Die Herren der Unterwelt 5: Schwarze Leidenschaft - Gena Showalter - E-Book
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Die Herren der Unterwelt 5: Schwarze Leidenschaft E-Book

Gena Showalter

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Beschreibung

Sie trug keine Schuhe, und als sie mit nackten Füßen über einen Stein stolperte und hinfiel, ergoss sich das dunkle Haar über ihr Gesicht. Ihre Hände zitterten, als sie sich eine Strähne aus der Stirn strich.

Schon seit längerem fühlt sich Aeron von einer unsichtbaren Macht beobachtet. Der unsterbliche Krieger und Hüter des Zorn-Dämons fürchtet, es könnte sich um einen gefallenen Engel handeln - gesandt, um ihn zu töten. Umso verwirrter ist Aeron, als plötzlich eine wunderschöne Frau aus Fleisch und Blut vor ihm steht. Olivia offenbart ihm, dass sie dem Himmel entsagt und das Leben einer Sterblichen gewählt hat, weil sie nicht ihn umbringen, sondern sein Herz für sich gewinnen möchte.

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Seitenzahl: 683

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der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

New York Times- und USA Today-Bestseller-Autorin Gena Showalter

Gena Showalter

Die Herren der Unterwelt 5 Schwarze Leidenschaft

Roman

Aus dem Amerikanischen von

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Cora Verlag GmbH & Co. KG,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2011 by MIRA Taschenbuch

in der CORA Verlag GmbH & Co. KG

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

The Darkest Passion – Lords of the Underworld 5

Copyright © 2010 by Gena Showalter

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.är.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Daniela Peter

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München;

Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-093-8 ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-092-1

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Liebe Leserinnen,

ich freue mich, Ihnen Schwarze Leidenschaft präsentieren zu dürfen, den fünften Teil meiner übernatürlichen Romanreihe DIE HERREN DER UNTERWELT. In einer abgeschiedenen Burg in Budapest sind zwölf unsterbliche Krieger – einer gefährlicher und verführerischer als der andere – an einen uralten Fluch gebunden, den bislang niemand brechen konnte. Als ein mächtiger Feind zurückkehrt, machen sie sich auf eine lange Reise, um die heilige Reliquie der Götter zu finden, die sie alle zu vernichten droht.

In dieser Geschichte trifft Aeron, Hüter des Dämons Zorn, endlich Olivia, den Engel, der ihn gestalkt ... äh, beobachtet hat. Schlechtes Timing allerdings. Denn endlich ist er glücklich mit seinem Leben und umsorgt zufrieden seine Adoptivtochter (Ausgeburt der Hölle, hüstel, hüstel). Doch Olivia bringt ihn vollkommen durcheinander, und er muss den überwältigenden Drang, sie zu beschützen, bekämpfen. Sogar vor sich selbst.

Begleiten Sie mich auf einer Reise durch eine düstere und sinnliche Welt, in der die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmt und die wahre Liebe auf eine harte Probe gestellt wird! Außerdem dürfen Sie gespannt sein auf Schwarze Lügen – Gideons Geschichte –, die im Dezember 2011 herauskommt. Darin wird die Suche noch gefährlicher, die Risiken werden noch größer und die Liebesgeschichten noch heißer!

Mit den besten Grüßen

WIDMUNG

Dieser Band ist auch für Jill Monroe, aber verraten Sie ihr nicht, dass ich das gesagt habe.

DANKSAGUNG

Ich möchte all den wunderbaren Menschen bei Harlequin Books danken, weil sie mich schon so lange unterstützen und ermutigen. Ich bin sehr froh darüber, mit Euch zusammenarbeiten zu dürfen!

1. KAPITEL

Anscheinend macht es ihnen nichts aus, dass sie sterben.“ Aeron, ein unsterblicher, vom Dämon Zorn besessener Krieger, saß auf den Dächern der Bübäjos-Appartements im Zentrum von Budapest und starrte auf die Menschen hinunter, die so unbedarft den Abend verlebten. Einige kauften ein, andere redeten und lachten oder aßen im Gehen einen kleinen Snack. Aber niemand fiel auf die Knie und flehte die Götter um mehr Zeit in diesen schwachen Körpern an. Genauso wenig schluchzte einer von ihnen darüber, dass er diese Zeit nicht bekommen würde.

Statt auf die Menschen konzentrierte sich Aeron nun auf deren Umgebung. Fahles Mondlicht schien herab und mischte sich in den bernsteinfarbenen Glanz der Straßenlaternen, die ihre Schatten auf das Kopfsteinpflaster warfen. Überall standen Häuser. Einige der höher gelegenen hatten helle Vordächer – der perfekte Kontrast zu den smaragdgrünen Bäumen, die sich neben den Gebäuden erhoben.

Hübsch, sofern man das von Särgen sagen konnte.

Die Menschen wussten, dass sie vergänglich waren. Zur Hölle, sie wuchsen in dem Bewusstsein auf, dass sie alles und jeden verlassen mussten, den sie liebten, und trotzdem – das hatte er schon häufig beobachtet – baten sie nicht um mehr Zeit. Und das ... faszinierte ihn. Wenn Aeron erführe, dass er schon bald von seinen Freunden, den anderen dämonbesessenen Kriegern, mit denen er die letzten Jahrtausende verbracht hatte, getrennt werden würde, täte er alles – ja, sogar betteln –, um sein Schicksal zu ändern.

Warum also taten die Menschen das nicht? Was wussten sie, das er nicht wusste?

„Sie sterben nicht“, sagte sein Freund Paris, der neben ihm saß. „Sie leben, solange sie die Chance dazu haben.“

Aeron stieß einen verächtlichen Laut aus. Das war nicht die Antwort, nach der er suchte. Wie sollten sie leben, solange sie die Chance dazu hatten, wenn ihre „Chance“ kaum mehr bedeutete als ein Augenzwinkern? „Sie sind schwach. Leicht zu vernichten, wie dir ja bekannt ist.“ Wie grausam von ihm, das zu sagen. Immerhin war Paris’ ... Freundin? Geliebte? Auserwählte Frau? Was immer sie war, sie war erst vor Kurzem vor Paris’ Augen erschossen worden. Dennoch bereute Aeron seine Worte nicht.

Paris war der Hüter von Promiskuität und gezwungen, jeden Tag mit einem anderen Menschen ins Bett zu gehen. Wenn er es nicht tat, wurde er immer schwächer und würde sich dadurch letztlich selbst töten. Er konnte sich eigentlich nicht leisten, den Tod einer speziellen Geliebten zu betrauern. Vor allem nicht den einer feindlichen Geliebten, denn genau das war diese kleine Sienna gewesen.

Aeron gestand es sich zwar nicht gern ein, aber in gewisser Hinsicht war er sogar froh, dass die Frau tot war. Sie hätte Paris’ Bedürfnisse nur gegen ihn eingesetzt und ihn letzten Endes zerstört.

Ich hingegen werde bis in alle Ewigkeit für seine Sicherheit sorgen. Das war ein Schwur. Der Götterkönig hatte Paris vor die Wahl gestellt. Paris hatte entweder die Seele seiner Frau zurückholen oder Aeron von dem entsetzlichen Blutdurst befreien können, der unentwegt Mordgedanken in ihm hervorgerufen hatte. Gedanken, die Aeron – wie er schamvoll zugeben musste – in die Tat umgesetzt hatte. Immer und immer wieder.

Wegen jenes Fluchs hatte Reyes, Hüter des Dämons Schmerz, beinah seine über alles geliebte Danika verloren. Aeron war kurz davor gewesen, ihr den Todesstoß zu versetzen. Er hatte das gewetzte Messer schon hoch erhoben ... und gerade als er über ihren hübschen Hals herfallen wollte, hatte Paris sich für Aeron entschieden. Augenblicklich war der Wahnsinn von ihm abgefallen, und allein das hatte Danika das Leben gerettet.

Tief in sich fühlte Aeron sich wegen dessen, was um ein Haar geschehen wäre, immer noch schuldig. Ganz zu schweigen von seiner Verantwortung für die Konsequenzen, die diese Entscheidung für Paris bedeutete. Das Schuldgefühl brannte wie Säure in Aerons Knochen und fraß ihn immer weiter auf. Paris musste leiden, während er seine Freiheit genießen konnte. Doch das hieß noch lange nicht, dass er in dieser Sache Gnade walten ließ. Dafür liebte er seinen Freund viel zu sehr. Mehr noch: Aeron war ihm etwas schuldig. Und er beglich seine Schulden immer.

Deshalb saßen sie jetzt auch auf diesem Dach.

Doch für Paris zu sorgen war keine leichte Aufgabe. Die vergangenen sechs Nächte hatte Aeron seinen Freund trotz lautstarken Protests hierher geschleppt. Paris brauchte sich nur eine Frau auszusuchen, dann brachte Aeron sie zu ihm und sorgte dafür, dass die beiden ungestört Sex haben konnten. Allerdings traf Paris seine Wahl jede Nacht später. Immer später.

Aeron hatte das Gefühl, dass er und Paris diesmal bis zum Morgengrauen hier sitzen würden.

Hätte Paris es ihm gleichgetan und die schwachen Menschen gemieden, würde er sich jetzt nicht so verzweifelt nach etwas sehnen, das er nicht haben konnte. Er würde sich nicht nach etwas verzehren, das ihm für alle Ewigkeit verwehrt bleiben würde.

Aeron seufzte. „Paris“, begann er. Dann hielt er inne. Wie sollte er weitermachen? „Deine Trauer muss endlich ein Ende haben.“ Gut. Direkt zum Punkt kommen, so wie er es am liebsten hatte. „Sie schwächt dich.“

Paris fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. „Als ob ausgerechnet du mir etwas über Schwäche beibringen könntest! Wie oft bist du Zorn schon erlegen? Unzählige Male. Und für wie viele dieser unzähligen Momente kannst du den Göttern die Schuld geben? Für exakt einen. Wenn der Dämon von dir Besitz ergreift, verlierst du die Kontrolle über dein Handeln. Also sorg dafür, dass du nicht auch noch Heuchelei auf die Liste deiner Sünden setzen musst, okay?“

Er widersprach nicht. Traurigerweise war Paris’ Behauptung unwiderlegbar richtig. Manchmal übernahm der Dämon die Kontrolle über Aerons Körper, flog mit ihm durch die Stadt, fiel jeden an, der in Reichweite war, und weidete sich an dem Schrecken seiner Opfer. Währenddessen wusste Aeron jedes Mal genau, was er tat, jedoch ohne in der Lage zu sein, das Massaker zu beenden.

Nicht, dass er das Massaker immer beenden wollte. Einige verdienten auch, was sie bekamen.

Aber er verabscheute es, die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren und sich zu fühlen, als wäre er nur noch eine Marionette. Oder ein Bär, der auf Befehl tanzte. Wenn er auf dieses Stadium reduziert wurde, hasste er seinen Dämon – allerdings nicht so sehr wie sich selbst. Denn neben Hass verspürte er auch Stolz. Auf Zorn. Aeron die Kontrolle zu entreißen erforderte Macht, und jegliche Macht verdiente Anerkennung.

Dennoch. Diese Hassliebe belastete ihn.

„Es war vielleicht nicht deine Absicht, aber du hast meinen Standpunkt gerade bestätigt“, sagte er und nahm die Unterhaltung wieder auf. „Aus Schwäche resultiert Zerstörung. Ausnahmslos.“ In Paris’ Fall war Trauer nur ein anderer Ausdruck für Ablenkung. Und Ablenkung konnte tödlich enden.

„Was hat das mit mir zu tun? Was hat das mit den Menschen da unten zu tun?“, wollte Paris wissen.

Zeit für den Blick aufs Ganze. „Diese Menschen. Sie altern und verfallen in Windeseile.“

„Und?“

„Lass mich ausreden. Wenn du dich in eine von ihnen verliebst, hast du sie vielleicht für den Großteil eines Jahrhunderts. Aber auch nur, wenn sie von Krankheiten oder Unfällen verschont bleibt. Doch in diesem Jahrhundert wirst du ihr beim Altern und schließlich beim Sterben zusehen. Und währenddessen weißt du immer, dass eine Ewigkeit ohne sie auf dich wartet.“

„Alter Pessimist.“ Das war nicht die Reaktion, mit der Aeron gerechnet hatte. „Für dich ist es ein Jahrhundert, das man damit verbringt, etwas zu verlieren, das man nicht beschützen kann. Ich betrachte es als ein Jahrhundert, in dem man mit einem großen Geschenk gesegnet wird. Mit einem Geschenk, das dir in der Ewigkeit helfen wird.“

Helfen? Absurd. Wenn man etwas Kostbares verlor, wurde das Gedenken daran zu einer quälenden Erinnerung an das, was man nie wieder haben konnte. Zusammen mit den Problemen, die man ohnehin schon hatte, würde dieses Gedenken einen ablenken – im Gegensatz zu Paris beschönigte er es nicht – und eben nicht stärken.

Der Beweis lag für Aeron auf der Hand. Denn genauso erging es ihm mit Baden, der der Hüter von Misstrauen und einst sein bester Freund gewesen war. Vor langer Zeit hatte er den Mann verloren, den er mehr geliebt hatte, als er einen Blutsbruder hätte lieben können. Und wenn er jetzt allein war, musste Aeron jedes Mal an Baden denken und fragte sich, was wäre, wenn.

Das wollte er Paris ersparen.

Vergiss den Blick aufs Ganze. Zeit für noch etwas mehr Gnadenlosigkeit. „Wenn du so gut darin bist, Verluste zu verkraften, warum trauerst du Sienna dann immer noch nach?“

Ein Mondstrahl fiel auf Paris’ Gesicht, und Aeron sah, dass seine Augen glasig waren. Offenbar hatte er getrunken. Mal wieder. „Ich wurde meines Jahrhunderts mit ihr beraubt. Wir hatten nur ein paar Tage zusammen.“ Monotoner Tonfall.

Hör jetzt nicht auf. „Und wenn du vor ihrem Tod hundert Jahre mit ihr gehabt hättest, könntest du jetzt deinen Frieden damit schließen?“

Schweigen.

Das hatte er auch nicht gedacht.

„Schluss jetzt!“ Paris rammte seine Faust auf das Dach, und das gesamte Gebäude bebte. „Ich will nicht mehr darüber sprechen.“

Zu schade. „Verlust ist Verlust. Schwäche ist Schwäche. Wenn wir uns nicht gestatten, uns an die Menschen zu binden, ist uns auch egal, wenn sie von uns gehen. Wenn wir unsere Herzen stählen, werden wir uns nicht nach dem sehnen, was wir nicht haben können. Das haben unsere Dämonen uns doch sehr anschaulich vorgemacht.“

Aerons und Paris’ Dämonen hatten einst in der Hölle gelebt und sich nach Freiheit gesehnt, weshalb sie sich ihren Weg nach draußen erkämpft hatten. Nur hatten sie damit am Ende ein Gefängnis gegen ein anderes eingetauscht, und das zweite war weitaus schlimmer gewesen als das erste.

Statt Schwefel und Flammen ertragen zu müssen, waren sie tausend Jahre lang in der Büchse der Pandora gefangen gewesen. Tausend Jahre der Dunkelheit, der Trostlosigkeit und des Schmerzes. Man hatte ihnen weder Eigenständigkeit gewährt noch Hoffnung auf Besserung geschenkt.

Wären diese Dämonen stärker gewesen und hätten sie sich nicht nach dem Verbotenen gesehnt, dann wären sie auch nicht eingefangen worden.

Hätte Aeron einen stärkeren Willen gehabt, hätte er später nicht dabei geholfen, die Büchse zu öffnen. Dann wäre er nicht dazu verflucht worden, das Böse, das er befreit hatte, in seinem Körper zu beherbergen. Dann wäre er nicht aus dem Himmel verbannt worden, aus dem einzigen Zuhause, das er je gekannt hatte, um den Rest der Ewigkeit in dieser chaotischen Welt zu verbringen, in der rein gar nichts blieb, wie es war.

Dann hätte er Baden nicht im Krieg gegen die Jäger verloren – verachtenswerte Sterbliche, die die Herren hassten und für alles Übel der Welt verantwortlich machten. Ein Freund war vor Kurzem an Krebs verstorben? Daran waren natürlich die Herren schuld. Ein junges Mädchen hatte gerade erfahren, dass es schwanger war? Da hatten eindeutig die Herren wieder zugeschlagen.

Wäre Aeron stärker gewesen, hätte er sich nicht noch einmal in diesen Krieg gestürzt, in dem er kämpfen und töten musste. Immerzu töten.

„Hast du dich je nach einer Sterblichen gesehnt?“, fragte Paris und riss ihn damit aus seinen düsteren Gedanken. „Sexuell, meine ich?“

Aeron entfuhr ein leises Lachen. „Du meinst, ob ich an einem Tag eine Frau in mein Leben gelassen habe, um sie am nächsten wieder zu verlieren? Nein.“ So dumm war er nicht.

„Wer sagt, dass du sie verlieren musst?“ Paris zog eine Flasche aus der Innentasche seiner Lederjacke und trank einen großen Schluck.

Schon wieder Alkohol? Offensichtlich hatten seine aufmunternden Worte seinem Freund kein bisschen gutgetan.

Paris schluckte und fügte hinzu: „Maddox hat Ashlyn, Luden hat Anya, Reyes hat Danika, und jetzt hat Sabin Gwen. Sogar Gwens Schwester, Bianka die Schreckliche, hat einen Lover. Einen Engel, mit dem ich Öl-Catchen musste, aber egal. Das ist eine andere Geschichte.“

Öl-Catchen? Ja. Lieber nicht ins Detail gehen. „Ja, sie haben einander, aber jede der Frauen verfügt über eine Fähigkeit, die sie von den anderen ihrer Art abhebt. Sie sind mehr als nur Menschen.“ Doch das hieß nicht, dass sie ewig lebten. Sogar Unsterbliche konnten getötet werden. Aeron wusste das mit Gewissheit. Denn er war derjenige gewesen, der Badens Kopf aufgesammelt hatte – ohne den Körper des Kriegers. Er war derjenige gewesen, der als Erster seinen auf ewig erstarrten Ausdruck des Schreckens gesehen hatte.

„Wie heißt also die Lösung? Finde eine Frau mit einer Fähigkeit, durch die sie sich von den anderen abhebt“, erwiderte Paris trocken.

Als ob das so einfach wäre. Außerdem ... „Ich habe Legion, und mehr kann ich im Augenblick auch gar nicht bewältigen.“ Er rief sich die kleine Dämonin ins Gedächtnis, die wie eine Tochter für ihn war, und lächelte. Wenn er stand, reichte sie ihm nur bis zur Taille. Sie hatte grüne Schuppen, zwei winzige Hörner, die mitten auf ihrem Kopf emporragten, und scharfe Giftzähne. Diademe waren ihr Lieblings-Accessoire, und Lebendfleisch war ihre Leibspeise.

Ersteres gönnte er ihr von Herzen, und an Letzterem arbeiteten sie gerade.

Aeron war ihr in der Hölle begegnet. Na ja, zumindest so dicht an der brodelnden Grube, wie ein Mann herankam, ohne in den Flammen zu vergehen. Er war gewissermaßen nebenan angekettet gewesen, trunken vor Blutlust und entschlossen, selbst seine Freunde abzuschlachten, als Legion sich ihren Weg zu ihm gebahnt und ihre Gegenwart irgendwie seinen Verstand geklärt hatte. Sie hatte ihm die Stärke verliehen, die er so schätzte. Sie hatte ihm geholfen zu fliehen, und seitdem waren sie zusammen.

Außer jetzt. Sein geliebtes kleines Mädchen war in die Hölle zurückgekehrt, an einen Ort, den sie verachtete. Und das alles, weil irgend so ein unsichtbarer Engel, der sich im Schatten versteckt hielt und auf irgendetwas wartete, Aeron beobachtete. Worauf er wartete, wusste Aeron nicht. Er war jedoch sicher, dass der intensive Blick in diesem Moment zwar nicht auf ihm ruhte, wohl aber wiederkommen würde. Das tat er immer. Und Legion konnte es nicht leiden.

Er lehnte sich zurück und blickte in den Nachthimmel. Die Sterne waren heute so klar wie Diamanten auf schwarzem Satin. Manchmal, wenn er sich nach der Illusion von Einsamkeit sehnte, flog er so hoch, wie seine Flügel ihn trugen, um sich dann schnell und sicher fallen zu lassen und sich erst Sekunden vor dem Aufprall wieder zu fangen.

Als Paris noch einen Schluck aus seiner Flasche trank, stieg sanft und süß wie der Atem eines Babys der Duft von Ambrosia in die Luft. Aeron schüttelte den Kopf. Ambrosia war die Lieblingsdroge seines Freundes, das Einzige, was den Kopf und den Körper von Männern wie ihnen betäuben konnte. Doch allmählich geriet Paris’ Konsum außer Kontrolle, was den einst wilden Krieger nachlässig machte.

Da Galen, der Anführer der Jäger und ebenfalls ein dämonbesessener Krieger, durch die Straßen zog, musste sein Freund unbedingt bei klarem Verstand sein. Kalkulierte man dann noch den unsichtbaren Engel mit ein, hieß das sogar, dass Paris in Bestform sein musste. Denn wie Aeron kürzlich erfahren hatte, waren Engel Dämonenmörder.

Ob sein Engel ihn auch töten wollte? Er war sich nicht sicher, und Biankas Gemahl Lysander wollte es ihm nicht verraten. Aber wahrscheinlich spielte es keine Rolle. Aeron hatte vor, den Feigling – egal ob männlich oder weiblich – auseinanderzunehmen, sobald dieser endlich die Eier hatte, sich zu erkennen zu geben.

Niemand trennte ihn ungestraft von Legion. Genau in diesem Moment erlitt sie womöglich Schmerzen – seelische oder körperliche. Bei dem Gedanken daran verkrampften sich Aerons Hände so stark, dass beinah seine Knochen brachen. Die Brüder seines kleinen Lieblings hatten es sich zum Hobby gemacht, Legion wegen ihrer Freundlichkeit und ihres Mitgefühls zu verspotten. Außerdem machte es ihnen Spaß, sie zu jagen. Und nur die Götter wussten, was sie ihr antun würden, wenn sie sie tatsächlich erwischten.

„Sosehr du Legion auch liebst“, begann Paris, und wieder riss er Aeron aus dem tiefen Sumpf seiner Gedanken. Paris warf einen Stein auf das gegenüberliegende Gebäude, bevor er die Flasche ansetzte und den letzten Schluck trank. „Sie kann nicht all deine Bedürfnisse erfüllen.“

Er meinte Sex. Konnten sie dieses Thema nicht endlich und ein für alle Mal ausklammern? Aeron seufzte. Er war seit Jahren nicht mehr mit einer Frau im Bett gewesen, vielleicht sogar seit Jahrhunderten. Sie waren die Anstrengung einfach nicht wert. Wegen Zorn war sein Verlangen, ihnen wehzutun, schnell stärker als sein Verlangen, sie glücklich zu machen. Mehr noch: So tätowiert und kriegerisch, wie Aeron war, musste er für jedes bisschen Zuneigung, das er bekam, hart arbeiten. Frauen hatten Angst vor ihm – und das zu Recht. Sie für ihn zu öffnen erforderte Zeit und Geduld, beides fehlte ihm. Außerdem gab es Tausende andere, wichtigere Dinge, die er tun konnte. Zum Beispiel trainieren, sein Heim bewachen, seine Freunde beschützen. Und sich in Nachsicht für Legions Marotten üben.

„Solche Bedürfnisse habe ich nicht.“ Das stimmte größtenteils sogar. Er war so diszipliniert, dass er sich der Lust kaum hingab. Und wenn doch, dann nur allein. „Ich habe alles, was ich mir wünsche. Aber sag mal: Sind wir eigentlich hergekommen, um über unsere Gefühle zu quatschen oder um eine Frau für dich zu suchen?“

Mit einem wütenden Schrei warf Paris die leere Flasche in demselben Bogen wie vor wenigen Augenblicken den Stein hinüber. Sie zerschellte an der Außenfassade des Gebäudes, Staubwolken und kleine Steinbrocken wirbelten durch die Luft. „Eines Tages wird dich jemand faszinieren, dich anziehen und verführen, und du wirst dich mit jeder Faser deines Körpers nach ihr sehnen. Ich hoffe, sie macht dich wahnsinnig. Ich hoffe, dass sie dich – zumindest eine Zeit lang – zurückweist und du um sie kämpfen musst. Vielleicht verstehst du dann ansatzweise meinen Schmerz.“

„Wenn ich mich damit für das revanchieren kann, was du für mich getan hast, werde ich so ein Schicksal liebend gern erdulden. Ich werde die Götter auf Knien darum bitten.“ Aeron konnte sich nicht vorstellen, jemals eine Frau – unsterblich oder Mensch – so sehr zu begehren, dass es sein Leben zerstörte. Er war anders als die anderen Krieger, die permanent nach Gesellschaft suchten. Er war einfach am glücklichsten, wenn er allein war. Oder vielmehr, wenn er mit Legion allein war. Außerdem war er viel zu stolz, als dass er jemandem nachlaufen würde, der seine Gefühle nicht erwiderte.

Aber er hatte gemeint, was er gesagt hatte. Für Paris würde er alles ertragen. „Hast du das gehört, Cronus?“, rief er in den Himmel. „Schick mir eine Frau! Eine, die mich quälen wird. Eine, die mich zurückweisen wird!“

„Alter Angeber.“ Paris lachte in sich hinein. „Was, wenn er dir wirklich diese unerreichbare Frau schickt?“

Götter! Wie sehr er sich über das Lachen freute! Endlich schimmerte der alte Paris wieder durch. „Das bezweifle ich.“

Cronus wollte, dass sich die Krieger darauf konzentrierten, Galen zu besiegen. Davon war er regelrecht besessen, seit Danika vorausgesagt hatte, dass der Götterkönig durch Galens Hand sterben würde.

Als Allsehendes Auge machte Danika stets korrekte Vorhersagen. Auch wenn sie unerfreulich waren. Doch es gab einen Silberstreif am Horizont: Mithilfe dieser Vorhersagen konnte man das Schicksal abwenden. Zumindest theoretisch.

„Aber was wäre, wenn?“, fragte Paris noch einmal, als Aeron zu lange schwieg.

„Wenn Cronus auf meine Bitte reagiert, werde ich die wilde Fahrt genießen“, erwiderte Aeron grinsend. „Aber jetzt genug von mir. Lass uns tun, wofür wir hergekommen sind.“ Er setzte sich auf, blickte auf die Straße hinab und musterte die sich immer stärker lichtende Menschenmenge.

Um weder die alten Straßen noch die Fahrzeuge zu beschädigen, war es in diesem Stadtteil verboten, mit dem Auto zu fahren. Alle mussten zu Fuß gehen. Und genau aus diesem Grund hatte Aeron diesen Ort ausgewählt. Denn eine Frau aus einem fahrenden Wagen zu zerren gehörte nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. So brauchte Paris nur seine Wahl zu treffen, und schon würde Aeron seine Flügel ausbreiten und den Krieger hinunterfliegen. Einen Blick ins Gesicht des wunderschönen Kriegers mit den blauen Augen, und die Frau seiner Wahl würden stehen bleiben und nach Atem ringen. Manchmal brauchte es nur ein Lächeln, um sie dazu zu bringen, sich auf der Stelle auszuziehen – mitten in der Gasse, wo alle, die dort herumlungerten, zusehen konnten.

„Du wirst keine finden“, meinte Paris. „Ich habe sie mir schon angesehen.“

„Was ist denn mit ... der da?“ Er zeigte auf eine spärlich bekleidete Blondine.

„Nein.“ Kein Zögern. „Zu ... gewollt.“

Jetzt geht das wieder los, dachte er genervt, zeigte aber einfach auf eine andere. „Und die?“ Diese Frau war groß, hatte perfekte Kurven und kurzes rotes Haar. Außerdem war sie konservativ gekleidet.

„Nein. Zu unweiblich.“

„Was soll das denn heißen, zum Teufel?“

„Dass ich sie nicht will. Nächste bitte.“

In der folgenden Stunde zeigte Aeron auf unzählige potenzielle Betthäschen, und Paris lehnte sie aus diversen – lächerlichen – Gründen ab. Zu unverdorben, zu verbraucht, zu braun, zu blass. Die einzige Begründung, die tatsächlich zählte, war: „Die hatte ich schon mal“. Und angesichts der Anzahl Frauen, mit denen Paris schon geschlafen hatte, hörte Aeron diesen Satz recht häufig.

„Irgendwann musst du dir eine aussuchen. Warum ersparst du uns beiden dieses Theater nicht einfach, schließt die Augen und zeigst in die Menge? Wen auch immer du auswählst, sie wird unsere Siegerin sein.“

„Das Spiel habe ich schon mal gespielt. Das Ende vom Lied war ...“ Paris erschauerte. „Egal. Den Gedanken sollte ich am besten erst gar nicht zu Ende denken. Also nein. Einfach nur nein.“

„Was ist mit ...“ Er konnte den Satz nicht beenden, als die Frau, die er ins Auge gefasst hatte, plötzlich im Schatten verschwand. Sie war nicht einfach aus seinem Blickfeld verschwunden, so wie es natürlich war. Normal. Sie hatte sich einfach aufgelöst! Eben noch da, jetzt verschwunden! Und die Schatten zerrten irgendwie an ihr, wie mühsam im Zaum gehalten.

Aeron sprang auf, seine Flügel fuhren sofort aus den Schlitzen auf seinem Rücken und entfalteten sich. „Wir haben ein Problem.“

„Was ist los?“ Auch Paris sprang auf. Obwohl er wegen der Ambrosia leicht taumelte, war er immer noch ein Krieger. Er zog seinen Dolch.

„Die dunkelhaarige Frau. Hast du sie gesehen?“

„Welche?“

Das beantwortete Aerons Frage: Paris hatte sie nicht gesehen. Sonst hätte er nicht nachzufragen brauchen.

„Komm.“ Aeron schlang die Arme um die Taille seines Freundes und sprang von dem Dach. Der Wind stob durch Paris’ mehrfarbige Locken und trieb ihm einige Strähnen ins Gesicht, während sie dem Boden näher kamen ... immer näher ... „Halt nach einer Frau mit schulterlangem schwarzen Haar Ausschau, dünn, ungefähr eins sechzig groß, Anfang zwanzig, schwarze Kleidung. Höchstwahrscheinlich ist sie mehr als ein Mensch.“

„Töten?“

„Einfangen. Ich will ihr ein paar Fragen stellen.“ Zum Beispiel wollte er wissen, wie sie einfach so verschwinden konnte. Er würde sie fragen, warum sie hier war. Und für wen sie arbeitete.

Unsterbliche hatten immer einen Auftrag.

Kurz bevor sie auf dem Beton aufschlugen, tat Aeron einen Flügelschlag. Er verlangsamte das Tempo gerade so, dass es nur eine sanfte Erschütterung gab und er aufrecht landen konnte. Er ließ seinen Passagier frei, und sogleich liefen sie in verschiedene Richtungen los. Nach vielen Tausend Jahren des gemeinsamen Kampfes wussten sie, auch ohne es vorher zu besprechen, wie sie taktisch vorgehen mussten.

Als Aeron die Gasse zu seiner Linken hinunterspurtete, in dieselbe Richtung, in die auch die Frau gegangen war, versteckte er seine Flügel wieder. Er sah mehrere Leute – ein Händchen haltendes Paar, einen obdachlosen Mann, der eine Flasche Whiskey leerte, einen Mann, der mit seinem Hund spazieren ging –, aber keine dunkelhaarige Frau. Dann erreichte er eine Steinmauer und wirbelte herum. Verdammt. War sie wie Lucien? Konnte sie sich allein durch die Kraft ihrer Gedanken an einen anderen Ort bewegen?

Mit finsterem Blick setzte er sich wieder in Bewegung. Falls nötig, würde er jede Gasse in der Gegend absuchen. Nur dass die Schatten um ihn herum in der Mitte dieser Gasse plötzlich dunkler waren, sie zehrten regelrecht von ihm, erstickten den goldenen Glanz der Straßenlampen. Es war, als sickerten Abertausende stumme Schreie aus der Finsternis. Angsterfüllte Schreie. Gequälte Schreie.

Er blieb stehen, damit er nicht in irgendetwas – oder irgendjemanden – hineinlief, und zog zwei Messer. Was, zum Teufel, war ...

Eine Frau – die Frau – trat nur wenige Meter vor ihm aus den Schatten. Sie war das einzige Licht in der tiefen Dunkelheit, die sich so plötzlich gesenkt hatte. Ihre Augen waren genauso schwarz wie die Düsternis um sie herum, ihre Lippen rot und feucht wie Blut. Sie war auf eine barbarische Weise hübsch.

Zorn fauchte in seinem Kopf.

Einen Moment lang fürchtete Aeron, Cronus hätte ihn tatsächlich gehört und ihm eine Frau geschickt, die ihn quälen sollte. Doch als er sie ansah, spürte er weder Hitze in seinen Adern, noch begann sein Herz zu hämmern, so wie es angeblich bei den anderen Herren der Fall gewesen war, als sie ihre Frau gefunden hatten; die Frau, die sie einfach hatten haben müssen. Diese Frau war für Aeron wie jede andere: leicht zu vergessen.

„Sieh an, sieh an. Ich bin ja vielleicht ein Glückspilz. Du bist einer von ihnen, einer der Herren der Unterwelt. Und du bist zu mir gekommen“, sagte sie mit rauchiger Stimme. „Ich brauchte dich nicht einmal darum zu bitten.“

„Ich bin ein Herr, ja.“ Es gab keinen Grund, das zu leugnen. Die Stadtbewohner erkannten ihn und die anderen auf den ersten Blick. Einige hielten sie sogar für Engel. Auch die Jäger erkannten sie auf den ersten Blick, bezeichneten sie allerdings viel zu schnell als Dämonen. So oder so – diese Information konnte wohl kaum gegen ihn verwendet werden. „Und ich bin gekommen, um dich zu suchen.“

Auf seine unumwundene Bestätigung reagierte sie mit einem überraschten Gesichtsausdruck. „Das ist natürlich eine große Ehre. Warum hast du mich denn gesucht?“

„Ich möchte wissen, wer du bist.“ Die bessere Frage wäre wohl gewesen, was sie war.

„Vielleicht bin ich doch nicht so ein Glückspilz, wie ich dachte.“ Sie verzog die vollen roten Lippen zu einem Schmollmund und tat, als müsste sie sich eine Träne von der Wange wischen. „Wenn mich nicht einmal mein eigener Bruder erkennt.“

Okay, immerhin hatte er jetzt schon mal einen Teil der Antwort: Sie war eine Lügnerin. „Ich habe keine Schwester.“

Sie zog eine schwarze Augenbraue hoch. „Bist du dir da ganz sicher?“

„Ja.“ Er hatte weder Mutter noch Vater. Zeus, der König der griechischen Götter, hatte ihn einfach mit Worten zum Leben erweckt. Genauso wie die anderen Herren.

„Sturkopf. Tz.“ Ihr Tz-Laut erinnerte ihn an Paris. „Ich hätte wissen müssen, dass wir uns so ähnlich sind. Egal. Es ist so schön, endlich mal einen von euch allein zu erwischen. Wen habe ich denn erwischt? Raserei? Narzissmus? Ich habe recht, nicht wahr? Gib’s zu, du bist Narzissmusl Deshalb hast du dir auch von Kopf bis Fuß dein eigenes Gesicht eintätowieren lassen. Hübsch. Darf ich dich Narzisschen nennen?“

Raserei? Narzissmus? Keiner seiner Brüder trug diese Dämonen in sich. Zweifel, Krankheit, Elend und noch viele andere, ja, aber diese nicht. Er schüttelte den Kopf. Doch dann fiel ihm ein, dass sich irgendwo da draußen in der Tat noch andere dämonenbesessene Unsterbliche herumtrieben. Unsterbliche, denen er nie begegnet war. Unsterbliche, die er finden sollte.

Da er und seine Freunde diejenigen waren, die die Büchse der Pandora geöffnet hatten, hatten sie immer angenommen, dass nur sie dazu verflucht worden waren, einen bösen Geist in sich zu tragen. Doch vor Kurzem hatte Cronus diese Annahme korrigiert und den Herren zwei Schriftrollen überreicht, auf denen die Namen anderer standen, die ihr Schicksal teilten. Offenbar hatte es mehr Dämonen gegeben als Krieger, und als die Griechen – die Götter, die damals an der Macht gewesen waren – die Büchse nirgendwo finden konnten, hatten sie die verbliebenen Dämonen in die unsterblichen Gefangenen im Tartarus verbannt.

Diese Entdeckung verhieß nicht gerade Gutes für die Herren. Als ehemalige Elitekrieger von Zeus hatten sie viele dieser Gefangenen eingesperrt – und Kriminelle lebten oft nur um der Rache willen. Das hatte Zorn ihn gründlich gelehrt.

„Hallo?“, fragte die Frau drängend. „Jemand zu Hause?“

Er blinzelte sie an und fluchte im Stillen. Er hatte sich in der Gegenwart eines möglichen Feindes ablenken lassen. Idiot. „Wer ich bin, hat dich nicht zu interessieren.“ Das war eine Information, die man gegen ihn verwenden konnte. Vor allem, da Zorn sich in letzter Zeit so leicht provozieren ließ, dass die harmlosesten Aussagen ihn – und somit auch Aeron – in jene mörderische Laune versetzten, die eine große Gefahr für diese Stadt und ihre Bewohner war.

Die Schuld dafür gab er dem Stalker-Engel.

Nur konnte er dem Engel natürlich nicht die Schuld dafür geben, wenn Zorn vor lauter Ungeduld, endlich jemanden verletzen zu dürfen, in seinem Kopf zu knurren anfing und von innen gegen seinen Schädel schlug. Die außergewöhnlichste Fähigkeit des Dämons bestand seit jeher darin, die Sünden eines jeden zu spüren, der in seiner Nähe war. Und wie er feststellen musste, waren die Sünden dieser Frau gewaltig.

„Ich werte deinen finsteren Gesichtsausdruck mal als Nein. Du bist nicht mein Narzisschen, und es ist auch niemand zu Hause.“

„Hör auf ... zu reden ...“ Er fasste sich an die Schläfen, und die Klingen in seiner Hand drückten sich kühl gegen seine Haut, als er versuchte, den bevorstehenden mentalen Beschuss abzuwehren. Es wäre nur eine weitere nutzlose Ablenkung, die er sich nicht leisten konnte. Und dennoch zogen Bilder von ihren unzähligen Sünden durch seinen Kopf, so wie Hunderte Filme, die alle gleichzeitig abliefen. Erst kürzlich hatte sie einen Mann gefoltert, hatte ihn an einen Stuhl gekettet und angezündet. Vorher hatte sie eine Frau ausgeweidet. Sie hatte betrogen und gestohlen. Ein Kind aus seinem Zuhause entführt. Hatte einen Mann in ihr Bett gelockt und ihm die Kehle durchgeschnitten. Gewalt ... so viel Gewalt ... so viel Schrecken und Schmerz und Dunkelheit. Er konnte die Schreie ihrer Opfer hören, konnte verbranntes Fleisch riechen und Blut schmecken.

Vielleicht hatte sie gute Gründe für ihre Verbrechen gehabt. Vielleicht auch nicht. So oder so, Zorn wollte sie bestrafen, indem er sie die eigenen Gräueltaten spüren ließ. Zuerst würde er sie anketten, dann ausweiden, ihr dann die Kehle durchschneiden und sie zuletzt anzünden.

So funktionierte Aerons Dämon. Er schlug Schläger, ermordete Mörder und alles, was dazwischen lag. Auf Zorns Drängen hin hatte Aeron all diese Dinge getan. Und zwar schon häufig. Jetzt spannte er jeden Muskel in seinem Körper an, um an Ort und Stelle zu bleiben. Ruhig. Verlier nicht die Kontrolle. Und auch nicht den Verstand. Aber Götter – der Drang zu bestrafen war so stark ... ein Verlangen, das er mehr genoss, als gut für ihn war. Wie immer.

„Warum bist du hier in Budapest, Frau?“ Gut. Das war gut. Langsam ließ er die Arme sinken.

„Wow“, erwiderte sie, ohne auf seine Frage einzugehen. „Das war ja mal eine beeindruckende Darstellung von Selbstbeherrschung.“

Hatte sie gewusst, dass sein Dämon sie verletzen wollte?

„Lass mich raten.“ Sie tippte sich mit dem Fingernagel gegen das Kinn. „Narzissmus bist du nicht, also musst du ... Chauvinismus sein. Wieder richtig, stimmt’s? Du denkst, ein hübsches kleines Ding wie ich kann nicht mit der Wahrheit umgehen. Falsch. Aber egal. Behalt deine Geheimnisse ruhig für dich! Du wirst noch früh genug sehen, was du davon hast.“

„Drohst du mir etwa, Frau?“

Wieder ignorierte sie ihn. „Man erzählt sich, dass Cronus euch Schriftrollen gegeben hat und dass ihr vorhabt, uns mit ihrer Hilfe zu finden. Um uns zu benutzen. Vielleicht sogar, um uns zu töten.“

Aeron drehte sich der Magen um. Erstens wusste sie von den Schriftrollen, während er und seine Freunde eben erst von ihrer Existenz erfahren hatten. Zweitens wusste sie, dass sie auf dieser Liste stand. Was bedeutete, dass diese Frau tatsächlich eine Unsterbliche war – und eine Kriminelle. Und wenn man ihr glauben konnte, war sie auch von einem Dämon besessen.

Aeron kannte sie nicht, was hieß, dass er und seine Freunde sie nicht eingesperrt hatten. Also stammte sie von vor ihrer Zeit im Himmel. Und das wiederum hieß, dass sie eine Titanin war und somit eine noch größere Bedrohung darstellte, denn die Titanen waren weitaus grausamer als alle anderen.

Schlimmer noch: Die jetzt freien Titanen trugen momentan die Verantwortung. Womöglich hatte sie also göttliche Hilfe.

„Welchen Dämon trägst du in dir?“, wollte er wissen.

Sie schenkte ihm ein böses Grinsen. Augenscheinlich amüsierte sein schroffer Ton sie. „Du hast mir diese Information verweigert. Warum also sollte ich irgendetwas von mir verraten?“

Nervtötendes Weib. „Du hast uns gesagt.“ Er schaute über ihre Schulter und rechnete schon fast damit, dass jemand einen Satz nach vorn machte und ihn angriff. Alles, was er sah, war Dunkelheit – und alles, was er hörte, waren noch mehr dieser stummen Schreie. „Wo sind diese anderen?“

„Hölle, wenn ich das nur wüsste!“ Sie breitete die Arme aus und zeigte ihm ihre leeren Hände, als wäre sie davon überzeugt, dass er keine Waffe einsetzen würde. „Ich bin allein, so wie immer, und genauso mag ich es.“

Vermutlich noch eine Lüge. Welche Frau würde sich schon ohne Rückendeckung einem furchterregenden Herrn der Unterwelt nähern? Er blieb wachsam, als er ihr in die Augen sah. „Falls du hier bist, um einen Krieg gegen uns anzuzetteln, solltest du wissen, dass ...“

„Krieg?“ Sie lachte. „Wenn ich euch genauso gut umbringen könnte, während ihr schlaft? Nein, ich bin nur hier, um euch eine Warnung zu überbringen. Pfeift eure Hunde zurück, oder ich fege euch von dieser Welt! Denn wenn irgendjemand dazu in der Lage ist, dann ich.“

Nach allem, was er in Gedanken gesehen hatte, glaubte er ihr aufs Wort. Sie war ein Phantom, das ohne Vorwarnung in der Dunkelheit angriff. Ohne Zweifel gab es kein Verbrechen, das ihr zu widerwärtig war. Was jedoch nicht bedeutete, dass er ihre Forderungen erfüllen würde. „Du hältst dich vielleicht für mächtig, aber du kannst uns nicht alle besiegen. Deshalb werden wir dir mit einem Krieg antworten, wenn du weiterhin solche Warnungen aussprichst.“

„Wie du meinst, Krieger. Ich habe gesagt, was ich sagen wollte. Bete lieber, dass du mich heute zum letzten Mal gesehen hast.“ Wieder verdichteten sich die Schatten, umschlossen und verschluckten sie, ohne die kleinste Spur zu hinterlassen.

Dann hörte Aeron plötzlich ihre Stimme direkt an seinem Ohr: „Ach ja, eine Sache noch: Das war mein Höflichkeitsbesuch. Beim nächsten Mal werde ich nicht so nett sein.“

Im nächsten Moment nahm er schlagartig wieder die Umgebung wahr: die Häuser links und rechts, die Mülltüten, die den Betonboden übersäten, den betrunkenen Mann, der jetzt bewusstlos war. Endlich beruhigte Zorn sich.

Aeron blieb in Alarmbereitschaft. Mit Blicken suchte er die Umgebung ab, sein Körper war bereit zum Angriff. Aeron lauschte, hörte jedoch nur seine eigenen Atemzüge, die entfernten Schritte von Menschen und das Lied der Nachtvögel.

Wieder einmal breitete er seine Flügel aus und schoss gen Himmel. Er wollte nur noch Paris finden und dann so schnell wie möglich mit ihm in die Burg zurückfliegen. Er musste die anderen Herren benachrichtigen. Wer auch immer diese blutdurstige Frau war und was auch immer sie sonst noch tun konnte, sie mussten sich um sie kümmern. Und zwar schnell.

2. KAPITEL

Aeron! Aeron!“

Aerons gestiefelte Füße landeten gerade auf dem Balkon, der in sein Schlafzimmer führte. Erschrocken von der unbekannten Frauenstimme, ließ er Paris los.

„Aeron!“

Als sich der verzweifelte Schrei zum dritten Mal in ihre Ohren bohrte, wirbelten er und Paris herum und starrten auf den unter ihnen liegenden Hügel. Üppige Bäume ragten in den Himmel und behinderten die Sicht, doch dort, inmitten des scheckigen Grüns und Brauns, erahnte Aeron eine in Weiß gehüllte Gestalt.

Eine Gestalt, die sich eilig ihrer Burg näherte.

„Das Schattenmädchen?“, fragte Paris. „Wie, zum Teufel, ist es so schnell an unserem Tor vorbeigekommen? Und das auch noch zu Fuß?“

Aeron hatte ihm auf dem Weg erzählt, was mit der Frau in der Gasse geschehen war. „Das ist sie nicht.“ Diese Stimme war höher, voller und weit weniger selbstsicher. „Das mit dem Tor ... Keine Ahnung.“

Vor Wochen, nachdem er und Paris sich von den Verletzungen erholt hatten, die ihnen von den Jägern zugefügt worden waren, hatten sie rings um die Burg einen Eisenzaun errichtet. Das Gebilde war viereinhalb Meter hoch, mit Stacheldraht umwickelt und hatte Spitzen, die so scharf waren, dass sie schon bei der leisesten Berührung bis auf den Knochen schnitten. Außerdem floss genug Strom durch seine Streben, dass ein Mensch bei Kontakt sofort einen Herzstillstand erlitt. Niemand, der versuchte, darüberzusteigen, würde lange genug leben, um die andere Seite zu erreichen.

„Glaubst du, sie ist ein Köder?“ Paris neigte den Kopf und sah die Gestalt intensiver an. „Vielleicht ist sie aus einem Hubschrauber hier abgesetzt worden.“

Die Jäger waren bekannt dafür, hübsche Menschenfrauen zu benutzen, um die Herren anzulocken, abzulenken und sie dann gefangen zu nehmen und zu foltern. Diese schien ihren Kriterien genau zu entsprechen. Sie hatte langes schokoladenbraunes, wallendes Haar, wolkenblasse Haut und einen wohlgeformten, himmlischen Körper. Aeron konnte ihre Gesichtszüge zwar noch nicht erkennen, doch er war sicher, dass sie wunderschön war.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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