Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken - Max Wirth - E-Book

Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken E-Book

Max Wirth

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Beschreibung

Zurück zu den Stärken unseres Finanzsystems. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Schieflage weniger großer Banken das gesamte weltweite Finanzsystem in den Abgrund ziehen kann. Die Folgen sind unüberschaubar und der Ruf nach strengeren Regeln und Kontrolle nicht zu überhören. Dabei ist eine kostspielige und aufwendige Suche nach funktionierenden Organisationsformen für Banken keinesfalls erforderlich. Max Wirth wurde 1860 von verschiedenen Stellen aufgefordert, Material und Ratschläge zur Gründung von Volksbanken zu geben. Sein aus dieser Recherche entstandenes Buch ist ein hochaktueller Stoff , denn der Blick auf genossenschaftlich organisierte Banken früher und heute zeigt, dass sie mit ihrer Arbeitsweise an den Finanzmärkten in besonderer Weise den Anforderungen an ein stabiles, nachhaltiges und wettbewerbsorientiertes Bankensystem entsprechen.

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Max Wirth

Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

2. Auflage 2013

© 2013 FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken von Max Wirth erschien zuerst 1865 (Bern: Verlag der J. Dalpschen Buchhandlung). Der Text wurde in Orthografie und Zeichensetzung behutsam heutigen Gewohnheiten angeglichen.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Satz: Georg Stadler, München

ISBN Print 978-3-89879-794-8

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-426-3

ISBN E-Book (EPUB&Kindle) 978-3-86248-427-0

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter

www.muenchner-verlagsgruppe.de

Vorwort von Prof. Dr. Max Otte

Zu Beginn der genossenschaftlichen Bewegung schrieb Max Wirth im Jahr 1865 sein BüchleinDie Hebung der arbeitenden Classen durch Genossenschaften und Volksbanken.Liest man die Einleitung, sind seine Gedanken noch so aktuell wie heute. Auch damals schwappte eine Finanzkrise von den USA nach Europa über und verursachte viel Not und Elend bei Mittelstand, Handwerk und Landwirtschaft. Schon alleine deshalb ist es lesenswert. Max Wirth war der Sohn des großen Demokraten und Mitorganisators des Hambacher Festes Johann Georg August Wirth. Zudem war er der erste Deutsche, der systematisch Wirtschaftskrisen erforscht hat. So stieß ich auf seine kurze Anleitung zur Gründung von Genossenschaftsbanken.

Seit der Finanzkrise sind Volks- und Raiffeisenbanken im Aufwind. Sollte man meinen.

Diese typisch deutsch-österreichischen Banken in Form der Genossenschaft waren ein Grund für die globale Überlegenheit des deutschen Wirtschaftsmodells im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert: Kreditgenossenschaften sind fair, nachhaltig, dezentral und verantwortungsbewusst.

Indem sie die Spareinlagen von Tausenden Mitgliedern zusammenlegen und damit Kredite an die Unternehmen der Region vergeben, sind sie ein hervorragendes Mittel der regionalen Wirtschaftsförderung. Sie sind klein und dezentral genug, auch kleinere Betriebe der Region gut zu kennen und auch kleinere Kreditwünsche kompetent zu bedienen.Indem die Sparer und Kreditnehmer gleichzeitig auch eine bestimmte Anzahl von Anteilen an der Bank erwerben und Mitglieder werden können, sind sie besonders an dem Geschick ihrer Bank interessiert. Dies führt zu verantwortungsvollem Handeln.Indem die Anteile nur beschränkt handelbar sind und ein Mitglied nur eine bestimmte Zahl von Anteilen erwerben darf, erfüllen Genossenschaften auch das Gebot der Nachhaltigkeit im Eigentümerkreis. Auch für börsennotierte Unternehmen wird immer wieder diskutiert, ob Inhaber von Aktien nicht erst nach einer bestimmten Warteperiode stimmberechtigt werden sollten. Dann würden manche Exzesse vermieden.Indem auf den General- oder Vertreterversammlungen die Bürgerinnen und Bürger über wesentliche Aspekte der Geschäftspolitik »ihrer« Bank abstimmen und Bürger der Region auch im Aufsichtsrat sitzen, kontrollieren sie das Management effektiv. Kreditgenossenschaften leisten also einen wesentlichen Beitrag zur Demokratisierung des Wirtschaftslebens.

All diese Vorteile der Genossenschaftsbanken veranlassten den berühmten amerikanischen Verfassungsrichter Louis Brandeis dazu, von »Banken von Menschen für Menschen« zu sprechen.1

An diesen Grundtatsachen hat sich seit der Gründung der genossenschaftlichen Bewegung durch Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch vor 150 Jahren nichts Wesentliches geändert. Genossenschaften scheinen sogar im Aufwind zu sein. 2012 hatten die Vereinten Nationen das Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Im Zuge der Finanzkrise erfreuten sich die Volks- und Raiffeisenbanken eines massiven Zuwachses an Mitgliedern und Spareinlagen. Mehr als 17 Millionen Deutsche sind Mitglieder der Volks- und Raiffeisenbanken. In Deutschland gibt es noch gut 1100 Genossenschaftsbanken mit einer Bilanzsumme von 700 Milliarden Euro.

Alles gut also?

Keinesfalls. Der Erfolg des dezentralen deutsch-österreichischen Finanzmodells hat die Lobby der Großbanken und internationalen Finanzmarktakteure dazu veranlasst, zu versuchen, dieses Modell mit allen Mitteln zu zerschlagen. Da es bei der Finanzmarktordnung um den Kern eines Wirtschaftsmodells geht, winkt dem Sieger ein hoher Gewinn.

Am Ende bleiben verwüstete Finanzlandschaften wie in England, Spanien oder Italien übrig. Viele Bankinstitute dort nehmen ihre Kunden nach Belieben auch bei einfachen Transaktionen aus, produzieren hohe Eigenkapitalrenditen für ihre superreichen Eigentümer und wenig Nutzen für Sparer und Kreditnehmer.

Die Auseinandersetztung wird zäh und mit allen Mitteln geführt. Tausende Lobbyisten sind in Brüssel und anderen Hauptstädten unterwegs, um unser nachhaltiges Wirtschaftsmodell an- und abzuschießen. Milliardenbeträge werden für Lobbying ausgegeben.

Die Verlagerung der Finanzmarktaufsicht nach London entzieht dem deutschen Staat viele Kontrollmöglichkeiten. Statt dezentralem Risikomanagement wird die europäische Bankenszene nun durch bürokratische, zentrale und willkürlich festgelegte Stresstests verunsichert. Besser wäre es, das alles zu lassen und Banken einfach mit genug Eigenkapital auszustatten, wie es die Genossenschaftsbanken haben.Obwohl das Eigenkapital der Genossenschaften dezentral gestreut, besonders nachhaltig und geduldig ist, wird über die entsprechenden Gremien, zum Beispiel den Baseler Bankenausschuss, immer wieder und teilweise bereits erfolgreich versucht, bestimmten Kapitalanteilen der Genossenschaftsbanken und Sparkassen den Status als Eigenkapital abzuerkennen.Volks- und Raiffeisenbanken sollten gezwungen werden, in einen europäischen Haftungstopf einzuzahlen. Damit stehen sie auch für kapitalmarktorientierte Banken gerade, die wesentlich riskantere Geschäfte betreiben. Dabei haben die genossenschaftlich organisierten Banken bereits ihre eigenen Haftungs- und Unterstützungseinrichtungen. Noch größerer Gefahren lauern in der geplanten europäischen Bankenunion.Massive und unangemessene Regulierungen machen mittlerweile auch bei kleinen Krediten den Aufwand eines Großkredits notwendig. Das erschwert das dezentrale Geschäft und fördert Bürokratisierung und Zentralisierung. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit schwindet. Damit verschaffen sich aber die Großbanken heimlich einen Wettbewerbs­vorteil,Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken bestraft Sparer und auch dezentral arbeitende Kreditinstitute, sodass manche Genossenschaftsbanken trotz sehr gesunder Bilanzen langsam Ertragsprobleme bekommen. Gleichzeitig wird durch die Niedrigzinspolitik die Spekulationswirtschaft gefördert: Hedgefonds und Investmentbanken können sich für sehr niedrige Kosten hohe Summen leihen und damit spekulieren.

Der jetzige Zulauf bei den genossenschaftlichen Banken darf nicht täuschen: Das Modell steht massiv unter Beschuss. Eine mächtige Koalition der Gegner hat sich formiert. Die Koalition der Gegner des genossenschaftlichen Modells ist groß: Spekulativen Finanzmarktakteuren, Investmentbanken und Hedgefonds sind Volks- und Raiffeisenbanken ein Dorn im Auge. Länder mit schwächeren Banksystemen wie England, die USA, Spanien, Italien und Frankreich sind wahrscheinlich auch nicht böse über eine Schwächung des deutschen Finanzwesens.

Und die deutsche Spitzenpolitik tut nichts, um die mutwillige Zerstörung einer der Säulen unseres Wirtschaftsmodells aufzuhalten.

In dem Moment, in dem die letzte Volks- oder Raiffeisenbank ihre Türen schließt oder ihre Rechtsform ändert, stirbt auch das deutsche nachhaltige, dezentrale und demokratische Wirtschaftsmodell, das uns fast zwei Jahrhunderte Wohlstand und eine gesunde Mittelschicht gesichert hat.

Lassen Sie es nicht so weit kommen! Bleiben Sie Ihrer Genossenschaftsbank (oder Ihrer Sparkasse) treu.

Deutschland ist immer noch einer der größten Produzenten von Sparkapital auf der Welt. Wenn wir die genossenschaftliche Idee erneuern, und wenn vor allem die Spitzenpolitik aufwacht und dieses Wirtschaftsmodell als besonders schützenswert erkennt, haben wir einen wesentlichen Beitrag zu einer weiterhin fairen, nachhaltigen und demokratischen Wirtschaftsordnung geleistet.

Köln, den 14.01.2013, Max Otte

1 Louis Brandeis: Das Geld der anderen und wie die Banker uns ausnehmen. München 2012.

A. Max Wirth: Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken

I. Einleitung

Die Geschäftskrisis, welche in Folge des nordamerikanischen Bürgerkriegs seit einigen Jahren die europäischen Industrieländer heimgesucht hat, macht sich in der Schweiz, die unter ihnen in der Ausfuhr relativ den zweiten Rang einnimmt, in so hohem Grade fühlbar, dass der Rückschlag feine Wellen bis in die ländlichen Distrikte, und namentlich des vorzugsweise ackerbautreibenden Kantons Bern erstreckt. Es wird vielfach über ein Missbehagen unter dem Landvolk berichtet, das sich in der Klage über Geldklemme, Kreditmangel und hohem Zinsfuß Luft macht. Ist es schon an und für sich die Pflicht der Staatsmänner und Volkswirte, ein achtsames Ohr zu haben für die Leiden des Volkes, so ist es umso mehr geboten, das Übel zu sondieren und nach den Mitteln zur Abhilfe zu forschen, wenn die Unzufriedenheit schon so groß geworden ist, dass das Volk nach jedem Strohhalm greift, der ihm als Hilfe geboten wird, ohne zu untersuchen, ob er auch stark genug sei, um sich daran aufzurichten, oder ob es auf denselben sich stützend ganz zusammenbreche. Lässt man der althergebrachten Gewohnheit, nach dem Schein zu urteilen, auch in volkswirtschaftlichen Dingen Lauf, so kommt man gar leicht in die Gefahr, über die Ursachen eines Übels sich zu täuschen und Missgriffe zu begehen; denn ohne richtige Diagnose ist die Wahl des Heilmittels dem Zufall preisgegeben. Heutzutage weiß Jedermann, dass nicht Sonne, Mond und Sterne in 24 Stunden sich um die Erde drehen, sondern dass diese nur Schein ist, weil die Erde sich dreht. Dennoch hat die Menschheit Jahrtausende lang an die erstere Annahme geglaubt; dennoch stoßen wir in anderen Fächern fast jeden Tag auf gleiche Vorurteile, die oft nachteiliger wirken, als der naive Glaube an den alltäglichen Sonnen- und Sternentanz. So taucht in der gegenwärtigen Krisis vielfach der Glaube an Universalheilmittel auf, wie Glatzköpfe auf Eau de Lob und Hypochonder auf Pillen schwören, die vom König Humbug allerorten als Mittel gegen Hühneraugen und Schwindsucht u. s. w. angepriesen werden. Eines dieser Allerheilmittel ist die Staatshilfe und die Vormundschaft über einen Teil des Volkes, den man für die volle Freiheit nicht reif hält, als ob es möglich wäre, schwimmen zu lernen ohne ins Wasser zu gehen.

Als jüngst eine dieser Glaubensrichtungen mit einem förmlichen Programm hervortrat, welches bei jener Stimmung im Lande vielfach Beachtung fand und daher vollkommen geeignet war, durch Verbreitung irriger Vorstellungen über den naturgemäßen Verlauf der Volkswirtschaft, großes Unheil zu stiften, ward ich von der Redaktion des »Bund« aufgefordert, ein wissenschaftliches Gutachten über dieses Programm abzugeben, welches in einer Reihe von Aufsätzen unter dem Titel »Volkswirtschaftliche Glossen« erschien.

Nun würde ich die Anonymität nicht verlassen haben, weil ich überhaupt, zu kurze Zeit im Lande, unaufgefordert mich an der Streitfrage nicht beteiligt hätte, wäre nicht von verschiedenen Seiten die Aufforderung an die Redaktion des »Bund« und mich selbst ergangen, die »Glossen« in einem Separatabdruck erscheinen zu lassen, und wäre ich nicht selbst bereits häufig aus verschiedenen Bezirken aufgefordert worden, Material und Ratschläge wegen Gründung von Volksbanken zu geben. Indem ich also in den nachfolgenden Blättern den ausgesprochenen Wünschen nachkomme, leiste ich nicht sowohl der Sache, als mir selbst einen Dienst, indem ich meine Antwort, statt sie jedes Mail besonders zu schreiben, typografieren lassen.

Ich füge der Schrift einen Statutenentwurf für eine Volksbank bei.

II. Diagnose

Man klagt über Geldklemme oder Kapitalmangel, über die Höhe des Zinsfußes und über Schwierigkeit des Kredits.

Als Ursache betrachtet man die Banken, man klagt, dass sie fremdes Geld ins Land gebracht hätten, man verlangt strengere Handhabung des Wuchergesetzes, die Ausschließung des Landvolkes von der allgemeinen Wechselfähigkeit u. s. w.

Man vergisst aber, dass dies Widersprüche in sich selbst sind, wovon einer den andern aufhebt.

Wenn die Banken fremdes Geld ins Land gebracht, so haben sie den Vorrat und nicht die Geldklemme vermehrt, sie haben aus diesem Grund dann nicht zu dem Steigen des Zinsfußes beigetragen, sondern vielmehr verhindert, dass er nicht höher stieg. Die strengere Handhabung des Wuchergesetzes erhöht den Zinsfuß.

Die Ausschließung von der allgemeinen Wechselfähigkeit vermindert den Kredit des Landvolkes.

Wir werden diese Sätze im Verlauf dieser Schrift beweisen.

Um zu wissen, wie man ein Bedürfnis befriedigen soll, muss man das Bedürfnis erst kennen.

Das Geldbedürfnis des Landvolkes ist ein durchaus verschiedenes in Beziehung auf Umfang und Zeit. Vermengt man alles in eines, dann kann man natürlich kein klares Mittel zur Abhilfe angeben.

Wenn also geklagt wird, dass das Landvolk an Geldklemme und hohem Zinsfuß leide, so muss man, ehe man es unternimmt, ein Hilfsmittel angeben, erst unterscheiden zwischen langem und kurzem Kredit – mit einem Wort zwischen Hypothekar- und Personal-Kredit.

Diejenigen Landwirte, welche ihre Höfe schuldenfrei haben, gehören fast in ganz Europa zu den Ausnahmen. Die meisten haben Hypothekenkapitalien darauf stehen; welche Schulden nur unter günstigen Umständen und allmählich zurückbezahlt oder getilgt werden können. Das Interesse der Landwirte besteht in dieser Hinsicht darin, dass sie ihre Hypothekenkapitalien zu möglichst niedrigen Zinsen in möglichst langen Kündigungsfristen erhalten, um im Fall der Kündigung sich nach einem andern Gläubiger umsehen, und im andern Falle die Schuld allmählich durch Ersparnisse abtragen können.

In früheren Zeiten war die Aufnahme eines Hypothekenkapitals überall auf dem Kontinent mit Mühe, Zeitverlust und Kosten verknüpft. Am leichtesten ging es, wenn man bei Stiftungen und Vermögensverwaltungen zur toten Hand ankommen konnte; wo diese nichts mehr zu vergeben hatten, musste das Bäuerlein oft bei Kapitalisten herum katzbuckeln und sich von Agenten und Maklern aussaugen lassen. Fünf Prozent Zinsen und 1, oft auch 2 % Maklerlohn war die billigste Art auf einen Pfandbrief Kapital zu erlangen. Traf dann den Landwirt ein Unglück: Hagelschlag, Missernte, Viehseuche, Krankheit, Handelskrisen – und das Kapital wurde gekündigt, so kam es oft, dass ihm Haus und Hof in Zwang versteigert und nicht mehr als das Hypothekenkapital gelöst wurde, wenn der Verkauf gerade in eine schlechte Zeit fiel.

Diese Übelstande abzuhelfen wurden die Hypothekenbanken geschaffen, ursprünglich eine Erfindung des »alten Fritz«.

Die Hypothekenbanken, deren Einrichtung wir unten näher erörtern werden, gewähren dem Grundbesitzer den Vorteil, dass er

um das Hypothekenkapital nicht zu betteln braucht,dasselbe unkündbar erhält,es in bequemen Jahresfristen zurückzahlen kann,einen geringen Zins, als früher dem Privatkapitalisten, d. h. nur ca. 4½ % zahlt,mit einem Zuschlag von ½ – 1½ %, d. h. mit der jährlichen Zinszahlung von im Ganzen 5 % – 6 %, die er früher dem Kapitalisten abzutragen hatte, zugleich in einer Reihe von Jahren sein Gut schuldenfrei erhält, wobei größere Tilgungszahlungen nicht ausgeschlossen sind.

Der Landwirt wird wahrhaft emanzipiert, ein freier Mann, der wohlgemut der Zukunft entgegensehen kann.

Überall, wo Hypothekenbanken bestehen, hat die Lage des Landvolkes sich außerordentlich verbessert. Indessen muss dabei bemerkt werden, dass Staatsanstalten nirgends so ausreichende Dienste geleistet haben als Privathypothekenbanken.

Ein jeder bekommt da Kapital auf eine meist geringere Pfandhaftung als früher, unkündbar, wenn er nicht ein notorisch schlechter Wirtschafter ist, der sein Grundstück zu Grunde richtet, und wenn er seinen Zins regelmäßig zahlt, wobei indessen in außerordentlichen Fällen billige Verlängerungsfristen nicht ausgeschlossen sind.

Die Kapitalisten, welche der Hypothekenbank ihre Gelder anvertrauen, sehen besonders darauf, dass sie sichergestellt sind und regelmäßigen Zinsenbezug haben. Sie geben ihre Kapitalien der Bank lieber zu 4 % als dem Privaten zu 5 %. Deshalb kann beim Hypothekarkredit von einer Steigerung des Zinsfußes nicht die Rede sein. Es kann bloß darüber geklagt werden, dass die Staatshypothekenbank (von Bern) nicht alle Anforderungen befriedigen kann. Daran ist das Institut der Hypothekenbank nicht schuld. Man überlasse diesen Zweig der Privattätigkeit. Wenn das Bedürfnis groß genug ist, werden sich die Kräfte zu einer neuen Hypothekenbank leicht finden. Auch würden sich auswärtige Banken zur Hilfe herbeilassen, wenn ihnen von Seite von Korporationen entgegengekommen wird. Es kann beim Hypothekarkreditbedürfnis also nicht über Höhe des Zinssatzes, sondern allenfalls nur über Kapitalmangel geklagt werden.

Wir kommen zum Personalkredit.

Außer dem Bedürfnis nach Hypothekenkapitalien braucht der Landwirt zuweilen zwischen Saat und Verlauf der Ernte kleine Vorschüsse, welche er mit dem Erlös seiner Produkte zurückzahlt. Solche Vorschüsse aber dürfen, bei ordnungsmäßiger Wirtschaft, nie auf längere Zeit als ein Viertel- bis ein halbes Jahr in Anspruch genommen werden. Solcher kurzer Kredit ist aber naturgemäß dem laufenden Zins- oder Diskontosatz des beweglichen Kapitals unterworfen, der oft höher, oft dagegen aber auch niedriger ist als der Zinssatz der Hypothekenkapitalien.

Will man nun dem Landmann die Wechselfähigkeit rauben, so beschränkt man seinen Kredit und zwingt ihn, da das Angebot abnimmt, noch höhere Zinsen zu zahlen. Wir wollen dabei nicht danach fragen, woher man denn in einem demokratischen Lande die Berechtigung nehmen will, den zahlreichsten Teil seiner Bevölkerung vom Gebrauch eines verfassungsmäßigen Rechtes auszuschließen. In monarchischen Staaten gehen solche Forderungen nur von den – Junkern aus.

Nicht viel besser begründet ist der Vorwurf, dass die Banken den Kredit verteuerten wenn man diesen Satz allgemein aufstellt. Die Kreditanstalten? Ja. Die Diskontobanken? Nein. Davon weiter unten.

Wir sehen aus allem, dass es notwendig ist, bevor wir über die Wirkung der Banken klar werden wollen, zuerst über einige Grundbegriffe uns zu verständigen, welche noch nicht überall im Bewusstsein des Volkes das Urteil nach dem Schein verdrängt haben. Wir müssen uns vorher noch etwas genauer ansehen, was Geld und Kapital ist und unter welchen Gesetzen die Bildung und der Umsatz des Letzteren vor sich geht.

III. Geld und Kapital

Um sich dieser volkswirtschaftlichen Größen (Geld und Kapital) völlig bewusst zu werden, muss man zuerst über den Sinn der Worte sich einigen, denn der meiste Streit in der Welt, sagt J.-B. Say, ist Wortstreit.