischen Herrschaften, und die waren insbesondere in der Harzregion zahlreich. Die Hexenprozesse und die folgenden Urteilsvollstreckungen nahmen eine Art Volksfest-Charakter an – was den Römern ihre Gladiatorenspiele waren – waren für die Menschen der frühen Neuzeit wohl die Hexenprozesse. Luther nahm den Menschen auch die Bedenken, Ängste und jede Art von Abscheu vor den Grausamkeiten der Hexenprozesse, indem er sagte: „Die Hand, welche das Schwert führet und würget, ist nicht mehr Menschenhand, sondern Gottes Hand, und nicht der Mensch, sondern Gott hänget, rädert, enthauptet, würget, krieget.“ Einfach hatte es sich Martin Luther gemacht; der kirchliche Glaube musste herhalten, um die unvorstellbaren Grausamkeiten zu rechtfertigen. Und die Gerichtsherren nahmen diese Vorlage gern an. Auch das Volk, als Beiwohnende der Hinrichtungen, konnte die Spektakel genießen, denn schließlich waren die Urteile und deren Vollstreckung so und nicht anders von Gott gewollt.

Auch ist das Christentum, als Staatsreligion im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, wohl dafür verantwortlich, dass vorrangig Frauen als Hexen angeprangert wurden. Denn bei den germanischen Völkern hatten die Frauen in der Gemeinschaft eine geachtete Stellung, wie uns schon Tacitus berichtet. Diese „Heiden“ mit ihrem Naturglauben, der fest mit Mythologie verwurzelt war, schätzten die Frauen und auch ihren Rat. Erst die christliche Kirche änderte diese Stellung der Frau – hin zur Hörigen, Untergebenen – die für die Erbsünde büßen musste. Die Kirche prägte das Patriarchat – die Männer waren Gerichtsherren und auch Urteilsvollstrecker. Frauen, die mehr sein wollten als Mütter und Hausfrauen und auch noch über spezielles Wissen verfügten, entsprachen nicht der Regel, waren auffällig – vielleicht mit dem Teufel im Bunde.

Nicht ganz so in dieses Patriarchen-Bild passt allerdings, dass Frauen häufig auch von Frauen denunziert wurden. Waren es Eifersüchteleien oder Neid? Wir wissen es nicht.

Den neuzeitlichen Stein der Hexenverfolgung ins Rollen brachte Papst Innozenz VIII. am 5. Dezember 1484 mit seiner „Hexenbulle“. Er ermächtigte die beiden in Deutschland tätigen Inquisitoren Heinrich Kramer (Institoris) und Jacob Sprenger gegen die Zauberer und Hexen gerichtlich vorzugehen. Er erklärt den Widerstand, den dieselben seither in Kreisen von Klerikern und Laien bei dieser Tätigkeit gefunden haben für unberechtigt, da diese Verbrecher tatsächlich unter die Kompetenz der Ketzerrichter gehören, und beauftragt den Bischof von Straßburg, die den Inquisitoren etwa entgegengesetzten Hindernisse durch die Verhängung kirchlicher Zensuren zu beseitigen.

Hexenhinrichtung 1587, Abb. Quelle: Wikipedia02 Sammlung des Johann J. Wick, Zentralbibliothek Zürich

Die beiden Inquisitoren verfassten den „Malleus Maleficarum“ – den Hexenhammer –, reisten durch das Land und hielten Hexenpredigten, in denen sie zur Denunzierung und Bestrafung von Hexen aufriefen. Aber die Hexenverfolgung der Neuzeit begann, trotz aller Bemühungen der Inquisitoren, sehr schleppend.

Nach vereinzelten Hexenprozessen in der Harzregion zu Beginn des 16. Jahrhunderts legten diese mit dem Jahr 1540 an Zahl zu. Gemäß Eduard Jacobs war es das Jahr, in dem erstmals der Brocken als Heimstatt der Hexenzunft genannt wurde. Es soll der Hexenprozess von Grethe Wroistes in Elbingerode am 10. Januar 1540 gewesen sein, der diese Lawine ins Rollen brachte.

Der Brocken ist der höchste Gipfel des Harzgebirges, weithin sichtbar, unwirtlich und geheimnisvoll. Er war wohl schon zu allen Zeiten ein Mysterium und auch ein mythischer Ort für die Menschen, ob sie ihn jedoch bereits vor dem Mittelalter tatsächlich aufsuchten, ist bisher nicht zu belegen.

Während der Hexenprozesse wurden den Folterknechten bei ihren hochpeinlichen Befragungen die entsprechenden Fragen an die Hand gegeben. Es war dann nur eine Frage der Zeit, wann die Beschuldigten die Antworten gaben, die gefordert wurden. Grethe Wroistes gab zu Protokoll: „die Mastische und Andres Krusen Weib seien die rechten Zauberschen; die pflegen in Walpurgen-Nacht auf den Brocken zu fahren, setzen Siebe auf die Köpfe und haben hölzerne Büchsen in den Händen und bringen solches durch teufelisch Gespenst, durch Anrufung der Teufel zu Wege.“

Der ursprüngliche mittelalterliche Gedenktag für die heilige Walburga wurde wohl so zur Walpurgisnacht, zur Nacht, in der die Hexenzunft ihre große Jahresfeier abhielt. Der Blocksberg (Brocken) wurde zum Festplatz dieser teuflischen Feier – weitere erhöhte Plätze in anderen deutschen Regionen folgten. Von diesem Zeitpunkt an war die Anonymität des Hexendaseins etwas gelichtet, sie feierten Walburga und trafen sich auf dem Brocken.

Sehr wenig ist aus der Zeit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von diesen Hexenprozessen überliefert. Dies liegt vor allem dran, dass erst ab der 2. Hälfte jenes Jahrhunderts begonnen wurde, das mündliche Gerichtsverfahren durch das schriftliche zu ersetzen. Nur durch einige alte Rechnungen können wir einige Schlussfolgerungen zu Hexenprozessen ziehen. So wurden beispielsweise in Wernigerode am 24. Juli 1521 drei Frauen als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Namen dazu sind nicht überliefert, nur die Rechnungen für den Scheiterhaufen und die drei Ketten, um die Hexen zu fixieren. Bei der Verbrennung von Alheit Rufags und Alheit Stegs am 23. April 1523 in Wernigerode, die als Hexen verurteilt worden waren, sind bereits die Namen genannt.

Es gibt auch die Vermutung, dass der Hexenwahn des 16. Jahrhunderts, der immer mit Zauberei in Verbindung gebracht wurde, in einem direkten Zusammenhang mit der Herausbildung der Naturwissenschaften stand. Da diese Entwicklungen im Mittelalter von der Kirche mit allen Mitteln behindert wurden, gewannen sie nun eine eigene Dynamik. Den jungen, gebildeten Wissenschaftlern mangelte es nicht an Selbstbewusstsein und Mut, um sich mit der Kirche anzulegen. Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim – genannt Paracelsus, Leonhard Thurneysser und Johann Georg Faust waren einige dieser Männer, die sich als Vorreiter der Naturwissenschaft verdient gemacht haben. Letzterem ist auch die Faust-Saga gewidmet, die zu jener Zeit entstand. Die Geschichte von Dr. Faust wurde Ende des 16. Jahrhunderts im Harz dann volkstümlich.

Diese gelehrten Zeitgenossen waren der Kirche und auch den weltlichen Landesherren ein Dorn im Auge. Ihnen musste Einhalt geboten werden und ganz besonders musste verhindert werden, dass sich ihre Lehren im Volke verbreiteten. Somit stand unverrückbar: Personen, die magisches Wissen hatten oder sogar magische Schriften besaßen, waren der Hexerei überführt.

Im Jahr 1572 wurde die Kursächsische Peinliche Gerichtsordnung erlassen, die auch für größere Teile des Südharzes galt. In diesem Gesetz wurde für Hexerei als Teufelsbuhlschaft, auch ohne dass die beschuldigte Person irgendjemand einen Schaden zugefügt hatte, mit dem Feuertod bestraft. Vom Hexenhammer und den jeweiligen landesherrschaftlichen Peinlichen Gerichtsordnungen wurde ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts reichlich Gebrauch gemacht:

1549 wurden im Dorfe Iber im Grubenhagenschen 5 Hexen verbrannt.

1564 ließ Herzog Heinrich der Jüngere 10 Hexen vor Salzgitter verbrennen.

1565 wurden in Lichtenberg (Salzgitter) 7 Hexen verbrannt.

Akten gibt es über die Hexenprozesse und Hinrichtungen von Anna Beringer am 27. April 1573 und Katharina Wille am 7. August 1573 in Nordhausen.

Aus Luthers Heimat, der Grafschaft Mansfeld, sind keine Prozessakten überliefert. Allerdings hat Cyriakus Spangenberg in seiner Mansfelder Chronik einige Hexenprozesse erwähnt, jedoch ohne Namen zu nennen oder den Prozessablauf zu schildern.

Tief verwurzelt war der Hexenaberglauben anscheinend in Quedlinburg. Wie Gottfried Christian Voigt mitteilt, gab es – trotz dürftiger Aktenlage – von 1569 bis 1598 „einige dreißig Fälle“ von Hexenprozessen.

Lange hielt sich für Quedlinburg die Legende, dass im Jahr 1589 im Frauenstift an einem Tag 133 Hexen verbrannt wurden. Diese Aussage war der bedeutenden Schrift über Hexenprozesse von Soldan-Hoppe zu entnehmen, und alle folgenden Schriftsteller übernahmen diese Aussage ungeprüft. Erst der 1912 verstorbene Quedlinburger Pastor Moser deckte den Irrtum dieser Aussage auf – der Ort war verwechselt worden, diese Massenhinrichtung fand in Osnabrück statt.

Der Quedlinburger Geschichtsschreiber, Stadtsyndikus und Prozessdirektor Gottfried Christian Voigt liefert in seinen Schriften zu den Hexenprozessen Ende des 18. Jahrhunderts sehr widersprüchliche Angaben, obwohl dieser anscheinend noch die vorhandenen Akten dazu einsehen konnte. Selmar Kleemann gibt in seiner Quedlinburger Geschichte 1922 eine recherchierte Anzahl von 60 Hexenprozessen in der Zeit von 1569 - 1663 an – davon 6 Männer und 54 Frauen. Ihm lagen aber nur noch die im Dresdner Staatsarchiv erhaltenen Inventarien-Verzeichnisse mit dem Prozessjahr und den Namen der Angeklagten vor. Auch diese Akten haben den Zweiten Weltkrieg wohl nicht überlebt. Wir wissen nicht, wie diese Prozesse ausgegangen sind – nicht immer tragisch, tödlich wie das folgende Quedlinburger Beispiel zeigt: Im Jahr 1648 wurden Margarete Pole und ihr Mann festgesetzt und wegen Zauberei angeklagt. Der Leipziger Schöffenstuhl sprach die Angeklagten allerdings frei, die Ankläger Katharine Jonas nebst ihrer Tochter wurden dagegen wegen Verleumdung und Falschaussage zu 10 Tagen Kerker verurteilt und mussten zudem eine nicht überlieferte Strafzahlung leisten. Ebenfalls wurden mehrere Anklagen gegen eine Strafzahlung eingestellt, wobei die Straftatbestände überwiegend Wahrsagerei, Handlesen, aber auch Kräuter- und Heilmittelanwendungen sowie andere esoterische Handlungen betrafen.

Auch im Bistum Halberstadt wurde radikal gegen angebliche Hexen vorgegangen. Bischof Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel fuhr diesbezüglich einen harten Kurs. Besonders sein Amtmann Peregrinus Hünerkopf zu Westerburg war anscheinend einem regelrechten Hexenverfolgungswahn verfallen. Ehemals waren die Hexenprozess-Akten im sogenannten Schweißstüblein der Westerburg aufbewahrt worden. Sie kamen dann zum einen Teil ins Archiv nach Magdeburg – wo sie 1945 wohl vernichtet wurden – der andere Teil ist auf der Westerburg abhanden gekommen. In diesen Akten wurde genau beschrieben, wie man den Angeklagten durch Folter (hochnotpeinliche Befragung) allerlei Geständnisse abpresste und sie dann auf dem Platz am Schäferteich lebendig verbrennen ließ.

Genannt werden unter anderem:

„1. Anna Meyer von hier. Über sie wurde am 4. Juli 1597 verhandelt. Man beschuldigte sie, mit Teufeln gebuhlt zu haben, sowie, dass sie ihrem Ehemanne eine Schar Teufel in den Bart gehext habe, von denen ihn andere Hexen wieder hätten befreien müssen. Unter den Zeugen waren vorzüglich die Vögte von Rohrsheim und Westerburg erfahrene Hexenkenner. Selbstverständlich gab die Ärmste solche Beschuldigungen nicht zu. Nachdem sie jedoch gefoltert und ihr das vom Scharfrichter bereitete Arkanum (Geheimmittel) eingegeben worden war, bekannte sie alle möglichen Tollheiten. Sie habe z.B. mit ihren teuflischen Buhlern FRISCH und SPRINGINSFELD verkehrt, habe mit ihnen eine Brockenfahrt gemacht und daselbst an einem Balle teilgenommen. Zudem machte sie vier Rohrsheimerinnen namhaft, die auch den Brockentanz mitgemacht hätten, und fügte bei einer derselben hinzu, dass sie auf einem Ziegenbocke dorthin geritten sei. Diese Angaben genügten, die vier Mittänzerinnen sofort zu verhaften. Anna Meyer aber wurde auf Grund ihrer Aussagen zum Feuertode verurteilt, indem der Schöppenstuhl zu Magdeburg am 13. August 1597 erklärte, dass die Beklagte, als der Zauberei überwiesen, an Leib und Leben zu strafen sei. Darauf wurde sie denn auch auf dem Scheiterhaufen am Schäferteiche lebendig verbrannt.“

„2. Die Witwe Lichtenberg. Da die Schöppenstühle zu Magdeburg und Halle Bedenken trugen, auf jene Aussage hin gleich alle vier angebliche Mittänzerinnen der Anna Meyer zur Tortur zu bringen, so greift der Amtmann Hünerkopf vorerst nur die Witwe Lichtenberg heraus. Vom Rohrsheimer Vogt war ihm berichtet worden, dass ein Bauer sie mit anderen 13 Hexen am Deersheimer Kreuzwege einen besonderen Tanz habe aufführen sehen. Als aber darauf der Bauer selbst verhört wurde, sagt er nur aus, dass er zwar zwei Weiber eilig ins Dorf habe laufen sehen, aber dass diese getanzt, hätte er nicht gesehen. Doch Hünerkopf wollte sein Opfer nicht wieder fahren lassen. Drum nahm er Trank und Folter zu Hülfe, um von der Frau selbst eine sie belastende Aussage zu erzwingen. Die Angeklagte erkannte denn auch „mit großer Vernuft und Bescheidenheit“ den besagten Tanz und viele andere Dinge vollführt zu haben, worauf sie am 21. August vom Magdeburger Schöppenstuhl zum Scheiterhaufen verurteilt und infolgedessen verbrannt wurde.“