Die Herren der Unterwelt 12: Schwarze Pein - Gena Showalter - E-Book
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Die Herren der Unterwelt 12: Schwarze Pein E-Book

Gena Showalter

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Beschreibung

Baden ist aus der Hölle zurückgekehrt - aber diese Freiheit hat ihren Preis: Jetzt muss er auf ewig den Dämon des Misstrauens in sich tragen und Hades dienen. Der König der Unterwelt stellt ihn mit seinem Auftrag vor die schwerste Prüfung: Katarina, die er die im Auftrag von Hades als Geisel genommen hat. Baden weiß seine Leidenschaft kaum mehr zu zügeln. Doch er muss sich vorsehen: Denn jede menschliche Berührung bringt das Böse in ihm zum Vorschein - und das wäre Katarinas Untergang …

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Seitenzahl: 696

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Zum Buch:

Katarina bleibt keine Wahl. Um ihren Bruder und ihre geliebten Hunde zu retten, muss sie einen unausstehlichen Mann heiraten. Widerwillig tritt sie vor den Traualtar – als die Kirche von drei Männern überfallen und sie als Geisel genommen wird. Baden, ihr höchst zweifelhafter Beschützer, verängstigt sie. Gleichzeitig fasziniert sie seine überwältigende Kraft und die übernatürliche Welt, mit der er sie vertraut macht. Katarina fasst einen Plan: Sie will sich ihm unterwerfen, ihn zähmen und so schnell wie möglich fliehen! Nur hätte sie nie erwartet, wie sehr er sie in seinen Bann zieht …

„Der Name Showalter auf einem Buchdeckel garantiert beste Unterhaltung.“

Romantic Times Book Reviews

Zur Autorin:

New York Times- und USA Today-Bestsellerautorin Gena Showalter gilt als Shootingstar am romantischen Bücherhimmel des Übersinnlichen. Ihre Romane erobern die Herzen von Kritikern und Lesern gleichermaßen. Mit der Serie „Die Herren der Unterwelt“ feierte sie ihren internationalen Durchbruch. Showalter lebt mit ihrer Familie und einigen Hunden in Oklahoma.

Lieferbare Titel:

Die Herren der Unterwelt 11 – Schwarze Berührung

Die Herren der Unterwelt 10 – Schwarzes Verlangen

Gena Showalter

Die Herren der Unterwelt 12: Schwarze Pein

Roman

Aus dem Amerikanischen von Freya Gehrke

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHERerscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,Valentinskamp 24, 20354 HamburgGeschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2017 by MIRA Taschenbuchin der HarperCollins Germany GmbHDeutsche Erstveröffentlichung

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

The Darkest TormentCopyright © 2016 by Gena Showaltererschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Books II. B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, KölnUmschlaggestaltung: büropecher, Köln

Redaktion: Eva Wallbaum

Titelabbildung: Harlequin Books S.A.; Thinkstock

ISBN eBook 978-3-95649-981-4

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Liebe Leserin,

als ich mich hingesetzt habe, um das nächste Abenteuer der Herren der Unterwelt zu schreiben, musste ich einige schwierige Entscheidungen treffen. Sollte ich die Geschichte von Cameo erzählen, der Herrin, nach der die Leserinnen am meisten verlangten, obwohl ich noch nicht alle Erzählstränge für ihren Plot beisammenhatte? Sollte ich die Geschichte von William erzählen, der zwar kein Herr ist, aber auch einer der Publikumslieblinge, obwohl ich seinen Plot noch überhaupt nicht entworfen hatte? Oder sollte ich von Baden berichten, der Figur, über die meine Leserinnen am wenigsten wussten? Letzten Endes musste ich mich an die Geschichte halten, die mir am meisten unter den Nägeln brannte, und im selben Moment – in der Sekunde, in der mir Badens Dilemma und seine Heldin kamen –, schnappte ich nach Luft. Erbebte ich. Tigerte ich in gespannter Erwartung auf und ab, während die Szenen sich bereits vor meinem inneren Auge auffächerten. Dieses Buch zu schreiben wurde zu einem Bedürfnis, einer unverzichtbaren Leidenschaft, und ich hoffe sehr, dass diese Leidenschaft aus jedem einzelnen Wort hervorstrahlt. Denn wenn Sie „Schwarze Pein“ lesen, bekommen Sie mehr als eine Geschichte. Sie bekommen ein kleines Stück meines Herzens.

Alles Liebe,

Gena Showalter

Widmung

Für Julie Kagawa. Du bist ein Schatz! Danke für den Anruf, die Unterhaltung und deine Tipps zum Thema Hundetraining. (Alle Fehler stammen von mir und sind bewusst eingebaut, um sie in die Gegebenheiten meiner Geschichte einzupassen – und dabei bleibe ich.)

Für Beth Kendrick. Pecan Pie ist das Größte – genau wie du! In deinem Kopf würde ich echt gern mal Ferien machen!

Für Kady Cross und Amy Lukavics. Tolle Frauen, fantastische Reisegefährtinnen und auf ewig geliebte Freundinnen. Ich bin so gesegnet, dass ich euch kennenlernen durfte!

Für Allison Carroll, Ausnahmelektorin. Du gehst weit über die Pflicht hinaus, und deine Anregungen sind unbezahlbar. Ich danke dir!

Für die bezaubernden, talentierten Autorinnen, die ich zu meinen Freundinnen zählen darf (oben wie unten) – ihr habt Herzen aus Gold:

Jill Monroe, Roxanne St. Claire, Kresley Cole, JR Ward, Karen Marie Moning, Nalini Singh, Jeaniene Frost, P.C. und Kristin Cast, Deidre Knight, Kelli Ireland, Kristen Painter und Lily Everett.

Für Anne Victory und ihren Pippin!

Und für meinen eigenen Biscuit. Du warst ein Schatz, ein Gottesgeschenk, und ich hatte dich nicht verdient. Du hast mich wahnsinnig geliebt. Ich war dein absoluter Lieblingsmensch auf der ganzen Welt. Jetzt bist du im Himmel, und wenn wir uns wiedersehen, werde ich dich bis in alle Ewigkeit vergöttern!

„Das Töten hat seine Zeit und seinen Ort.

Niemals und nirgends.“

– Baden, der Gentleman des Olymp, vor seiner Enthauptung

„Das Töten hat seine Zeit und seinen Ort.

Immer und überall.“

– Baden, furchterregender Herr der Unterwelt, nach seiner Wiedererweckung

1. Kapitel

„Welche Vorteile es bringt, mich zum Verbündeten zu haben? Man hat mich zum Verbündeten. Das sagt schon alles.“

– Hades, einer der neun Könige der Unterwelt

Schuldgefühle konnten die Vergangenheit nicht ändern. Sorge konnte die Zukunft nicht ändern. Und doch verfolgten sie Baden mit unerbittlicher Hartnäckigkeit. Die einen schwangen eine stachlige Peitsche, die anderen ein Messer mit gezahnter Klinge, und obwohl er keine sichtbaren Wunden trug, blutete er in Strömen – jeden verdammten Tag.

Der ständige Schmerz provozierte die Bestie. Bei seiner Wiederkehr von den Toten hatte die Kreatur sich in seinem Geist eingenistet. Sein neuer Begleiter war schlimmer als jeder Dämon. Und er musste es wissen! Das Ungeheuer verabscheute seinen Käfig aus Fleisch … gierte nach Beute.

Töte jemanden. Töte sie alle!

Es war der Schlachtruf der Bestie. Ein Befehl, der Baden in den Ohren gellte, sobald sich ihm jemand näherte. Oder ihn ansah. Oder einfach nur atmete. Der Drang zu gehorchen ließe nicht lange auf sich warten …

Ich werde nicht töten, gelobte er sich. Er war nicht die Bestie, sondern ein eigenständiges Wesen.

Leicht gesagt. Schwieriger durchzusetzen. Aufgewühlt tigerte er von einer Ecke seines Zimmers in die andere und zerrte am Kragen seines Shirts. Die weiche Baumwolle riss unter seinen Versuchen, das ständige Unbehagen zu lindern. Seine überempfindliche Haut verlangte ununterbrochen nach Linderung. Ein weiterer „Bonus“ seiner Wiederkehr von den Toten.

Der Schmetterling, den er sich auf die Brust hatte tätowieren lassen, konnte ihm die Schmerzen nicht nehmen. Rasch war dort ein Juckreiz entstanden, gegen den kein Kratzen half. Trotzdem empfand Baden keine Reue über den Entschluss. Die gezackten Flügel und gehörnten Fühler des Motivs ähnelten dem Brandzeichen des Dämons, das er vor seinem Tod getragen hatte; jetzt war es ein Sinnbild für die Wiedergeburt, eine Erinnerung daran, dass er wieder lebte. Dass er Freunde hatte – Brüder und eine Schwester im Geiste, die ihn liebten. Dass er kein Außenseiter war, auch wenn er sich wie einer fühlte.

Er stürzte sein Bier hinunter und schleuderte die Flasche an die Wand. Das Glas zerschellte. Seit seiner Wiederkehr hatte er sich verändert, das war eine unbestreitbare Tatsache. Er passte nicht mehr in die Familiendynamik. Er machte seine Schuldgefühle dafür verantwortlich. Vor viertausend Jahren hatte er dem Feind gestattet, ihn zu enthaupten – Selbstmord durch einen Stellvertreter –, sodass seine Freunde den Krieg gegen die Jäger allein weiterführen mussten, während sie um ihn trauerten. Wie gewissenlos!

Doch ebenso machte er die Sorge dafür verantwortlich, die er wie ein kostbares Neugeborenes hätschelte. Die Bestie hasste jeden, den er liebte – die Männer und Frauen, mit denen Baden eine Blutschuld verband –, und sie … er … würde vor nichts haltmachen, um sie zu vernichten.

Sollte dieser Drang, zuzuschlagen, jemals größer werden als sein Wunsch, seine Untaten wiedergutzumachen …

Ich werde meine Untaten wiedergutmachen.

Tote können keine Schulden eintreiben. Töööteeeeeeen.

Nein. Nein! Er hämmerte die Fäuste gegen seine Schläfen, sodass die metallenen Reife um seine Oberarme ihm ins Fleisch schnitten. Er zerrte an seinen Haaren. Schweiß rann über die verkrampften Muskeln auf seinem Rücken und seiner Brust und fing sich in seinem Hosenbund. Lieber würde er sterben – aufs Neue –, als seinen Freunden ein Leid zuzufügen.

Nach seiner Wiedererweckung hatten ihn alle zwölf Krieger mit offenen Armen empfangen. Nein, nicht zwölf. Mittlerweile waren es dreizehn. Vor ein paar Wochen war Galen bei ihnen eingezogen, Hüter der Eifersucht und der Falschen Hoffnung – der Mann, der seinen Tod eingefädelt hatte. Alle waren überzeugt, der Wichser hatte sich von seinen bösen Machenschaften abgewendet.

Also bitte. Scheiße mit Sahnehäubchen war immer noch Scheiße.

Liebend gern hätte er den Kerl in winzige Stückchen gehackt. Fünf Minuten und ein Schwert, mehr verlangte er gar nicht. Doch seine Freunde hatten eine strikte Zerhacksperre verhängt.

Ganz egal, wie seine eigenen Wünsche aussahen, er würde ihre Regeln befolgen. Nicht ein einziges Mal hatten sie ihm seine furchtbaren Fehler vorgehalten. Nicht ein einziges Mal auf einer Antwort bestanden. Sie hatten ihm zu essen gegeben, Waffen und ein Zimmer in ihrer riesigen Burg. Das uralte Bauwerk lag in den Berghängen über Budapest verborgen.

Es klopfte an der Tür – worauf die Bestie mit einem Knurren reagierte. Feind! Töten!

Ruhig. Nimm dich zusammen. Ein Feind würde sich nicht die Zeit nehmen zu klopfen. „Verschwinde.“ Seine raue Stimme klang, als wäre jedes Wort stromaufwärts durch einen Fluss aus Glasscherben geschwommen.

„Tut mir leid, mein Alter, aber ich geh hier nicht weg.“ Bumm, bumm, bumm. „Lass mich rein.“

Auftritt William, der Lustmolch. Jüngster Sohn des Hades, besessen von gutem Wein, besseren Frauen und der allerbesten Haarpflege. Der Kerl war ein barbarischer, sturer Bastard, dessen bester zugleich sein schlimmster Wesenszug war: Das Konzept der Gnade war ihm unbekannt.

Die Bestie stellte ihr Knurren ein und begann zu schnurren wie eine zahme Hauskatze. Eine überraschende Reaktion … andererseits auch wiederum nicht. Hades war derjenige, der ihm sein neues Leben geschenkt hatte. Dadurch hatte die Familie des Königs in den Augen der Bestie quasi einen Freibrief, der sie vor jeder Folter bewahrte. Abgesehen von Luzifer, dem ältesten Sohn, dessen Verbrechen waren schlicht zu ungeheuerlich.

„Das ist gerade kein guter Zeitpunkt.“ Baden fürchtete, die Bestie könnte den Freibrief vergessen.

„Interessiert mich nicht. Mach auf.“

Bewusst holte Baden tief Luft … und atmete scharf aus. Als materialisierter Geist war er nicht aufs Atmen angewiesen, doch der einst vertraute Vorgang half ihm, sich zu beruhigen.

„Komm schon“, sagte William. „Wo ist das mutige Stück Scheiße, das Pandora ihre Büchse geklaut und sie geöffnet hat? Mit dem will ich sprechen.“

Mutig? Manchmal. Stück Scheiße? Immer. Es hatte damit geendet, dass er und seine Freunde die Dämonen freigelassen hatten, die in der Büchse gefangen gewesen waren. Daraufhin hatte Zeus, der König der griechischen Götter, sie mit einem lebenslangen Fluch bestraft.

Und so soll euer Leib zum Gefäß eurer eigenen Zerstörung werden.

In ihn war Misstrauen gefahren.

Besudelt und unwürdig waren die Krieger aus der königlichen Garde entlassen und mit einem Fußtritt gen Erde befördert worden. Wie vorhergesagt begannen die Dämonen nur zu bald, sie zu zerstören. Ihn am schlimmsten von allen. Immer mehr war seine Fähigkeit, anderen zu vertrauen, verkümmert. Wochen … Monate hatte er damit verbracht, Pläne auszuhecken, jene zu ermorden, denen er hätte beistehen sollen.

Eines Tages hatte er es nicht länger ertragen können. Sie oder ich war der letzte Gedanke, der ihm durch den Kopf ging, als ein Mensch ein Schwert gegen seine Kehle schwang. Er hatte sie gewählt – seine Familie. Doch auch so waren sie nicht unbeschadet davongekommen. Ihre Trauer hatte sie verfolgt. Genau wie Misstrauen!

Als sein Kopf sich von seinem Körper trennte, war der Dämon aus ihm herausgefahren, von seiner Kontrolle befreit. Nun hatte Baden nicht mehr wenigstens den schlimmsten Impulsen des Ungeheuers Einhalt gebieten können. Im nächsten Augenblick hatten unsichtbare Ketten seinen Geist in ein Reich geschleift, das als Gefängnis für jene errichtet worden war, auf denen der Makel der Büchse lag. Seine einzige Verbindung in die Welt der Lebenden war eine Rauchwand gewesen, auf der die aktuellen Ereignisse wiedergegeben wurden.

Aus der ersten Reihe hatte er zusehen dürfen, wie seine Freunde in ein Loch aus Schmerz und Verzweiflung versanken, unfähig, irgendetwas anderes zu empfinden als Trauer. Den Rest seiner Zeit hatte er damit verbracht, sich mit Pandora zu bekriegen, der einzigen anderen Insassin des Reichs – einer Frau, die ihn mit jeder Faser ihres Seins hasste.

Dann, erst vor wenigen Monaten, waren Cronus und Rhea im Reich aufgetaucht, das ehemalige Königspaar der Titanen. Sie waren Zeus’ größte Rivalen und Badens Hauptziele. Wie oft hatten diese zwei seinen Freunden wehgetan?

Es hatte ihn mit großer Befriedigung erfüllt, gemeinsam mit Pandora zu entkommen und die anderen beiden zurückzulassen.

Bumm, bumm, bumm. „Ey! Baden! Diese Warterei ist dämlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mir gerade graue Haare wachsen.“

Er schreckte auf, wütend, weil er sich so in seinen Erinnerungen verloren hatte.

„Wie du willst. Dann machen wir’s auf die harte Tour“, rief William. „In drei Sekunden trete ich die Tür ein.“

Ruhig. Niemand wird zerhackt. Baden riss so heftig an der Tür, dass die Klinke in seiner Hand blieb. Ups. „Was willst du?“

Anders als der Tornado, den er in diesem Moment zur Schau stellte, stand der schwarzhaarige, blauäugige Krieger sanft wie ein Sommerregen an den Türrahmen gelehnt da. William musterte ihn von oben bis unten und zog eine Grimasse.

„Wie ich sehe, kleidest du dich für den Job, den du willst, nicht für den, den du hast.“

Starker Krieger. Zu stark. Bedrohung.

Wie befürchtet, verbrannte der Keine-Folter-Freibrief soeben zu Asche. Niemand wird zerhackt! Aber … Schlagen war nicht Hacken. Es war reine Glückseligkeit. Knochen auf Knochen. Der berauschende Geruch von Blut würde seine Sinne erfüllen, das gequälte Heulen seines Gegners wäre Musik in seinen Ohren.

Er presste die Zunge an den Gaumen. Wer bin ich? „Verschwinde“, wiederholte er.

William sah sich im Zimmer um. „Kleines Privatgelage?

Tsts. Fehlt dir etwa dein Dämon?“

Ein paarmal hatte Baden gedacht, es könnte so sein. Mit dem Auftauchen seines neuen Gefährten war er eines Besseren belehrt worden.

Misstrauen hatte jetzt einen anderen Wirt. Eine Frau. Ihr Name war … Er runzelte die Stirn. Es wollte ihm nicht einfallen.

Wer sie auch war, über Jahrhunderte hatte sie Galen unterstützt und ihm bei den grauenvollsten Missetaten geholfen. Vor einigen Monaten hatte das törichte Weib freiwillig Misstrauen in sich aufgenommen. Mit anderen Worten: Sie hatte mit offenen Armen unaufhörliche Paranoia in Empfang genommen. Wer machte so was?

William seufzte. „Musst nicht antworten. Ich seh’s dir an der Nase an. Weißt du denn nicht, dass der ständige Blick in die Vergangenheit dich zurückwirft? Schon gut, schon gut. Ich helfe dir ja, die Zukunft in den Fokus zu nehmen. Musst ja nicht gleich betteln.“ William holte aus – und schlug ihm auf die Nase. „Gern geschehen.“

Beim Aufprall taumelte Baden zurück, seine Nase war verrutscht. Obwohl er kein Blut besaß, weil sein Körper nur eine Hülle für seinen Geist war, legte sich der Geschmack von Kupfermünzen auf seine Zunge. Köstlich. Praktisch ein Dessert.

Die Bestie tobte, war hungrig nach mehr.

Mit einem tödlichen Blick in Williams Richtung richtete er seine Nase.

„Oh nein. Ich habe dich provoziert. Was soll ich nur tun?“ Grinsend krempelte William sich die Ärmel hoch. „Ich weiß. Wie wär’s, wenn ich dir noch eine verpasse.“

Er sucht Ärger? Den kann er haben.

Die Bestie … explodierte. Jeder Muskel in Badens Körper wurde vollgepumpt mit Adrenalin, seine Knochen waren wie flüssige Lava. Auf unerklärliche Weise wuchs er auf beinahe doppelte Größe an, sodass sein Kopf die Decke streifte.

„Ich hab gehört, deine Haare sind durch Misstrauen immer in Flammen aufgegangen“, bemerkte William. „Schade, dass er nicht hier ist. Flammen würden deine anstehende Niederlage etwas spannender machen.“

Niederlage? Damit mache ich ihn gerne bekannt.

Brüllend holte Baden aus. Treffer! Das machte süchtig …

Wieder und wieder schwang er wie ein Presslufthammer die Fäuste, brutal und gnadenlos. William nahm die Schläge wie ein Könner und hielt sich auf wundersame Weise auf den Beinen.

Ich mag diesen Mann … irgendwie. Ihm wehzutun tut auch mir weh.

Der Funke eines rationalen Gedankens. Baden ließ die Arme sinken und krallte die Finger in seine Tarnanzughose. „Entschuldige. Tut mir leid“, stieß er heiser hervor.

„Wieso?“ Williams Zähne waren blutverschmiert. „Hast du dir in die Hose gemacht bei deiner zärtlichen Tätschelei?“

Humor. Darauf war Baden nicht in Stimmung. „Dreh dich um und geh. Bevor du noch rauskriechen musst.“

Schon längst hatte die Bestie wieder ihre Krallen in sein Hirn geschlagen und gierte nach einer zweiten Runde.

„Sei nicht albern.“ William winkte mit einer Hand. „Schlag mich noch mal. Aber diesmal versuch wenigstens, mir echten Schaden anzurichten.“

Der Krieger begriff es nicht … würde es nicht begreifen, bis es zu spät war. „Verschwinde! Ich verliere die Kontrolle.“

„Dann machen wir ja Fortschritte.“ William versetzte ihm einen scharfen Hieb gegen die Schulter. „Schlag mich.“

„Willst du sterben?“

„Schlag.“ Schlag ihn. „Mich.“ Schlag ihn.

Die Bestie fauchte, und er …

Baden explodierte wie eine Bombe, prügelte auf William ein, der keinerlei Anstalten machte, ihn abzublocken oder der Flut seiner Schläge auszuweichen.

„Wehr dich!“, schrie Baden.

„Wenn du so fragst …“ William schlug zu, ein so mächtiger Fausthieb, dass Baden rückwärts stolperte und gegen die Kommode krachte.

Klappernd gingen Bücher und Dekorationsobjekte, die ihm die weiblichen Burgbewohnerinnen geschenkt hatten, zu Boden. Glas zerschellte zu seinen Füßen. William kam auf ihn zumarschiert, bückte sich im Gehen, schnappte sich eins der Bücher und schlug damit zu, bis Baden glaubte, sein Hals würde sich in sein Rückgrat schieben.

Schmerz. Sein Körper krümmte sich, und der Krieger hieb ihm das Buch in die Flanke. Einmal. Zweimal. Mehr Schmerz. Seine Niere war nur noch Brei.

Gegner … viel stärker als erwartet … darf nicht weiterleben.

Bevor William ihm einen weiteren Schlag versetzen konnte, riss Baden ein Knie hoch. Das Buch flog quer durchs Zimmer. Er schlug William aufs Kinn. Als der Krieger taumelte, hob Baden eine Scherbe auf.

Bis er wieder aufrecht stand, hatte William sich gefangen. So schnell. Der Krieger zerschmetterte eine Vase an Badens Schläfe, und erneut regnete es Scherben.

Plötzlich drangen mehrere Stimmen in sein Bewusstsein.

„Ist das Baden? Alter! Das kann unmöglich Baden sein. Der ist ja dreimal so groß wie sonst!“

„Der schlägt Willy die Zähne aus!“

„Die sind reserviert! Baden, nicht Willys Zähne. Wenn mein Mann je den Löffel abgibt, dann nur durch meinen Hulk-Schmetterschlag!“

Irgendwo ganz hinten in seinem Kopf begriff er, dass seine Freunde und ihre Gefährtinnen den Tumult gehört hatten und gekommen waren, um der Prügelei ein Ende zu setzen. Um ihm zu helfen. Der Bestie war das egal.

Töten … Alle töten … Sie sind zu stark, das Risiko zu groß. Etwas so Böses wie die Bestie kannte keine Freunde, nur Feinde.

Für den Rest der Welt stellt diese Truppe eine Gefahr dar, aber nicht für mich. Niemals für mich. Diese Leute würden für mich sterben.

Sterben … Genau, sie müssen sterben …

Mit einem Tritt warf William die Tür zu und versperrte ihm damit die Sicht auf die anderen. „Du konzentrierst dich schön auf mich, Rotschopf. Verstanden? Die größte Bedrohung hier bin ich, also tu uns beiden einen Gefallen, nimm deine Rheumatabletten und schlag mich.“

Ja. Größte Bedrohung. Schlag. Die Wut verlieh ihm zusätzliche Kraft, als er aufs Neue eine Flut von Schlägen niederregnen ließ. Die ersten blockte William noch ab, doch dem Rest konnte er nicht ausweichen. Baden gelang es ebenso wenig, der Gegenwehr zu entkommen.

Der brutale Kampf trieb sie durch das gesamte Zimmer, und sie prallten gegen Wände und Möbel wie wilde Tiere, die um den Titel des Königs des Dschungels stritten.

Schnapp dir eine Scherbe. Ramm sie dem Krieger in die Rippen.

Ja. Der perfekte Abschluss. Doch als Baden sich bückte, teleportierte William sich hinter ihn – ein Ortswechsel in Gedankenschnelle – und schlug ihn. Noch im Stolpern verdrehte Baden den Oberkörper und packte die Hand des Mannes, der ihm gerade einen weiteren Schlag versetzen wollte.

Baden ließ sich bewusst fallen und riss William mit sich zu Boden. Auf halber Strecke schlang er dem Bastard die Beine um den Hals und drückte fest genug zu, um ein Rhinozeros zu erdrosseln. Im Moment des Aufpralls schleuderte er William über sich hinweg.

Krach. Sein Gegner landete mit dem Gesicht voran im Scherbenhaufen. Grinsend richtete Baden sich auf und setzte sich rittlings auf Williams Rücken.

Ein Schlag. Zwei. Williams Schädel knackte – Baden brach sich die Knöchel daran. Bevor er den nächsten Hieb anbringen konnte, teleportierte William, die hinterhältige Ratte, sich wieder – doch es war zu spät, um seine Faust zu bremsen. Aufprall. Eine der Bodendielen zersplitterte. Schmerz vibrierte Badens Arm hinauf und konzentrierte sich in seiner Schulter.

William lachte vergnügt, und als hätte seine Reaktion ein magisches Ruheportal geöffnet, verstummte die Bestie.

„Na siehst du.“ William wuschelte ihm über den Kopf. „Und schon geht’s dir besser.“ Eine freundliche Feststellung, kein selbstgefälliger Sarkasmus.

Nach einem kurzen Gefahrencheck, nur zur Sicherheit, nickte Baden. „Tatsächlich.“ Selbst sein Hals fühlte sich besser an.

„Dann können wir uns ja jetzt unterhalten, ohne dass du meine Luftröhre beäugst wie ein Stück Weingummi.“

„Die Unterhaltung kann warten.“ Baden stand auf und verzog das Gesicht, als er sich den Zustand seines Zimmers besah. Löcher in der Wand, Glasscherben auf dem Boden, umgeworfene Möbel mit diversen Macken. „Ich muss hier erst mal aufräumen.“

„Du schwingst lieber den Besen, als Informationen zu sammeln?“

„Hängt davon ab, welche Informationen mir geboten werden.“

„Wenn ich jetzt sagen würde, es geht um deine Schlangen-Armreife und ihre Nebenwirkungen …?“

„Dann würde ich dir dein hübsches Gesicht zu Brei schlagen.“ Baden liebte die Armreife, und zugleich hasste er sie. Sie waren ein Geschenk von Hades, uralt und mit mystischen Kräften versehen, und sie waren der Grund für seine Körperhaftigkeit.

Hades und Keeley – die Gefährtin seines Freundes Torin – waren zu ihm gekommen. Anfangs hatte er es für einen Traum gehalten. Mithilfe irgendeiner übernatürlichen Macht hatten sie ihm die Schlangen-Armreife abgenommen, die ihm Luzifer bei seiner Gefangennahme aufgezwungen hatte, und sie durch ein Paar aus Hades’ Besitz ersetzt.

Solange du meine Armreife trägst, hatte Hades erklärt, wirst du sichtbar sein … berührbar.

Die freundliche Geste eines Verbündeten, den er im Kampf der Unterwelten unterstützte? Zu Beginn hatte er das noch gedacht. Langsam fragte er sich allerdings … War es eher ein Winkelzug eines hinterhältigen Feindes gewesen?

Schon bald nachdem er die Armreife erhalten hatte, erntete er mitleidige Blicke von William, gefolgt von der Bemerkung: „Kennst du Friedhof der Kuscheltiere? Manchmal ist der Tod die bessere Alternative.“

Unrecht hatte er damit nicht.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Veränderungen bei ihm bereits begonnen. Nicht körperlich – vielleicht körperlich –, aber geistig definitiv. Er, der einst von ruhigem Gemüt gewesen war, kämpfte ständig um Beherrschung, und er verabscheute jeden, der womöglich stärker war als er. Wie soeben bewiesen. Ihn plagten Erinnerungen, die nicht seine waren. Es nicht sein konnten. Er war nie ein Kind gewesen, war voll ausgewachsen erschaffen worden, als unsterblicher Krieger mit der Aufgabe, Zeus zu beschützen. Und doch erinnerte er sich klar und deutlich daran, wie er mit etwa zehn Jahren durch ein brennendes Ambrosiafeld gerannt war, während dichter Rauch ihm die Kehle zuschnürte.

Ein Rudel Höllenhunde hatte ihn gejagt, sich an ihm satt gefressen und ihn in ein kaltes, klammes Verlies gezerrt, wo er allein und ausgehungert gelitten hatte – über Jahrhunderte.

Mit der ersten Erinnerung war eine entsetzliche Erkenntnis über ihn hereingebrochen. Die Schlangen-Armreife waren keine bloßen Objekte, sondern ein Wesen. Die Bestie. Kein Dämon, sondern etwas Schlimmeres. Ein Unsterblicher, der einmal gelebt hatte und nun durch ihn weiterzuleben gedachte. Ein Monstrum, das ständig auf der Schwelle zu blanker Wut, Gewalt und tiefstem Misstrauen lauerte.

Die Ironie des Ganzen war ihm durchaus bewusst.

„Also wirklich.“ William tat beleidigt. „Versuch doch wenigstens, mir den Gefallen zu tun.“

Konzentrier dich! „Gestern hast du behauptet, du wüsstest nichts über die Armreife.“

Ein massiges Schulterzucken. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“

„Und heute weißt du … was genau?“

„Bloß alles.“

Baden wartete, dass der Krieger weitersprach. „Soll ich dich noch mal verprügeln? Rede gefälligst!“

„Verprügeln ist jetzt etwas zu heftig ausgedrückt für das, was hier gerade stattgefunden hat. Ich würde das eher als Massage bezeichnen.“ William polierte sich die Fingernägel. „Nur dass du’s weißt, die Nebenwirkungen der Armreife sind zahlreich und entsetzlich.“

„Das mit ‚entsetzlich‘ hab ich längst alleine rausgefunden, vielen Dank auch.“ Die Armreife abzunehmen kam nicht infrage. Sie waren wie festgeschweißt. Um sie zu entfernen, müsste er sich schon die Arme mit dem Hackebeil abtrennen.

Vor seiner Enthauptung wären seine Arme einfach nachgewachsen. Doch jetzt? Er war sich nicht sicher und auch nicht zu Experimenten bereit. Na ja, jedenfalls nicht bei sich. Seine Hände waren seine vorderste Verteidigungslinie.

„Gib mir Einzelheiten“, verlangte er.

„Fangen wir doch damit an: Wenn du deine neuerdings auftretenden Tobsuchtsanfälle in den Griff kriegen willst, brauchst du Sex – und zwar eine Menge.“

Diese Behauptung war ein Witz. Musste einer sein.

Baden hob eine Augenbraue. „Bietest du dich an, oh großer Lustmolch?“

William schnaubte. „Als ob du mit mir klarkommen würdest.“

Wenn er ehrlich war, kam er mit niemandem klar. Falls er sich nicht gerade mit jemandem anlegte, mied er jede Form von Kontakt. Seine Haut war einfach zu empfindlich. Jede Berührung von Fleisch auf Fleisch war pure Folter, wie eine Klinge, die über frei liegende Nerven schrammte.

„Du wirst Budapest noch heute verlassen“, erklärte William. „Du gehst … woanders hin. Da suchst du dir einen Harem von Unsterblichen zusammen und widmest dich die nächsten ein, zwei Jahrzehnte einzig und allein der Lust.“

Seine Freunde im Stich lassen? Wo sie gerade erst wieder vereint waren? Nein. Er war hier, um ihnen zu helfen, ihnen den Rücken freizuhalten, wie er es seit Jahrhunderten herbeigesehnt hatte. „Ich verzichte.“

„Und ich bestehe darauf. Du kannst die Finsternis nicht besiegen.“

„Ich bin die Finsternis.“

Zustimmend neigte der Krieger den Kopf. „Folgendes Problem. Maddox und Ashlyn haben Kinder. Sowohl Maddox als auch Kane haben schwangere Frauen. Ganz zu schweigen von den anderen Frauen auf der Burg. Und was ist mit der traumatisierten Legion? Der verwundbaren Gillian?“ Bei ihrem Namen wurde seine Stimme rau. „Geh auf eine dieser Frauen los, wie du auf mich losgegangen bist, und deine Wahlbrüder weiden dich aus. Ganz egal, wie sehr sie dich lieben. Ich weide dich aus.“

„Ich würde niemals …“

„Oh Prinzessin. Und wie du würdest.“

Erneut flammte Zorn in ihm auf. Er rammte eine Faust durch die Wand und bestätigte damit Williams Behauptung. Die Bestie in ihm nutzte jede sich bietende Gelegenheit, ihn zu überrumpeln. „Also gut. Ich gehe.“ Die Worte schmerzten, trotzdem fügte er hinzu: „Heute noch.“

„Soeben ist dein IQ auf die nächste Stufe gesprungen.“ William strahlte ihn an. „Schon irgendwelche Ideen, wo du hinwillst?“

„Nein.“ Seine Erfahrungen mit der modernen Welt waren äußerst beschränkt.

Ein Seufzen. „Das bereue ich garantiert noch“, sagte der Krieger und strich sich mit zwei Fingern übers Kinn. „Aber was soll’s. Man lebt schließlich nur zweimal, stimmt’s?“

Baden wedelte mit der Hand, ein stummer Befehl, weiterzureden.

„Im Gegenzug für einen später zu benennenden Gefallen überlasse ich dir eine meiner Unterkünfte und stelle dir sogar ein fleischliches Buffet zusammen. Und keine Sorge. Selbst ein Kerl mit deinem Mangel an Finesse wird bei einer glatten Zehn einen Tor schießen.“

Während aus den Surround-Sound-Lautsprechern schnelle Rockmusik dröhnte, klatschten ihm zwei Doppel-Ds ins Gesicht. Baden zischte vor Schmerz – nicht, dass Wie-immer-sie-auch-hieß es bemerkt hätte, als sie sich auf seinem Schoß wand.

Sie streckte eine Hand nach seinem Nacken aus, zweifellos, um ihn näher an sich zu ziehen.

Jeder Mann muss wenigstens einmal im Leben das Motorboot machen, hatte William vorhin zu ihr gesagt. Sieh zu, dass unser Rotschopf seine Gelegenheit bekommt.

Baden schlug ihre Hand so sanft wie möglich beiseite.

Sie grinste ihn an, doch in ihren Augen lag nicht der kleinste Hauch von Erheiterung.

„Lampenfieber, Süßer? Da kenne ich das perfekte Heilmittel.“ Sie sprang von seinem Schoß und schob ihm ihren Hintern ins Gesicht.

„Twerk ist der Oberhammer, findest du nicht auch?“, meldete William sich zu Wort.

Baden warf ihm einen bitterbösen Blick zu. Sie waren die einzigen Männer im Raum, und der Wichser machte seinem Ruf als Ober-Playboy alle Ehre, als er einen Hundertdollarschein in den G-String einer Stripperin stopfte. Es war eine Blondine, die sich völlig selbstvergessen rhythmisch an ihm rieb.

„Auch wenn du eigentlich mich bezahlen solltest – ich bin gerade in großzügiger Laune.“ William steckte ihr einen weiteren Hunderter zu. „Und glaub nicht, ich hätte deinen Orgasmus nicht mitgekriegt. Beide.“

Sie war zu sehr mit dem dritten beschäftigt, um antworten zu können.

„Das hilft mir nicht im Geringsten“, knurrte Baden. William beugte sich vor, um der Blondine übers Schlüsselbein zu lecken. Eine geübte Geste, die er aus dem Effeff zu beherrschen schien.

„Halt dich noch ein bisschen zurück mit deinen Zweifeln an meiner Pimposität. Das hier ist bloß der Appetithappen.“

Pimposität?

„Hör auf ihn.“ Miss Twerk wandte sich ihm zu und strich ihm mit einer Fingerspitze über die Kinnlinie. „Du sollst mich verschlingen.“

Die Qual! Ein paar Sekunden hielt er es aus, dann packte er die Frau bei den Hüften und hob sie ein für alle Mal von seinem Schoß. „Nicht anfassen. Unter keinen Umständen.“

Bei seinem unbeabsichtigt harschen Tonfall zitterte sie. „Verschwinde.“ Von sich selbst genauso angewidert wie von den Umständen, wies er zur Tür. „Jetzt.“

Als sie aus dem Zimmer hastete, machte er es sich etwas bequemer auf der Couch und schloss die Augen. Er brauchte Sex – angeblich –, konnte sich aber nicht dazu überwinden. Was für eine Zukunft stand ihm bevor? Ein finsterer Tobsuchtsanfall nach dem anderen? Wie damals … Vor seinem inneren Auge spielte sich eine weitere Erinnerung ab, die er nie erlebt hatte.

Er befand sich vor dem Verlies, in dem er eine qualvolle Ewigkeit verbracht hatte, umgeben von einem Meer aus Toten und Leichenteilen. Seine Hände waren in Blut gebadet … und mit scharfen Krallen versehen, an denen Fleischfetzen und andere Dinge hingen.

Aus einem Gang in der Nähe ertönten dumpfe Schritte. Ein Überlebender?

Nicht mehr lange.

Grinsend vor Vorfreude, stieg er über die Überreste hinweg und …

Abrupt verstummte die Musik und holte ihn zurück in die Gegenwart. Er öffnete die Augen gerade rechtzeitig, um die letzte Stripperin den Raum verlassen zu sehen.

Mit tadelndem Blick zu ihm schnalzte William mit der Zunge, teleportierte sich fort … und kehrte mit zwei Gläsern und einer Flasche mit Ambrosia versetztem Whiskey zurück.

Ambrosia, das Rauschmittel der Wahl für Unsterbliche. Der Krieger füllte die Gläser bis zum Rand. „Hier. Schmierstoff fürs Gehirn.“

Baden stieg der süßliche Duft in die Nase, und ihm drehte sich der Magen um. Einen Augenblick lang war er wieder ein Kind, gefangen in dem brennenden Feld, und rannte und rannte … während sein Herz hämmerte wie Pferdehufe bei einem Wettrennen.

Nicht ich. Die Bestie.

Zitternd leerte er sein Glas. Rasch flutete Wärme sein Inneres und beruhigte ihn trotz der unschönen Assoziation, erdete ihn im Hier und Jetzt.

„Na also. Gleich besser, oder?“ William lehnte sich an seinem Ende der Couch zurück – dem einzigen Möbelstück in einem weißen Raum.

Weiße Wände, weiße Bodenfliesen. Ein weißes Podest, hinter dem drei Spiegel aufgestellt waren. Herausfordernd starrte Baden seinem Spiegelbild entgegen – der einzige echte Farbtupfer im Zimmer. Er war zu einem Soldaten geworden, den er kaum wiedererkannte, mit unordentlichen roten Wellen, die dringend einen Haarschnitt benötigten. In dunklen Augen, die früher Herzlichkeit ausgestrahlt hatten, lagen jetzt stumme Drohungen. Ein Mund, der sich einst amüsiert gekräuselt hatte, war mittlerweile in ständiger Wut nach unten verzerrt. An die Stelle von Lachfalten waren Zornesfalten getreten.

Nein, nicht besser. „Von mir aus können wir gehen.“

„So ein Pech aber auch. Mir wird erst wieder einfallen, wie ich dich woandershin beamen kann, wenn du eine flachgelegt hast. Und sobald du ein bisschen weniger mörderisch dreinschaust, wirst du auch eine flachlegen. Die Mädels werden dich lieben.“ William stürzte den Inhalt seines Glases in einem einzigen Schluck hinunter. „Tu mir einfach den Gefallen und setz dein Gesicht darüber in Kenntnis, dass du hier Spaß haben sollst.“

„Hautkontakt schmerzt.“

Die Bestie fauchte ihn an, weil er eine so vernichtende Schwäche preisgegeben hatte, selbst wenn es nur gegenüber einem von Hades’ Söhnen geschehen war.

Stirnrunzelnd schaute William ihn an. „Wenn du denkst, dafür sind die Schlangen-Armreife verantwortlich …“

„Tu ich nicht.“

„… dann schmink dir das gleich wieder ab. Sind sie nicht.

Also trag es mit einem Lächeln, oder du überlebst deine Verwandlung nicht.“

Verwandlung? „Weniger mörderisch dreinzuschauen, wie du es ausdrückst, ist die größere Herausforderung. Ich hab vergessen, wie man lächelt.“

„Jammerst du etwa gerade?“ William stellte sein Glas beiseite und strich sich mit den Fingerspitzen über die Wangen, um Tränen anzudeuten. „Dein neues Leben ist scheiße. Na und? Glaubst du, du bist hier der Einzige, der Probleme hat?“

„Ganz sicher nicht.“ Im Augenblick waren seine Freunde auf der Jagd nach der Büchse der Pandora und fest entschlossen, sie zu finden, bevor es irgendjemand anderem gelang. Dieses Artefakt könnte sie innerhalb einer Sekunde töten. Einfach zack … weg … tot, von ihren Dämonen getrennt. Eigentlich etwas Gutes. Doch wenn sich das Böse so tief eingefressen hatte, musste es vorher geläutert und durch das Gegenteil ersetzt werden. Wie bei Haidee – Hass und Liebe. Sonst schlich sich Fäulnis ein. Aus diesem Grund waren die Herren auf der Suche nach Morgenstern – einer übernatürlichen Existenz, die noch immer in der Büchse gefangen war und jeden Wunsch zu erfüllen vermochte, die Dämon und Träger voneinander trennen konnte, ohne den Krieger zu töten.

Auch Luzifer hatte die Suche nach Morgenstern befohlen, beabsichtigte allerdings keinesfalls, die Herren zu retten. Er befand sich im Krieg mit Hades und war wild entschlossen zu siegen, koste es, was es wolle. Aus seinem Bestreben, die Verbündeten seines Vaters auszulöschen, machte er keinen Hehl: William, ihn und all die anderen. Und als Herr der Harbinger – Boten des Todes – hatte er möglicherweise gerade genug Macht, um es zu schaffen.

„Ganz genau“, sagte William. „Bist du nicht. Um präzise zu sein, sieht dein Leben neben meinem aus wie ein Picknick mit ein paar nackten Waldnymphen.“

„Jetzt übertreibst du aber.“

„Untertreiben wohl eher. In wenigen Tagen feiert Gillian ihren achtzehnten Geburtstag.“

„Und?“ Baden wollte, dass der Kerl es laut aussprach – seine eigene Schwachstelle eingestand. Wie du mir, so ich dir. „Dann ist sie volljährig. Alt genug, um es mit dir aufnehmen zu können.“ Er konnte sich nicht verkneifen, hinzuzufügen: „Oder mit jedem anderen Mann, den sie will.“

„Mit mir“, fauchte William. Was dieses Mädchen anging, hatte er die Intensität seiner Gefühle noch nie verbergen können. „Alt genug, um es mit mir aufzunehmen. Nur mit mir. Aber ich kann sie nicht haben.“ Als der Krieger nicht weitersprach, stocherte Baden in der Wunde: „Weil du verflucht bist?“

Eine Pause. Ein steifes Nicken. „Die Frau, die mich gewinnt, wird mein Tod sein.“

Gewinnt. Als wäre er der Siegespreis. Was man von mir nicht sagen kann. „Buhu, armer William.“ Überleben hatte oberste Priorität, Herzensangelegenheiten kamen an zweiter Stelle – wenn überhaupt. „Du bist gewarnt. Du kannst vorbeugende Maßnahmen ergreifen.“

Was. Zum. Teufel. Hatte er gerade ernsthaft vorgeschlagen, William sollte die süße, unschuldige Gilly umbringen, bevor sie Gelegenheit hatte, ihn umzubringen?

Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er musste die Bestie dringend an eine sehr kurze Leine legen. Also gut. Er würde sich eine von den Frauen aussuchen und bei geringstmöglichem Körperkontakt Sex mit ihr haben, vielleicht wäre er dann wenigstens für eine kleine Weile etwas klarer im Kopf. Er würde denken können, würde einen Weg ausknobeln, sich von den Armreifen – und der Bestie – zu befreien und dabei seine Gliedmaßen und seine Körperhaftigkeit zu behalten.

„Genug geredet.“ Er zwang sich, die Mundwinkel zu heben. „Weniger mörderisch, siehst du?“

„Wow. Gerade als ich dachte, schlimmer kannst du nicht aussehen, beweist du mir das Gegenteil.“ Nichtsdestotrotz klatschte William in die Hände. „Ladys.“

Mit leise quietschenden Angeln öffnete sich die Tür. Ein neues Rudel leicht bekleideter Frauen flanierte ins Zimmer – eine Brünette, eine Blondine, eine Rothaarige und eine dunkelhäutige Schönheit. Mit durchweg strahlendem Lächeln reihten sie sich auf dem Podest auf.

Plötzlich ergaben die Spiegel einen Sinn. So bot sich ein perfekter Blick auf die Vorder- und die Rückseite. Nun regte sich in seinem lange ausgehungerten Körper doch etwas, und zugleich überrollte ihn eine neue Woge von Selbstabscheu.

„Prostituierte.“ Er hätte es wissen müssen.

Die Blondine warf ihm einen Luftkuss zu.

„Die Damen ziehen den Begriff freiberufliche Lustspezialistinnen vor. Es sind Unsterbliche. Eine Phönix, eine Sirene, eine Nymphe und ein hübsches kleines Gestaltwandler-Kätzchen, um genau zu sein.“ William drapierte einen muskulösen Arm auf der Rückenlehne der Couch. „Welches dieser Cremetörtchen willst du vernaschen? Dein Wunsch ist ihr Befehl.“

„Ich habe keinen Bedarf an vorgetäuschter Leidenschaft.“ „Ich sag’s dir ja nur ungern, Rotschopf, doch vorgetäuschte Leidenschaft ist alles, was du hier kriegst“, eröffnete ihm der Krieger mit einem Tut-mir-leid-aber-damit-musst-du-schon-selbst-klarkommen-Lächeln. „Im Augenblick sprechen allein zwei Dinge für dich. Du bist reich – dank Torins Investitionen über die letzten Jahrhunderte –, und du bist ein verdammter Doppelgänger von Jamie Fraser.“

„Von wem?“

„Dem Mann, von dem diese Frauen sich vorstellen werden, du wärst er“, antwortete William. „Denn dir, mein Lieber, fehlt es an Charme und Raffinesse, was bedeutet, dass dir nur dein Kontostand und deine scharf geschnittenen Gesichtszüge bleiben, um zum Stich zu kommen.“

„Mir fehlt es nicht an Charme.“ Nur manchmal. Vielleicht. Wahrscheinlich immer.

William ignorierte ihn. „Ladies, sagt Baden, wie hübsch sein Kontostand und sein Gesicht sind.“

„So hübsch.“

„Hübscher, als ich je gesehen habe.“

„Eher wunderschön als hübsch.“

„Ich würde deinen Kontostand und dein Gesicht reiten!“ Baden starrte William böse an und liebkoste das Heft des Dolchs, der in einer Scheide an seiner Hüfte verborgen lag.

William seufzte. „Hätten Jason Voorhees und Freddy Krueger ein Kind miteinander gemacht – dieser Blick wäre genau der, den mir der Albtraum von einem Balg zuwerfen würde.“ Noch mehr Männer, die er nicht kannte. Was ihn tierisch ärgerte! Er brauchte keine ständige Erinnerung daran, dass die Welt sich in seiner Abwesenheit problemlos weitergedreht hatte.

„Mein brillanter Humor ist bei dir vergebene Liebesmüh. Ist notiert. Ladies“, hob William an und schnappte sich wieder die Whiskeyflasche, „erzählt Baden, was für fleischliche Genüsse ihr für ihn bereithaltet.“

Eine nach der anderen beschrieben sie atemlos verschiedene Szenarien. Die schüchterne Jungfrau. Die verruchte Bibliothekarin. Die strafende Domina. Die feste Freundin.

Als er noch auf dem Olymp gelebt hatte, war Baden mit so einigen Frauen ausgegangen, aber geliebt hatte er keine. Er hatte eine Ebenbürtige gewollt, kein schwächliches Weib, das ihn bloß zu ihrem Schutz benutzte, dem seine Macht wichtiger war als ihre Gefühle. Er war versucht, das mit der Freundin zu probieren.

„Na?“, drängte William ihn.

„Ich wähle keins der angebotenen Szenarien.“ Gebt mir Wahrheit oder nichts. Er suchte den Blick jeder einzelnen Schönheit. Für die Chance, die Bestie zu zähmen und zu seinen Freunden zurückzukehren … „Wer beugt sich vor und lässt es schlicht und einfach über sich ergehen?“

Vielleicht mangelte es ihm doch an Charme.

Kopfschüttelnd murmelte William: „Du solltest dich schämen.“

Im selben Moment schossen zwei Frauenhände in die Höhe. „Ich! Nimm mich!“ Die Brünette. Die strafende Domina. Die Blonde rammte ihr einen Ellbogen in den Bauch. „Ich bin die, die du willst.“ Die verruchte Bibliothekarin.

„Wie sind wir noch mal Freunde geworden?“, fragte William ihn.

„Gar nicht.“ Baden hatte zwölf Freunde. Nur zwölf. Die Männer und die Frau, die eng an seiner Seite die dämonische Besessenheit hatten ertragen müssen – und es weiterhin mussten. Die Krieger, die mit ihm und für ihn geblutet hatten – die Helden, die er seit seiner Wiederkehr ausnahmslos enttäuscht hatte. Sie wünschten sich den Mann, der er gewesen war, nicht den Bastard, zu dem er geworden war.

Und … da hatte er ein weiteres Scheit auf dem lodernden Feuer seiner Schuld.

„Tränen. Trauer.“ William griff sich an die Brust, als hätte ihm jemand ein Messer hineingestoßen. „Also. Entscheide dich. Ich tu dir den Gefallen und nehme die anderen drei.“

„Was für Unsterbliche seid ihr?“, fragte Baden die zwei verbleibenden Bewerberinnen.

„Phönix“, erklärte die Brünette mit unverkennbarem Stolz. „Nymphe“, sagte die Blondine, ihre Stimme klang rauchig. „Du.“ Er zeigte auf die Blondine. „Dich nehme ich.“ Nymphen brauchten Sex dringender als Sauerstoff. So würde sie für ihre Mühen wenigstens noch etwas anderes als Geld gewinnen.

Zu seiner Überraschung sank die Brünette enttäuscht in sich zusammen.

„Ich mach’s wieder gut, meine Blume“, versicherte William ihr zwinkernd. „Bei dem müsstest du dir jeden Cent erarbeiten. Bei mir kannst du schlicht genießen. Ich will ja nicht zu viel versprechen, aber ich habe den weiblichen Orgasmus erfunden.“

Was auch immer. Baden erhob sich und geleitete die Blondine – ohne Körperkontakt – zum Ausgang. Er öffnete die Tür und bedeutete ihr, hindurchzutreten. Sie umwehte der Duft von weißem Oleander. Er folgte ihr auf einen schmalen Flur und hielt dabei einen Sicherheitsabstand ein.

„Such dir ein Zimmer aus“, sagte sie mit einer Andeutung von … Vorfreude? „Egal welches.“

Er entschied sich für das erste auf der rechten Seite und trat vor ihr ein, nur für den Fall, dass drinnen ein Angreifer wartete. Niemand attackierte ihn, aber in der Uhr auf dem Kaminsims entdeckte er eine versteckte Kamera. Williams Werk? Wozu?

Nachdem er das Ding außer Funktion gesetzt hatte, führte er eine breiter angelegte Suche durch. In dem Zimmer stand ein ausladendes Himmelbett mit schwarzen Seidenbezügen, ein Nachttisch voller Kondome und Gleitmittel und eine Chaiselongue neben einem Bären-Gestaltwandlerfell.

Die Blondine strich mit einem Finger zwischen ihren Brüsten entlang. „Was soll ich für dich tun, Süßer?“

Die Bestie protestierte. Lauthals. Sie mochte die Frau nicht, und es gefiel ihr nicht, dass Baden in der Gegenwart einer zweiten Person abgelenkt und verwundbar war – vor allem, wenn es dabei um den Versuch ging, sie zum Schweigen zu bringen.

Trotzdem antwortete er: „Zieh dich aus und beug dich über die Bettkante, Gesicht nach unten.“

„Oooh.“ Sie grinste. „Versohlst du mir den Hintern, weil ich ein böses Mädchen war?“

Die Bestie beschimpfte ihn, dann das Mädchen. Du wirst jetzt gehen. Sofort.

Keine Drohung. Ein schlichter Befehl. Irgendetwas am Tonfall …

Ein Tonfall, wie Baden ihn nur von Königen kannte. Wer bist du?

Ohne das geringste Zögern antwortete die Bestie: Ich bin Zerstörung.

2. Kapitel

„Aus den härtesten Zeiten gehen oft die größten persönlichen Momente hervor. Also: Hart werden!“

– William der Lustmolch

Baden drehte sich der Kopf. Die Bestie war … Zerstörung … ein Dämon.

Ein König, fügte Zerstörung hinzu.

Der Stolz in der Stimme der Kreatur war unverkennbar.

Volltreffer. König von was?

Im Augenblick? Von dir. Verschwinde aus der Nähe dieses Weibsstücks oder bring sie um. Deine Entscheidung.

Es gab noch eine weitere Option. Mit verengten Augen nahm Baden seine auserwählte Bettgefährtin in den Fokus. „Ich werde dir nicht den Hintern versohlen, sondern dich ficken. Zieh dich aus und beug dich über die Bettkante, Gesicht nach unten“, wiederholte er. „Bitte und danke.“

Die Bestie in ihm fauchte.

„Für dich, Süßer, mach ich alles.“ Sie öffnete ihren BH und streifte das dazugehörige Höschen ab. Beide Kleidungsstücke segelten zu Boden. Bei ihren Bewegungen glitzerte der Ring an ihrer Hand, als der vielfarbige Stein das Licht einfing.

Bamm, bamm, bamm. Die Bestie kickte so heftig gegen Badens Brust, dass die Treffer beinahe einem Herzschlag glichen.

Siehst du denn nicht die Gefahr direkt vor deiner Nase?

Die Frau hatte keine Ahnung von seinem inneren Aufruhr und drehte sich gemächlich um, um ihm ihren Hintern zu präsentieren. Wie befohlen beugte sie sich über die Matratze und spreizte die Beine. Ein Anblick, den er über Jahrhunderte vermisst hatte.

„Nur dass du’s weißt, ich bin hart im Nehmen.“ Als sie über die Schulter schaute, kehrte ihr Lächeln zurück. „Zeig’s mir so richtig, lass dich an mir aus.“

Wenn er sich an ihr ausließe, würde sie das nicht überleben. Zerstörung hämmerte noch heftiger, zischte noch lauter. Töte sie, bevor sie uns tötet.

„Nein“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Nein?“, fragte sie ungläubig. Sie versetzte sich einen festen Klaps auf den Po, der einen roten Handabdruck hinterließ. „Das lässt du dir entgehen?“

Die Zähne zusammenbeißend antwortete er: „Ich nehme dich ja.“ Und bringe damit die Bestie zum Schweigen.

Erleichterung zeigte sich in ihren Zügen, als er hinter sie trat. Im Kampf gegen die Impulse seines inneren Gefährten rann ihm der Schweiß in Strömen über den Körper. Bald schon klebten ihm die Kleider an der überempfindlichen Haut.

Zerstörung drehte immer mehr durch. Sie ist der Feind. Sieh hin! Begreif es doch endlich!

Alles, was ich sehe, ist ein Ticket ohne Rückfahrtschein ins Paradies. Es wurde Zeit, dass er Eier zeigte. Ganz egal, wie schmerzhaft das werden mochte. Risiko … Belohnung. Baden behielt sein durchgeschwitztes Oberteil an und öffnete nur den Reißverschluss seiner Hose.

Währenddessen betrachtete das Weib ihn weiterhin schamlos über die Schulter. „Du bist wirklich schön, weißt du das eigentlich?“

„Nur äußerlich.“

„Umso besser.“

Er wünschte, er hätte Erfahrung mit modernen Frauen. Standen die etwa auf Arschlöcher?

In den letzten viertausend Jahren war die einzige Frau, mit der er zu tun gehabt hatte, Pandora gewesen – und die hatte ständig versucht, ihn umzubringen. Jetzt war sie irgendwo da draußen in der Wildnis, ebenfalls körperlich, weil auch sie ein Paar Schlangen-Armreife trug. Sie hatte die Festung ausgekundschaftet und es geschafft, sich an den Sicherheitsvorkehrungen vorbeizuschleichen, um auf ihn loszugehen. Zwei Mal! In beiden Fällen hatten sie sich beinahe gegenseitig getötet.

Hatte sie mit ihrer eigenen Version von Zerstörung zu kämpfen?

Du Narr! Und schon bist du abgelenkt. Ohne mich wirst du zur lebenden Zielscheibe.

Ganz sicher nicht. Eine Lüge aus dem Mund einer verzweifelten Kreatur. Baden holte ein Kondom aus seiner Hosentasche – denen auf dem Nachttisch traute er nicht. Als er die Folie mit den Zähnen aufriss, breitete sich ein seltsames rotes Glühen im Raum aus. Er zog seinen Dolch und schaute sich um, während Zerstörung plötzlich – wie seltsam – still war.

Die Frau drehte sich zu ihm um und stützte sich auf die Ellbogen. Mit offenem Mund starrte sie ihn an. „Deine Arme.“

Er warf einen Blick nach unten und runzelte die Stirn. Die Armreife waren nicht mehr schwarz, sondern dunkelrot, und je stärker sie glühten, desto heftiger versengten sie seine Haut. Unter dem Metall wanden sich verzweigte dunkle Linien hervor und erinnerten ihn an die Risse im Fundament seines Lebens – und seiner geistigen Gesundheit.

Was zum Teufel ging hier vor sich? Er zog den Reißverschluss zu und wollte sich auf die Suche nach William machen.

Seine Gespielin seufzte schwer. „Kein Wunder, dass er dich tot sehen will.“ Ohne weitere Vorwarnung schwang sie die Faust nach ihm.

Auf dem Schlachtfeld geschärfte Instinkte versetzten ihn in Bewegung, noch ehe sein Verstand begriff, was geschah. Bevor sie ihn erwischen konnte, packte er sie beim Handgelenk und verdrehte ihr den Arm hinter den Rücken, womit er sie effektiv auf die Matratze drückte.

Und jetzt töte sie, befahl Zerstörung. Lass ihr Ende all denjenigen eine Lehre sein, die uns etwas anhaben wollen.

Das würde er … nicht tun. „Du hast gesagt, er will mich tot sehen.“ Die Worte waren kaum mehr als ein aggressives Knurren. „Wer ist er?“ William?

„Lass mich los!“ Sie trat nach ihm, ohne damit etwas zu erreichen. „Das ist nichts Persönliches, okay? Jedenfalls nicht von meiner Seite. Ich wollte bloß das Geld.“ Sie schlug mit ihrer freien Hand auf die Matratze. „Ich hätte mich an den Plan halten und warten sollen, bis du vom Orgasmus geschwächt bist.“

Er riss ihren Arm weiter hoch, gepeinigt schrie sie auf. Da fiel ihm der Ring ins Auge. Der Stein war verschwunden, darunter war eine Nadel zum Vorschein gekommen. Sie hatte ihn vergiften wollen?

Eine Lehre …

Feinde mussten sterben. Immer.

„William!“, brüllte er, doch die Mühe hätte er sich gar nicht machen müssen.

Die Tür flog auf.

William kam hereingestürmt und fixierte mit verengten Augen die Blondine. „Das war ein Fehler, Nymphe. Ich wäre gut zu dir gewesen.“ Er war blutüberströmt. „Jetzt erlebst du nur noch meine schlimmste Seite.“

Plötzlich bebte sie vor Angst.

„Sie hat gesagt, er will mich tot sehen“, informierte Baden den Krieger.

Unter Williams linkem Auge zuckte ein Muskel. „Er. Luzifer. Und wage es ja nicht, den Mann meinen Bruder zu nennen. Den werde ich niemals anerkennen.“

Das hätte er sich auch denken können. Luzifer war machthungrig. Gierig. Ein reueloser Vergewaltiger. Mörder von Unschuldigen. Vater der Lügen. Es gab keine Grenze, die Luzifer nicht überschreiten würde. Keine Untat, die er nicht begehen würde, ob gegen Männer, Frauen oder Kinder.

Mit einer Kinnbewegung deutete William auf seine glühenden Armreife. „Mach dich bereit. Gleich stehst du …“

Baden wurde durch ein unsichtbares schwarzes Loch gezerrt … um auf der anderen Seite eine Bruchlandung zu machen. Während er sich zu orientieren versuchte, erschien ein riesiger Ballsaal vor seinen Augen. Von zahlreichen Feuern schlängelten Rauchschwaden in die Höhe und verschleierten die Luft auf ihrem Weg zu einem Deckengewölbe, das aus nichts als Flammen bestand. Es gab nur zwei Ausgänge. Einen an der Rückwand, der von Riesen bewacht wurde, und einen Hauptausgang, an dem noch größere Riesen standen.

Ein Thron aus bronzenen Menschenschädeln nahm die Mitte eines Podests ein, und auf diesem Thron saß Hades persönlich. Er war ein massiger Mann, ähnlich groß wie Baden, mit rabenschwarzem Haar und Augen, deren Dunkelheit keinen Anfang und kein Ende kannte. Angetan war er mit einem Nadelstreifenanzug und italienischen Herrenschuhen. Die Eleganz bildete einen seltsamen Kontrast zu den Sternen, die er auf die Fingerknöchel tätowiert trug.

Mondän und doch unzivilisiert. Hades breitete die Arme aus. „Willkommen in meinem bescheidenen Heim. Lerne es lieben, bevor du darüber herziehst.“

Baden ignorierte die unsinnige Begrüßung. Bisher hatte er erst einmal mit dem Mann zu tun gehabt – als der ihm die Schlangen-Armreife zum Geschenk gemacht und ihn aus Luzifers Kerker befreit hatte. „Warum bin ich hier?“

Das Glühen der Reife ließ nach, und das Metall kühlte ab, bis es wieder glanzlos und dunkel um seine Arme lag. Die bessere Frage: „Wie bin ich hergekommen?“

Hades lächelte, bedächtig und selbstgefällig. „Dank der Schlangen-Armreife bin ich dein Herr und du mein Sklave. Ich habe gerufen, du bist gekommen.“

Mit Mühe rang Baden den Drang nieder, ihn anzugreifen. „Du lügst.“ Er war niemandes Sklave, nicht einmal der dieses Königs. Die Bestie allerdings … gut möglich. Wie ein Dolchstoß traf ihn die Erkenntnis, und plötzlich zählte nur noch eine Frage. „Wer ist Zerstörung?“

Der König war ein hervorragender Stratege und setzte eine ausdruckslose Miene auf. „Vielleicht ein Mann, den ich verflucht habe. Vielleicht ein Wesen, das ich erschaffen habe.“ Er legte die Fingerspitzen vor seinem Mund aneinander. „Das Einzige, was du wissen musst? Er wird sich immer für mich entscheiden, wenn er zwischen dir und mir die Wahl hat.“

Die Bestie äußerte sich dazu nicht, eine ebenso ärgerliche wie verblüffende Tatsache.

„Ich werde ankämpfen gegen diesen Zwang, dir zu gehorchen“, gelobte Baden.

Über Hades’ Gesicht huschte ein gepeinigter Ausdruck, der beinahe wie Mitleid aussah.

„Wenn ich dich erneut rufe, wirst du kommen. Wenn ich dir einen Befehl erteile, wirst du ihn befolgen. Gönnen wir uns doch mal eine gute alte Demonstration, was meinst du?“ Er hob das Kinn, der Inbegriff eines Mannes, der niemals Unsicherheit gekannt hatte. „Auf die Knie.“

Badens Knie krachten so heftig auf den Boden, dass die Wände bebten. Und obwohl er mit all seiner beachtlichen Kraft darum kämpfte, konnte er nicht aufstehen.

Entsetzen mischte sich in seine Rage. An den Willen eines anderen gefesselt …

„Wie du siehst, ist mein Wunsch dir Befehl – den du mit Freuden ausführst.“ Hades wedelte mit einer Hand durch die Luft. „Du darfst dich erheben.“

Badens unsichtbare Fesseln lösten sich. Während er aufsprang, fuhr seine Hand automatisch zum Heft seines Dolchs. Er war hereingelegt worden. Welche Ironie. Das eine Mal, als er hätte zweifeln sollen, hatte er stattdessen blind vertraut.

Doppelt wütend presste er angestrengt hervor: „Du kannst keine Befehle erteilen, wenn du tot bist.“

„Leere Drohungen? Von einem furchterregenden Herrn der Unterwelt hätte ich mehr erwartet. Verzeihung – einem ehemaligen Herrn der Unterwelt. Aber meinetwegen. Tu es. Versuche, mich zu töten.“ Hades winkte ihn zu sich. „Ich bewege mich auch nicht. Ich lasse es dich nicht einmal büßen, solltest du einen Treffer landen.“

Ohne Zögern marschierte Baden auf den Thron zu, in seinem Kopf formten sich bereits Angriffspläne. Kehle und Herz waren offensichtliche Ziele, also würde er es auf die Oberschenkelarterie anlegen. Schwerer Blutverlust würde Schwäche nach sich ziehen.

Sobald er in Reichweite kam, duckte er sich, den Dolch in der Hand.

Hades lächelte amüsiert.

Wieder bäumte Badens Zorn sich auf, und er …

Erstarrte. Bewegungsunfähig. Bloß einen Zentimeter von seinem Ziel entfernt.

Eine Augenbraue erhoben, sagte Hades: „Ich warte.“ Brüllend schwang Baden den anderen Arm. Auch der erstarrte.

Der König grinste. „Da du offensichtlich einen Hirnschaden hast, helfe ich dir mal auf die Sprünge. Du bist unfähig, mir Schaden zuzufügen. Ich könnte mich in deine Klinge stürzen, und du würdest sie gegen dich selbst richten, bevor ich auch nur einen Tropfen Blut vergossen hätte.“ Mit einer Fingerspitze fuhr er über die Schneide der besagten Klinge. „Das Flittchen mit der Büchse hat eine Demonstration gebraucht. Brauchst du auch eine?“

Das Flittchen mit der Büchse. Der Bastard hatte dasselbe Spielchen mit Pandora durchgezogen?

Entgegen seinem Willen wallte Beschützerinstinkt in ihm auf. Und doch glaubte er, dessen Ursprung zu verstehen. Im Augenblick war Pandora die einzige Person auf der Welt, die seine Zwangslage verstand. Sie hatten nicht nur in ihrem Geisterreich dieselben Widrigkeiten durchgemacht – giftiger Nebel, Monate ohne den winzigsten Funken Licht, geplagt von übermächtigem Durst, den sie niemals stillen konnten –, sondern erlebten nun im Land der Lebenden diese neuen Gräuel.

„Ich höre?“, sagte Hades.

Baden brauchte keine weitere Demonstration. Er brauchte einen Plan. „Warum tust du das?“

„Weil ich es kann.“ Schwarze Augen glitzerten wie ein Nachthimmel voller sterbender Sterne. „Weil ich alles tun und jeden verletzen würde, um diesen Krieg gegen Luzifer zu gewinnen.“

Einen Krieg, in dem Baden ihn seit Wochen unterstützte. Aus freiem Willen! Es gab keinen Grund, ihn in Zugzwang zu bringen. „Vor fünf Minuten hätte ich noch dasselbe gesagt.“

„Und in fünf Minuten wirst du wieder dasselbe sagen.“ Hades lehnte sich zurück, streckte die Beine aus und gestikulierte mit zwei Fingern. „Ich habe beschlossen, einige der unschöneren Aufgaben auf meiner To-do-Liste zu delegieren. Das ist dein Zeitpunkt, dich dafür zu bedanken.“

Aus seinem Standbild befreit, stolperte Baden rückwärts. Das Begreifen traf ihn ebenso heftig, wie ein Schlag von Williams Fäusten es getan hätte. Er sollte den Laufburschen machen?

„Um deine bereitwillige Kooperation außerhalb dieser Mauern zu gewährleisten, wirst du dir mit jeder erfolgreich erledigten Aufgabe einen Punkt verdienen“, fuhr Hades fort. „Wenn die Liste abgearbeitet ist, wird der- oder diejenige meiner Sklaven mit den meisten Punkten von den Reifen befreit und darf im Reich der Menschen weiterleben.“

Erneut flackerte Wut in Badens Brust auf. „Und der Verlierer?“

„Was denkst du denn? Für inkompetente Schwächlinge habe ich keine Verwendung. Aber bis es so weit ist, empfängst du die Klinge ja vielleicht sogar mit offenen Armen, was? Das ist doch deine typische Vorgehensweise, oder?“

Schuldgefühle …

„Spar dir die Mühe, es auf Pandora anzulegen, um die Konkurrenz auszuschalten“, setzte Hades nach. „Töte sie, und ich töte dich.“ In einer aggressiven Geste leckte Baden sich die Lippen. „Ich bin bereits ein Geist. Man kann mich nicht töten.“

„Oh, mein lieber Junge, und wie man dich töten kann. Ohne Kopf und Arme wirst du schlicht zu existieren aufhören.“

Wenigstens gab es einen Ausweg.

Hölle, nein. Niemals würde er absichtlich sterben. Nicht noch einmal. Nie wieder würde er seinen Freunden auf so schändlich feige Weise wehtun.

„Indem du mich zum Sklaven machst, riskierst du den Zorn meiner Familie. Einer Armee, die du brauchst, wenn du auch nur ansatzweise auf einen Sieg in deinem Krieg hoffst. Genauso riskierst du den Zorn deines eigenen Sohnes William.“

Hades verdrehte die Augen. „Netter Versuch, aber du weißt nicht das Geringste über das Band zwischen Vater und Sohn. William wird mir zur Seite stehen. William wird mich immer unterstützen. Was die Herren betrifft, wage ich zu bezweifeln, dass sie sich je mit dem Monstrum verbünden würden, das eine der Ihren vergewaltigt hat.“

Nein, das würden sie nicht. Aeron, ehemals Hüter des Zorns, liebte ein menschgewordenes Dämonenmädchen wie eine Tochter. Dieses Mädchen, Legion … die sich neuerdings Honey nannte … litt nach wie vor unter den Folgen von Luzifers Misshandlungen.

Luzifer hatte einen Pflock in sein schwarzes Herz verdient, nicht noch ein weiteres Königreich unter seiner Herrschaft. Sich auf seine Seite zu stellen käme niemals infrage.

Hades war tatsächlich das geringere Übel.

Angespannt fuhr sich Baden mit der Zunge über die Schneidezähne. Er musste das Spiel dieses Bastards mitspielen – auch wenn er den Verdacht nicht loswurde, dass das Ergebnis bei Weitem nicht so klar aussehen würde, wie Hades behauptete.

Verschaff dir Zeit. Finde eine Lösung.

„Was ist mit deiner Vater-Sohn-Bindung zu Luzifer?“, fragte Baden abfällig. „Da spüre ich nicht gerade viel Liebe.“

„Da gibt es keine Bindung. Nicht mehr. So, das war genug von deinem Geschwätz. Ich habe zwei Aufgaben für dich. Eine wird Zeit in Anspruch nehmen. Die andere verlangt Eier. Ich hoffe, du hast deine dabei.“

Bastard.

Hades klatschte in die Hände und rief: „Pippin.“

Hinter dem Thron trat ein alter Mann mit verhärmtem Gesicht und krummem Rücken hervor. Er trug ein langes weißes Gewand und meißelte etwas in eine Steintafel. Ohne von seiner Arbeit aufzublicken, sagte er: „Jawohl, Herr.“

„Nenne Baden seine ersten Aufgaben.“

„Die Münze und die Sirene.“

Hades lächelte voller Zuneigung. „Du lässt auch kein Detail aus, Pippin. Ein wahrer Meister der Beschreibungskunst.“ Als er die Hand ausstreckte, legte der Alte einen winzigen Gesteinssplitter hinein. „Ein Mann in New York besitzt eine Münze, die mir gehört. Ich will sie zurückhaben.“

Das sollte eine unangenehme Aufgabe sein? „Ich soll dir eine einzelne Münze holen?“

„Lach ruhig, wenn du meinst. Später wirst du nicht mehr lachen.“ Das Steinchen ging in Flammen auf und verbrannte rasch zu Asche, die Hades in Badens Richtung blies. „Dafür wirst du Zeit benötigen, wie gesagt, und Gerissenheit.“

Instinktiv atmete Baden ein. Im nächsten Moment nahmen mehrere Bilder sein Bewusstsein ein. Eine Goldmünze mit Hades’ Konterfei auf der einen und einer freien Fläche auf der anderen Seite. Ein luxuriöses Anwesen auf dem Land. Eine Kapelle. Ein Zeitplan. Ein Bild: ein fünfundzwanzigjähriger Mann, dessen Engelsgesicht von einem goldenen Lockenkranz eingerahmt wurde, der beinahe einem Heiligenschein glich.

Plötzlich kannte Baden unzählige Details, die ihm nie jemand gesagt hatte. Der Name des Mannes war Aleksander Ciernik, und er stammte aus der Slowakei, wo sein Vater sich mit dem Verkauf von Heroin und Frauen ein Imperium aufgebaut hatte. Vor vier Jahren hatte Aleksander seinen Vater ermordet und das Familienunternehmen übernommen. Seine Feinde neigten dazu, spurlos zu verschwinden. Nicht, dass ihn irgendjemand konkret mit einem Verbrechen in Verbindung hätte bringen können.

„Du besitzt jetzt die Fähigkeit, dich zu Aleksander zu teleportieren“, erklärte Hades. „Ebenso kannst du dich zu mir und in dein Zuhause teleportieren, wo auch immer das sein mag. Diese Fähigkeit wird sich auf jegliche neue Aufgabe ausweiten, die du erhältst.“

Auf Teleportationskräfte war er schon immer scharf gewesen. Heute wurde seine Begeisterung allerdings von Vorsicht gedämpft. „Wie hat der Mensch deine Münze in seinen Besitz gebracht?“

„Spielt das eine Rolle? Aufgabe ist Aufgabe.“

Wohl wahr. „Und mein zweiter Auftrag?“

Pippin legte Hades einen weiteren Stein in die Hand. Wieder loderten Flammen auf … Wieder trieb Asche auf ihn zu. Als Baden einatmete, nahm ein anderes Bild in seinem Kopf Gestalt an. Eine schöne Frau mit langem rotblondem Haar und blauen Augen. Eine Sirene.

Jede Sirene konnte gewisse Emotionen oder Reaktionen mit ihrer Stimme erwecken, doch es gab von Familie zu Familie unterschiedliche Spezialitäten. Ihre Blutlinie hatte großes Geschick darin, im schlimmsten Chaos für Ruhe zu sorgen.

Die Frau … war schon vor Jahrhunderten gestorben. Umgekommen durch … die Details blieben im Verborgenen. Was Baden wusste? Jetzt war sie ein Geist, allerdings stellte ihre mangelnde Körperhaftigkeit für ihn kein Problem dar. Ungeachtet der Schlangen-Armreife konnte er noch immer andere Geister berühren.

„Bring mir ihre Zunge“, befahl Hades.

Im Sinne von: Ihr die Zunge rausschneiden? „Warum?“, entfuhr es Baden schneidend.

„Ich entschuldige mich vielmals, sollte ich bei dir den Eindruck erweckt haben, ich würde deine Neugier befriedigen. Los jetzt. Verschwinde.“ Baden öffnete den Mund zum Protest, fand sich jedoch in der Festung in Budapest wieder, wo seine Freunde lebten. Um genau zu sein, befand er sich im Unterhaltungszimmer, zusammen mit Paris, dem Hüter der Promiskuität, und Sienna, der neuen Hüterin des Zorns. Auf dem Fernseher im Hintergrund lief eine Romanze, während die beiden es sich auf der Couch gemütlich gemacht hatten, Popcorn futterten und Strategien entwarfen, unentdeckt in die Unterwelt einzudringen.

An einem kleinen runden Tisch saß Amun, Hüter der Geheimnisse